Sonntag, 14. April 2013

Neuordnung des Glücks- und Gewinnspielmarktes in Deutschland

Juristisches Pressefachgespräch am 22. November 2011 im Bundespresseamt, Berlin - Tagungsbericht, Thesen und Gutachten [Taschenbuch]

Kurzbeschreibung
Erscheinungstermin: 2. März 2012

Durch den 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrag vom 28. Oktober 2011 wurde das bisher vom Bund gewerberechtlich geregelte Geld-Gewinnspiel in Spielhallen und Gaststätten in den Entwurf einbezogen und massiven Einschränkungen unterworfen. Damit soll das gewerbliche Geld-Gewinnspiel im Ergebnis zugunsten der im Monopol der Länder sich befindenden Glücksspielangebote, vor allem zugunsten der Spielbanken, vom Markt verdrängt werden. In einem Pressefachgespräch am 22. November 2011 im Bundespresseamt, Berlin, haben namhafte Verfassungs- und Europarechtsexperten auf Grundlage von für die deutsche Automatenwirtschaft erstellten Gutachten im Einzelnen dargelegt, welche Verstöße rechtlicher Art mit dieser Vorgehensweise der Länder im Bereich des gewerblichen Geld-Gewinnspiels verbunden sind. Im Kern geht es vor allem um Eingriffe der Länder in die Gewerbe- und Berufsfreiheit, das Eigentum und auf europäischer Ebene die Dienstleistungsfreiheit. Die bei dem Pressefachgespräch vorgetragenen Thesen und die zugrundeliegenden Gutachten sind in dem vorliegenden Band 3 der Schriftenreihe zum Europäischen Glücksspielrecht dokumentiert: • Europarechtliche Beurteilung der Einbeziehung des gewerblichen Geld-Gewinnspiels in den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag vom 28. Oktober 2011 (politische Einigung) (Prof. Dr. Christoph Herrmann) • Verfassungsrechtliche Maßstäbe und Grenzen einer Einschränkung des gewerblichen Geld-Gewinnspiels – Insbesondere Vertrauensschutz und Übergangsfristen (Prof. Dr. Friedhelm Hufen) • Neuordnung des Glücks- und Gewinnspielmarktes in Deutschland (Siegfried Kauder, MdB, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages) • Das europarechtliche Kohärenzgebot im Glücksspielrecht und die spielhallenbezogenen Beschränkungen und Verbote im Entwurf eines Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags (Dr. Dirk Uwer/Dr. Susanne Koch) • Bestandsschutz im Rechtsstaat – Zur Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelungen im neuen Spielhallenrecht der Länder (Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Peter Schneider)
Mit einem Vorwort von Professor Georg-Berndt Oschatz, Min.a.D.

Taschenbuch: 236 Seiten
Verlag: Medien u. Recht Verlags GmbH (2. März 2012)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3939438162
ISBN-13: 978-3939438168



Vorwort von Professor Georg-Berndt Oschatz, Min.a.D.

Vorwort
Am 15.12.2011 haben die Ministerpräsidenten der Länder den Entwurf eines ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages unterschrieben.
Das Land Schleswig-Holstein hat sich vorerst der Stimme enthalten. Der Vertrag muss noch von den Landesparlamenten ratifiziert werden, bevor er Gesetzeskraft entfalten kann. Mit einem Federstrich setzen sich die Länder mit diesem Akt über schwerwiegende Bedenken verfassungs-und europarechtlicher Art, die gegen den Entwurf bestehen hinweg und nehmen sehenden Auges ein abermaliges Scheitern vor den Gerichten auf nationaler und europäischer Ebene in Kauf.
2006 scheiterten die Länder am Bundesverfassungsgericht und 2010 am Europäischen Gerichtshof. Zu Recht haben die Gerichte gerügt, dass die landesrechtlichen Regelungen nicht kohärent und systematisch am behaupteten gesetzgeberischen Ziel der Suchtprävention ausgerichtet seien. In seinen Urteilen vom 8.9.2010 wies der Europäische Gerichtshof vor allem darauf hin, dass die staatlichen Monopolanbieter sich durch intensive Werbekampagnen in einen Widerspruch zu den Schutzzielen des Glücksspielstaatsvertrages setzten, wenn einerseits die Sportwettan-bieter aus dem Markt ausgeschlossen  seien andererseits jedoch ein Wachstum weiterer Anbieter in Teilen des Marktes zugelassen werde.
In ihrer Reaktion auf diese Rechtsprechung durch den Entwurf des  Änderungsstaatsvertrages haben die Länder die unverhältnismäßigen und inkohärenten Regelungen des alten Staatsvertrages fortgeschrieben und weiter vertieft. Sie haben zudem das seit den 50er Jahren vom Bund gewerberechtlich geregelte Geld-Gewinnspiel in Spielhallen und Gast-stätten in den Entwurf einbezogen und massiven Einschränkungen unterworfen. Dieses Geld-Gewinnspiel ist bisher in völlig zufriedenstellender und auch in international vorbildlich am Ziel der Bekämpfung pathologischen Spielverhaltens orientierter Weise geregelt. Durch die in dem Entwurf beabsichtigten Einschränkungen wird das gewerbliche Geld-Gewinnspiel im Ergebnis von den Ländern zugunsten der in ihrem Monopol sich befindenden Glücksspielangebote, vor allem zugunsten der exorbitante Vermögensverschiebungen zulassenden Spielbanken vom Markt verdrängt. Ein ganzer seit Jahrzehnten ein bescheidenes Spielvergnügen ermöglichender Berufstand mit mehr als 70.000 Arbeits-plätzen muss um seine Existenz fürchten. Einer weiteren Ausdehnung des im Zeitalter des PCs ohnehin schwer bekämpfbaren Schwarzmarktes im Glücksspielbereich wird Tür und Tor geöffnet.
In dem Fachgespräch haben Verfassungs- und Europarechtler im Einzelnen dargelegt, welche Verstöße rechtlicher Art mit dieser Vorgehensweise der Länder verbunden sind. Hierbei sind auch die bereits vorliegenden Länderspielhallengesetze, mit denen die Länder die dargelegten Ziele der Kokurrenzausschaltung parallel verfolgen, in die allgemeine Betrachtung mit einbezogen worden. Im Kern geht es vor allem um Eingriffe der Länder in die Gewerbe- und Berufsfreiheit, das Eigentum und auf europäischer Ebene die Dienstleistungsfreiheit. In seiner ganzen Machart ist der Entwurf alles andere als ein Meisterwerk an Gesetzeskunst und weist viele Unklarheiten und Widersprüche auf, die unter dem Gesichtspunkt fehlender Gesetzesklarheit auch verfassungsrechtlich relevant sind. Am Horizont stehen auch nicht unerhebliche mögliche Schadenersatzleistungen, die dem Steuerzahler zur Last fallen würden.
Alles in allem schien den von diesem drohenden Änderungsstaatsvertrag Betroffenen vor allem eine Versachlichung der Diskussion nötig. Es besteht für den Berufszweig kein Zweifel, dass der Glücks- und Gewinnspielsektor staatlicher Kontrolle bedarf und überwacht werden muss. Sie haben von jeher mit dem Staat hier gut zusammengearbeitet und Systeme der Selbstbeschränkung entwickelt und der Ermittlung und Anzeige von „Schwarzen Schafen“. Sie wehren sich aber gegen eine Verdrängung vom Markt durch den Staat ohne Rücksicht auf die ihnen zustehenden Rechte. Sie hoffen, dass die Ergebnisse und Feststellungen des Fachgespräches von den Verantwortlichen wahrgenommen werden. Allmählich merken die Parlamente, dass sie keine Zustimmungsmaschinen der jeweiligen Regierungen sind, sondern selbst zu prüfen haben. Noch sind die Bestimmungen des Entwurfs kein geltendes Recht. Die Landtage sind aufgerufen die Bedenken verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Art gegen den ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag sorgfältig zu prüfen.

Professor Georg-Berndt Oschatz
Düsseldorf, im Januar 2012
Quelle