Mittwoch, 15. Oktober 2014

Mehrwertsteuererstattung: Kommission verklagt Deutschland wegen Vorschriften für Bürger aus Nicht-EU-Ländern


Die Europäische Kommission hat heute (Donnerstag) beschlossen, Deutschland wegen seiner Vorschriften für Anträge zur Mehrwertsteuererstattung vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen.

Die Vorschriften wirken sich auf Markbeteiligte aus Nicht-EU-Ländern diskriminierend aus.

Wer als Nicht-EU-Bürger in einem EU-Land einkauft, kann sich die Mehrwertsteuer für innerhalb der EU gekaufte Ware zurückerstatten lassen. Für die meisten Waren, die aus der Europäischen Union ausgeführt werden sollen, kann eine  Mehrwertsteuererstattung beantragt werden. Nach deutschem Mehrwertsteuerrecht müssen Steuerpflichtige, die außerhalb der EU ansässig sind, ihren Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen persönlich unterschreiben. Dagegen können in Deutschland ansässige Marktbeteiligte einem Dritten die Vollmacht zur Unterzeichnung und Einreichung ihres Mehrwertsteuererstattungsantrags erteilen.

Nach Auffassung der Kommission verstößt diese Anforderung an Marktteilnehmer aus Drittländern gegen die Grundsätze der Wirksamkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichwertigkeit des EU-Rechts. Es gibt im EU-Recht keine Bestimmung, dass Antragsformulare für die Erstattung der Mehrwertsteuer persönlich zu unterschreiben sind.

Außerdem kann es durch die Vorschrift, dass Marktbeteiligte aus Nicht-EU-Ländern (im Gegensatz zu Marktbeteiligten in der EU) die Anträge persönlich unterschreiben müssen, für nicht in der EU ansässige Marktbeteiligte außerordentlich schwierig werden, eine Mehrwertsteuererstattung zu erhalten. Nach Auffassung der Kommission ließe sich das erklärte Ziel Deutschlands, Steuerhinterziehung zu bekämpfen und ein ordnungsgemäßes Erstattungsverfahren sicherzustellen, auf andere Weise - wie z. B. durch die Benennung eines Steuervertreters - erreichen.

Die Kommission hat im September 2012 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland gerichtet, in der Deutschland aufgefordert wurde, die einschlägigen Vorschriften zu ändern. Die deutschen Behörden haben ihre Vorschriften aber nicht an das EU-Recht angepasst.

Mehr in der ausführlichen Pressemitteilung.
Pressekontakt: Reinhard Hoenighaus,  Tel.: +49 (30) 2280-2300
Quelle


Bundesrechnungshof:
Mehrwertsteuer verstoße in vielen Teilen gegen geltendes EU-Recht
Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, nennt das Mehrwertsteuer-System nun "zunehmend unübersichtlicher und widersprüchlicher".
Die Europäische Union habe schon mehr als einmal die steuerlichen Absonderlichkeiten in der Bundesrepublik kritisiert. Es drohen hohe Geld-Bußen. Die Bundesregierung beschäftigt ein Beamtenheer, um diesen Klagen zeitaufwendig zu begegnen.
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Jeder Mitgliedstaat ist für die Durchführung (fristgerechte Umsetzung, Konformität und ordnungsgemäße Anwendung) des Unionsrechts im Rahmen seiner innerstaatlichen Rechtsordnung verantwortlich. Gemäß den Verträgen wacht die Europäische Kommission über die ordnungsgemäße Anwendung des Unionsrechts. Für den Fall, dass ein Mitgliedstaat das Unionsrecht nicht einhält, hat die Kommission (im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens) Befugnisse, die in Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 106a EAG-Vertrag vorgesehen sind, um Verstöße abstellen zu lassen. Gegebenenfalls ruft sie den Gerichtshof an.

Ein Mitgliedstaat begeht einen Verstoß, wenn er die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen nicht erfüllt. Der Verstoß kann somit in einer Handlung oder einer Unterlassung bestehen. Als Staat einzustehen hat der Mitgliedstaat, der gegen das Unionsrecht verstößt, ungeachtet der staatlichen Stelle, die für die Nichterfüllung verantwortlich ist.

Im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens leitet die Europäische Kommission als erstes ein Verwaltungsverfahren ein („Verstoßverfahren“). Mit dem Verwaltungsverfahren wird bezweckt, dass der betreffende Mitgliedstaat den Anforderungen des Unionsrechts freiwillig nachkommt.

Das Verfahren umfasst mehrere förmliche Phasen, denen eine Prüfungsphase vorausgehen kann. Dies gilt insbesondere für Vertragsverletzungsverfahren, die aufgrund von Beschwerden eingeleitet werden.

Erste Etappe des vorgerichtlichen Verfahrens ist ein Fristsetzungsschreiben, mit dem die Europäische Kommission einen Mitgliedstaat auffordert, innerhalb einer bestimmten Frist zu einem aufgetretenen Problem der Anwendung des Unionsrechts Stellung zu nehmen.

Ihren Standpunkt zu dem Verstoß bringt die Europäische Kommission in der sogenannten „mit Gründen versehenen Stellungnahme“ zum Ausdruck, in der der Gegenstand einer möglichen Vertragsverletzungsklage vor dem Gerichtshof dargelegt wird und in der der Mitgliedstaat aufgefordert wird, den Verstoß innnerhalb einer bestimmten Frist abzustellen. In der mit Gründen versehenen Stellungnahme muss schlüssig und detailliert dargelegt werden, aus welchen Gründen die Europäische Kommission zu dem Schluss gekommen ist, dass der betreffende Staat einer Verpflichtung, die sich aus dem Vertrag ergibt, nicht nachgekommen ist.

Mit der Anrufung des Gerichtshofs wird das gerichtliche Verfahren eingeleitet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verfügt die Europäische Kommission über einen Ermessensspielraum, was die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens und die Einreichung der Vertragsverletzungsklage angeht (auch noch zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtshofs).

Quelle