Freitag, 4. November 2011

Urteile aus Eilverfahren vom OVG gekippt

Stadt muss Wettbüros zulassen
Plettenberg. Auf eine Berufungsverhandlung „L. . ./. . . Stadt Plettenberg“ über die Versagung von Sportwetten warteten Zuhörer vor dem 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vergeblich.

Die Stadt Plettenberg hatte ihre Berufung kurzfristig zurückgezogen – man sah keine Chance mehr, den Prozess zu gewinnen.

Nach dem Glücksspiel-Staatsvertrag von 2007 gibt es einen Erlaubnisvorbehalt. Das heißt, es wird vor der Genehmigung für ein privates Wettbüro geprüft, ob der Betrieb erlaubnisfähig ist.

Das zuständige Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) warnt Kommunen per Erlass, solche Genehmigungen zu erteilen. weiterlesen
Der Zeitungsartikel wurde durch den Beschluß des VG Arnsberg vom 15.10.2010, (Az.: 1 L 700/10) bestätigt. Diese Auforderung zum Rechtsbruch, durch eine übergeordnete Behörde, ist ein eigenständiger Rechtsverstoß gegen höheres Recht! (vgl. Art. 10 EGV i.V. mit Art. 249 III EGV) s.u. mehr

vgl. Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 1331/11 Rn 33
Ausweislich des Erlasses legt das Innenministerium der Überprüfung von Werbemaßnahmen der WestLotto die für die Glücksspielanbieter verbindlichen Werberichtlinien der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder (aktueller Stand: 23. Mai 2011) zugrunde. Die Werberichtlinien werden allerdings den unions- und verfassungsrechtlichen Anforderungen an zulässige Glücksspielwerbung nicht gerecht, weil sie zum einen Imagewerbung für allgemein zulässig (unter 5.2.1.d) und zum anderen lediglich die "gezielte" Aufforderung, Anreizung oder Ermunterung zur Teilnahme am Glücksspiel für unzulässig (unter 5.2.2) erklären. Diese Bestimmungen stehen nicht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

zur Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts NRW

Beschluss des Oberverwaltungsgericht NRW, 4 B 1139/11 vom 27.10.2011 s.u.

Hierzu sei angemerkt, dass
nationale Regelungen, die - wie das in Frage stehende Sportwettenmonopol - die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Art. 43 und 49 EG) beschränken, nur unter Einhaltung aller, der vier Voraussetzungen zulässig wäre:
  1. Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden,
  2. sie müssten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen,
  3. sie müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und
  4. sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
vgl. dazu: EuGH vom 23.10.1997 - C-189/95 (Lexezius) - Rdnr. 42, Urteil vom 26.10.2006 - C-65/05 - Rdnr. 49 und Urteil vom 05.06.2007 - C-170/04 (Rosengren)-.

Wenn die Zahl der Wirtschaftsteilnehmer beschränkt wird mit dem Ziel, die Gelegenheit zum Glücksspiel zu vermindern, muss die Beschränkung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in jedem Fall dem Anliegen gerecht werden, die Gelegenheiten zum Spiel wirklich zu vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch zu begrenzen.
EuGH, Urteil vom 06.03.2007 - C-338/04, C-359/04 und C-360/04 (Plancanica u.a.) - Rdnr. 58.

Das Unionsrecht setzt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Strafrechts Schranken, denn Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet dürfen u. a. nicht die durch das Unionsrecht garantierten Grundfreiheiten beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Februar 1989, Cowan, 186/87, Slg. 1989, 195, Randnr. 19, und vom 19. Januar 1999, Calfa, C‑348/96, Slg. 1999, I‑11, Randnr. 17). Quelle: Dickinger Rn 31

Der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich kann nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen, wenn diese Regelung mit Art. 49 EG nicht vereinbar ist (Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, Slg. 2007, I‑1891, Randnrn. 63 und 69). Quelle: Dickinger Rn 43

Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung gemäß dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Organe in ihrem Verhältnis zum innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten zur Folge haben, dass allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts ohne Weiteres unanwendbar wird (vgl. u. a. Urteile Simmenthal, Randnr. 17, und vom 19. Juni 1990, Factortame u. a., C‑213/89, Slg. 1990, I‑2433, Randnr. 18).

Wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, müssen nämlich die unmittelbar geltenden Bestimmungen des Unionsrechts, die für alle von ihnen Betroffenen eine unmittelbare Quelle von Rechten und Pflichten sind, einerlei, ob es sich um die Mitgliedstaaten oder um solche Einzelnen handelt, die an dem Unionsrecht unterliegenden Rechtsverhältnissen beteiligt sind, ihre volle Wirkung einheitlich in sämtlichen Mitgliedstaaten vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an und während der gesamten Dauer ihrer Gültigkeit entfalten (vgl. in diesem Sinne Urteile Simmenthal, Randnrn. 14 und 15, und Factortame u. a., Randnr. 18).

Nach ständiger Rechtsprechung ist zudem jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 10 EG niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es den Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig, ob sie früher oder später als die Unionsnorm ergangen ist, unangewandt lässt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Simmenthal, Randnrn. 16 und 21, und Factortame u. a., Randnr. 19).

Demnach ist jede Bestimmung einer nationalen Rechtsordnung oder jede Gesetzgebungs‑, Verwaltungs‑ oder Gerichtspraxis, die dadurch zu einer Abschwächung der Wirksamkeit des Unionsrechts führen würde, dass dem für die Anwendung dieses Rechts zuständigen Gericht die Befugnis abgesprochen wird, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften beiseite zu lassen, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der unmittelbar geltenden Normen des Unionsrechts bilden, mit den in der Natur des Unionsrechts liegenden Erfordernissen unvereinbar (Urteile Simmenthal, Randnr. 22, und Factortame u. a., Randnr. 20).

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass dies insbesondere dann der Fall wäre, wenn bei einem Widerspruch zwischen einer unionsrechtlichen Bestimmung und einem späteren nationalen Gesetz die Lösung dieses Normenkonflikts einem über ein eigenes Ermessen verfügenden anderen Organ als dem Gericht, das für die Anwendung des Unionsrechts zu sorgen hat, vorbehalten wäre, selbst wenn das daraus resultierende Hindernis für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts nur vorübergehender Art wäre (Urteil Simmenthal, Randnr. 23).
Quelle: WinnerWetten Rn 53ff

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes nach ständiger Rechtsprechung ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, in den Art. 6 und 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist und auch in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt worden ist, und dass die Gerichte der Mitgliedstaaten insoweit in Anwendung des in Art. 10 EG niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit den Schutz der Rechte zu gewährleisten haben, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen (Urteil vom 13. März 2007, Unibet, C‑432/05, Slg. 2007, I‑2271, Randnrn. 37 und 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Quelle: WinnerWetten Rn 58

Es kann nämlich nicht zugelassen werden, dass Vorschriften des nationalen Rechts, auch wenn sie Verfassungsrang haben, die einheitliche Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 1970, Internationale Handelsgesellschaft, 11/70, Slg. 1970, 1125, Randnr. 3). Quelle: WinnerWetten Rn 61

Oberverwaltungsgericht NRW, 4 B 1139/11

Datum: 27.10.2011
Gericht: Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper: 4. Senat
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 4 B 1139/11
Tenor:

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Münster vom 16. April 2008 – 9 L 99/08 – und des beschließenden Senats vom 25. Februar 2009 - 4 B 681/08 - werden geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 3. Juli 2006 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Abänderungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Abänderungsverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.

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update: 31.01.12