Montag, 8. Februar 2016

EuGH: Glücksspielstaatsvertrag verstößt gegen Europarecht

EuGH: Urteil vom 4. Februar 2016 Sebat Ince (C-336/14)
Meinungen & Analysen:

Hans-Jörn Arp und Wolfgang Kubicki:
Vom staatlichen Glücksspielmonopol sind nach diesem Urteil endgültig nur noch die gut dotierten Versorgungsposten im Toto- und Lottoblock übrig
Veröffentlicht am 4. Februar 2016
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki haben die Ministerpräsidenten der Länder nach der heutigen (04. Februar 2016) Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Rechtssache C-336/14) erneut aufgefordert, endlich für eine verfassungs- und europarechtskonforme Ausgestaltung des Glücksspiels zu sorgen:
„Wie viele nationale und europäische Gerichte müssen dieses Machwerk noch in der Luft zerreißen? Wann wachen die Ministerpräsidenten endlich auf?“, fragte Arp in Kiel.
Mit diesem EuGH-Urteil sei der deutsche Glücksspielstaatsvertrag endgültig erledigt. „Es hält sich schon heute niemand mehr daran – beispielsweise wird bei nahezu jeder Sportveranstaltung gegen die Werberichtlinien verstoßen. Die Ordnungsbehörden unternehmen schon lange nichts mehr dagegen. Sie wissen, dass die Gerichte jede Maßnahme wieder kassieren würden“, sagte Kubicki.
Der Versuch der Ministerpräsidenten, das staatliche Glücksspielmonopol trotz alledem aufrecht zu erhalten, habe zum exakten Gegenteil geführt.
„Das illegale Glücksspiel und die Geldwäsche blühen. Die Steuern und Abgaben brechen ein. Spielerschutz und Suchtprävention finden nicht statt. Vom staatlichen Glücksspielmonopol sind nur noch die gut dotierten Versorgungsposten im Toto- und Lottoblock übrig“, so Arp.
Es gelte jetzt, endlich auf einen rechtskonformen Weg zurück zu kehren. Dieser liege in Form des von der Albig-Regierung in Schleswig-Holstein wieder abgeschafften Glücksspielgesetzes vor.
„Das Gesetz ist notifiziert. Es ist wirkungsvoll. Es sorgt für Spielerschutz und Suchtprävention. Es bekämpft das illegale Glücksspiel und die Geldwäsche. Und es sorgt dafür, dass die Unternehmer Steuern und Abgaben zahlen. Die Ministerpräsidenten wären gut beraten, es zu übernehmen. Die Gerichte und die Europäischen Institutionen haben gezeigt, dass ihre Geduld am Ende ist“, sagte Kubicki.
Quelle: CDU-Fraktion und FDP Landtagsfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag


Europäischer Gerichtshof: Glücksspielstaatsvertrag verstößt gegen Europarecht
Grundlegende Reform der Sportwettenregulierung erforderlich
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute in seinem Urteil in der Rechtssache Ince (C-336/14) mit klaren Worten entschieden, dass die deutsche Rechtslage im Bereich der Sportwetten nicht mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist. Damit ist nicht nur das seit vier Jahren ergebnislos laufende Sportwettenkonzessionsverfahren hinfällig, sondern die gesamte gesetzliche Grundlage für Glücksspiele in Deutschland reformbedürftig.
Mathias Dahms, Präsident des Deutschen Sportwettenverbands (DSWV) kommentiert das Urteil:
“Heute bewahrheitet sich erneut, dass der Glücksspielstaatsvertrag gegen europäisches Recht verstößt. Es reicht nun nicht mehr aus, wie in den vergangenen Jahren an gescheiterten Konzepten herumzudoktern. Es ist nun an der Zeit für eine grundlegende Reform der Glücksspielregulierung der Bundesländer.“
Es ist bereits der dritte Staatsvertrag in Folge, der an der Rechtsprechung der höchsten Gerichte gescheitert ist. Zuvor waren bereits der Lotteriestaatsvertrag 2006 vom Bundesverfassungsgericht und der Glücksspielstaaatsvertrag 2010 vom EuGH in wesentlichen Teilen für rechtswidrig erklärt worden.
Der EuGH führt in seiner heute veröffentlichten Pressemitteilung aus:
“Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass die Experimentierklausel die Unvereinbarkeit des vormaligen Staatsmonopols mit dem freien Dienstleistungsverkehr nicht behoben hat, soweit die alte Regelung unter Berücksichtigung dessen, dass keine Konzessionen erteilt wurden und dass die staatlichen Veranstalter weiterhin Sportwetten veranstalten können, trotz des Inkrafttretens der Reform von 2012 in der Praxis weiter Bestand hat.“
Hintergrund in dem Verfahren ist der Versuch der zuständigen bayerischen Behörden, eine grenzüberschreitend tätige Vermittlerin von Sportwetten wegen fehlender deutscher Erlaubnis strafrechtlich zu belangen. Das Amtsgericht Sonthofen hatte jedoch erhebliche Zweifel, ob der zugrundeliegende Glücksspielstaatsvertrag und das auf einer Experimentierklausel beruhende Erlaubnisverfahren für Sportwetten, das mittlerweile auch von deutschen Gerichten gestoppt wurde, mit dem Unionsrecht konform sei. Das Amtsgericht Sonthofen legte dem EuGH mehrere Fragen zur richtigen Auslegung und Anwendung des Unionsrecht vor.
Mathias Dahms ergänzt:
“Ein bloßes Anheben der Anzahl der Sportwettenkonzessionen wird nicht die grundlegenden Konstruktionsfehler des Staatsvertrags heilen. Stattdessen müssen wir in Deutschland konstruktiv über eine umfassende Neuregelung der Materie diskutieren.“
Der DSWV fordert daher im Rahmen einer umfassenden Neuregelung hohe qualitative anstatt quantitativer Marktzugangsbeschränkungen einzuführen. Zudem müssen die Zuständigkeiten der Länder in der Regulierung und im Vollzug neu geregelt werden. Die Idee einer unabhängigen Landesanstalt unterstützt der DSWV ausdrücklich.
Quelle: Deutscher Sportwettenverband e.V.


Brüssel Aktuell 6/2016

Wettbewerb, Wirtschaft und Finanzen
Sportwetten: EuGH zur Fortwirkung des Staatsmonopols


In seinem Urteil vom 4. Februar, Rechtssache C 336/14, äußert sich der EuGH zur Frage der Genehmigungsfähigkeit der Veranstaltung von Sportwetten unter dem Regime des ersten Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV). Die Entscheidung bezieht sich auch auf die faktische Fortwirkung des Monopols, nachdem keine Konzessionen unter der Geltung der Experimentierklausel des Glücksspieländerungsstaatsvertrages (GlüÄndStV) ausgereicht wurden. Für die Praxis bedeutet die Entscheidung, dass auch weiterhin bei der Untersagung aufgrund formeller Illegalität ein erhöhtes Rechtsrisiko besteht.

Das Vorlageverfahren beruht auf einem Strafverfahren des Amtsgerichts Sonthofen wegen unerlaubten Veranstaltens von Glücksspiel, § 284 StGB, durch den Betrieb einer Sportsbar, in der ein Wettautomat zugänglich war. Die Angeklagte hatte dabei Wetten für einen österreichischen Wettanbieter angenommen. Der erste Tatzeitraum (bis Juni 2012) fällt unter die Fortgeltungsklausel des damaligen Art. 10 Abs. 2 des bayerischen Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag (AGGlüStV), der zweite Zeitraum (Juli bis November 2012) fällt bereits unter den Geltungsbereich des GlüÄndStV.

Zur Rechtmäßigkeit des Monopols

Das AG Sonthofen unterstellt - insoweit teilweise entgegen der Rechtsprechung des BVerwG - in seinen Vorlagefragen eine Rechtswidrigkeit des bayerischen Sportwettmonopols im Zeitraum 2008 bis Juli 2012. Der EuGH ging daher bei seiner Entscheidung davon aus, dass das Monopol vor dem Inkrafttreten des GlüÄndStV gegen das in den Entscheidungen .Markus Stoß" (C-316/07) und "Carmen Media" (C-46/08) ausgeführte Kohärenzprinzip verstieß.

Fiktives Erlaubnisverfahren

In der ersten Vorlagefrage unterstellt das AG eine Erlaubnispflicht unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit des Monopols und möchte im Wesentlichen wissen, ob von der Angeklagten das Durchlaufen eines damals theoretisch denkbaren Erlaubnisverfahrens verlangt werden konnte.
Der EuGH weist insoweit zunächst auf seine Rechtsprechung in der Entscheidung "Stanley Bet" (C-186/11) hin, wonach die Unionsrechtswidrigkeit eines Wettmonopols keineswegs zwangsläufig zu einer Liberalisierung des Marktes führen müsse. Werde jedoch eine Liberalisierung vorgenommen, so müsse die Erteilung der Genehmigungen nach einem nicht diskriminierenden, objektiven und im Voraus bekannten Verfahren ablaufen.
Diese Voraussetzungen sieht der EuGH bei dem damals durch die Bezirksregierungen durchgeführten Erlaubnisverfahren für private Anbieter nicht erfüllt. Die Kenntnis der Wirtschaftsteilnehmer sei nicht sichergestellt gewesen, u. a. weil das Verfahren von den zuständigen Behörden uneinheitlich angewandt worden sei. Weiter weist der EuGH auf die Wertung des vorlegenden Gerichts hin, dass die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen für die Privaten unmöglich war. Dies folgert das Amtsgericht aus den Ausführungen des BVerwG in den Entscheidungen vom 16. Mai 2013 (u. a. 8 C 15/12). Das BVerwG hatte damals zur Erläuterung des Gefahrenabwehrcharakters einer präventiven Untersagung nicht genehmigter Sportwetten ausgeführt, eine solche Untersagung sei zulässig, "solange nicht offensichtlich ist, dass die materielle Legalität vorliegt oder jedenfalls allein mit Nebenbestimmungen gesichert werden kann". Das AG Sonthofe scheint diese Aussage dahingehend zu missdeuten, dass eine Genehmigung nur bei offensichtlicher Erlaubnisfähigkeit möglich war.

Notifikationspflicht der Ausführungsgesetze

Auf die zweite Vorlagefrage stellt der EuGH klar, dass auch das AGGlüStV, jedenfalls soweit es technische Regelungen im Sinne des Art. 1 Nr. 5 der Richtlinie 98/34 betrifft, der Notifizierungspflicht des Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 98/34 unterfällt, unabhängig von der Notifizierung wortgleicher Regelungen des GlüStV. Ob die im Strafverfahren relevanten Teile des AGGlüStV derartige technische Regelungen sind, sei aber vom
vorlegenden Gericht zu prüfen. Ein Verstoß gegen die Notifizierungspflicht würde jedenfalls dazu führen, dass die Regelungen der Angeklagten nicht entgegengehalten werden können.

Faktisches Wettmonopol mangels erfolgter Konzessionen


Unter der dritten Vorlagefrage beschäftigt sich der EuGH schließlich mit der Experimentierklausel des GlüÄndStV. Im Zuge des GlüÄndStV hatten sich die Länder entschlossen, eine begrenzte Anzahl von Konzessionen zur Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten für einen begrenzten Zeitraum zu erteilen. Bis heute wurde auch aufgrund andauernder Konkurrenten-Klagen keine dieser Konzessionen ausgereicht. Der EuGH führt aus, dass aufgrund dieses Umstandes weiterhin faktisch keine Erlaubnis zur Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erhältlich ist und sich die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des GlüÄndStV faktisch fortsetzt.
Auch kann nach Ansicht des EuGH nicht davon ausgegangen werden, dass eine Rechtsänderung wie die Einführung der Experimentierklausel die Unvereinbarkeit eines Monopols mit dem Unionsrecht behebt, wenn diese Rechtsänderung tatsächlich keine Auswirkung hat und stattdessen das Monopol (fiktiv) weiterbesteht.

Ableitung für die Praxis

Für die Praxis der unteren Glücksspielbehörden bedeutet die Entscheidung, dass derzeit - solange die Konzessionen nicht ausgereicht werden - jedes Untersagen eines Sportwettangebots aufgrund bloßer formeller Illegalität ein rechtliches Risiko birgt. Zwar äußerte sich der EuGH hier im Rahmen eines Strafverfahrens, doch ist die grundlegende Argumentation auf das sicherheits- bzw. gewerberechtliche Verfahren übertragbar. Im Ergebnis wird der EuGH dahin zu verstehen sein, dass die Erlaubnispflicht derzeit nicht anwendbar ist. (KI)

Quelle:
Brüssel Aktuell 6/2016
Europabüro der bayerischen Kommunen Europabüro der baden-württembergischen Kommunen Europabüro der sächsischen Kommunen


Gewinn- und Glückspielrecht
EuGH: Vermittlung von Sportwetten in Deutschland bis auf weiteres erlaubt
Der EuGH (C-336/14) hat entschieden, dass das staatliche deutsche Glücksspielmonopol trotz vergangener Regulierungsbemühungen faktisch weiter bestehe. Aufgrund der Unvereinbarkeit des deutschen Glücksspielstaatsvertrages mit geltendem EU-Recht, dürfen deutsche Behörden die private Vermittlung von Sportwetten ohne offizielle Lizenz nicht weiter strafrechtlich verfolgen und sanktionieren.
Glücksspielstaatsvertrag unwirksam und Konzessionsvergabeverfahren unzureichend
Vergabe von Wettlizenzen an private Anbieter gescheitert
Staatliches Wettmonopol besteht weiterhin
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Verzockt und versagt
Doch die Begrenzung auf 20 Konzessionen erwies sich als Eigentor. Buchmacher mit Lizenz klagten gegen die strengen Auflagen. Auch Anbieter ohne Konzession wie Tipico, die von den Behörden ausgesiebt worden waren, wehrten sich. Deutsche Gerichte stoppten daraufhin im vergangenen Jahr das Vergabeverfahren. Das Auswahlgremium stuften sie als verfassungswidrig ein. Der hessische Verwaltungsgerichtshof kanzelte das Konzessionsverfahren schließlich als "intransparent" und "fehlerhaft" ab. Gestern kam auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg zu einem vernichtenden Urteil: Die deutsche Regelung verstößt gegen europäisches Recht. Die deutschen Behörden dürfen deshalb solange nicht gegen private Sportwetten-Anbieter, die zwar keine deutsche, aber eine Genehmigung eines anderen EU-Staates haben, vorgehen, solange die Konzessionsvergabe in Deutschland nicht den EU-Vorgaben entspricht.
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Ince-Urteil des EuGH: Verbot privater Sportwettangebote unanwendbar


Rechtsanwalt Dr. Ronald Reichert
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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Das in Sachen Ince erwartete Urteil lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Der Gerichtshof erklärt sich zum strafrechtlichen Umgang der deutschen Rechtslage für Sportwetten. Für die gesamte rechtliche Entwicklung der letzten fünf Jahre führen seine Aussagen zur Unanwendbarkeit des Verbots des Angebotes ohne Erlaubnis.
Der Erlaubnisvorbehalt des Glückspielstaatsvertrages für Sportwetten war und ist damit unanwendbar. Das Urteil verwirft ihn für das in der Zeit ab Januar 2011 – angeblich – provisorisch eingerichtete bayerische Erlaubnisverfahren, das das Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 16. Mai 2013 noch – wie jetzt feststeht zu Unrecht – abgesegnet hatte . Dies gilt weiter für den anschließenden Zeitraum vom 1.1.2012 bis zum Inkrafttreten des Ersten Glückspieländerungsstaatsvertrages wegen fehlender Notifizierung und schließlich für die daran anschließende Rechtslage zum Ersten Glückspieländerungsstaatsvertrages mit dem umstrittenen Konzessionsverfahren.
Im Ergebnis sind damit alle Reparaturversuche der Länder gescheitert. Das Urteil enthält dabei bei genauerer Auswertung folgende Kernaussagen:
* Das straf- und das ordnungsrechtliche Verbot der Sportwettvermittlung ist während einer unionsrechtswidrigen Monopolrechtslage nicht anwendbar.
* Der Gerichtshof verwirft den Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts, das gescheiterte Monopolrechtsregime des Glücksspielstaatsvertrages ab 2011 übergangsweise durch ein provisorisch eingerichtetes Erlaubnisverfahren zu heilen, wie das in Bayern – angeblich – übergangsweise geschah.
* Das Urteil stellt klar, dass nach Ablauf der Geltungsdauer des Glücksspielstaatsvertrages am 01.01.2012 die bisherige Rechtslage ohne Notifizierung nicht hätte aufrechterhalten werden dürfen. Damit wird der Sache nach die bayerische Rechtslage aus der Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 verworfen. Das bestätigt die vorläufige Bewertung, die auch der Bundesgerichtshof in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren Digibet etAlbers getroffen hatte.
* Der Gerichtshof stellt so hohe Anforderungen an die Transparenz des Konzessionsverfahrens, dass die Unionsrechtswidrigkeit des Konzessionsverfahrens nun im Ergebnis als durch den Gerichtshof selbst geklärt angesehen werden muss. Die Zulassungskriterien und Verfahrensinformationen müssen so eindeutig und klar formuliert werden, dass vernünftig informierte Bewerber zu einem einheitlichen Verständnis gelangen. Dies war im Rahmen des Sportwettenkonzessionsverfahrens nicht der Fall. Die Uneinheitlichkeit der Bewertung der Kriterien zeigte sich allein schon an den über 600 Fragen und Antworten zu den Verfahrensanforderungen, denen uneinheitliche Interpretationen nicht nur auf Bewerberseite, sondern sogar auf Seiten der Länder selbst zugrunde lagen.
* Der Gerichtshof stellt fest, dass bei dieser Ausgangslage der Heilungsversuch des Monopolrechtsregimes durch den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag als gescheitert angesehen werden muss.
* Die Verletzung des Erlaubniserfordernisses kann dem Angeklagten aus dem Verfahren des Vorlagebeschlusses nicht entgegengehalten werden.
* Die Formulierung des Gerichtshofs macht zudem deutlich, dass gleiches für die ordnungsrechtliche Beurteilung gelten muss.
Kurzum: Die Rechtslage bei Sportwetten war und ist unionsrechtswidrig und das Verbot ihres Angebotes unanwendbar. Im Einzelnen ergibt sich dieser Befund aus nachfolgenden Aussagen des Gerichtshofs.
1. Die erste Frage des Vorlagegerichts fasst der Europäische Gerichtshof mit drei Stoßrichtungen zusammen:
* Welche Folgen müssen die Strafverfolgungsbehörden eines Mitgliedsstaates aus dem Umstand ziehen, dass Regelungen nationalen Rechtes, die ein Erlaubniserfordernis begründen, sich in einen Regelungsrahmen betten, mit dem ein Monopol für Sportwetten eingerichtet wird, das von den Gerichten als mit dem Unionsrecht unvereinbar beurteilt wird (Rn. 50) ?
* Ändert sich etwas, wenn inzwischen ein Erlaubnisverfahren eingerichtet ist, dessen allgemeine Kenntnis aber nicht gewährleistet ist, und das Monopolrechtsregime im Übrigen währenddessen andauert (Rn.50) ?
* Welche Folgen ergeben sich für Verwaltungsbehörden und Gerichte mit Blick darauf, dass die regulatorische Abhilfe gegen diese Unionsrechtsverletzung erwartet wird (Rn.51).
2. Der Gerichtshof stellt zu der Frage in allen drei Varianten klar, dass sämtliche Regelungen des nationalen Rechts, die mit dem Unionsrecht unvereinbar sind, in dieser Phase unanwendbar waren:
* Er bezieht sich hierzu zunächst allgemein auf die Rechtsprechung seit Simmenthal und das Urteil Winner Wetten (Rn. 52).
* Er betont sodann, dass eine nationale Regelung, die nicht dazu beiträgt, die Wetttätigkeiten systematisch und kohärent zu beschränken, auch nicht übergangsweise angewandt werden darf (Rn. 53 unter Bezugnahme auf Winner Wetten C-409/06, Rn. 69 und Stanleybet C-186/11, Rn. 38).
* Der Gerichtshof erläutert in diesem Zusammenhang anknüpfend an die Schlussanträge des Generalanwalts noch einmal das Verhältnis zwischen der Winner Wetten-Rechtsprechung und dem Urteil Stanleybet und stellt hierzu klar, dass das Stanleybet-Urteil – entgegen manchen Bemühungen um eine weitergehende Interpretation durch CBH und einige Gerichte – lediglich das Recht des Mitgliedsstaates sichert, für die Zukunft anstelle einer Marktliberalisierung zu einer konsistenten Monopolregulierung zurückzukehren (Rn. 54 unter Bezugnahme auf Stanleybet, C-186/11, Rn. 46). Die Unanwendbarkeit des Verbotes während der Übergangsrechtszeit lässt es unberührt.
* Entschließt sich der Mitgliedsstaat, eine Öffnung des Glücksspielmarktes für private Anbieter unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes für die Zukunft als effektiver anzusehen, muss er auch für diese sicherstellen, dass sie dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Diskriminierungsverbot ebenso wie der Transparenzverpflichtung gerecht wird (Rn.55). Ein Erlaubnissystem muss daher auf objektiven, nicht diskriminierenden Kriterien gegründet sein, die im Voraus bekannt sind und sicherstellen, dass Bewertungsspielräume sich dergestalt in einen Rechtsrahmen einfügen, dass Willkür ausgeschlossen ist (Rn.55 unter Hinweis aufCarmen-Media C-46/08, Rn. 90 und Stanleybet, C-186/11. Rn. 47).
3. Der Gerichtshof gelangt für die bayerische Rechtslage unter der Geltung des Glückspielstaatsvertrages sodann auch unter Berücksichtigung der seinerzeit in Bayern übergangsweise eingerichteten Genehmigungspraxis zu dem Ergebnis, dass diese den dargestellten Anforderungen nicht gerecht wurde:
* Zur Begründung hebt er zunächst hervor, dass das übergangsweise eingerichtete Genehmigungsverfahren nicht kodifiziert war (Rn. 57).
* Sodann vermisst der Gerichtshof – insoweit unter dem Vorbehalt der Überprüfung durch das Vorlagegericht – einen Mechanismus, der sichergestellt hätte, dass das eingerichtete Erlaubnissystem mit seinen Anforderungen den Anbietern bekannt ist.
* Ebenso wenig vermag der Gerichtshof zu erkennen, dass eine einheitliche Anwendung des Erlaubnissystems sichergestellt gewesen wäre (Rn. 58). Wie das Vorlagegericht deutlich gemacht habe, seien die deutschen Gerichte über die Frage der Legalität der Einrichtung eines solchen Erlaubnissystems nämlich gespalten gewesen (Rn. 58 unter Bezugnahme auf Rn. 29 bis 32 des Vorlagebeschlusses).
* Unter diesen Bedingungen sieht der Gerichtshof es als nicht ausgeschlossen an, dass private Anbieter nicht in der Lage waren, das Verfahren um die Anforderungen einer Erlaubniserteilung zu erkennen , so dass es insoweit bei der Verletzung von Unionsrecht blieb (Rn. 59).
* Ferner unterstreicht der Gerichtshof im Anschluss an den Vorlagebeschluss – und zu Recht –, dass zu keiner Zeit eine Erlaubnis einem privaten Anbieter erteilt worden wäre (Rn. 60).
* Er verweist in diesem Zusammenhang auf den vom Vorlagegericht hervorgehobenen Umstand, dass die Zulassungsvoraussetzungen der Erlaubniserteilung aus dem Rechtsrahmen des Monopolrechtsregime stammen, das gerade auf den Ausschluss privater Anbieter zielt und deshalb eine Zulassung dieser privaten Anbieter praktisch von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließ (Rn.61). Der EuGH betont dabei, dass das Vorlagegericht umso mehr Veranlassung zu dieser Frage hatte, als das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Grundsatzurteil vom 16. Mai 2013 meinte, Untersagungen bereits dann als rechtmäßig ansehen zu können, wenn das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen nicht offensichtlich sei (Rn.61). Bei dieser Ausgangslage sieht der Gerichtshof ein Zulassungssystem wie das vom Vorlagegericht dargestellte bayerische Erlaubnisverfahren als unionsrechtswidrig an (Rn.62).
4. Zu den Folgen dieser Unvereinbarkeit des eingerichteten Erlaubniserteilungssystems und der Verbotspraxis stellt der Gerichtshof Folgendes klar:
* Er sieht strafrechtliche Folgen der Verletzung des Erlaubniserfordernisses als ausgeschlossen an (Rn. 63 unter Bezugnahme auf Placanica C-338/04, Rn. 69 und Stoß C-316/07, Rn. 115 sowie Costa und Cifone, C-72/10, Rn. 43).
* Er hebt mit seiner Formulierung hervor, dass diese Rechtsfolgen sich für alle mitgliedstaatlichen Behörden ergeben. Weil das Verbot der Anwendung des unionsrechtswidrigen nationalen Rechts aus dem Anwendungsvorrang und dem Gebot der Loyalität der Mitgliedsstaaten (Artikel 4 Abs. 3 des Unionsvertrages) alle Organe des Mitgliedsstaates beträfe, richte er sich auch gegen die repressiv tätigen Strafrechtsbehörden (Rn. 64).
5. Mit diesen Aussagen erkennt der Gerichtshof die Unanwendbarkeit der Strafrechtssanktion im Fall Ince ausgehend von dem vom Vorlagegericht dargestellten Sachverhalt selbst (Rn. 65). Er macht damit nicht nur die gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in den Urteilen vom 16.05.2013 obsolet. Mehr noch: Dezent verpackt bringt er die rechtsstaatliche Fragwürdigkeit des seinerzeitigen Vorgehens des Bundesverwaltungsgerichts auf den Tisch. Dieses hatte mit seinen damaligen Urteilen versucht, die unionsrechtswidrige Rechtslage des Glücksspielstaatsvertrages dadurch zu heilen, dass es zwischen dem unionsrechtswidrigen Monopol und dem Erlaubnisvorbehalt unterschied, um sodann das provisorisch eingerichtete und unzureichend kommunizierte Erlaubnissystem als ausreichend anzusehen und Untersagungen daher schon bei Fehlen der Offensichtlichkeit der Erlaubnisvoraussetzungen zu billigen. Dies war umso bedenklicher, als die Darstellung des damaligen Erlaubnisverfahrens nicht auf Feststellungen der Tatsacheninstanzen beruhte, sondern allein auf Aussagen des Prozessvertreters des Landes in der Revisionsverhandlung, deren Richtigkeit das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht (!) trotz Protestes der Prozessvertreter der Kläger ohne Zurückverweisung als zutreffend unterstellt hat.
6. Das hierzu jetzt ergangene Urteil des EuGH mit seinem Hinweis auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2013 wird man daher auch als versteckte Mahnung an die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit verstehen können, gerade bei erkannter Unionsrechtswidrigkeit der Gesetzeslage oder Praxis größere Sorgfalt walten zu lassen und sich nicht aus falschverstandener Staatsräson verleiten zu lassen, die rechtsstaatlichen Prinzipien des Unionsrechts und damit den Rechtsschutz der Betroffenen allzu leichtfertig abzuschneiden. Nicht nur der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, sondern auch manch anderes Gericht hat hier in der Vergangenheit die gebotene Vorsicht vermissen lassen.
7. Auch zur Vorlagefrage nach der Notifizierungspflicht der Verlängerung der Geltung des GlüStV stärkt der Gerichtshof das Unionsrecht. Insoweit verleiht er namentlich den Regelungen der Informationsrichtlinie zur Notifizierung größeres Gewicht. In Deutschland konnte in der Vergangenheit vor den Gerichten mitunter der Eindruck entstehen, diese seien nicht ernst zu nehmen.
* Der Gerichtshof erinnert zur zweiten Frage nach etwaigen Rechtsfolgen der fehlenden Notifizierung der bayerischen Gesetzeslage für die Zeit nach Ablauf der notifizieren gesetzlichen Geltungsdauer des GlüStV ab dem 1.1.2012 zunächst daran, dass Verstöße gegen die Notifizierungspflicht dazu führen, dass die nicht notifizierte aber notifizierungspflichtige technische Regelung gegenüber dem Einzelnen unanwendbar ist (Rn.67).
* Der Gerichtshof stellt sodann klar, dass allgemeine Regelungen der Erlaubniserteilung, die sich nicht spezifisch an Dienste der Informationsgesellschaft gem. Art. 1 Ziff.2 richten, nicht der Notifizierungspflicht unterfallen (Rn.68). Demgegenüber betreffen das Internetverbot des §. 4 Abs. 4 GlüStV und seine Ausnahmen in § 25, die Regelung für Telekommunikationsdienste in §. 21 Abs.2 und das Verbot des §. 5 Abs. 3 GlüStV spezifisch Dienste der Informationsgesellschaft und sind damit notifizierungspflichtig.
* Der Gerichtshof sieht wie die Kommission Art. 8 Abs. 1 Ziff.3 der Richtlinie 98/34/EG nicht als anwendbar an (Rn.79). Dieser lässt die bloße Kommunikation der Verlängerung des Geltungszeitraums genügen.
* Er hält Art. 8 Abs. 1 RL 98/34/EG für einschlägig wegen der Erweiterung der zeitlichen oder räumlichen Anwendbarkeit die Notifizierungspflicht. Diese löst damit eine erneute Notifizierungspflicht aus, soweit Dienste der Informationsgesellschaft betroffen sind (Rn.73 ff.). Zur Begründung verweist der Gerichtshof u.a. namentlich auf das Ziel der Richtlinie, den Marktteilnehmern die frühzeitige Publizität von Änderungen des ihnen bekannten Anforderungsprofils an die Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft zu ermöglichen, durch die sie sich hierauf einstellen können (Rn.82).
* Der Gerichtshof schließt hieraus, dass die technischen Regeln, aus denen sich die Verbotenheit des Angebots ergibt, soweit sie sich auf Internetangebot und Leistungserbringung über Telekommunikationsdienste beziehen, dem Einzelnen nicht entgegengehalten werden können (Rn.84).
8. Die dritte Frage umschreibt der Europäische Gerichtshof ebenfalls zusammenfassend. Im Kern wird insoweit seinem Verständnis nach vom Vorlagegericht gefragt, ob die Dienstleistungsfreiheit einer Sanktionierung der Wettvermittlung ohne Erlaubnis in einem Mitgliedsstaat entgegensteht, wenn deren Erhalt an ein Verfahren geknüpft ist, zu dem das Vorlagegericht feststellt, dass es die Prinzipien der Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung nach Staatsangehörigkeit und das hieraus sich ergebende Transparenzgebot verletzt und trotz des Inkrafttretens des Erlaubnisverfahrens zugunsten privater Anbieter die Anwendung der Regelungen des Monopolregimes auf die Sportwettveranstaltung und –vermittlung, das die nationalen Gerichte als unionsrechtwidrig verworfen haben, weiter anhält (Rn. 85).
* Auch hier erinnert der Gerichtshof die Mitgliedsstaat und seine Behörden, die Konzessionsverträge abschließen, zur Einhaltung der Grundregeln des Vertrages und namentlich an das sich aus der Dienstleistungsfreiheit ergebende Gleichbehandlungsgebot (Rn. 86).
* Das Transparenzgebot, das ein Korrelat des Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellt, hat zum Ziel zu gewährleisten, dass jeder Anbieter auf der Grundlage der Gesamtheit der Informationen der relevanten Informationen entscheiden kann, ein Angebot abzugeben und zu gewährleisten, dass Günstlingswirtschaft und Willkür der Behörden bei der Entscheidung über die Konzessionsvergabe ausgeschlossen sind. Es folgt hieraus, dass sämtliche Bedingungen und Verfahrensmodalitäten in klarer, präziser und einheitlicher Weise formuliert sind, so dass – zum einen – alle Bewerber ihre Tragweite vernünftig informiert und bei gewöhnlicher Sorgfalt verstehen und in gleicher Weise interpretieren und – zum anderen – der Beurteilungsspielraum der entscheidenden Behörde eingeschränkt ist und sie effektiv beurteilen können, ob die vorgelegten Angebote den Kriterien entsprechen (Rn. 87).
* Es obliegt dem Vorlagegericht, die Fakten zu bewerten und die deutsche Gesetzgebung auszulegen, um festzustellen, ob die angesprochenen Faktoren einzeln oder in ihrer Kombination geeignet sind, die Vereinbarkeit des Zulassungsverfahrens mit den Prinzipien der Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung nach Staatsangehörigkeit sowie dem Transparenzgebot in Frage zu stellen (Rn. 88).
* Der Gerichtshof hebt sodann hervor, dass bislang kein Anbieter eine Erlaubnis erhalten habe, so dass dem Tatvorwurf gegenüber Frau Ince entsprechend das Sportwettvermittlungsverbot nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, so wie in Rn. 29 und 30 des Vorlagegerichts beschrieben wird, Anwendung findet (Rn. 89). Demgegenüber sind die staatlichen Anbieter der Sportvermittlung in Ausübung der Übergangsregelung des § 29 des Änderungsstaatsvertrages berechtigt, ihre Tätigkeiten weiterhin auszuüben, ohne hierfür eine Erlaubnis einholen zu müssen (Rn. 90). Auf dieser Grundlage sei nach dem Vorlagegericht davon auszugehen, dass das Monopolrechtsregime, das die deutschen Gerichte als unionsrechtswidrig ansehen, perpetuiert werde (Rn. 91). Vor diesem Hintergrund unterstreicht der Gerichtshof noch einmal, dass eine Sportwettmonopolrechtsregelung, die nach den nationalen Feststellungen mit dem Unionsrecht unvereinbare Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit enthalte, auch nicht übergangsweise angewendet werden könne. Der Gerichtshof bezieht sich hier auf das Stanleybet-Urteil. Der Mitgliedsstaat sei allerdings nicht gezwungen, den Glücksspielmarkt in der Regulierungszeit zu liberalisieren, sondern könne auch ein Sportwettmonopol in eine mit dem Unionsrecht vereinbare Form bringen (Rn. 92). Aus dem Vorhergesagten folge jedoch, dass die im Rahmen der dritten Frage festgestellten Faktoren – einzeln oder in Kombination – geeignet sind, die Vereinbarkeit des Zulassungsverfahrens mit der Dienstleistungsfreiheit in Frage zu stellen und dass die Experimentierklausel des § 10a GlüStV vor diesem Hintergrund nicht als Heilung der Unvereinbarkeit des Monopolrechts mit der Dienstleistungsleistungsfreiheit angesehen werden könne, solange das Monopolrechtsregime auch nach Inkrafttreten der Reform weiter Anwendung findet (Rn. 93).
* Der Gerichtshof schließt hieraus, dass die Dienstleistungsfreiheit so interpretiert werden müsse, dass sie der Sanktionierung der Sportwettvermittlung ohne Erlaubnis zugunsten eines privaten Anbieters unter den Bedingungen der Vorlagefrage ausscheidet (Rn. 95).
Mit dem heute verkündeten Ince-Urteil rundet der Europäische Gerichtshof seinen Kreis von Urteilen zu Sportwetten in Deutschland ab. Nach Markus Stoß, Carmen Media, Winner Wetten, Digibet et Albers ergeht hierzu mittlerweile das fünfte Urteil. Wie seine Auswertung zeigt, liegt Deutschland damit nicht nur, was die Zahl der Urteile zum Glücksspielrecht gleichauf mit Italien. Dies gilt auch für den Inhalt. Das hätte vermieden werden können. An Mahnungen hat es nicht gefehlt.
(s.u.)

EuGH hebelt Bestrafung illegaler Wettangebote in Deutschland aus
Luxemburg (jur). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg drängt auf die Vergabe von Sportwettenkonzessionen für private Anbieter. Solange solche Konzessionen nicht vergeben wurden, dürfen Privatanbieter möglicherweise nicht wegen illegaler Wettangebote bestraft werden, urteilte am Donnerstag, 4. Februar 2016, der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg (Az.: C-336/14). Voraussetzung ist danach, dass Deutschland nach Einschätzung der hiesigen Gerichte das Ziel einer Eindämmung der Spielsucht weiterhin nicht konsequent verfolgt.
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Europäischer Gerichtshof verurteilt das deutsche Glücksspielrecht
Deutscher Lottoverband fordert grundlegende Reform des Glücksspielstaatsvertrags
Hamburg, 04.02.2016 – Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit dem heutigen Urteil in der Rechtssache Ince (C-336/14) einen Kern der deutschen Glücksspielregulierung für bis auf weiteres unanwendbar erklärt. Der EuGH hatte im Jahr 2010 bereits den damaligen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) gekippt. Aus dem heutigen Urteil folgt nun dasselbe für den im Jahre 2012 geänderten GlüStV. Seine Verbote und die auf seiner Grundlage beschlossenen Auflagen für Anbieter bleiben in wesentlichen Teilen damit unanwendbar bis ein europarechtskonformer Zustand hergestellt ist. „Das Urteil hat nicht nur für die Sportwetten, sondern auch für die unabhängige Vermittlung staatlicher Lotterien Konsequenzen“, so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes (DLV).
Im Oktober 2015 hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof bereits die Verfassungswidrigkeit der im GlüStV vorgesehenen Entscheidungs- und Zuständigkeitsverteilung festgestellt und das Konzessionsverfahren für Sportwetten als intransparent und europarechtswidrig gestoppt. Das heutige Urteil des EuGH bestätigt, dass Sportwettenanbieter nicht belangt werden können, weil sie keine solche Konzession haben. Knapp vier Jahre nach seinem Inkrafttreten bleibt vom GlüStV abgesehen von Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten nicht viel übrig.
Von besonderer Brisanz ist die Aussage des EuGH, dass die Behörden die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in Deutschland durch einen im EU-Ausland zugelassenen Anbieter nicht verbieten dürfen, solange das im GlüStV vorgesehene und in der Praxis gescheiterte Konzessionierungsverfahren für Sportwetten den unionsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung, das Diskriminierungsverbot und das Transparenzgebot nicht erfüllt. Daraus folgt, dass Sportwetten in Deutschland bis auf weiteres ohne Erlaubnis veranstaltet, vermittelt und beworben werden dürfen, in Sportwettläden, an Automaten und im Internet. Dies verstärkt die im GlüStV ohnehin angelegte Inkohärenz und Widersprüchlichkeit. Sie manifestiert sich in einer Überregulierung der Lotterien im Vergleich zu anderen Formen des Glücksspiels. Werbebeschränkungen, Warnhinweise und Internetvorgaben werden mit denselben gesetzlichen Gründen begründet wie die nun für unanwendbar erklärten Erlaubnisregelungen des Sportwettenrechts. Das heutige Urteil setzt die Regulierung des Sportwettensektors faktisch außer Kraft. „Damit ist erst recht die Überregulierung von Lotterien auch in Gestalt von Vermittlungs- und Werbeauflagen für unabhängige Lotterievermittler nicht länger haltbar“, so Faber.
Auch die Ausführungen des EuGH zur Notifizierungspflicht von staatlichen Vorschriften für Internetdienste bedeuten das „Aus“ für die unzeitgemäßen Auflagen für die Lotterievermittlung im Internet. Unterbleibt eine Notifizierung entsprechender Vorschriften bei der Kommission, können nationale Behörden und Gerichte sich nicht darauf berufen. Für das bayerische Ausführungsgesetz zum GlüStV hat der EuGH dies heute ausdrücklich entschieden. Das Gleiche muss folgerichtig aber auch für die sogenannten „Internet-Eckpunkte“ und die Werberichtlinie gelten, die erhebliche Auflagen für die Online-Lotterievermittlung vorsehen. Beide Vorschriften sind bis heute nicht bei der Kommission notifiziert worden. Im September 2015 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof es den dortigen Landesbehörden bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen untersagt, die Werberichtlinie weiter anzuwenden.
„Insbesondere das deutsche Lotto leidet unter strengen Restriktionen“, so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes. „Werbung und Vermittlung von Lotto wurden drastisch eingeschränkt. Wir brauchen jetzt eine grundlegende und umfassende Reform des deutschen Glücksspielrechts“, fordert Faber. „Die Branche leidet seit nunmehr über 6 Jahren unter der Rechtsunsicherheit der Glücksspielregulierung. Die Zeit ist reif für einen großen Wurf, um diesen unhaltbaren Zustand endlich zu überwinden.“
Der Deutsche Lottoverband setzt sich als Vertretung der unabhängigen Lotterievermittler in Deutschland für eine umfassend neue Lotterie-Regulierung ein. Infolge des GlüStV sind dem deutschen Lotto seit 2008 kumuliert rund 20 Milliarden Euro an Einnahmen weggebrochen. Darunter leiden auch der Breitensport und die zahlreichen sozialen Projekte, die aus den Lottoeinnahmen gefördert werden. Parallel zum dramatischen Rückgang bei den nachweislich ungefährlichen Lotterien haben sich die Umsätze spielsuchtgefährlicher Spielarten vervielfacht.
Quelle: Deutscher Lottoverband

EGBA - European Gaming and Betting Association
EuGH: Deutsche Sportwettenregulierung weiterhin EU-rechtswidrig
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat heute im Vorabentscheidungsverfahren "Ince" (Rechtssache C-336/14) entschieden, dass das deutsche Glücksspielrecht den europarechtlichen Erfordernissen der Transparenz und Diskriminierungsfreiheit entsprechen muss. Der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag mit seiner Experimentierklausel setzt faktisch das Monopol fort und die deutsche Rechtslage verstößt damit weiterhin gegen die EU-Dienstleistungsfreiheit. Das Urteil folgt einer gesonderten Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, welche die Vergabe von Lizenzen auf Grundlage des deutschen Glücksspielstaatsvertrags ausgesetzt hat. Diese Entscheidungen auf EU-Ebene und in Deutschland entziehen dem Staatsvertrag seine rechtliche Legitimation.
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Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT)
EuGH rügt erneut die deutsche Glücksspielregulierung
Länder in der Verantwortung

Entgegen der klaren rechtlichen Vorgaben aus Europa wurde mit dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüStV) von 2012 das staatliche Sportwettenmonopol nicht beseitigt. Vielmehr bestehe dieses faktisch trotz der Experimentierklausel für private Sportwettenanbieter fort, soweit die Erlaubnis nicht in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren erteilt wird. Dass das Konzessionsverfahren für Sportwetten nach dem GlüStV diesen Anforderungen nicht genügt, hatte im Herbst 2015 erst der Hessische Verwaltungsgerichtshof (8 B 1028/15) festgestellt.
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Das Spiel ist aus
Der Europäische Gerichtshof versetzt der deutschen Glücksspielregulierung einen weiteren Schlag: Private Sportwetten-Anbieter dürfen nicht mehr bestraft werden.

Manchmal bringen höchstrichterliche Urteile ja die Lösung - doch der Spruch der obersten EU-Richter zum Thema Sportwetten gleicht eher der Diagnose eines Problems. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
    muss der Versuch vorerst als gescheitert gelten, die Vermittlung von Sportwetten in Deutschland EU-rechtskonform zu gestalten. Denn der EuGH hat es den deutschen Behörden faktisch untersagt, private Sportwettenvermittler ohne behördliche Erlaubnis mit Sanktionen zu überziehen - was in der Praxis ohnehin kaum noch der Fall war, weil sich inzwischen die private Wettenvermittlung im Halbschatten des verunglückten Glücksspielrechts etabliert hat........

.........Das Urteil aus Luxemburg könnte für Deutschland weitere Konsequenzen haben, meint Klaus Umbach, Experte für Glücksspielrecht von der Kanzlei Freshfields: "Die EU-Kommission
dürfte sich jetzt bestätigt sehen und die deutsche Glücksspielregulierung grundlegend infrage stellen." Die Kommission wird in Kürze entscheiden, ob sie wegen der Glücksspielgesetze ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet.
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Die Kommission teile die Bedenken des Vorlagegerichts. 
Bis jetzt habe Deutschland keinen Nachweis für die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der deutschen Glücksspielregelungen geliefert. Es bestehe weiterhin ein faktisches Monopol. Das neu eingeführte Konzessionssystem habe daran bisher nichts geändert. Auch sei die Übergangsregelung unzulässig.
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Europäischer Gerichtshof urteilt: Glücksspielstaatsvertrag verstößt gegen Europarecht

Die Deutsche Automatenwirtschaft:
„Höchste Zeit für eine Kurskorrektur in den Spielhallengesetzen“

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass der deutsche Glücksspielstaatsvertrag in einem seiner wichtigsten Kernstücke, nämlich im Bereich der Sportwetten, nicht mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist. Das seit Jahren laufende Konzessionsverfahren für Sportwetten wird damit endgültig hinfällig. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat jedoch auch einschneidende Auswirkungen auf andere Bereiche des Glücksspiels sowie auch auf die Regelungen für das gewerbliche Automatenspiel in den einzelnen Bundesländern.
Georg Stecker, Vorstandssprecher des Dachverbands Die Deutsche Automatenwirtschaft e.V. erklärt dazu: „Das Urteil löst einen Domino-Effekt aus, der dazu führt, dass auch die anderen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages ins Wanken kommen und sogar gänzlich kippen werden.“ Der Glücksspielstaatsvertrag baue auf die Ausgewogenheit des Regelwerks für alle Bereiche des staatlichen und gewerblichen Spiels mit und um Geld auf. Wenn ein so wichtiger Teilbereich wie die Sportwette aus diesem Regelwerk nach dem Urteil des EuGH wegbreche und eine neue gesetzliche Basis brauche, müsse das Regelwerk insgesamt auf den Prüfstand gestellt werden. „Die Deutsche Automatenwirtschaft würde eine grundlegende Reform begrüßen“, so Georg Stecker, „weil damit der Weg für eine dringend notwendige Kurskorrektur gegeben sei, die nicht mehr auf quantitative Angebotsbegrenzungen, sondern auf die Verbesserung der Qualität in allen Spielangeboten setzt.“
Die Globalisierung der Spielangebote über das Internet konterkariert von vornherein jeden Versuch, das Spielverhalten der Bürger über eine bloße quantitative Beschränkung der stationären Angebote zu kanalisieren. Diese Erkenntnis habe die Deutsche Automatenwirtschaft dazu veranlasst, eine Qualitätsoffensive zu starten, die besonders auf den aktiven Spielerschutz setze. „Bereits mehr als tausend Spielhallenunternehmen haben sich einer strengen Zertifizierung durch unabhängige TÜV-Organisationen unterzogen,“ erklärt der Sprecher des Dachverbandes Die Deutsche Automatenwirtschaft. „Wir wollen, dass sich Qualität durchsetzt. Deswegen sehen wir das Urteil des Europäischen Gerichtshofs als klaren Hinweis auf die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Glücks- und Gewinnspielrechts in Deutschland, das auf Qualität und nicht auf rechtlich unhaltbare Einschnitte und Beschränkungen setzt, die unsere Branche existenziell bedrohen.“
Quelle: Die Deutsche Automatenwirtschaft e.V.


Glücksspielkonzessionen – Neues Vergaberecht ab dem 18.04.2016?
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Thomas Gohrke
Die Dienstleistungskonzessionsrichtlinie (Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, Abl.EU 2014, L 94/1) wird zum 18. April 2016 durch einen neuen Teil 4 (§§ 97 ff. GWB n. F.) des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) umgesetzt.

Die Einzelheiten der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen werden in einer neuen Verordnung über die Vergabe von Konzessionen (Konzessionsvergabeverordnung – KonzVgV) geregelt werden.

Im Glücksspielbereich wird nun vermehrt die Frage gestellt, ob und wie sich diese neuen Bestimmungen auf die Vergabe deutscher Glücksspielkonzessionen auswirken.

(1) Bereichsausnahme für Glücksspiel?
In den Vorbemerkungen der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie findet sich der Erwägungsgrund (35), wonach die „Richtlinie … das Recht der Mitgliedstaaten nicht beschränken [soll], im Einklang mit dem Unionsrecht zu entscheiden, auf welche Weise – einschließlich durch Genehmigungen – der Spiel- und Wettbetrieb organisiert und kontrolliert wird.“ Erkennbar sollte mit der Richtlinie nicht in die Regelungskompetenz der Mitgliedsstaaten für den Glücksspielbereich eingegriffen werden. Es verwundert daher, dass im Folgenden nur bestimmte „Konzessionen für den Betrieb von Lotterien aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie“ ausgeschlossen werden sollen und es nur insoweit „den Mitgliedstaaten möglich bleiben muss, aufgrund ihrer Verpflichtungen zum Schutz der öffentlichen und sozialen Ordnung den Bereich Spieltätigkeiten auf nationaler Ebene zu regeln.“ Den Materialen der EU ist nicht zu entnehmen, welchen sachlichen Unterschied es für (ausgenommene) Lotterien und andere Glücksspiele gibt. Dies wird ggf. gerichtlich zu klären sein. Die EU Kommission ist jedenfalls – gestützt vom Wortlaut der Richtlinie – der Auffassung, dass Verträge über Glücksspiel von der Richtlinie erfasst sind (vgl. European Commission, Memo 14/19 vom 15. Januar 2015, Frage 20). Wenn also das Glücksspiel als Bereich nicht allgemein vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen ist, muss ab dem 18.04.2016 geprüft werden, ob die betreffende „Glückspielkonzession“ unter das neue Vergaberecht fällt oder nicht.
(2) Konzessionsbescheide sind keine Dienstleistungskonzessionen
Gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. a) der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie und § 105 GWB (Entwurf) sind Dienstleistungskonzessionen nur solche, die durch einen „entgeltlichen Vertrag“ begründet werden und zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Konzessionsnehmer geschlossen werden („Consession Contracts“). Die Glücksspielkonzessionen (wie z.B. eine Spielbankerlaubnis) werden in Deutschland aber – bis auf ganz wenige Ausnahmen – durch behördlichen Bescheid erteilt. Einseitige, behördliche Genehmigungen sind keine „Aufträge“, Ordnungsbehörden keine „Auftraggeber“ und Bescheide daher keine Dienstleistungskonzession im Sinne der Richtlinie. Dies ergibt sich aus dem Erwägungsgrund (14) der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie. Danach sollten:
„[b]estimmte Handlungen der Mitgliedstaaten, wie die Erteilung von Genehmigungen oder Lizenzen, durch die der Mitgliedstaat oder eine seiner Behörden die Bedingungen für die Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit festlegt – einschließlich der Bedingungen für die Durchführung einer bestimmten Tätigkeit –, die üblicherweise auf Antrag des Wirtschaftsteilnehmers und nicht vom öffentlichen Auftraggeber oder vom Auftraggeber erteilt wird und bei der der Wirtschaftsteilnehmer das Recht hat, sich von der Erbringung von Bau- und Dienstleistungen zurückzuziehen, … nicht als Konzessionen [im Sinne der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie] gelten.“
Entsprechend bestimmt Art. 5 Satz 1 der Richtlinie und § 105 Abs. 1, 2 GWB (im Entwurf):
„Dienstleistungskonzession“ einen entgeltlichen, schriftlich geschlossenen Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betrauen, die nicht in der Erbringung von Bauleistungen nach Buchstabe a bestehen, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen oder diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht.“
Der Richtliniengeber und Gesetzgeber normieren demgemäß nur Dienstleistungskonzessionen, die mit einer wechselseitigen vertraglichen Bindungswirkung verbunden sind. Für behördliche Glücksspielerlaubnisse verweist der Erwägungsgrund (14) vielmehr auf die Richtlinie 2006/123/EG, die ihrerseits in Art. 2 Absatz 2 lit. h) „Glücksspiele“ ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausnimmt. Der Verweis ist soweit ein Verweis auf die Grundsätze des EU-Rechts und die behördliche Steuerung des Glücksspiels bleibt somit Sache der Mitgliedsstaaten.
(3) Beispiel: Spielbankenerlaubnisse
Für die Erteilung und Vergabe von behördlichen Spielbankerlaubnissen bleibt es unverändert bei der Geltung der landerechtlichen Regelungen im jeweiligen Spielbankgesetz. Die Dienstleistungskonzessionsrichtlinie und der neue 4. Teil des GWB gelten nicht. Nach der deutschen Verfassung liegt das Spielbankenpolizeirecht ohnehin nicht in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes.
Für das Verfahren bleibt es vielmehr bei der Geltung der allgemeinen europarechtlichen Vergabegrundsätze, insbesondere Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, Transparenz und bei der gerichtlicher Überprüfung bei der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Neue förmliche Vergabevorschriften außerhalb der jeweiligen spielbankenrechtlichen Regelungen bestehen dagegen nicht. Gleiches gilt für den Inhalt von behördlichen Spielbankerlaubnissen, der sich allein nach dem jeweiligen Landesrecht ergibt. Die erkennbar für Verträge gemachten Regelungen der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie zur Laufzeit, Kündigung etc. kommen weder direkt noch indirekt zur Anwendung, denn die Spielbankgesetze eröffnen nicht die Möglichkeit Spielbankerlaubnisse durch Vertrag zu erteilen. Ab dem 18. April 2016 gilt hier nichts Neues.
Kontakt:
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Rechtsanwalt Dr. Thomas Gohrke
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Partner
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04109 Leipzig
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Fax: +49 341 5299 110
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2016 – das Jahr der Entscheidung für den Glücksspielstaatsvertrag

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Ein Artikel aus der TIME Law News vom 2. Februar 2016
Mitte Januar 2016 lässt eine neue glücksspielpolitische Initiative der grünen Regierungspartei in Schleswig-Holstein aufhorchen. In einer durch die Fraktion der Grünen im Landtag von SH herausgegeben Pressemitteilung setzt sich die Grünenfraktion für die Abschaffung des wirkungslosen Online-Glücksspielverbots ein und fordert alle Bundesländer auf mit dem Hessischen Modell eine realitätsnähe Glücksspielregulierung aufzugreifen. Derartige Versuche, das Online Glücksspiel in Deutschland neu zu regeln, sind nicht neu. Der Gegenwind, dem solche rechtspolitischen Vorstöße in Deutschland in der Regel drohen, ist gewaltig und kann selbst Gesetze und sogar ganze Glücksspielaufsichtsbehörden zerreißen – wie das Bespiel Schleswig-Holstein zeigt. Der Grund: Das Kraftzentrum zum Erhalt des Glücksspielmonopols – nämlich der Deutsche Lotto- und Totoblock und seine ständigen Berater und Gutachter organisiert sich schlagkräftig, Widersacher in den eigenen Reihen werden wie im Fall Hessen mit viel Geduld wieder eingefangen. Mitte Januar 2016 war mal wieder der Zeitpunkt gekommen, um Rufen nach einer Anpassung der deutschen Glückspielregeln eine Absage zu erteilen.
Jedoch: Wie argumentiert man für die Beibehaltung des Status quo, also des Glücksspielstaatsvertrages, wenn die Probleme in der Wurzel liegen und die Zahnwurzeln mangels nachlässiger Behandlung so sehr geschädigt sind, dass der Zahn wohlmöglich gezogen werden muss?
Das tief verwurzelte Problem, das seitens der Verfechter des Glücksspielstaatsvertrages bestritten wurde, liegt im Europarecht vergraben. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Zahn nun endgültig gezogen und der Glücksspielstaatsvertrag nun in einer Not-OP komplettsaniert werden muss, ist groß: Die EU Kommission steht offensichtlich mit einem Vertragsverletzungsverfahren vor der Tür, der Europäische Gerichtshof wird wohl auf Basis des Schlußantrags des Generalanwalt eine EU-Rechtswidrigkeit des GlüStV annehmen, die für das Sportwettenkonzessionsverfahren zuständige Verwaltungsgericht Wiesbaden wird auch in der Hauptsache so entscheiden wie im Eilverfahren, nämlich dem GlüStV eine Unionsrechtlichkeit attestieren. Hessen wird mit seiner schwarz-grünen Regierung im Jahr 2016 seinem Regierungsauftrag folgen und seinen Koalitionsvertrag umsetzen, nämlich den GlüStV im Lichte des Europarechts zu „sanieren“. Eine so große parteiübergreifende politische Einigkeit kannte man bisher nur aus der CDU und FDP in SH. Weitere Länder, in denen die CDU, die Grünen oder die FDP im Jahr 2016 an die Regierung kommen, könnten die Hessische Reformklausel aufnehmen. Also zurück zur Frage: Wie sortiert sich der Deutsche Lottoblock, um all diese Reformbestrebungen wieder mit einem kräftigen Gegenwind zunichte zu machen?
Mitte Januar kamen die ständigen Gutachter und Vertreter des staatlichen Lottos wieder zusammen – mit gleich drei Gutachten und dem ehemaligen Regierungschef des Stadtstaates Hamburg, Ole von Beust, ausgerüstet.
Tenor: Der Glücksspielstaatsvertrag ist nun doch EU-rechtmäßig konstatiert Prof. Dr. Ulrich Haltern, Universität Freiburg bzw. seien „die Zweifel an der Unionsrechtskonformität des deutschen Lotteriemonopols unbegründet.“ Haltern schlägt eine Argumentation vor, die über die bisherige Beschränkung auf Gesichtspunkte des Marktes hinausgeht – Glücksspielsucht, Schwarzmärkte und Begleitkriminalität sind Marktunvollkommenheiten. Mindestens ebenso entscheidend sei die tiefe Einbettung der deutschen Lotterieregulierung in historisch gewachsene, religiös grundierte und sittlich-kulturell begründete Einstellungen und Entscheidungen der Gesellschaft. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sei hierfür ganz offen und spricht eine Einladung zu einer solchen Argumentation aus; man müsse diese nur noch annehmen. „Wenn man endlich über diese gesellschaftlichen Aspekte der Regulierung sprechen würde, würde viel deutlicher, wieviel soziale Legitimation und juristische Berechtigung das deutsche Monopol besitzt.“ Im Übrigen seien Spiele wie Online Poker, Live-Wetten aber auch Social Games mit Glücksspielcharakter zu gefährlich und müssten verboten bleiben.
Ergo: Anders als in Frankreich, Spanien oder Dänemark sollten Deutschlands Online Spieler ihre Laptops zuklappen und ihre Smartphones gegen Online Spiele sperren und vor der unbeherrschbaren Spielsucht flüchten und zwar am Besten in die guten alte Lottoannahmestelle. „Ein Los bitte und eine Tafel Schokolade bitte“. Das wäre eine gemeinwohlorientierte Kanalisierung des Spieltriebes in Reinform! Der Rechtsweg sollte zudem für europäische Anbieter ausgeschlossen werden: Kein Hessischer VGH, kein EuGH, keine Beschwerden vor der EU Kommission, Rechtsfriede in Reinform!
Zurück zur Forderung der Grünen zur Abschaffung nicht wirkungsvoller Online- Spielverbote und dem Hessischen Modell, das keine numerische Beschränkung von Online Spiellizenzen oder –produkten, sondern vielmehr eine qualitative Auslese von Online-Spielveranstalter über strenge, aber zeitgemäße Kriterien vorsieht. Dieser Qualitätsansatz hat im Jahr 2016 eine echte Chance. Denn schon längst ist eine digitale Generation (Digital Nature) herangewachsen ist, die digitale soziale Netzwerke nutzt und auch gegeneinander spielt – sei es in Form von eSport- Turnieren, ePoker-Turnieren oder von virtuellen Fußballmanagerspielen (Daily Fantasy Sports). EU Mitgliedsstaaten mit einer zukunftsorientierten Online Spielregulierung kümmern sich bereits um neue hybride Spiel- und Finanzplattformen (z.B. Binary Slots) oder 3D-Casino Spiele. Das ist die Realität! Nur die richtigen Spielregeln müssen noch definiert werden – die GRÜNEN, die CDU aber selbstverständlich auch die FDP werden hierfür wohl bald Sorge tragen. Der größte Internetwirtschaftsverband Europas, eco, wird am 25. Februar parteiübergreifend mit Landes- und Bundespolitikern sowie in- und ausländischen Experten neue Optionen der Online Spielregulierung erörtern.
Ausblick:
Der Glücksspielstaatsvertrag wird nach der anstehenden Behandlung sicherlich nicht mehr wiederzuerkennen sein. Verbraucherschutzorientierte Spielregeln können sogar dem 2015 verabschiedeten Verbraucherschutzkodex des Medienverbandes DVTM entnommen werden, dessen Kodex von namenhaften Verbraucherschützern unterstützt wird.
Und: Die Beseitigung von wirkungslosen Verboten bei gleichzeitiger Einführung sachlich angemessener Spielregeln sollte das staatliche Lotto nicht fürchten. Ein friedliches Nebeneinander von staatlichen und privaten Anbieter wäre nicht neu – insbesondere nicht in Europa. Also: Nur Mut!
Quelle: TIME Law News 01/2016

Pressemitteilung
DVTM Deutscher Verband für Telekommunikation und Medien e.V.

Deutscher Glücksspielstaatsvertrag vor dem Ende?

  • EuGH erklärt deutschen Glücksspielstaatsvertrag für europarechtswidrig  
  • DVTM fordert umfassende Reform der Glücksspielregulierung 
Düsseldorf, den 5.02.2016   Mit der  gestrigen  Entscheidung im Fall Ince hat der
EuGH  klar entschieden, dass der  deutsche Glücksspielstaatsvertrag,  insbesondere die
Sportwettenregulierung, bislang zu keinem Zeitpunkt im Einklang mit EU-Recht gestanden
hat. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes werden private Anbieter benach-
teiligt und das Vergabesystem war zu keinem Zeitpunkt transparent.
Das Urteil verdeutlicht, dass das Vergabeverfahren für Glücksspiel-Lizenzen in Deutsch-
land gegen europäisches Recht verstößt.
Der EuGH kritisiert, dass das europarechtswidrige Sportwetten-Monopol, das der GlüStV
2008 vorsah, auch im Jahr 2016 faktisch noch fortbesteht. Die Vergabe von Sportwetten-
Konzessionen, die der GlüStV 2012 eigentlich regelt, ist bis heute nicht erfolgt. Aus diesem
Grund kann Glückspiel-Anbietern mit einer Lizenz aus einem anderen EU-Land nicht vor-
geworfen werden, dass sie in Deutschland Sportwetten ohne Genehmigung anbieten. Im
vorliegenden Fall wurde eine Anbieterin aus Bayern strafrechtlich verfolgt, weil sie einen
Wettautomaten betrieb, der Sportwetten eines österreichischen Anbieters vermittelt. Das
Amtsgericht Sonthofen hielt eine Strafbarkeit aufgrund der Zweifel an der Europarechts-
konformität des GlüStV für nicht angezeigt und legte den Fall dem EuGH vor. Das aktuelle
Urteil des EuGH könnte das endgültige Ende des GlüStV einläuten. 

„Wir schließen uns der Meinung des Sportwettenverbandes an, dass eine einfache Anhe-
bung der Konzessionen die wesentlichen Fehler des Staatsvertrages nicht beheben wird,
sondern es Zeit für eine grundlegende Reform ist. Der DVTM fordert darüber hinaus, dass
der gesamte „Bettertainment“* Bereich ganzheitlich reguliert wird, um der Zielsetzung des
GlüStV hinsichtlich Verbraucher, Jugend - und Datenschutz gerecht zu werden“, erläutert
Renatus Zilles, Vorstandsvorsitzender des DVTM, das Urteil.
 
Ohne eine europarechtskonforme & ganzheitliche Regulierung  sowie Lizenzierung von
Online-Glücksspielen in Deutschland wird dies nicht möglich sein. 
Der DVTM fordert die Bundesländer daher jetzt dringend auf, in einen konstruktiven
Dialog zu treten, um eine kohärente und transparente Glückspielregulierung zu
schaffen, die das oberste Ziel des GlüStV erfüllt.

Renatus Zilles ergänzt, dass hierzu das Schleswig-Holsteinische Gesetz und das hessi-
sche Modell von Innenminister Beuth sicherlich eine sehr gute Grundlage bilden: Beide
Modelle regulieren die verschiedenen  „Bettertainment“ Bereiche komplett und das zu-
gleich auf der Basis von qualitativen anstelle von quantitativen Kriterien.

Weitere Niederlagen  vor deutschen oder europäischen Gerichtshöfen  sollte  und  kann
Deutschland sich nicht mehr leisten.
In Zukunft darf es keine Diskriminierungen mehr geben und es muss der Gleichbehand-
lung aller „Bettertainment“ Anbieter endlich Rechnung getragen werden. 

*Bettertainment = Online Gambling, beinhaltet Sportwetten, Poker und Casino, Online-Lotterien

Der Deutsche Verband für Telekommunikation und Medien (DVTM) ist die zentrale Schnittstelle der
an der Wertschöpfungskette Telekommunikation, Medien, Energie und Online Gaming beteiligten Unternehmen. Darunter sind Diensteanbieter, Netzbetreiber, Serviceprovider, Reseller, technische Dienstleister, Medien- und Verlagshäuser sowie Consulting- und Inkassounternehmen zu finden. Ziel des Verbandes ist es, im Einklang mit Verbrauchern, Politik und Wirtschaft einen zukunftsorientierten, innovativen und wettbewerbsfähigen Telekommunikations- und Medienmarkt zu schaffen. 
Die über 50 Mitglieder des Verbandes agieren freiwillig im Rahmen des Kodex Deutschland für Tele-
kommunikation und Medien. Der Kodex formuliert Branchenstandards und befähigt dazu, den Markt
aktiv mitzugestalten. Der DVTM ging aus dem bereits 1997 gegründeten Fachverband Freiwillige
Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste (FST) hervor. Im Februar 2011 erfolgte die Umbenennung in
DVTM.

DVTM Deutscher Verband für Telekommunikation und Medien e.V., 
Birkenstr. 65, 40233 Düsseldorf, Tel.: 0211 / 31 12 09 - 0, Fax: 0211 / 31 12 09 - 30, 
Andreas Reif (Geschäftsführer), Katja Mentzel (Referentin der Geschäftsführung / Kommunikation), 
E-Mail: andreas.reif@dvtm.net, katja.mentzel@dvtm.net, Internet: www.dvtm.net  

Quelle (pdf-download)


Redeker Sellner Dahs:


Glücksspiel-Staatsvertrag nicht mit EU-Recht vereinbar- Glücksspielkollegium ist verfassungswidrig
Rechtswissenschaftler:
Staatliche Regulierung des Glücksspiels verstößt gg. EU-Recht und Grundgesetz
11.06.2015 – 16:00
Recht

Berlin (ots) - Die staatlichen Regelungen zum Glücksspiel in Deutschland verstoßen gegen EU-Recht und sind verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kommen zwei unabhängig voneinander verfasste rechtswissenschaftliche Gutachten zum Glücksspiel-Staatsvertrag und zum Glücksspielkollegium der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hans Dieter Jarass und Prof. Dr. Gregor Kirchhof.

Jarass: Glücksspiel-Staatsvertrag beeinträchtigt EU-Freiheiten und kann Spielsucht nicht verhindern

In seinem Rechtsgutachten "EU-rechtliche Probleme der Vorgaben für die Veranstaltung von Lotterien nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag" zeigt der Münsteraner Verfassungsrechtler Hans Dieter Jarass, dass der Glücksspielstaatsvertrag von 2012 gegen EU-Recht verstößt und zudem die selbst gesetzten Ziele verfehlt. Das im Staatsvertrag garantierte staatliche Monopol zur Veranstaltung von Lotterien beeinträchtige die in EU-Verträgen gewährleistete Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Die Einrichtung eines Lotteriemonopols unterliege "erhöhten Rechtfertigungsanforderungen". Diese sind in Deutschland aber nicht gegeben, so Jarass.

Das Lotterieveranstaltungsmonopol ist 2012 damit begründet worden, Gefahren für suchtgefährdete Spieler abzuwehren, die mit Lotterien verbundenen Manipulationsmöglichkeiten und kriminelles Verhalten einzudämmen sowie die Nachfrage auf legale Angebote zu lenken. Mit dem Glücksspielstaatsvertrag gelang es jedoch bisher nicht, diese Ziele zu erreichen, so Jarass. Im Gegenteil. So erlaube der Glücksspielstaatsvertrag zusätzliche Werbung und steigere dadurch die Attraktivität von Lotterien. Jarass: "Die Werbeausgaben der Landes-Lotteriegesellschaften sind im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr um rund 50 Prozent gestiegen. Das Ziel, Spielabhängigkeit zu verringern, wird somit klar verfehlt."

Das aktuelle Monopol lasse sich auch nicht mit dem Schutz vor Manipulationen und kriminellem Verhalten rechtfertigen. Hierfür fehle es an einer transparent an derartigen Zielen ausgerichteten Regulierung und Organisation des deutschen Lottowesens. Insoweit sei es auch nicht ersichtlich, dass die gegenwärtige Regelung solche Ziele besser als eine intensive Wirtschaftsaufsicht gewährleisten könne. Das Monopol greife in die unternehmerische Freiheit gemäß Art. 16 der EU-Grundrechte-Charta ein. "Da das Lotterieveranstaltungsmonopol in seiner heutigen Ausgestaltung gegen das Unionsrecht verstößt, sind die entsprechenden Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags nicht anwendbar", so das Fazit von Jarass. Kirchhof: Glücksspielkollegium undemokratisch und verfassungswidrig Das 2012 durch den Änderungsvertrag zum Glücksspielstaatsvertrag geschaffene Glücksspielkollegium der Bundesländer untersucht der Augsburger Jura-Professor Gregor Kirchhof in seinem Gutachten "Das Glückspielkollegium - eine verfassungswidrige Kooperation zwischen den Ländern." Kirchhof kommt zu dem Ergebnis, dass das Gremium verfassungswidrig ist und daher abgeschafft oder strukturell völlig neu geregelt werden müsse.

Das Kollegium, in das die 16 Bundesländer jeweils einen Vertreter entsenden, entscheidet mit Zweidrittelmehrheit über Erlaubnisse, Konzessionen und Richtlinien. Dadurch habe es weite Entscheidungsbefugnisse im grundrechtssensiblen Bereich des Sicherheits- und Wirtschaftsrechts, denen aber kein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau gegenüber stehe. So schränkten seine Entscheidungen beispielsweise die Berufsfreiheit maßgeblich ein. Das Demokratieprinzip verlange aber in grundrechtssensiblen Bereichen eine effektive Aufsicht über den Entscheidungsträger und ein erhöhtes demokratisches Legitimationsniveau. Da im Glücksspielkollegium Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit getroffen werden, könne ein Bundesland überstimmt werden, weswegen eine effektive Rechts- und Fachaufsicht nicht mehr gewährleistet sei. Die öffentliche Gewalt, die das Kollegium ausübt, sei daher nicht mehr hinreichend auf die legitime Vertretung der Bundesländer rückführbar, es entstehe ein verfassungswidriges Demokratiedefizit. "Das Kollegium ist von Verfassungs wegen abzuschaffen oder strukturell neu zu regeln", so Kirchhof.

Das Gebot des demokratischen Rechtsstaats, Verantwortlichkeiten klar zuzurechnen, Zuständigkeiten und Verfahren der Verwaltung sachgerecht zu regeln und den Rechtsschutz effektiv auszugestalten, "fordern, das Glückspielrecht neu zu regeln", so der Staats- und Finanzrechtsprofessor.

Zu den Professoren

Prof. Dr. Hans D. Jarass, LL.M., ist seit 1995 Direktor des ZIR Forschungsinstituts für deutsches und europäisches Öffentliches Recht an der Universität Münster. Von 1996 bis 2011 war er Leiter des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Münster. Von 1982 bis 1990 lehrte Jarass als Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Bochum, von 1990 bis 1995 war er dort Direktor des Instituts für deutsches und europäisches Umweltrecht. Jarass ist seit 1978 Professor für Öffentliches Recht mit den Schwerpunkten Verfassungsrecht, Umwelt- und Planungsrecht, Europarecht und Medienrecht.

Prof. Dr. Gregor Kirchhof, LL.M., ist seit April 2012 Universitätsprofessor und Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht an der Universität Augsburg. Von 2011 bis 2012 hatte Kirchhof die Professur für Staats- und Verwaltungsrecht an der LMU München inne. 2009 bis 2011 war er Lehrstuhlvertreter an den Universitäten Hannover, Augsburg und München. Von 2000 bis 2008 war Kirchhof wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent von Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio an den Universitäten München und Bonn. Seit 2011 ist Kirchhof Professor für Öffentliches Recht mit den Schwerpunkten Verfassungsrecht, Steuerrecht und Europarecht.

Redeker Sellner Dahs wurde 1929 gegründet und ist national und international mit über 90 Rechtsanwälten an 6 Standorten tätig. Die Zusammenarbeit mit internationalen Anwaltsfirmen ergänzt das umfassende Beratungsangebot in Europa und den USA. Zahlreiche Publikationen und ständige Referententätigkeiten u.a. an Universitäten und berufspolitischen Institutionen sind Markenzeichen aller Anwälte. Die Sozietät fördert Wissenschaft und Forschung mit der "Konrad-Redeker-Stiftung" und engagiert sich mit Pro-bono-Tätigkeiten. Weitere Informationen zur Sozietät erhalten Sie unter: www.redeker.de

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