Bachelorarbeit
Dennis Greiner
1. Einleitung (Auszug)
„Der Glücksspielstaatsvertrag [ist] nicht nur geradezu eine Absage an die Mündigkeit [der Bürger], sondern auch Ausdruck exemplarischer Heuchelei.“
In dieser gewagten Formulierung Prof. Dr. Friedhelm Hufens (Johannes-Gutenberg-Universität zu Mainz), seines Zeichens Mitglied des Verfassungsgerichtshofs von Rheinland-Pfalz, klingen gleich mehrere diskussionswürdige Aspekte des deutschen Glücksspielrechtes an: Erstens die Frage, inwieweit der Bürger fähig und willens ist, sich selbst vor mit Glücksspiel verbundenen Gefahren zu schützen, und wieweit der Schutzauftrag des Staates aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes (GG) geht.
Zweitens enthält dieser Satz den Vorwurf der Heuchelei, der „aus selbstsüchtigen Interessen entspringende[n] Verhüllung der wahren und Vorspiegelung einer falschen, in dem Betreffenden nicht vorhandenen lobenswerten Gesinnung.“
Bezogen auf das Glücksspielrecht wirft Hufen dem Gesetzgeber des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) vor, er verschleiere sein Interesse an einer strengen Regulierung des Glücksspieles zur Erzielung von Einnahmen für den Fiskus unter dem Vorwand hehrer Ziele wie des Jugend- und Spielerschutzes oder der Verhinderung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (vgl. § 1 Nr. 5 des Lotteriestaatsvertrages – LottStV, § 1 Nr. 1 und 3 GlüStV, § 1 S. 1 Nr. 1 und 3 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages – GlüÄndStV). Die im Zitat zum Ausdruck kommenden Aspekte sind lediglich Teilaspekte einer weitergehenden und umfangreicheren Prüfung, die in dieser Arbeit vorgenommen wird.
Die Regelungen des GlüÄndStV, der zum 01.07.2012 in Kraft getreten ist, stehen seit Monaten in der Öffentlichkeit zur kontroversen Diskussion. An dieser sind u. a. Politiker, Juristen, Psychologen, Soziologen, gewerbliche Glücksspielanbieter, Verwaltungsfachleute und Fachverbände beteiligt.
Von den vielen möglichen Prüfungsansätzen wurde für diese Arbeit der juristische gewählt. An den GlüÄndStV sollen die Maßstäbe unserer Verfassung, des Grundgesetzes, angelegt werden. Dabei wurden als Prüfmaßstäbe die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 (Berufsfreiheit) und 14 Abs. 1 (Eigentum) sowie die Gesetzgebungskompetenzen aus Art. 70 bis 74 GG ausgewählt. Auf Grund ihrer zentralen Bedeutung sollen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Bestimmheitsgebot (beide 4.4) und das Erfordernis der Kohärenz und Systematik bzw. Konsequenz und Konsistenz (4.5) nicht nur innerhalb der Grundrechtsprüfung erwähnt werden, sondern eine Stellung als eigenständiger Prüfungsmaßstab erhalten.
An den Prüfungsmaßstäben werden ausgewählte Regelungen des GlüÄndStV zu Sportwetten (§§ 10a Abs. 2 i. V. m. 4a Abs. 4; 4a Abs. 3 S. 1, 10a Abs. 3; 4d Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1) und zu Spielhallen (§§ 2 Abs. 3; 24 Abs. 2; 25 Abs. 1, 2 und 3; 29 Abs. 4 S. 2 und 3) gemessen.
Inzidenter werden dabei auch die Ziele des Staatsvertrages (§ 1) und weitere Regelungen des GlüÄndStV zur Sprache kommen. Sofern der Entwurf des baden-württembergischen Landesglücksspielgesetzes - LGlüG-E identische oder konkretisierende Normen enthält, werden diese in die Prüfung mit einbezogen. Von den in 4. erörterten Prüfungsmaßstäben werden bei den zu prüfenden Regelungen jeweils diejenigen zum Tragen kommen, bei denen sich in Bezug auf die Regelung Problematiken ergeben.
Kein Gegenstand dieser Arbeit sind europarechtliche Fragen wie etwa die Vereinbarkeit der Regelungen des GlüÄndStV mit Art. 49 (Niederlassungsfreiheit) und 56 (Dienstleistungsfreiheit) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
Nach der Definition grundlegender Begriffe aus dem Bereich des Glücksspiels in 2. folgen in 3. Basisinformationen zum GlüÄndStV. In 4. schließt sich die Darstellung der Prüfungsmaßstäbe für die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen einschließlich der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) an. Hauptteil der Arbeit sind die Ausführungen unter 5. zum Regelungsgehalt und zur Verfassungsmäßigkeit der ausgewählten Normen, bevor in 6. ein Resümee gezogen und eine Prognose zur Zukunft des Glücksspielrechts in Deutschland gewagt wird.
Redaktioneller Hinweis: Die Paragraphenangaben beziehen sich, soweit nichts anderes vermerkt ist, auf den GlüÄndStV. An einigen Stellen der Arbeit wird zur Klarstellung dennoch gesondert angegeben, dass Regelungen des GlüÄndStV gemeint sind.
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