Die Kommission trägt gestützt auf das Urteil vom 11. Juni 1998 in der Rechtssache C-283/95 (Fischer, Slg. 1998, I-3369) vor, dass nach dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität ein Mitgliedstaat den Gewinner eines in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig veranstalteten Glücksspiels nicht weniger günstig behandeln dürfe als denjenigen, der bei einem in ersterem Mitgliedstaat veranstalteten Glücksspiel gewonnen habe.
(vgl. EuGH-Lindman, RS. C-42/02, Rn 17)
Nach der EuGH-Rechtsprechung ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität bereits dann verletzt, wenn zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden. (vgl. u.a. EuGH-Rank, Rn. 41, 75/1ff).
Urteil vom 18. Oktober 2012, Rechtssache C-525/11
Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gibt vor, dass der Steuerpflichtige Unternehmer weder ganz noch teilweise mit der Mehrwertsteuer belastet werden darf. (s. Randnr. 24, 27)
(vgl.. u. a. Urteile 25. Oktober 2001, Kommission/Italien, C-78/00, Slg. 2001, I-8195, Randnrn. 33 und 34, vom 10. Juli 2008, Sosnowska, C-25/07, Slg. 2008, I-5129, Randnr. 17, vom 12. Mai 2011, Enel Maritsa Iztok 3, C-107/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33, und Kommission/Ungarn, Randnr. 45).
Zweck der Mehrwertsteuerrichtlinie sei es, die Umsätze nach Art. 135 von der Mehrwertsteuer zu befreien und den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit zu geben, diese Umsätze nach Art. 401 einer Sonderabgabe zu unterwerfen, die nicht den Charakter einer Umsatzssteuer haben. (vgl. BGŻ Leasing; C-224/11, Rn. 67, s.u.)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer) vom 17. Januar 2013
BGŻ Leasing Rs. C-224/11 s.u.
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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
18. Oktober 2012(*)
„Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 183 – Einzelheiten der Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses – Nationale Regelung, mit der die Erstattung eines Teils des Mehrwertsteuerüberschusses bis zur Prüfung der Jahressteuererklärung des Steuerpflichtigen aufgeschoben wird – Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Verhältnismäßigkeit“
In der Rechtssache C-525/11
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Augstākās tiesas Senāts (Lettland) mit Entscheidung vom 10. Oktober 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Oktober 2011, in dem Verfahren
SIA „Mednis“
gegen
Valsts ieņēmumu dienests
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters K. Lenaerts (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis, T. von Danwitz und D. Šváby,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der SIA „Mednis“, vertreten durch V. Gargažins, advokāts, und N. Krupeņiča,
– des Valsts ieņēmumu dienests, vertreten durch N. Jezdakova und M. Kuzenko als Bevollmächtigte,
– der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš und K. Freimanis als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sauka und C. Soulay als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 183 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SIA „Mednis“, einer Gesellschaft lettischen Rechts (im Folgenden: Mednis), und dem Valsts ieņēmumu dienests (lettische Steuerverwaltung, im Folgenden: VID) wegen eines Antrags auf Erstattung eines Betrags, der einem Mehrwertsteuerüberschuss entspricht.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Art. 183 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:
„Übersteigt der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer, können die Mitgliedstaaten den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen oder nach den von ihnen festgelegen Einzelheiten erstatten.“
4 Art. 252 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 lautet:
„Der Steuerzeitraum kann von den Mitgliedstaaten auf einen, zwei oder drei Monate festgelegt werden.
Die Mitgliedstaaten können jedoch andere Zeiträume festlegen, sofern diese ein Jahr nicht überschreiten.“
Lettisches Recht
5 Das Gesetz über die Mehrwertsteuer (Likums „Par pievienotās vērtības nodokļi“, Latvijas Vēstnesis, 1995, Nr. 49) in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) bestimmt in Art. 9 Abs. 1, dass der Steuerzeitraum einem Kalendermonat entspricht. Nach Abs. 5 dieses Artikels bildet die Gesamtheit der Steuerzeiträume eines Kalenderjahrs das Steuerjahr.
6 Art. 11 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes sieht vor, dass der Steuerpflichtige nach Beendigung des Steuerzeitraums innerhalb von 15 Tagen beim VID eine Steuererklärung für diesen Zeitraum abzugeben hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Nach Art. 11 Abs. 6 dieses Gesetzes hat der Steuerpflichtige beim VID eine Erklärung für das Steuerjahr bis zum 1. Mai des folgenden Jahres abzugeben.
7 Nach Art. 12 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes hat der Steuerpflichtige die auf den Steuerzeitraum entfallende Steuer innerhalb von 15 Tagen nach dessen Ablauf an die Staatskasse abzuführen.
8 Art. 12 Abs. 11 des Mehrwertsteuergesetzes bestimmt, dass der VID dem Steuerpflichtigen innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des begründeten Antrags und der Belege den Steuerüberschuss – die Differenz zwischen berechneter Steuer und abziehbarer Vorsteuer – zu erstatten hat.
9 Art. 12 Abs. 111 dieses Gesetzes sieht jedoch vor, dass der VID berechtigt ist, die Erstattung des Steuerüberschusses aufzuschieben, wenn entweder eine Entscheidung erlassen wird, nach der die vom Steuerpflichtigen geschuldete Steuer im Hinblick auf Umsätze, für deren Prüfung zusätzliche Informationen benötigt werden, überprüft wird, oder wenn eine Person, die als mit dem Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 1 Abs. 18 des Gesetzes über Steuern und Abgaben (Likums „Par nodokļiem un nodevām“) verbunden gilt, der Staatskasse Mehrwertsteuer schuldet, oder wenn eine Person nicht anhand von Belegen nachweisen kann, dass ihr Antrag auf Anwendung eines Steuersatzes von 0 % begründet ist.
10 Nach Art. 36 Abs. 14 des Mehrwertsteuergesetzes ist der Ministerrat dazu ermächtigt, die Grenzen für die Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses und die Voraussetzungen, unter denen diese Erstattung keinen Grenzen unterliegt, festzulegen.
11 Der Ministerrat erließ am 14. November 2006 das Dekret Nr. 933 über Bestimmungen zur Anwendung des Mehrwertsteuergesetzes (Ministru kabineta 2006.gada 14.novembra noteikumu Nr. 933 „Likuma ‚Par pievienotās vērtības nodokli‘ normu piemērošanas kārtība“, Latvijas Vēstnesis, 2006, Nr. 191, im Folgenden: Dekret Nr. 933).
12 In Art. 285 dieses Dekrets heißt es:
„Im Fall von Art. 12 Abs. 11 des Gesetzes kann der [VID] … von der Erstattung des Teils des Mehrwertsteuerüberschusses absehen, der 18 % des Gesamtwerts der steuerbaren Umsätze, die in den monatlichen Steuerzeiträumen getätigt wurden (unter Berücksichtigung der in diesen Steuerzeiträumen bereits erstatteten Steuer), übersteigt. Der verbleibende Mehrwertsteuerüberschuss wird von der Staatskasse auf der Grundlage der Jahressteuererklärung erstattet.“
Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage
13 Am 7. und am 14. Dezember 2007 beantragte Mednis beim VID die Erstattung eines Betrags von 2 081,79 LVL, der dem Mehrwertsteuerüberschuss für November 2007 entsprach.
14 Der VID lehnte die Erstattung in Höhe von 1 455,82 LVL ab. Gestützt auf Art. 285 des Dekrets Nr. 933 erließ er am 22. April 2008 die Entscheidung Nr. 19/11599 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), in der er diese Ablehnung damit begründete, dass in dem Zeitraum, in dem der Mehrwertsteuerüberschuss entstanden sei, ein Teil des Überschusses 18 % des Gesamtwerts der steuerbaren Umsätze in den entsprechenden Monaten überstiegen habe.
15 Mednis erhob bei der Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht) Klage auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
16 Mit Urteil vom 7. Juli 2009 wies die Administratīvā rajona tiesa diese Klage mit der Begründung ab, dass die Weigerung des VID, Mednis den Mehrwertsteuerüberschuss vollständig zu erstatten, mit Art. 285 des Dekrets Nr. 933 im Einklang stehe.
17 Mit Urteil vom 3. Juni 2010 wies die Administratīvā apgabaltiesa (Oberverwaltungsgericht) das von Mednis eingelegte Rechtsmittel zurück. Sie schloss sich der Begründung des erstinstanzlichen Gerichts an und ergänzte, dass die Verlängerung der Frist, innerhalb deren der VID dem Steuerpflichtigen den Mehrwertsteuerüberschuss zu erstatten habe, ein legitimes Ziel verfolge, das darin bestehe, dass der Anspruch des Steuerpflichtigen auf Erstattung der Mehrwertsteuer beschränkt werden müsse, wenn festgestellt werde, dass der Betrag der an die Staatskasse entrichteten Steuer erheblich geringer sei als der Betrag der von ihr zu erstattenden Steuer.
18 Mednis legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim Augstākās tiesas Senāts (Senat des Obersten Gerichtshofs) ein.
19 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach Art. 285 des Dekrets Nr. 933, wie er vom VID in der Praxis angewandt werde, im Fall der Feststellung, dass der Mehrwertsteuerüberschuss den in dieser Bestimmung genannten Prozentsatz übersteige, der überschießende Teil dem Steuerpflichtigen erst erstattet werde, wenn der VID dessen Jahressteuererklärung geprüft habe. Je nach den Umständen des Einzelfalls müsse der Steuerpflichtige nur deshalb über ein Jahr auf die Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses warten, weil der Überschuss den allgemeinen Mehrwertsteuersatz übersteige.
20 Das vorlegende Gericht hat Zweifel daran, ob die betreffende Regelung und die betreffende Praxis mit den sich aus Art. 183 der Richtlinie 2006/112 ergebenden Grundsätzen der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind, da nach diesen Grundsätzen die Entscheidung, die Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses aufzuschieben, ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls und ohne Berücksichtigung der Wartezeit bis zur Prüfung der Jahressteuererklärung zu erlassen sei.
21 Der Augstākās tiesas Senāts hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Gestattet Art. 183 der Richtlinie 2006/112 es einem Mitgliedstaat, ohne besondere Prüfung allein auf der Grundlage einer mathematischen Berechnung den Teil des Steuerüberschusses, der 18 % (allgemeiner Mehrwertsteuersatz) des Gesamtwerts der in den monatlichen Steuerzeiträumen getätigten steuerbaren Umsätze übersteigt, nicht zu erstatten, bis bei der nationalen Steuerverwaltung die Jahresumsatzsteuererklärung des Steuerpflichtigen eingegangen ist?
Zur Vorlagefrage
22 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 183 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er es der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats gestattet, ohne besondere Prüfung allein auf der Grundlage einer mathematischen Berechnung die Erstattung eines Teils des in einem Steuerzeitraum entstandenen Mehrwertsteuerüberschusses aufzuschieben, bis diese Verwaltung die Jahressteuererklärung des Steuerpflichtigen geprüft hat.
23 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Freiheit, über die die Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut von Art. 183 der Richtlinie 2006/112 bei der Festlegung der Einzelheiten der Erstattung eines Mehrwertsteuerüberschusses verfügen, nicht bedeutet, dass diese Einzelheiten von jeder unionsrechtlichen Kontrolle freigestellt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juli 2011, Kommission/Ungarn, C-274/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 39 und 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
24 Diese Einzelheiten dürfen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht dadurch beeinträchtigen, dass der Steuerpflichtige ganz oder teilweise mit der Mehrwertsteuer belastet wird. Insbesondere müssen sie es dem Steuerpflichtigen erlauben, unter angemessenen Bedingungen den gesamten aus dem Mehrwertsteuerüberschuss resultierenden Forderungsbetrag zu erlangen. Dies impliziert, dass die Erstattung innerhalb einer angemessenen Frist durch eine Zahlung flüssiger Mittel oder auf gleichwertige Weise erfolgt und dass dem Steuerpflichtigen durch die gewählte Methode der Erstattung auf keinen Fall ein finanzielles Risiko entstehen darf (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 2001, Kommission/Italien, C-78/00, Slg. 2001, I-8195, Randnrn. 33 und 34, vom 10. Juli 2008, Sosnowska, C-25/07, Slg. 2008, I-5129, Randnr. 17, vom 12. Mai 2011, Enel Maritsa Iztok 3, C-107/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33, und Kommission/Ungarn, Randnr. 45).
25 Zwar ist der Aufschub der Erstattung eines Mehrwertsteuerüberschusses über mehrere auf den Zeitraum der Entstehung des Überschusses folgende Steuerzeiträume nicht notwendigerweise mit Art. 183 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 unvereinbar (vgl. in diesem Sinne Urteile Enel Maritsa Iztok 3, Randnr. 49, und Kommission/Ungarn, Randnr. 55).
26 Im Ausgangsverfahren kann jedoch, obwohl der Steuerzeitraum nach Art. 9 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes grundsätzlich auf einen Kalendermonat festgelegt ist, die Anwendung von Art. 285 des Dekrets Nr. 933 – wie das vorlegende Gericht und die Europäische Kommission hervorgehoben haben – dazu führen, dass den Steuerpflichtigen ein Mehrwertsteuerüberschuss erst ein Jahr nach dem Steuerzeitraum, in dem dieser Überschuss entstanden ist, oder sogar noch später vollständig erstattet wird.
27 Dieser Zeitraum, während dessen die Steuerpflichtigen die finanzielle Belastung der Mehrwertsteuer in Höhe des Teils tragen müssen, der den in Art. 285 vorgesehenen Prozentsatz übersteigt, kann nicht als angemessen angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Sosnowska, Randnrn. 20 und 27, sowie Enel Maritsa Iztok 3, Randnr. 55). Daher beeinträchtigt er den in Randnr. 24 des vorliegenden Urteils angeführten Grundsatz der steuerlichen Neutralität.
28 Der VID und die lettische Regierung machen geltend, dass Art. 285 des Dekrets Nr. 933 die Gefahr von Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen ausschließen solle und in der Praxis nur angewandt werde, wenn Umstände vorlägen, die geeignet seien, das Bestehen einer solchen Gefahr zu belegen. Diese Gefahr liege insbesondere dann vor, wenn die Art der vom Steuerpflichtigen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten gewöhnlich nicht zu Mehrwertsteuerüberschüssen führe oder der Betrag der vom Steuerpflichtigen an die Staatskasse abgeführten Steuer erheblich geringer sei als der Betrag der zu erstattenden Mehrwertsteuer.
29 Der VID und die lettische Regierung tragen vor, die Anwendung von Art. 285 sei im Ausgangsverfahren gerade deshalb gerechtfertigt gewesen, weil der VID eine Gefahr der Hinterziehung von Mehrwertsteuer festgestellt habe, da er aufgrund der Prüfung des Erstattungsantrags von Mednis festgestellt habe, dass der hohe Überschuss bei der von dieser Gesellschaft entrichteten Mehrwertsteuer zum Großteil auf die Anwendung eines Mehrwertsteuersatzes von 0 % zurückzuführen gewesen sei.
30 In der mündlichen Verhandlung haben der VID und die lettische Regierung ferner geltend gemacht, dass der VID nur in einer begrenzten Zahl von Fällen wegen Indizien für eine Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung die Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses, der den in Art. 285 vorgesehenen Prozentsatz übersteige, bis zur Prüfung der Jahressteuererklärung des Steuerpflichtigen aufgeschoben habe.
31 Insoweit trifft es zwar zu, dass die Mitgliedstaaten ein legitimes Interesse daran haben, geeignete Maßnahmen zum Schutz ihrer finanziellen Interessen zu ergreifen, und dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der Richtlinie 2006/112 anerkannt und gefördert wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Sosnowska, Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 21. Juni 2012, Mahagében und Dávid, C-80/11 und C-142/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 41).
32 Gleichwohl müssen sich die Mitgliedstaaten gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit solcher Mittel bedienen, die es zwar erlauben, dieses Ziel wirksam zu erreichen, die jedoch die Ziele und Grundsätze des Unionsrechts, wie den fundamentalen Grundsatz des Rechts auf Vorsteuerabzug, möglichst wenig beeinträchtigen (vgl. Urteile Sosnowska, Randnr. 23, und vom 12. Juli 2012, EMS-Bulgaria Transport, C-284/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 69).
33 In der vorliegenden Rechtssache weist das vorlegende Gericht, das allein sowohl für die Auslegung des nationalen Rechts wie für die Feststellung und die Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits und insbesondere der Art und Weise, in der dieses Recht von der Steuerverwaltung angewandt wird, zuständig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Februar 2012, van Laarhoven, C-594/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 36, und vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito, C-618/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 76), darauf hin, dass der VID Art. 285 des Dekrets Nr. 933 generell und präventiv auf der Grundlage einer rein mathematischen Feststellung, dass der in Rede stehende Mehrwertsteuerüberschuss den in diesem Artikel vorgesehenen Prozentsatz übersteige, anwende, ohne eine besondere Prüfung des Einzelfalls vorzunehmen, in deren Rahmen der betroffene Steuerpflichtige die Möglichkeit hätte, darzutun, dass keine Gefahr der Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung vorliege.
34 Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, ist nicht ersichtlich, dass diese Angaben des vorlegenden Gerichts mit dem Wortlaut von Art. 285 des Dekrets Nr. 933 unvereinbar wären, demzufolge die Anwendung dieses Artikels in der Tat nicht vom Vorliegen von Indizien für eine Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung abhängig ist.
35 Aus den Angaben, die das vorlegende Gericht dem Gerichtshof gegenüber gemacht hat, ist außerdem nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung, die auf Art. 285 des Dekrets Nr. 933 gestützt wurde, vom VID nach einer Prüfung erlassen worden ist, die solche Indizien im Ausgangsverfahren zutage gebracht hätte.
36 Eine solche präventive und generelle Anwendung von Art. 285 des Dekrets Nr. 933 verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der in der in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung angeführt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Sosnowska, Randnrn. 24 bis 26).
37 Sie erscheint umso weniger durch das legitime Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen gerechtfertigt, als die Steuerverwaltung nach Art. 12 Abs. 111 des Mehrwertsteuergesetzes die Erstattung eines solchen Überschusses u. a. dann aufschieben kann, wenn eine Entscheidung erlassen wird, die vom Steuerpflichtigen entrichtete Steuer im Hinblick auf Umsätze zu überprüfen, für deren Prüfung zusätzliche Informationen benötigt werden, oder wenn die betroffene Person nicht anhand von Belegen nachweisen kann, dass ihr Antrag auf Anwendung eines Steuersatzes von 0 % begründet ist (vgl. entsprechend Urteil Sosnowska, Randnr. 28).
38 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 183 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er es der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats nicht gestattet, ohne besondere Prüfung allein auf der Grundlage einer mathematischen Berechnung die Erstattung eines Teils des in einem Steuerzeitraum von einem Monat entstandenen Mehrwertsteuerüberschusses aufzuschieben, bis diese Verwaltung die Jahressteuererklärung des Steuerpflichtigen geprüft hat.
Zu den zeitlichen Wirkungen des vorliegenden Urteils
39 Die lettische Regierung hat den Gerichtshof ersucht, die Wirkungen des vorliegenden Urteils für den Fall zeitlich zu begrenzen, dass er Art. 183 der Richtlinie 2006/112 dahin auslegen sollte, dass diese Bestimmung einer nationalen Regelung und einer nationalen Praxis wie den im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht.
40 Zur Begründung ihres Ersuchens verweist sie zum einen auf die Gefahr schwerwiegender Auswirkungen einer solchen Auslegung für die nationalen Haushaltsmittel und zum anderen auf den guten Glauben der lettischen Steuerverwaltung.
41 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass durch die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, erläutert und verdeutlicht wird, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen (vgl. u. a. Urteil vom 10. Mai 2012, Santander Asset Management SGIIC u. a., C-338/11 bis C-347/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Nur ganz ausnahmsweise kann der Gerichtshof aufgrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit die für die Betroffenen bestehende Möglichkeit beschränken, sich auf die Auslegung, die er einer Bestimmung gegeben hat, zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen. Eine solche Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen (vgl. u. a. Urteil Santander Asset Management SGIIC u. a., Randnr. 59).
43 Der Gerichtshof hat auf diese Lösung nur unter ganz bestimmten Umständen zurückgegriffen, namentlich wenn eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhingen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Unionsbestimmungen bestand, zu der eventuell auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission beigetragen hatte (vgl. u. a. Urteil Santander Asset Management SGIIC u. a., Randnr. 60).
44 Ferner rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einem im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteil für einen Mitgliedstaat ergeben könnten, für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen dieses Urteils (vgl. u. a. Urteil Santander Asset Management SGIIC u. a., Randnr. 62).
45 In der vorliegenden Rechtssache ist zum einen festzustellen, dass die lettische Regierung keine Angaben gemacht hat, die es dem Gerichtshof erlauben würden, das Bestehen einer Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen für die Republik Lettland durch das vorliegende Urteil beurteilen zu können.
46 Zum anderen ist nicht davon auszugehen, dass die lettische Steuerverwaltung bei der Anwendung von Art. 285 des Dekrets Nr. 933 gutgläubig zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden ist, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite von Art. 183 der Richtlinie 2006/112 bestand. Aus der schon vor dem genannten Dekret ergangenen Rechtsprechung geht nämlich hervor, dass nach dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der ein fundamentaler Grundsatz des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist, die in diesem Artikel vorgesehenen nationalen Einzelheiten der Erstattung eines Mehrwertsteuerüberschusses es dem Steuerpflichtigen erlauben müssen, unter angemessenen Bedingungen und innerhalb einer angemessenen Frist den gesamten aus einem solchen Überschuss resultierenden Forderungsbetrag zu erlangen, ohne diesen Steuerpflichtigen einem finanziellen Risiko auszusetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Italien, Randnrn. 33 und 34).
47 Folglich sind die zeitlichen Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zu begrenzen.
Kosten
48 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 183 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er es der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats nicht gestattet, ohne besondere Prüfung allein auf der Grundlage einer mathematischen Berechnung die Erstattung eines Teils des in einem Steuerzeitraum von einem Monat entstandenen Mehrwertsteuerüberschusses aufzuschieben, bis diese Verwaltung die Jahressteuererklärung des Steuerpflichtigen geprüft hat.
Unterschriften
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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)
17. Januar 2013(*)
„Mehrwertsteuer – Leasingleistung, die zusammen mit einer vom Leasinggeber abgeschlossenen und von ihm dem Leasingnehmer in Rechnung gestellten Versicherung des Leasingobjekts erbracht wird – Einstufung – Einheitliche Gesamtleistung oder zwei eigenständige Leistungen – Befreiung – Versicherungsumsatz“
In der Rechtssache C-224/11
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) mit Entscheidung vom 7. April 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Mai 2011, in dem Verfahren
BGŻ Leasing sp. z o.o.
gegen
Dyrektor Izby Skarbowej w Warszawie
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters A. Rosas (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben der Präsidentin der Sechsten Kammer sowie der Richter U. Lõhmus und A. Arabadjiev,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der BGŻ Leasing sp. z o.o., vertreten durch T. Rolewicz und M. Chomiuk, doradcy podatkowi,
– des Dyrektor Izby Skarbowej w Warszawie, vertreten durch O. Dąbrowski, T. Tratkiewicz und J. Kaute als Bevollmächtigte,
– der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar, A. Kraińska und A. Kramarczyk als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Herrmann und C. Soulay als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, 28 und 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der BGŻ Leasing sp. z o.o. (im Folgenden: BGŻ Leasing) und dem Dyrektor Izby Skarbowej w Warszawie (Direktor der Finanzkammer Warschau) wegen dessen Weigerung, den in der Bereitstellung einer Versicherung für das Leasingobjekt bestehenden Umsatz von der Mehrwertsteuer zu befreien, wenn dieser Umsatz zusammen mit der ihrerseits der Mehrwertsteuer unterliegenden Leasingleistung erbracht wird.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.“
4 In Art. 2 dieser Richtlinie heißt es:
„(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
…
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;
…“
5 Art. 24 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Als ‚Dienstleistung‘ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.
…“
6 Art. 28 der Richtlinie bestimmt:
„Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, werden behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.“
7 Nach Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie umfasst die Steuerbemessungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Art. 74 bis 77 dieser Richtlinie fallen, alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.
8 In Art. 78 der Richtlinie heißt es:
„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente einzubeziehen:
…
b) Nebenkosten wie Provisions-, Verpackungs-, Beförderungs- und Versicherungskosten, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger fordert.
Die Mitgliedstaaten können als Nebenkosten im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b Kosten ansehen, die Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung sind.“
9 Art. 135 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
a) Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden;
…“
10 Art. 401 der Richtlinie lautet:
„Unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.“
Polnisches Recht
11 Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Steuer auf Waren und Dienstleistungen (ustawa o podatku od towarów i usług) vom 11. März 2004 (Dz. U. Nr. 54, Position 535, im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) lautet:
„Der Steuer auf Waren und Dienstleistungen (im Folgenden: Steuer) unterliegen:
1) die entgeltlichen Warenlieferungen und die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen im Inland;
…“
12 Art. 29 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt:
„Steuerbemessungsgrundlage ist der Umsatz, vorbehaltlich der Abs. 2 bis 21, der Art. 30 bis 32, Art. 119 sowie Art. 120 Abs. 4 und 5. Umsatz ist der für den Verkauf zustehende Betrag, abzüglich des Betrags der geschuldeten Steuer. Der zustehende Betrag umfasst die gesamte vom Erwerber geschuldete Leistung. Der Umsatz wird um vereinnahmte und um die geschuldete Steuer verminderte Zuschüsse, Zulagen und sonstige Zuzahlungen ähnlicher Art erhöht, die einen unmittelbaren Einfluss auf den Preis (zustehenden Betrag) für die vom Steuerpflichtigen gelieferten Waren oder erbrachten Leistungen haben.“
13 Art. 30 Abs. 3 des Mehrwertsteuergesetzes lautet:
„Werden Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter erbracht, ist die Steuerbemessungsgrundlage der für die Erbringung der Dienstleistungen zustehende Betrag, abzüglich des Betrags der Steuer.“
14 Art. 43 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt:
„Steuerfrei sind
1) die in Anlage 4 zu diesem Gesetz genannten Dienstleistungen;
…“
15 Position 3 der Anlage 4 zum Mehrwertsteuergesetz nennt:
„4) Dienstleistungen der Finanzvermittlung, ausgenommen: … Dienstleistungen der Versicherungsberatung und der Bewertung von Versicherungsgesellschaften (PKWiU ex. 67.20.10- 00.20, -00.30), ausgenommen Dienstleistungen der Versicherungsanstalten im Sinne der Vorschriften über die Versicherungstätigkeit und Dienstleistungen, die in diesem Bereich von Personen ausgeführt werden, die im Namen und für Rechnung der Versicherungsanstalt tätig sind.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
16 BGŻ Leasing ist eine Gesellschaft, die auf dem Gebiet des Leasings wirtschaftlich tätig ist.
17 Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen, die für die Verträge zwischen BGŻ Leasing und ihren Kunden gelten, bleiben die Gegenstände, über die der Leasinggeber Leasingverträge abschließt, während der gesamten Laufzeit des Leasingvertrags sein Eigentum. Der Leasingnehmer zahlt an den Leasinggeber einen Leasingzins und trägt außerdem weitere im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Leasingvertrags stehende Kosten und Lasten. Darüber hinaus ist der Leasingnehmer nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen während der Dauer des Leasingvertrags u. a. für Schäden, für den Verlust des Leasingobjekts sowie für Wertminderungen mit Ausnahme derjenigen, die auf seine normale Nutzung zurückzuführen sind, allein verantwortlich.
18 BGŻ Leasing verlangt, dass die Leasingobjekte versichert werden.
19 Hierfür bietet BGŻ Leasing ihren Kunden die Möglichkeit, ihnen eine Versicherung bereitzustellen. Wollen sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, schließt BGŻ Leasing die entsprechende Versicherung bei einem Versicherer ab und berechnet ihre Kosten an die Kunden weiter.
20 In ihrer Mehrwertsteuererklärung für den Monat Februar 2008 vertrat BGŻ Leasing die Auffassung, dass derartige Umsätze der Weiterberechnung der Versicherungskosten für das Leasingobjekt von der Mehrwertsteuer befreit seien.
21 Der Naczelnik Drugiego Mazowieckiego Urzędu Skarbowego w Warszawie (Leiter des Finanzamts II der Woiwodschaft Masowien in Warschau) war hingegen der Ansicht, dass der Umsatz, der in der Bereitstellung dieses Versicherungsschutzes bestehe, eine Nebenleistung zur Leasingleistung sei und daher zu einem Satz von 22 % – ebenso wie die Hauptleistung, also das Leasing – der Mehrwertsteuer unterliege.
22 Diese Auffassung hatte vor dem Dyrektor Izby Skarbowej w Warszawie Bestand. Dieser stellte außerdem in Frage, dass BGŻ Leasing an die Leasingnehmer die mit den Leasingverträgen verbundenen Versicherungsleistungen zu den gleichen Bedingungen, die der Versicherer zugrunde gelegt habe, weiterberechnen dürfe.
23 BGŻ Leasing erhob beim Wojewódzki Sąd Administracyjny w Warszawie (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Warschau) Klage gegen die Entscheidung des Dyrektor Izby Skarbowej w Warszawie. Dieses Gericht war der Ansicht, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer Dienstleistung nach Art. 78 der Mehrwertsteuerrichtlinie auch Nebenkosten wie die Versicherungskosten, die der Lieferer vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger fordere, einbezogen seien. Eine Leistung, die, wirtschaftlich betrachtet, eine einzige Dienstleistung darstelle, dürfe nicht künstlich aufgespalten werden, um die Funktionalität des Mehrwertsteuersystems nicht zu beeinträchtigen. Werde eine Leasingleistung zusammen mit einer Versicherung des Leasingobjekts erbracht, handele es sich um eine einzige Dienstleistung, bestehend aus Leasing und Versicherung. Die Steuerbemessungsgrundlage einer solchen Dienstleistung umfasse neben dem Leasingzins auch die Versicherungskosten, und mithin müsse ein einziger Mehrwertsteuersatz auf sämtliche Bestandteile einer derartigen Dienstleistung angewandt werden, nämlich der Satz, der für die im Leasing bestehende Hauptleistung gelte.
24 BGŻ Leasing legte beim Naczelny Sąd Administracyjny (Verwaltungsgerichtshof) gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde ein und machte geltend, dass der Wojewódzki Sąd Administracyjny w Warszawie u. a. die Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, 24 Abs. 1, 28, 73 und 78 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie unzutreffend ausgelegt habe.
25 Unter diesen Umständen hat der Naczelny Sąd Administracyjny beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die in der Versicherung eines Leasingobjekts bestehende Dienstleistung und die im Leasing selbst bestehende Dienstleistung als eigenständige Dienstleistungen behandelt werden müssen, oder sind sie als einheitliche und komplexe Leasinggesamtleistung zu behandeln?
2. Falls die Antwort auf die erste Frage lautet, dass die in der Versicherung eines Leasingobjekts bestehende Dienstleistung und die im Leasing selbst bestehende Dienstleistung als eigenständige Dienstleistungen behandelt werden müssen: Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die in der Versicherung eines Leasingobjekts bestehende Dienstleistung von der Mehrwertsteuer befreit ist, wenn der Leasinggeber das Leasingobjekt selbst versichert und dem Leasingnehmer die Kosten für die Versicherung in Rechnung stellt?
Zu den Vorlagefragen
Vorbemerkungen
26 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die beiden dem Gerichtshof vorgelegten Fragen unterschiedliche Aspekte der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umstände betreffen.
27 So bezieht sich die erste Frage darauf, ob die Gesamtheit der fraglichen Umsätze, die aus Leasing- und Versicherungsleistungen besteht, im Hinblick auf die Mehrwertsteuer eine einzige Dienstleistung bildet. Demgegenüber betrifft die zweite Frage, die auf der Hypothese beruht, dass es sich um zwei eigenständige Dienstleistungen handelt, im Wesentlichen den Umsatz der Weiterberechnung der Versicherungskosten und insbesondere die Frage, ob ein derartiger Umsatz gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Mehrwertsteuer zu befreien ist.
Zur ersten Frage
28 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Erbringung einer Leasingleistung und die Bereitstellung einer Versicherungsleistung für das Leasingobjekt mehrwertsteuerlich eine einheitliche Leistung bilden, auf die ein einziger Mehrwertsteuersatz anzuwenden ist, oder ob es sich um voneinander unabhängige Umsätze handelt, bei denen daher die Frage, ob sie der Mehrwertsteuer unterliegen, gesondert zu beurteilen ist.
29 Zunächst ist zu beachten, dass im Hinblick auf die Mehrwertsteuer jede Leistung in der Regel als eigene und selbständige Leistung zu betrachten ist, wie sich aus Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt (vgl. Urteil vom 27. September 2012, Field Fisher Waterhouse, C-392/11, Randnr. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).
30 Allerdings geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass unter bestimmten Umständen mehrere formal eigenständige Leistungen, die getrennt erbracht werden und damit jede für sich zu einer Besteuerung oder Befreiung führen könnten, als einheitlicher Umsatz anzusehen sind, wenn sie nicht voneinander unabhängig sind (Urteile vom 21. Februar 2008, Part Service, C-425/06, Slg. 2008, I-897, Randnr. 51, und vom 2. Dezember 2010, Everything Everywhere, C-276/09, Slg. 2010, I-12359, Randnr. 23). Ein einheitlicher Umsatz liegt namentlich vor, wenn die Leistung des Steuerpflichtigen aus zwei oder mehreren Elementen oder Handlungen besteht, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (Urteile vom 27. Oktober 2005, Levob Verzekeringen und OV Bank, C-41/04, Slg. 2005, I-9433, Randnr. 22, und vom 29. März 2007, Aktiebolaget NN, C-111/05, Slg. 2007, I-2697, Randnr. 23). Dies ist auch dann der Fall, wenn ein oder mehrere Elemente als Hauptleistung anzusehen sind, während andere Elemente als eine oder mehrere Nebenleistungen einzustufen sind, die steuerlich ebenso zu behandeln sind wie die Hauptleistung (Urteile vom 25. Februar 1999, CPP, C-349/96, Slg. 1999, I-973, Randnr. 30, sowie Part Service, Randnr. 52).
31 Dabei hat der Gerichtshof nicht nur entschieden, dass jede Leistung in der Regel als eigene und selbständige Leistung zu betrachten ist, sondern auch, dass ein Umsatz, der wirtschaftlich betrachtet eine einzige Leistung darstellt, nicht künstlich aufgespalten werden darf, um die Funktionalität des Mehrwertsteuersystems nicht zu beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile CPP, Randnr. 29, sowie vom 22. Oktober 2009, Swiss Re Germany Holding, C-242/08, Slg. 2009, I-10099, Randnr. 51).
32 Zur Klärung der Frage, ob die erbrachten Leistungen mehrere voneinander unabhängige Leistungen oder eine einheitliche Leistung darstellen, sind die charakteristischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln (vgl. in diesem Sinne Urteile CPP, Randnr. 29, Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 20, sowie Field Fisher Waterhouse, Randnr. 18). Es gibt jedoch für die Bestimmung des Umfangs einer Leistung aus mehrwertsteuerlicher Sicht keine Regel mit absoluter Geltung; daher sind zur Bestimmung des Umfangs einer Leistung die Gesamtumstände zu berücksichtigen, unter denen der fragliche Umsatz getätigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil CPP, Randnrn. 27 und 28).
33 Ob der Steuerpflichtige in einem konkreten Fall eine einheitliche Leistung erbringt, haben im Rahmen der mit Art. 267 AEUV errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen, die dazu alle definitiven Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben (vgl. in diesem Sinne Urteile CPP, Randnr. 32, Part Service, Randnr. 54, und vom 10. März 2011, Bog u. a., C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, Slg. 2011, I-1457, Randnr. 55, sowie Beschluss vom 19. Januar 2012, Purple Parking und Airparks Services, C-117/11, Randnr. 32). Der Gerichtshof hat jedoch den nationalen Gerichten alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die für die Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können (Urteil Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 23).
34 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass für den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsatz, wie sich aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte ergibt, insbesondere das Vorliegen zweier Elemente kennzeichnend ist, nämlich
– einer Leasingleistung, über die sich die Parteien des Leasingvertrags, also Leasinggeber und Leasingnehmer, geeinigt haben, und
– einer Versicherungsleistung für das Leasingobjekt, in deren Rahmen zum einen der Leasinggeber, der Eigentümer des Leasingobjekts ist, bei einem Versicherer eine Versicherung abschließt und zum anderen deren Kosten in unveränderter Höhe an den Leasingnehmer weiterberechnet werden.
35 In Bezug auf die Feststellung, ob diese Elemente mehrwertsteuerlich einen einheitlichen Umsatz bilden, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es zutrifft, dass sie beide gemeinsam erbracht werden können. Denn zwischen der Erbringung der Leasingleistung und der Bereitstellung der Versicherung für das Leasingobjekt besteht eine Verbindung, weil ein solcher das Leasingobjekt betreffender Versicherungsschutz nur für dieses von Nutzen ist.
36 Insoweit ist aber hervorzuheben, dass naturgemäß jeder Versicherungsumsatz eine Verbindung zu dem Gegenstand aufweist, auf den er sich erstreckt. Daraus folgt, dass zwischen dem Leasingobjekt und dessen Versicherung notwendigerweise ein gewisser Zusammenhang besteht. Dieser kann jedoch für sich genommen nicht zur Klärung der Frage ausreichen, ob mehrwertsteuerlich eine einheitliche zusammengesetzte Leistung vorliegt. Wäre für die Mehrwertsteuerpflichtigkeit jedes Versicherungsumsatzes maßgebend, ob Leistungen, die sich auf den versicherten Gegenstand beziehen, dieser Steuer unterliegen, würde nämlich der Zweck von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie, nämlich die Befreiung der Versicherungsumsätze, in Frage gestellt.
37 Sodann ist daran zu erinnern, dass Leasingleistungen, die keinen Übergang des Eigentums an dem Gegenstand, auf den sie sich beziehen, auf den Leasingnehmer vorsehen, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs grundsätzlich als Dienstleistungen einzustufen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2012, Eon Aset Menidjmunt, C-118/11, Randnr. 33). Aus dieser Rechtsprechung geht aber auch hervor, dass derartige Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen gleichwohl dem Erwerb eines Investitionsguts gleichgesetzt werden können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Leasingnehmer über die wesentlichen Attribute des Eigentums am Leasingobjekt verfügt, etwa wenn die mit dem rechtlichen Eigentum am Leasingobjekt verbundenen Chancen und Risiken zum überwiegenden Teil auf ihn übertragen werden und die abgezinste Summe der Leasingraten praktisch dem Verkehrswert des Gegenstands entspricht (vgl. Urteil Eon Aset Menidjmunt, Randnr. 40). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob diese Kriterien erfüllt sind.
38 Als Dienstleistungen unterliegen derartige Leasingumsätze gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie in der Regel der Mehrwertsteuer, und ihre Steuerbemessungsgrundlage wird im Einklang mit Art. 73 dieser Richtlinie ermittelt (vgl. in diesem Sinne Urteil Part Service, Randnr. 61). Versicherungsleistungen sind dagegen normalerweise gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Mehrwertsteuer befreit.
39 In Anwendung der in Randnr. 29 des vorliegenden Urteils erwähnten Richtschnur, wonach jede Leistung in der Regel als eigene und selbständige Leistung zu betrachten ist, ist darauf hinzuweisen, dass eine Leasingleistung und die Bereitstellung einer Versicherung für das Leasingobjekt grundsätzlich nicht als derart eng miteinander verbunden angesehen werden können, dass sie einen einheitlichen Umsatz bilden. Denn in einer getrennten Beurteilung derartiger Leistungen liegt an sich noch keine künstliche Aufspaltung eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs, die die Funktionalität des Mehrwertsteuersystems beeinträchtigen könnte.
40 Dennoch ist zu prüfen, ob es dem Ausgangsverfahren eigentümliche Gründe gibt, die darauf schließen lassen, dass die betreffenden Elemente einen einheitlichen Umsatz bilden.
41 Aus diesem Blickwinkel ist erstens daran zu erinnern, dass nach der in Randnr. 30 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff des einheitlichen Umsatzes eine Leistung insbesondere dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung angesehen wird, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (Urteile CPP, Randnr. 30, und Part Service, Randnr. 52).
42 Insoweit trifft es zwar zu, dass dank der Versicherungsleistung für das Leasingobjekt die Risiken, denen der Leasingnehmer ausgesetzt ist, normalerweise geringer sind als die Risiken, die ohne eine solche Versicherung bestünden, doch ergibt sich dieser Umstand aus dem Wesen der Versicherungsleistung selbst. Er bedeutet aber, für sich betrachtet, nicht, dass eine derartige Versicherungsleistung gegenüber der Leasingleistung, in deren Rahmen sie erfolgt, den Charakter einer Nebenleistung hätte. Auch wenn eine solche Versicherungsleistung, die der Leasingnehmer über den Leasinggeber erlangt, im oben beschriebenen Sinne die Nutzung der Leasingleistung erleichtert, ist nämlich davon auszugehen, dass sie für den Leasingnehmer im Wesentlichen einen eigenen Zweck erfüllt und nicht nur das Mittel darstellt, um die Leasingleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
43 Dass der Leasinggeber – wie dies im Rahmen des Umsatzes, der im Ausgangsverfahren in Rede steht, der Fall zu sein scheint – eine Versicherung des Leasingobjekts verlangt, vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der Leasingnehmer unter den Umständen des Ausgangsverfahrens, auch wenn er dafür Sorge zu tragen hat, dass das Leasingobjekt versichert wird, doch über die Möglichkeit verfügt, es bei der Versicherungsgesellschaft seiner Wahl zu versichern. Somit kann das Erfordernis eines Versicherungsschutzes für sich genommen nicht bedeuten, dass eine durch Vermittlung des Leasinggebers erbrachte Versicherungsleistung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende im Verhältnis zur Leasingleistung untrennbaren oder nebensächlichen Charakter hätte.
44 Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass die Rechnungsstellungs- und Preisbildungsmodalitäten Hinweise auf die Einheitlichkeit einer Leistung liefern können (vgl. in diesem Sinne Urteil CPP, Randnr. 31). Dabei sprechen eine gesonderte Rechnungsstellung und eine eigenständige Bildung des Leistungspreises für das Vorliegen selbständiger Leistungen, ohne dass diesen Faktoren allerdings eine entscheidende Bedeutung zukäme (vgl. in diesem Sinne Beschluss Purple Parking und Airparks Services, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 Insoweit spiegeln die im Ausgangsverfahren angewandten Modalitäten, nämlich eine eigenständige Preisbildung und eine gesonderte Rechnungsstellung, die Interessen der Vertragsparteien wider. Denn der Leasingnehmer möchte vor allem eine Leasingleistung erhalten und nur subsidiär die Versicherung, die der Leasinggeber von ihm verlangt. Falls sich der Leasingnehmer dafür entscheidet, auch die Versicherungsleistung über den Leasinggeber zu erwerben, erfolgt diese Entscheidung unabhängig von derjenigen, einen Leasingvertrag abzuschließen.
46 Schließlich steht dem Leasinggeber nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Leasingverträge zwischen BGŻ Leasing und ihren Kunden, wie sie der dem Gerichtshof vorgelegten Akte zu entnehmen sind, unter bestimmten Umständen das Recht zu, den Leasingvertrag zu kündigen, falls der Leasingnehmer ein anderes Entgelt als den im Vertrag vereinbarten Leasingzins nicht entrichtet.
47 Sollten mit diesem Entgelt, dessen Nichtzahlung dem Leasinggeber die Kündigung des Leasingvertrags ermöglicht, auch die Versicherungsprämien für das Leasingobjekt gemeint sein, wäre festzustellen, dass eine derartige Vertragsklausel, auch wenn in ihr unter anderen Umständen ein Hinweis auf das Vorliegen einer einheitlichen Leistung liegen könnte, unerheblich ist, sofern die einzelnen in Rede stehenden Umsätze objektiv nicht als einheitliche Leistung angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil Field Fisher Waterhouse, Randnrn. 23 und 25). Somit können Leasingleistungen und Versicherungsleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden trotz des Vorliegens einer solchen Vertragsklausel voneinander unabhängige Leistungen sein.
48 Zweitens geht aus den vorstehenden und den in Randnr. 36 des vorliegenden Urteils angeführten Erwägungen erst recht hervor, dass die Versicherungsleistung und die Leasingleistung, die im Ausgangsverfahren in Rede stehen, nicht als so eng miteinander verbunden erachtet werden können, dass sie im Sinne der in Randnr. 30 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bildeten, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
49 Um dem vorlegenden Gericht eine vollständige Antwort zu geben, ist für die Auslegung von Art. 78 der Mehrwertsteuerrichtlinie darauf hinzuweisen, dass die das Leasingobjekt betreffenden Leasing- und Versicherungsleistungen, wenn sie voneinander unabhängige Leistungen sind, nicht unter dieselbe Steuerbemessungsgrundlage fallen. Bei einer solchen Versicherungsleistung, die eine selbständige Leistung ist und für den Leasingnehmer einen eigenen Zweck darstellt, kann es sich somit nicht um Nebenkosten eines Leasingumsatzes im Sinne von Art. 78 handeln, die bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage des letztgenannten Umsatzes berücksichtigt werden müssten. Denn unter solchen Umständen bilden die Versicherungskosten die Gegenleistung der Versicherungsleistung für das Leasingobjekt und nicht die Gegenleistung der Leasingleistung selbst.
50 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass die in der Versicherung eines Leasingobjekts bestehende Dienstleistung und die im Leasing selbst bestehende Dienstleistung mehrwertsteuerlich grundsätzlich als eigene und selbständige Dienstleistungen behandelt werden müssen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die betreffenden Umsätze in Anbetracht der besonderen Umstände des Ausgangsverfahrens derart miteinander verbunden sind, dass sie als einheitliche Leistung angesehen werden müssen, oder ob sie im Gegenteil selbständige Leistungen darstellen.
Zur zweiten Frage
51 Die zweite Frage wird für den Fall gestellt, dass die in der Versicherung eines Leasingobjekts bestehende Dienstleistung und die im Leasing selbst bestehende Dienstleistung als eigenständige Leistungen einzustufen sein sollten. Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Umsatz, in dessen Rahmen der Leasinggeber das Leasingobjekt bei einem Dritten versichert und die Kosten für diese Versicherung an den Leasingnehmer weiterberechnet, einen im Sinne dieser Vorschrift steuerbefreiten Versicherungsumsatz darstellt.
52 Vorab ist daran zu erinnern, dass im Ausgangsverfahren die Einstufung der Versicherungsleistung, die gegenüber dem Leasinggeber für das Leasingobjekt erbracht wird, als Versicherungsumsatz im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht in Frage gestellt wird. Dagegen möchte das vorlegende Gericht insbesondere wissen, ob ein Umsatz, der neben der oben genannten Versicherungsleistung die Weiterberechnung ihrer Kosten durch den Leasinggeber an den Leasingnehmer umfasst, ebenfalls von der Mehrwertsteuer befreit werden muss.
53 Auf der Grundlage der Angaben, die sich aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte ergeben, wird deutlich, dass die fragliche Versicherungsleistung zunächst vom Versicherer an BGŻ Leasing verkauft wird, die die Kosten dafür sodann auf ihren Kunden, den Leasingnehmer, abwälzt. Der Gerichtshof verfügt jedoch über keine Angaben zum genauen Inhalt dieses Versicherungsvertrags oder zu den Modalitäten der vertraglichen Vereinbarung zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer für die Weiterberechnung der Kosten der Versicherungsleistung.
54 Um festzustellen, ob dieser Umsatz, der nicht nur in einer Versicherungsleistung, sondern auch in der Weiterberechnung ihrer Kosten an den Leasingnehmer besteht, ein von der Mehrwertsteuer befreiter Umsatz ist, ist die Tragweite von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie zu prüfen.
55 Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten „die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden“, von der Steuer.
56 Die Begriffe, mit denen die in Art. 135 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgeführten Steuerbefreiungen umschrieben werden, sind eng auszulegen, da Letztere Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (Urteil vom 19. Juli 2012, Deutsche Bank, C-44/11, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zudem sind nach ständiger Rechtsprechung die in diesem Artikel vorgesehenen Steuerbefreiungen autonome Begriffe des Unionsrechts, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung der Mehrwertsteuerregelung vermeiden sollen (vgl. in diesem Sinne Urteile CPP, Randnr. 15, sowie vom 8. März 2001, Skandia, C-240/99, Slg. 2001, I-1951, Randnr. 23).
57 Die Mehrwertsteuerrichtlinie definiert den Begriff des Versicherungsumsatzes nicht.
58 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich indessen, dass das Wesen eines Versicherungsumsatzes nach allgemeinem Verständnis darin besteht, dass der Versicherer sich verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie im Fall der Verwirklichung des abgedeckten Risikos die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen (vgl. u. a. Urteil vom 20. November 2003, Taksatorringen, C-8/01, Slg. 2003, I-13711, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem setzen Versicherungsumsätze ihrem Wesen nach eine Vertragsbeziehung zwischen dem Erbringer der Versicherungsleistung und der Person, deren Risiken die Versicherung abdeckt, d. h. dem Versicherten, voraus (Urteile Skandia, Randnr. 41, und Taksatorringen, Randnr. 41).
59 Der Gerichtshof hat klargestellt, dass der in Art. 135 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie enthaltene Ausdruck „Versicherungsumsätze“ grundsätzlich weit genug ist, um die Gewährung von Versicherungsschutz durch einen Steuerpflichtigen zu umfassen, der nicht selbst Versicherer ist, aber im Rahmen einer Gruppenversicherung seinen Kunden einen solchen Schutz durch Inanspruchnahme der Leistungen eines Versicherers verschafft, der die Deckung des versicherten Risikos übernimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil CPP, Randnr. 22).
60 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen stellt sich die Frage, ob unter den Begriff „Versicherungsumsätze“ auch die Gewährung eines Versicherungsschutzes fällt, dessen Abschluss ein Versicherter – wie etwa ein Leasinggeber – getätigt hat, der die Kosten dieser Versicherung im Rahmen eines Leasingumsatzes an seinen Kunden, den Leasingnehmer, weiterberechnet, dem im Verhältnis zum Leasinggeber die Risikodeckung zugutekommt.
61 Grundsätzlich ist diese Frage zu bejahen.
62 Eine Versicherungsleistung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende kann nämlich nicht allein deshalb der Mehrwertsteuer unterworfen werden, weil die sie betreffenden Kosten gemäß den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien eines Leasingvertrags weiterberechnet werden. Dass der Leasinggeber auf Ersuchen seiner Kunden bei einem Dritten eine Versicherung abschließt und sodann den genauen Betrag der von diesem Dritten in Rechnung gestellten Kosten auf die Kunden abwälzt, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Unter derartigen Umständen bildet der weiterberechnete Betrag, sofern die fragliche Versicherungsleistung unverändert bleibt, nämlich die Gegenleistung für die Versicherung, so dass kein Anlass besteht, einen solchen, nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie befreiten Umsatz der Mehrwertsteuer zu unterwerfen.
63 Zur Relevanz von Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie, wonach „Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, … behandelt [werden], als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten“, unter den Umständen des Ausgangsverfahrens ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der betreffende Umsatz, sofern BGŻ Leasing den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Versicherungsvertrag im eigenen Namen und für eigene Rechnung geschlossen hat – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist –, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 28 fällt (vgl. entsprechend Urteil vom 3. Mai 2012, Lebara, C-520/10, Randnr. 43). Zum anderen bestätigt die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie, sollte der genannte Versicherungsvertrag für Rechnung Dritter geschlossen worden sein, die Befreiung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsatzes.
64 Nach dieser Rechtsprechung betrifft Art. 28, da er zu Titel IV („Steuerbarer Umsatz“) der Mehrwertsteuerrichtlinie gehört und allgemein gefasst ist, ohne Beschränkungen in Bezug auf seinen Anwendungsbereich oder seine Tragweite zu enthalten, auch die Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Befreiungen von der Mehrwertsteuer (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2011, Henfling u. a., C-464/10, Slg. 2011, I-6219, Randnr. 36).
65 Jedenfalls lässt nach gefestigter Rechtsprechung der Grundsatz der steuerlichen Neutralität es nicht zu, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (Urteil vom 10. November 2011, The Rank Group, C-259/10 und C-260/10, Slg. 2011, I- 10947 Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
66 Daher können Versicherungsleistungen für das Leasingobjekt, dessen Eigentümer der Leasinggeber bleibt, unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob derartige Leistungen dem Leasingnehmer unmittelbar durch eine Versicherungsgesellschaft erbracht werden oder ob er einen solchen Versicherungsschutz über den Leasinggeber erhält, der ihn sich bei einem Versicherer verschafft und seine Kosten an den Leasingnehmer in unveränderter Höhe weiterberechnet.
67 Für diese Auslegung spricht überdies der Zweck der Mehrwertsteuerrichtlinie, die Versicherungsumsätze von der Steuer befreit und zugleich in Art. 401 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, Abgaben auf Versicherungsverträge beizubehalten oder einzuführen. Infolgedessen könnte, wenn der Ausdruck „Versicherungsumsätze“ nur Umsätze der Versicherer selbst erfassen würde, ein Endverbraucher – wie etwa ein Leasingnehmer – unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht nur mit dieser Abgabe, sondern, falls eine Versicherungsleistung über den Leasinggeber erbracht wird, auch mit der Mehrwertsteuer belastet werden. Ein solches Ergebnis widerspräche dem Zweck der in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung (vgl. in diesem Sinne Urteil CPP, Randnr. 23).
68 Schließlich ist hervorzuheben, dass diese Argumentation auf der Annahme beruht, dass der Leasinggeber dem Leasingnehmer die genauen Kosten der Versicherung in Rechnung stellt, und dass sie nicht gelten kann, falls der dem Leasingnehmer als Versicherungskosten in Rechnung gestellte Betrag höher ist als der dem Leasinggeber vom Versicherer in Rechnung gestellte Betrag.
69 Folglich ist davon auszugehen, dass ein Umsatz wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, der in der Weiterberechnung der genauen Kosten der Versicherung für das Leasingobjekt besteht, ein Versicherungsumsatz im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie ist.
70 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass, wenn der Leasinggeber das Leasingobjekt selbst versichert und die genauen Kosten der Versicherung an den Leasingnehmer weiterberechnet, ein solcher Umsatz unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ein Versicherungsumsatz im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie ist.
Kosten
71 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:
1. Die in der Versicherung eines Leasingobjekts bestehende Dienstleistung und die im Leasing selbst bestehende Dienstleistung müssen mehrwertsteuerlich grundsätzlich als eigene und selbständige Dienstleistungen behandelt werden. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die betreffenden Umsätze in Anbetracht der besonderen Umstände des Ausgangsverfahrens derart miteinander verbunden sind, dass sie als einheitliche Leistung angesehen werden müssen, oder ob sie im Gegenteil selbständige Leistungen darstellen.
2. Wenn der Leasinggeber das Leasingobjekt selbst versichert und die genauen Kosten der Versicherung an den Leasingnehmer weiterberechnet, ist ein solcher Umsatz unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ein Versicherungsumsatz im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Polnisch.
Quelle