Mittwoch, 17. April 2013

Prof. Hufen: Wenn Pathologiegesetzgebung zur pathologischen Gesetzgebung wird.

Prof. Dr. Friedhelm Hufen

Wenn Pathologiegesetzgebung zur pathologischen Gesetzgebung wird.
Oder: Der selbstverschuldete Rückgang des Menschen in die Unmündigkeit.

Es ist die sozusagen definitionsmäßige Pflicht einer Dinnerspeech, dass sie den Dinnierenden nicht den Appetit verdirbt.
Deshalb verspreche ich Ihnen, dass ich das Wort "Erster Änderungsvertrag zum Glücksspielstaatsvertrag" trotz dessen unbestreitbaren ästhetischen Reizes im weiteren Verlauf des kleinen Vortrags nicht in den Mund nehmen werde.
Und doch: Bilden die Ziele dieses Gesamtkunstwerks Glücksspielstaatsvertrag die wichtige Brücke zu meinem Thema:
Ich meine dabei weniger das entlarvende, aber wenigstens ehrliche Motto: "Zukunft des Lotteriemonopols", das die Tagesordnung der einschlägigen Konferenzen der Ministerpräsidenten zierte und verdeutlicht, worum es bei aller gebetsmühlenartig vorgetragenen "Bekämpfung der Spielsucht" wirklich ging.
Ich meine vor allem den schon in der Urfassung enthaltenen Satz, wonach es darum gehe, den "natürlichen Spieltrieb des Menschen in geordnete Bahnen zu lenken ".
Als ich diesen Satz zum ersten Mal las, glaubte ich an einen Scherz. Doch dann begriff ich: Es gibt in unserem politischen Apparat offenbar Menschen, die sich befugt glauben, natürliche Triebe des Menschen in von ihnen als geordnet betrachtete Bahnen zu lenken.
Schlimmer noch: Dieser Satz provoziert in der sonst gegenüber Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte so sensiblen Gesellschaft der Gegenwart nicht etwa den verdienten Aufschrei der Empörung, sondern wird anscheinend als ganz normaler Ausdruck sozialstaatlicher Daseinsvorsorge hingenommen.
Da muss etwas in unseren Köpfen passiert sein, oder schlimmer: Sich schleichend verändert haben. Der aus Afghanistan eingeflogene Teppich eines Bundesministers, das geschenkte Bobby-Car des Sprösslings eines Bundespräsidenten: Darüber regen wir uns unendlich auf.
Die geradezu ungeheuerliche Anmaßung des zitierten Satzes aber findet in der Öffentlichkeit nicht einmal Erwähnung.
Mich empört dieser Satz als - wie ich meine - halbwegs mündiger Bürger: Ich bestehe darauf, dass - jedenfalls solange ich keinen Mitmenschen schädige - niemand befugt ist, meine Triebe in irgendwelche Bahnen zu lenken.
Und der Satz empört mich als Verfassungsrechtler, weil er an das anthropologische Fundament unserer freiheitlichen Verfassungsordnung geht: Das Menschenbild des Grundgesetzes.
Dieses Menschenbild des Grundgesetzes ist nach einer ganz frühen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durch den zwar sozial gebundenen, im Kern aber selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Bürger bestimmt und das ist ganz zentral für die Verfassung insgesamt: Diese ist inhaltlich und real nur dann wirklich frei, wenn sie den Bürgern Freiheit nicht nur gewährt, sondern auch Freiheit zumutet. Sie wird unfrei, wenn sie die Menschen nicht als frei und eigenverantwortlich begreift.
Fragt man nach den eigentlichen Wurzeln dieses Menschenbildes, dann muss man weit zurückgehen. So wichtig die Entstehung des Grundgesetzes 1949 und die Abkehr von der nationalsozialistischen Tyrannei, die Paulskirchenverfassung von 1848, die Bill of Rights von Virginia von 1776 oder die Menschenrechtserklärung von 1789 sind:
Die eigentliche Geburtsstunde des Menschenbilds der GG liegt im Herbst 1784, als die kleine Schrift Immanuel Kants "Was ist Aufklärung" erschien. In dieser definierte der große Philosoph und Staatstheoretiker die Aufklärung - wie wir alle wissen - als " Ausgang des Menschen aus selbst verschuldeter Unmündigkeit" - übrigens nicht, wie man nicht nur in studentischen Referaten immer wieder lesen kann als  "Herausführung des Menschen aus selbst verschuldeter Unmündigkeit". Und er fährt - noch wichtiger für unser Thema - fort: "
Unmündigkeit ist die Unfähigkeit, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist die Unmündigkeit, wenn das nicht am Verstand, sondern am mangelnden Mut liegt". Das erste Kapitel schließt mit der berühmten Aufforderung: Sapere aude - Wage zu denken.
Natürlich wusste auch Kant, dass er selbst nicht in diesem Sinne im Zeitalter der Aufklärung lebte. Sein Leben fiel in eine Zeit, in der der spätabsolutistische Staat das Leben seiner Untertanen bis hin zur Erfüllung der ehelichen Pflichten regelte (außer bei Gesundheitsgefahren und bei säugender Mutter). Mehr noch: Die Untertanen hatten sich eingerichtet im Wohlfahrtsstaat. Noch im 18. Jahrhundert entstand in Deutschland die Rede vom "Vater Staat" - bis heute wohl singulär im Kreis der westlichen Staaten und auch nicht ins Englische oder Französische übersetzbar. Im 19. Jahrhundert erhielt der "Deutsche Michel" nicht zufällig die Schlafmütze als Emblem verpasst. Das damit ausgedrückte paternalistische Staats- und Menschenbild hielt in Deutschland bis in die Gegenwart hinein und wurde jüngst anscheinend durch das vermeintliche Versagen der Privatwirtschaft in der Finanzkrise befeuert: Vater Staat und Mutter Merkel werden's schon richten - und wenn nicht, dann werden die Bundesbürger eben zu Wutbürgern.
Zurück zu Immanuel Kant: Auch für die Ursachen der selbstverschuldeten Unmündigkeit hatte dieser eine Erklärung parat:
"Dass der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit außer dem, dass er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte:
dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht auf sich genommen haben " Solche Oberaufsicht entspricht gewiss weder dem Menschenbild der Aufklärung noch dem des Grundgesetzes. Deshalb ist es die Zentrale Frage meines Vortrags: "Wo finden sich die Vormünder, auf die wir heute nicht nur freiwillig unsere Mündigkeit delegiert haben und die für uns zu denken sich aufgemacht haben? Und mit welchen Argumentationsmustern beeinflussen und beschränken sie unsere Freiheit?“

Ich werde in zwei Schritten versuchen, Antwort zu geben:
Sie lauten 1. Von der ursprünglichen zur staatlich gewährleisteten Freiheit.
2 Vom Recht auf Selbstgefährdung zur Sozialisierung des Lebensrisikos und zum pädagogischen Sozialstaat

1. Von der ursprünglichen zur staatlich gewährleisteten Freiheit
Für die Klassiker westlichen Verfassungsdenkens waren die Menschenrechte unmittelbarer und nicht begründungsbedürftiger Ausdruck vorstaatlicher Freiheit. Der durch diesen verfasste Staat hat Grundrechte zu schützen und Sicherheit zu gewährleisten, nicht aber Freiheit inhaltlich zu gewähren. Das Glück des Einzelnen ist primär dessen Aufgabe, nicht Aufgabe des Staates.
Auch das Grundgesetz schützt jede Freiheitsbetätigung: Reiten im Walde, Rauchen, Trinken, Sportwetten ebenso wie den "Lagerfeld-Zopf" des Polizeibeamten; es schützt Fleischesser und Vegetarier, ja sogar Bayern München-Fans. Und es schützt auch Menschen, die sich an Gewinnspielgeräten entspannen wollen. Dieses Grundprinzip formulierte der Herrenchiemsee-Entwurf zum Grundgesetz in Art. 2 noch ebenso unnachahmlich klar wie verständlich "Jedermann hat die Freiheit innerhalb der Schranken der Rechtsordnung und der guten Sitten alles zu tun und zu lassen, was die Rechte anderer nicht verletzt.“ Dieser Satz enthält aber exakt den Kern der gesamten Grundrechtsordnung des Grundgesetzes: Die prinzipielle Vermutung für die Freiheit und die ebenso prinzipielle Begründungsbedürftigkeit jeder Freiheitseinschränkung.
Dem allen widerspricht zutiefst die Vorstellung, die den Staat für die Glückseligkeit des Menschen verantwortlich macht und ihm deshalb die Legitimation verleiht, den Menschen sozusagen zu seinem eigenen Glück zu zwingen.
Damit bin ich beim zweiten Muster bevormundender Staatspädagogik.
2. Vom Recht auf Selbstgefährdung zur Sozialisierung des  Lebensrisikos und zum pädagogischen Sozialstaat
Das freiheitliche Grundkonzept des Grundgesetzes enthält eine ungeheure Zumutung: die Freiheit, Fehler zu begehen, sich selbst zu schädigen, die eigene Gesundheit zu gefährden -möglicherweise sogar mit fatalen Konsequenzen.
Das hinzunehmen ist schwierig und so erleben wir in allen parlamentarischen Anhörungen engagierte Menschen, die die anwesenden Abgeordneten beschwören, durch Gesetz Erwachsene Menschen daran zu hindern, sich selbst zu schädigen.
Die Argumentationsmuster seien hier nicht am Schutz vor den Gefahren pathologischen Spielverhaltens, sondern - durch den Vergleich besonders lehrreich - der allgemeinen Gesundheitspolitik herausgearbeitet.
Gesundheit ist ein hohes Gut. Sie ist Voraussetzung individueller Entfaltung und sozialer und kultureller Teilhabe. Nicht zufällig sind Leben und körperliche Unversehrtheit in unmittelbarer Nähe zu Menschenwürde und persönlicher Freiheit in Art. 2 Abs. 2 GG platziert. Unbestritten ist auch, dass den Staat eine Schutzpflicht für gesundheitsförderliche Lebensbedingungen trifft und dass das Sozialstaatsgebot in seinem Kern eine allgemeine und für alle erschwingliche und finanzierbare Krankenversicherung gebietet.
Damit aber wird die Gesundheit selbst noch lange nicht zum öffentlichen Gut. Auch in diesem buchstäblich lebenswichtigen Bereich bleibt Gesundheit primär und vor allem ein höchst individuelles, privates Gut. Freiheitliche Gesellschaften leben davon , dass Menschen auch persönliche Risiken erkennen, einschätzen und sich entscheiden. Die Kehrseite sei nicht verschwiegen: Menschen können auch scheitern, Risiken falsch einschätzen, ihre Gesundheit durch Rauchen, Trinken, falsche Ernährung oder gefährliche Sportarten - oder eben durch pathologisches Spielverhalten oder Nutzung des Internets ruinieren.
Gleichwohl ist beim Schutz erwachsener Menschen vor sich selbst Vorsicht angebracht. Das Recht des Einzelnen, sich unvernünftig zu verhalten, ist das vielleicht fragilste Grundrecht überhaupt, denn es provoziert: Der Staat hat trotzdem kein Recht, erwachsene Menschen vor der Ausübung gefährlicher Sportarten, Sportwetten oder Spielautomaten in Kneipen und Tankstellen in Schutz zu nehmen: Dabei ist gerade der Glücksspielstaatsvertrag nicht nur geradezu eine Absage an die Mündigkeit, sondern auch Ausdruck exemplarischer Heuchelei.
Merke: Profitiert das staatliche Monopol, dann ist das Bekämpfung der Spielsucht - auch wenn spätestens bei Erreichen zweistelliger Millionengewinne im  "Jackpot" die ganze Nation in ein kollektives delirium tremens fällt.
Profitiert ein privates Unternehmen, dann ist es Ausnutzung der Spielsucht. Übrigens sind die schon geltenden oder staatsvertraglich vereinbarten Verbote auch prägnante Beispiele für die freiheitsgefährdende Wirkung der Übernahme privater Lebensrisiken durch die Solidargemeinschaft, denn als vor dem Bundesverfassungsgericht alle Gründe für das Sportwettenmonopol zerpflückt wurden, blieb nur der Hinweis auf die negativen Folgen der Spielsucht für die sozialen Sicherungssysteme. Mit dieser Argumentation aber ist das Eindringen des Staates in die Kernbereiche privater Lebensgestaltung geradezu spielend und uneingeschränkt begründbar, denn der Sozialstaat sozialisiert das Risiko und muss folglich ebendie dieses Risiko durch Beeinflussung der individuellen Lebensgestaltung oder sogar durch Verbote bekämpfen. Körperliche Bewegung, gesunde Ernährung wären dann nicht nur wohlgemeinte, wenn auch mit einiger Penetranz vorgetragene "Ratschläge ihrer Krankenversicherung", sondern fettreiche Ernährung, die Wahl des Aufzugs statt der Treppe, Tabak und Alkoholkonsum und eben auch Automatenspiel würden zur Verletzung öffentlicher Gesundheitspflichten, deren Einhaltung konsequent durch staatliche Kontrolle eingefordert werden kann - eine Vision von freilich Orwellscher Dimension.
Halten wir dagegen: Das Recht auf Freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt auch und gerade das Recht des Einzelnen, mit seinem Big Mac, seinem schlechten Gewissen und seinem Sodbrennen allein zu sein.
Ein weiteres und wieder einmal besonders aktuelles Beispiel: So legitim der Nichtraucherschutz in öffentlichen Räumen ist, so wenig hat der Staat ein Recht, erwachsene Menschen und die sie bedienenden Gastwirte durch Totalverbote zu Nichtrauchern zu bekehren. Schützt der Staat solchermaßen den Menschen vor der eigenen Freiheit, dann verlässt er selbst seine freiheitliche Spur. Gleichwohl werden die Apologeten des Totalverbots nicht ruhen, bevor auch die letzte inhabergeführte Eckkneipe vom totalen Rauchverbot erfasst ist und sie werden danach nicht ruhen, bis sie ein Alkoholverbot, ein Schokoladenverbot oder wenigstens eine abschreckende Steuer auf alle wirklichen oder vermeintlichen Dickmacher erwirkt haben. Auch hier wird die bange Frage erst gar nicht gestellt, was es den Staat eigentlich angeht, wenn erwachsene Menschen in einer Raucherkneipe nicht nur rauchen und ein Bier trinken, sondern auch etwas dazu essen wollen: Pfefferlendchen jedenfalls hat das OLG Koblenz mit großer Weitsicht verboten. Wer raucht soll im Speiseangebot wenigstens auf russische Eier und Frikadellen zurückgeworfen sein. Erkennbar wird hier übrigens auch der geradezu neo-puritanische Hintergrund der Argumentation. Angegriffen wird vor allem alles, was Spaß macht, oder: wie mir ein schottischer Freund einmal sagte:  "lt's fun, so it must be sin H.
Helfen direkte Verbote nicht, so helfen wenigstens Werbeverbote. Hier waren die Einschränkung der Tabakwerbung und die aufdringlichen Warnhinweise auf Tabakschachteln ebenfalls nur der erste Schritt:
Die nächsten Schritte sind Werbeverbote für Alkohol und andere als schädlich empfundene Nahrungs-und Genussmittel. Die Kostproben sind vielfältig und reichen vom Verbot, einen Wein als "bekömmlich" zu bezeichnen bis zum Verbot der Champagnerbratbirne und der Bezeichnung "Bio-Tabak". Da ist es schon ein Trost, dass die Bezeichnung "anti aging beer"
(auch als Badebier zu nutzen) das gestrenge Frankfurter Verwaltungsgericht passiert hat.
Zunehmend dient der als solche unbestrittene Schutz von Jugendlichen vor "Komasaufen" und "Flatrate-Diskotheken" erkennbar dazu, mit Wein und Bier uralten Genussmitteln ja Kulturgütern den Garaus zu machen. "Warum dem Rauchverbot jetzt das Alkoholverbot folgen muss ", fragte kürzlich selbst die FAZ -Sonntagszeitung und fügte hinzu: "Warum sollte es den Winzern an Rhein und Mosel besser gehen als den Kokabauern in Kolumbien?" Das Beunruhigende war, dass man erst ganz am Schluss merkte, dass es sich um eine besonders bissige, weil realitätsnahe Satire handelte. Ähnliche Fast-Satiren kennen alle, die die amtlichen Begründungen zu den Umsetzungsgesetzen zum Glücksspielstaatsvertrag lesen.
Mit der gleichen Logik ließen sich spielend Fast Food Verbote, Höchstverweildauern vor dem heimischen Computer oder Fernseher, Popcornverbote im Kino, Höchstarbeitszeiten für Workaholics begründen. Die wohlmeinende - und gerade deshalb für die Selbstbestimmung so gefährliche Durchsetzung der Gesundheitsförderung und "Suchtbekämpfung" arbeitet aber nicht nur mit Verboten und der Einschränkung von Werbung und Kommunikation, sie hat längst ein ganzes Arsenal von indirekten und subtilen Beeinflussungen von Steuererleichterungen, Prämienermäßigungen, nervtötenden Warnhinweisen und pädagogischen Zeigefingern - bis hin zu Sargimitaten am Rand der Autobahn entwickelt.
Naturgemäß sind solche indirekten Maßnahmen direkten Verboten vorzuziehen, doch ändert das nichts an der grundsätzlichen Frage, ob der Staat nicht viel mehr auf die Eigenverantwortung und die Vernunft seiner Bürger und deren eigenes Interesse an ihrer Gesundheit vertrauen sollte.
Von Willy Brandt stammt der kluge Satz: " Die Schule der Nation ist die Schule ". Jedenfalls hat er nicht gesagt: "Die ganze Nation ist eine Schule ".
Was ist daraus zu lernen? Jawohl, es ist Auftrag der frühkindlichen Erziehung und der Schule, in Ergänzung zu Eltern, Kinder zu verantwortlichem Umgang mit den natürlichen Ressourcen und der eigenen Gesundheit zu befähigen. Ebenso kann und darf der Staat über Gesundheitsrisiken und die Risiken pathologischen Spielverhaltens informieren,
Verbraucherschutz fördern, vor konkreten Gefahren warnen. Das Grundgesetz schützt nicht nur die Starken und Selbstbestimmten, sondern auch und gerade die Schwachen und Prekären, die nicht dazu in der Lage sind, das für sie Nützliche zu tun und das sie Gefährdende zu meiden 6.

Ich rede hier aber nicht von den wirklich Hilfsbedürftigen, von wirklichen überforderten Eltern, von den von moderner Massenkommunikation und der Anonymität der Großstadt Zermürbten. Ich meine nur, dass Betreuung und Staatspädagogik diese Gruppe weit überschreitet und auch die vielen erfasst, die zur Selbststeuerung durchaus in der Lage wären, wenn man sie nur ließe.
Eine Gesellschaft, die ihre Freiheitsspielräume von den verschiedenen Pathologien her definiert, wird selbst pathologisch.
Pathologiegesetzgebung wird dann in der Tat zur pathologischen Gesetzgebung.
Kann es etwa sein, dass wir uns in einer nach unten offenen Unmündigkeitsspirale befinden, in der immer mehr Menschen unmerklich immer mehr Selbstbestimmung verlieren und gerade dadurch immer betreuungsbedürftiger werden?
Auch das ist ein Mechanismus, von dem schon Kant wusste, denn:
"Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, so brauche ich mich ja selbst nicht zu bemühen"
Treffender kann man es nicht sagen!
Was ist zu tun?
Zuallererst sollten wir uns auch unter den komplexen Lebensbedingungen der Gegenwart immer das Menschenbild der Aufklärung und den Vorrang der die Freiheit und Eigenverantwortung erinnern, nein besser: vergegenwärtigen.
Wir sollten Schranken individueller Freiheit nur dann akzeptieren, wenn konkret nachgewiesen ist, dass der Gebrauch der Freiheit anderen Menschen oder Gemeinwohlbelangen schadet.
• Wir sollten Früherziehung und Schule so einrichten, dass die Menschen rechtzeitig befähigt werden, von ihrer Freiheit verantwortlich Gebrauch zu machen, aber wir sollten aufhören, erwachsene Menschen zu bevormunden und für sie zu entscheiden, was gut und gesund für sie ist.
Vor allem gilt der Leitsatz des großen Immanuel Kant: Sapere aude: Lassen wir nicht denken -nicht durch erkannte und unerkannte Vormünder, nicht durch ernannte und unernannte Suchtbeauftragte und Gesundheitsdiktatoren.
Denken wir selbst!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen guten Appetit und ein herzliches "zum Wohl" bei ihrem in freier Selbstbestimmung gewählten Mahl und dem nach neueren Erkenntnissen besonders gesundheitsfördernden Gläschen Wein.
Und selbst wenn es nicht gesundheitsfördernd wäre: Wir hätten von Verfassungswegen das Recht dazu !!!!

Quelle: (pdf-download)