Dienstag, 28. Mai 2013

Die Vergabe von Konzessionen für Sportwetten – Ein Experiment

Vor nahezu einem Jahr, am 01.07.2012, ist der Erste Glückspieländerungsstaatsvertrag in Kraft getreten. Gemäß der  „Experimentierklausel“ des § 10a sollten nach Inkrafttreten des Gesetzes 20 Konzessionen zur Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten für die Dauer von 7 Jahren vergeben werden.

„Die Experimentierklausel wurde offensichtlich falsch verstanden. Sie bezieht sich auf die Erprobung des Konzessionsmodels und nicht auf das Vergabeverfahren. Das Verfahren steckt momentan in einem unüberschaubaren Chaos. Es ist überhaupt nicht absehbar, wann mit der Erteilung der Konzessionen gerechnet werden kann. Ein Armutszeugnis für die Politik!“ sagt Markus Maul, Präsident des Verbandes Europäischer Wettunternehmer – VEWU.

Wir blicken zurück: Im Sommer letzten Jahres begann das mit der Konzessionsvergabe beauftragte Hessische Ministerium für Inneres und für Sport mit dem Vergabeverfahren. Nach Schätzungen der Branche bewarben sich um die 100 Unternehmen. Das Verfahren war zweistufig gestaltet. Diejenigen, die im Herbst die erste Stufe überstanden, mussten weitere Unterlagen bis zum 21.01.2013 einreichen. Die Anforderungen waren hoch gesteckt, aber teilweise so diffus, dass im Rahmen eines eigens vom Ministerium geschaffenen Frage- Antwortportals rund 600 Fragen gestellt werden mussten, um Licht in das Dunkel der Ausschreibungsanforderungen zu bringen. Zwischendurch wurden dann hier und da auch Anforderungen wieder geändert, wie z. B. die Verpflichtung, eine Bürgschaft in Höhe von 5 Millionen EURO bereits mit der Antragsstellung nachzuweisen – später reichte die Zusicherung aus, die Bürgschaft bei Konzessionserteilung zu stellen. Geplant war, die ersten Konzessionen ab Mai (2013!) zu vergeben. Bis Ende März wurden dem Vernehmen nach 14 Bewerber eingeladen, um ihre Sicherheits- und Sozialkonzepte persönlich vorzustellen. Erstaunlicherweise waren in der Verhandlungsrunde einige große internationale Unternehmen, die in vielen europäischen Ländern – und in Schleswig—Holstein – über Konzessionen verfügen, nicht dabei. An sich sollte nach der Verhandlungsphase die Vergabe der Konzessionen beginnen.

Stattdessen bricht das Chaos aus. Einige Bewerber reichen bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Eilanträge ein. In einem Beschluss vom 30.04.2013 (AZ 5 L 90/13.WI) verpflichtet das Gericht daraufhin die Behörde, dem Bewerber Gelegenheit zu geben, seine Konzepte im Verhandlungsverfahren persönlich vorzustellen. In anderen Verfahren teilt das Gericht der Behörde mit, dass es davon ausgeht, dass bis zur Entscheidung über den Eilantrag keine Entscheidungen über die Konzessionsvergabe getroffen werden. Damit ist das Verfahren zunächst einmal lahmgelegt. Ob der Konzessionsgeber in die Beschwerde geht, steht noch nicht fest. Das Hessische Ministerium hat jetzt erst einmal reagiert. Es beabsichtigt, das gesamte Vergabeverfahren zu ändern. Es verkündet: 41 Bewerber sollen noch in der zweiten Stufe sein. Alle Anträge werden jetzt noch einmal abschließend geprüft. Daraufhin wird entschieden, ob ggf. noch Bewerber in die Verhandlungsrunde eingeladen werden. Alle die nicht dorthin gelangen, erhalten dann eine Vorabinformation mit ausführlicher Begründung der beabsichtigten  Ablehnung ihrer Bewerbung. Sie haben dann 15 Tage Zeit, um rechtliche Schritte zu ergreifen, bevor Konzessionen an erfolgreiche Bewerber erteilt werden. Nach Ablauf dieser Frist werden an diese Bewerber Konzessionen erteilt. Und dann soll ein zweites Verfahren eröffnet werden, in dem sich diejenigen, die in der zweiten Stufe leer ausgegangen sind, nach Maßgabe der ursprünglichen Ausschreibung erneut um eine Konzession bemühen können.

„Ich frage mich, warum man sich nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden veranlasst sieht, alle Anträge jetzt noch einmal “abschließend” zu prüfen. Die Prüfung war doch schon vor der Verhandlungsrunde im März abgeschlossen. Da die Behörde meint, sie werde später nachgereichte Erklärungen nicht berücksichtigen, dürfte doch gar kein Anlass zu einer erneuten Prüfung bestehen. Es sei denn, dass man im Ministerium davon ausgeht, möglicherweise etwas übersehen zu haben. Aber das Ergebnis der Nachprüfung scheint ja ohnehin schon festzustehen. Denn die Behörde geht ja bereits davon aus, dass nicht alle 20 Konzessionen im ersten Schritt verteilt werden, so dass sich diejenigen, die abgelehnt werden, in einem zweiten Vergabeverfahren um die restlichen prügeln können. Da stellt sich dann allerdings die Frage, wie der Wettbewerbsvorteil ausgeglichen werden soll, der dadurch entsteht, dass die Mitbewerber aus dem ersten Schwung wesentlich früher auf den Markt dürfen. Interessant wird auch die Vergabe der stationären Konzessionen durch die einzelnen Länder, die ja sehr unterschiedlich zahlenmäßig begrenzt sind. Werden in den Ländern Konzessionen für die Nachrücker freigehalten?“ kommentiert Markus Maul.

 „Meine Vermutung ist, dass man mit der angeblichen Nachprüfung und der Änderung des Verfahrens den momentan anhängigen Eilanträgen mit dem Argument, „wir prüfen doch noch und ihr habt doch in einem zweiten Verfahren noch eine Chance“ das Rechtsschutzinteresse entziehen will. Das wird nicht funktionieren. Vielmehr werden jetzt noch mehr Gründe für eine Lawine von Klagen geschaffen. Das scheint auch dem Ministerium bewusst zu sein, denn wie auf ISA zu lesen war, suchen sie händeringend eine versierte Anwaltskanzlei. Mir tun die Mitarbeiter in der Behörde leid, denn sie sind die leidtragenden eines politisch halbgaren Kompromisses, der mit der Experimentierklausel geschlossen wurde. Hätten die Glücksspielreferenten ihre 15 Ministerpräsidenten seinerzeit gut beraten, hätten die den einzig richtigen Weg beschritten und – wie damals Schleswig-Holstein- ein Gesetz geschaffen, dass jedem eine Konzession ermöglicht, der die notwendigen Anforderungen erfüllt.  Dann wäre den Beamten viel Ärger und den Gerichten viel Arbeit erspart geblieben.“ sagt Markus Maul abschließend.

Den Informationen des Ministeriums zur Folge ist mit der Ankündigung der Ablehnungen nicht vor August zu rechnen. Es werden schon Wetten angenommen, was zuerst fertig ist? Der Flughafen Berlin-Brandenburg oder das Konzessionsvergabeverfahren.

Verband Europäischer Wettunternehmer – VEWU
Repräsentanzbüro Deutschland
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Telefon:05861-985390
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E-Mail:info@vewu.com


VG Wiesbaden: Vergabeverfahren für Sportwetten-Lizenzen rechtswidrig?  weiterlesen
Beschluß Az 5 L 90/13. WI vom 30. April 2013 pdf-download


Lizenzvergabe für Sportwetten verzögert sich

Die Konzessionsvergabe an Sportwettenanbieter wird sich offenbar noch um mehrere Monate bis mindestens Mitte August verzögern.
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Live-Lotto vor dem Aus
Von Juli an wird es keine Live-Übertragung der Ziehung der Lottozahlen mehr geben.
Die TV-Anstalten sind ja nicht verpflichtet, die Lottozahlen zu verbreiten. Caspers-Merk über die Verhandlungen mit den TV-Sendern
Unter www.lotto.de. wird eine moderierte und öffentliche Ziehung (mittwochs von etwa 18.10 Uhr an und samstags von etwa 19.10 Uhr) live auf der Homepage des Lottoblocks ausgestrahlt.
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Glücksspiel Lizenzen für Sportwetten nicht in Sicht
Noch wurde keine einzige der bis zu 20 Glücksspiellizenzen vergeben.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden ist noch nicht rechtskräftig. Doch wenn es so weit ist, dürfte er „Präzedenzwirkung haben“, wie der bei Glücksspielsachen oft bemühte Bonner Anwalt Ronald Reichert sagt.
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Glücksspielvertrag (GlüÄndStV) i. V.  mit der Spielhallenregelung
Auch wenn der Glücksspielsstaatsvertrag zum 01. Juli 2012 wegen der Urteile des EuGH vom 08.09.2010 novelliert wurde, ist sein Kern geblieben. Privates Glücksspiel bleibt verboten und das Glücksspielsmonopol obliegt auch weiter dem Staat. Lediglich der Markt für Sportwetten soll gelockert werden, indem 20 Lizenzen für private Wettanbieter ausgeschrieben werden sollen.
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Die Deutungshoheit über die Rechtmäßigkeit liegt beim Europäischen Gerichtshof, der am 8.9.2010 die Rechtswidrigkeit des Staatlichen Monopols für Sportwetten und Lotterien feststellte.


Die EU-Mitgliedstaaten dürfen nach Europarecht zwar Einschränkungen vornehmen – allerdings nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses. Ein Einschränkung kann etwa dann erfolgen, wenn (Quasi-)Monopolregelungen der Kriminalitätsbekämpfung und dem Spielerschutz dienen und nicht nur auf eine Erhöhung der Staatseinnahmen abzielen (wofür der einschränkende Mitgliedstaat allerdings darlegungs- und nachweispflichtig ist).

Der EuGH verlangt, dass neben der Gesetzeslage auch und insbesondere die Wirklichkeit kohärent und wirksam die Ziele verfolgt, die die staatliche Beschränkung rechtfertigen sollen.

"Es stehen fiskalische Gründe im Vordergrund und nicht die behauptete Spielsuchteindämmung! - Der GlüStV erreiche nicht das Ziel des Staatsmonopols"
(vgl. Carmen Media Group Ltd. Rn 71)
Bis zu einer unionsrechtskonformen Neuregelung bleibt § 4 Abs. 4 GlüStV und damit das Internetveranstaltungs- und Internetvermittlungsverbot für Glücksspiele unanwendbar. (Rn 100) Auch die Vorschriften, die bislang das staatliche Monopol erhalten haben, § 4 Abs. 1, § 10 Abs. 2, 5 GlüStV, können aufgrund des Unionsrechtsverstoßes nach Verkündung des Urteils in der Rechtssache Carmen Media Group Ltd. nicht mehr angewendet werden (Rn 71)
Alle beschränkenden Regelungen des deutschen Glücksspiel-Staatvertrags dürfen wegen des Vorrangs des Europarechts bis zur Herstellung einer europarechtskonformen Sach- und Rechtslage nicht mehr angewandt werden.
Anders als nach deutschem Recht gibt es nach den klaren Ausführungen des Gerichtshofs in der Rechtssache Winner Wetten, Rn 61, 67ff keine Übergangsregelung und keine vorübergehende Weitergeltung europarechtswidrigen Rechts. (Pressemitteilung Nr.: 78/10 des EuGH vom 08.09.2010)
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Ein Mitgliedstaat begeht einen Verstoß, wenn er die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen nicht erfüllt.
Der Verstoß kann somit in einer Handlung oder einer Unterlassung bestehen. Als Staat einzustehen hat der Mitgliedstaat, der gegen das Unionsrecht verstößt, ungeachtet der staatlichen Stelle, die für die Nichterfüllung verantwortlich ist. 
Quelle

"Eine Rechtsvorschrift, die einen Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern – sei es auch nur vorübergehend – vom Markt zulässt, könnte nur dann als angemessen betrachtet werden, wenn ein wirksames gerichtliches Verfahren und, falls sich der Ausschluss später als ungerechtfertigt erweisen sollte, Ersatz für den entstandenen Schaden vorgesehen sind." ( Urteil Rs. C-72/10 und C 77/10 Costa u.a. Rn 81) 

Staatshaftung direkt aus Artikel 34 GG
"Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden."

Auch im GlüÄndStV ist erneut keine Schadenersatzpflicht für einen ungerechtfertigten Ausschluß von Marktteilnehmern vorgesehen! vgl. BVerwG vom 16.05.2013

Rückblick:

Im Amtsblatt der Europäischen Union vom 8. August 2012 ist die Vergabe der 20 Sportwetten-Konzessionen nach dem in derzeit 14 Ländern (außer Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) in Kraft getretenen Glücksspieländerungsstaatsvertrag veröffentlicht worden (Auftragsbekanntmachung 2012/S 151-253153). Anträge sind bis zum 4. September 2012 einzureichen, so dass für eine Bewerbung weniger als ein Monat bleibt.

Als Kontaktstelle für das Ausschreibungsverfahren ist nicht das für die Vergabe zuständige Hessische Ministerium des Innern und für Sport angegeben, sondern die Kanzlei CBH Rechtsanwälte, die seit Jahrzehnten den Deutschen Lotto- und Totoblock und deren Gesellschafter, die 16 Landeslotteriegesellschaften vertritt. Der Deutsche Lotto- und Totoblock wird sich voraussichtlich über die kürzlich gegründete ODS Oddset Deutschland Sportwetten GmbH, München, ebenfalls um eine der 20 Konzessionen bewerben. Insoweit sind Zweifel an der Unparteilichkeit der Kontaktstelle angebracht......
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