In der verbundenen Rechtssache C-186/11 und C-209/11 ging der EuGH erstmalig in ausführlicher Weise auf die Wirksamkeit der Durchführung von Kontrollen, dem Verfolgen der Ziele bei einer Wettbewerbsbeschränkung / Monopolisierung im Glücksspielrecht ein.
Danach müsste sich demnächst das VG / OVG in den Bundesländern sehr genau mit der Art und Wirksamkeit der Kontrollen auseinander setzen müssen.
Was wurde getan um die vorgegebenen Ziele wirksam zu erreichen?
Ein Auszug aus dem Urteil:
Rdnr.23
So können nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein (Urteil Garkalns, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Rdnr.25
Im vorliegenden Fall gehören die angeführten Ziele der in den Ausgangsverfahren fraglichen Regelung, d. h., das Angebot von Glücksspielen zu begrenzen und Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen zu bekämpfen, indem diese im Rahmen einer kontrollierten Expansion reguliert werden, zu den Zielen, die nach der Rechtsprechung Beschränkungen von Grundfreiheiten auf dem Gebiet des Glücksspiels rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone, C-72/10 und
C-77/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Rdnr.26
Für die Klärung der Frage, welche Ziele mit den nationalen Rechtsvorschriften tatsächlich verfolgt werden, ist jedoch im Rahmen einer Rechtssache, mit der der Gerichtshof nach Art. 267 AEUV befasst worden ist, das vorlegende Gericht zuständig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 51).
Rdnr.27
Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung erfüllen müssen.
Danach ist eine nationale Regelung nur dann geeignet, die Erreichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnrn. 59 bis 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Rdnr.29
Ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, kann deshalb, wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung anerkannt hat, Grund zu der Annahme haben, dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, wirksam zu verfolgen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2011, Zeturf, C-212/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht,
Rdnr.33
Hinsichtlich des zweiten Ziels, Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen zu bekämpfen, obliegt es dem vorlegenden Gericht außerdem, insbesondere im Licht der Entwicklung des Glücksspielmarkts auf nationaler Ebene zu prüfen, ob die staatliche Kontrolle, der die Tätigkeiten des das Monopol innehabenden Unternehmens unterliegen, wirksam durchgeführt wird und damit die Ziele in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden, die mit der Errichtung der Ausschließlichkeitsregelung zugunsten eines solchen Unternehmens angestrebt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Zeturf, Randnr. 62
und die dort angeführte Rechtsprechung).
Rdnr.34
Das vorlegende Gericht muss die Wirksamkeit dieser staatlichen Kontrolle unter Berücksichtigung der Tatsache beurteilen, dass eine so restriktive Maßnahme wie ein Monopol u. a. einer strengen behördlichen Kontrolle unterstehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil Zeturf, Randnr. 58).
zum vollständigen Urteil
Auszug aus dem Gutachten vom 09.06.2011
Prof. Dr. Bernd Grzeszick, LL.M. (Cantab.)
b) verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Beschränkungen problematisch
Zudem wären solche Beschränkungen verfassungsrechtlich problematisch, denn sie greifen intensiv sowohl in die durch Art. 12 GG geschützten ausgeübten Berufstätigkeiten als auch in die durch Art. 14 GG geschützten Eigentumsrechte eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetriebe ein. Ob diese Eingriffe jeweils gerechtfertigt werden können, ist fraglich. Eine genauere Prüfung kann zwar nur anhand der künftigen konkreten Regelungen vorgenommen werden, weshalb eine Verbindlichkeit beanspruchende Beurteilung vorbehalten bleiben muss, bis ein entsprechender Entwurf vorliegt. Die derzeit diskutierten bzw. absehbaren Änderungen können aber bereits einer summarischen Prüfung unterzogen werden.
Dabei ist zu betonen, dass das BVerfG bei Eingriffen in Art. 14 GG regelmäßig eine im Vergleich zu Art. 12 Abs. 1 GG strengere Prüfung durchführt, die höhere Rechtfertigungsanforderungen enthält. Eingriffe in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum erfordern einen rechtfertigenden Grund, der mit den legitimen Interessen des Eigentümers abzuwägen ist. Dabei sind die Anforderungen an die Rechtfertigung umso höher, je mehr die betroffenen Eigentümerbefugnisse Ausdruck der Individualentfaltung des Eigentümers sind und je geringer das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht.
(Dazu näher BVerfGE 50, 290, 339 ff.; 68, 361, 368; 79, 292, 302.)
Es ist zu berücksichtigen, dass ein gewerblicher Glücksspielanbieter (bzw. der Betreiber von Geldspielautomaten und von Spielhallen) auf das Automatenglücksspiel als Grundlage seiner beruflichen Tätigkeit und seines Gewerbebetriebes zentral angewiesen, mithin Eigentümer eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist. Restriktionen, wie sie im Ersten GlüÄndStV und in der angedachten Novelle der SpielV vorgesehen sind, würden die sinnvollen privatnützigen Verwendungsarten des entsprechenden Betriebes ganz erheblich einschränken. Diese Überlegungen legen nahe, dass die Ausweitung der staatlichen Monopole auf Glücksspiele, die bislang privaten Betreibern offen stehen, einen massiven Eingriff in Art. 14 GG darstellt.
Unter Zugrundelegung der vom BVerfG entwickelten Voraussetzungen und Grenzen für Eingriffe in das Eigentum wäre eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung entsprechender neuer Restriktionen für das gewerbliche Geldautomatenglücksspiel nur bei Gewährung entsprechender Übergangsfristen, grundsätzlich aber nicht mittels Gewährung finanzieller Ausgleichszahlungen zulässig. Während die Einräumung von Übergangsfristen den unionsrechtswidrigen Zustand nicht beseitigen, sondern perpetuieren würde und daher als Option ausscheiden muss, steht einer Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 14 GG (auch bei der Gewährung von Ausgleichszahlungen) im Übrigen in jedem Fall die mangelnde Erforderlichkeit der Restriktionen entgegen: Der unionsrechtlichen Anforderung einer kohärenten und systematischen Glücksspielregulierung kann dadurch entsprochen werden, dass der Gesetzgeber das Veranstalten von Sportwetten für Private weiter öffnet und auf diesem Weg Inkohärenzen zwischen Sportwetten und Geldautomatenspiel vermeidet.
Entscheidet sich der Gesetzgeber angesichts dieser Alternative dennoch für eine Zunahme der Beschränkungen des Geldautomatenspiels, können die entsprechenden Einschränkungen grundrechtlicher Freiheiten folglich nicht mit dem Vorrang des Unionsrechts gerechtfertigt werden.
5. Problematische Ungleichbehandlung im Landesrecht möglich
Schließlich kann eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG entstehen, falls infolge der Regelung in § 27 Abs. 2 GlüStV n. F. in einem Bundesland das Veranstalten und Vermitteln von nach dem RWLG erlaubten Pferdewetten im Internet einer unbeschränkten Anzahl von Anbietern erlaubt wird, während für die sonstigen Sportwetten die Anbieterzahl (von vornherein, und damit auch für das Internetangebot) auf maximal sieben begrenzt wird. Diese Ungleichbehandlung wird nicht durch die bundesrechtliche Regelung des RWLG, sondern unmittelbar durch den von den Ländern verantworteten Ersten GlüÄndStV bewirkt. Soweit es für diese Ungleichbehandlung keinen sachlichen Grund gibt, ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt (auf die Ausführungen oben unter C. II. 6. kann entsprechend verweisen werden).