Stegner ignoriert Empfehlung der Monopolkommission, des TÜV und der PIRATENPARTEI beim Thema Online-Poker
Geht es nach dem Willen der
schleswig-holsteinischen SPD-Landtagsfraktion, wird das seit 2011 im
nördlichsten Bundesland geltende Glücksspielgesetz eher heute als morgen
rückgängig gemacht. Das Land solle dem Glücksspielstaatsvertrag der
übrigen Bundesländer beitreten, so die Prämisse des sozialdemokratischen
Fraktionschefs Ralf Stegner. Das Manko: Während das Kieler Gesetz, noch
zu Zeiten der CDU-FDP-Landesregierung auf den Weg gebracht,
europarechtskonform und wettbewerbsfähig ist, fehlt dem
Glücksspieländerungsstaatsvertrag der übrigen 15 Länder genau dieser
Nachweis, und das mit der Folge, dass die Aktivitäten der
Sportwettenanbieter außerhalb Schleswig-Holsteins bis heute keine
rechtssichere Basis haben.
Absurdistan lässt wieder einmal grüßen: Während Schleswig-Holstein über
eines der modernsten Glücksspielgesetze Europas verfügt, entsprechende
Lizenzen an Anbieter vergeben hat, die ihrerseits Partnerschaften mit
Sportvereinen und Sportstätten begründet haben, und überdies bereits
Steuereinnahmen generieren konnte, soll dies zu Gunsten eines von der
EU-Kommission bereits wiederholt in Frage gestellten Gesetzes auf Eis
gelegt werden, das bezeichnenderweise die Realitäten des Spielmarktes
und der Spielgewohnheiten durch seine Ignoranz von Online-Poker und
Online-Casino ausblendet. Ein Beispiel für die unsachliche
Auseinandersetzung: SPD-Frontmann Ralf Stegner hält den Bereich
Online-Poker aus Geldwäschegesichtpunkten pauschal für nicht regulierbar
und befürwortet ein Internetpokerverbot. Allerdings: Sowohl die TÜV
TRUST IT (vgl. http://www.freiewelt.net/blog-3779/online-poker-darf-vom-gesetzgeber-nicht-l%E4nger-ignoriert-werden-.html)
als auch die die die Bundesregierung beratende Monopolkommission mahnen
dringend zur Zulassung von Online-Poker und sind damit auf der Linie
aller großen EU-Mitgliedsstaaten, die Internetpoker zulassen.
Zurück zum neuen Glücksspielstaatsvertrag: Dies sei ein Gesetz, so der
zuständige Berichterstatter des EU-Parlaments, Jürgen Creutzmann (FDP) http://www.juergen-creutzmann.de,
das nach wie vor Grundfreiheiten im europäischen Binnenmarkt verletze
und eine verdeckte Fortsetzung des deutschen Glücksspielmonopols
bedeute. Zwar werde der Sportwettenmarkt teilweise für private Anbieter
geöffnet, allerdings nur unter strengen Auflagen, die staatliche
Anbieter auf unangemessene Art und Weise bevorzugen. So werde laut
Creutzmann die große Chance verpasst, den blühenden Markt illegaler
Glücksspiele im Internet zu unterbinden, indem endlich die
Rahmenbedingungen für ein attraktives Angebot lizenzierter privater
Betreiber geschaffen werden. Schleswig-Holstein habe gezeigt wie es geht
und als bisher einziges Bundesland ein europarechtlich einwandfreies
Glücksspielgesetz eingeführt.
Schlechtes Zeugnis für Ländermodell - Regulierungsversagen beim Thema Online-Poker
Ob nun beispielsweise diejenigen Sportwettenanbieter, die mit Beginn des
ersten Bundesliga-Spieltages in unterschiedlichen Stadien und im
Vereinsumfeld werben, überhaupt eine von 20 zu vergebenden Lizenzen nach
dem neuen Gesetz ergattern, darauf darf gewettet werden. Bestenfalls -
für die Anbieter - werden sie stillschweigend geduldet, im schlechtesten
Fall schreitet eine örtliche Ordnungsbehörde ein. Das hätte mancher
Experte auch am Hamburger Rothenbaum erwartet, wo Sportwettenabieter
Bet-at-Home mit schleswig-holsteinischer, aber ohne hanseatische Lizenz
als namensgebender Sponsor des renommierten ATP-Tennisturniers agiert.
Vom Veranstalter, der Hamburg sports & entertainment GmbH, gibt es
nach Angaben des Deutschen Tennis-Bundes zu dieser Thematik keine
Stellungnahme. Pikant: Als Tommy Haas Ende Juli im ATP-Finale der
Bet-at-Home-Open verlor, war der Glücksspielstaatsvertrag bereits samt
Online-Glücksspielverbot in Kraft getreten. Der rot-grüne Hamburger
Senat hat offenbar die schleswig-holsteinische Lizenz des
österreichischen Wettanbieters anerkannt.
Nicht überraschend kommen Professor Friedrich Schneider und Martin Maurhart von der Universität Linz http://www.econ.jku.at
in Ihrer Stellungnahme für die Monopolkommission zu dem Ergebnis, dass
der Glücksspielstaatsvertrag der 15 Länder "europa-rechtliche
Widersprüche ausgelöst (hat) hinsichtlich der Prinzipien der
Europäischen Union; dies dürfte nach der jüngsten Stellungnahme der
EU-Kommission (vom 20.03.2012) noch nicht vollständig bereinigt sein."
Demgegenüber sehen die Wissenschaftler im Modell Schleswig-Holsteins
eine "liberalere und international wettbewerbsfähigere Ausgestaltung
(Stichwort Besteuerung) seiner Regulierung von Glücksspiel und Wetten,
als dies die übrigen 15 deutschen Bundesländer über einen neuen
Glücksspielstaatsvertrag (1. GlüÄndStV 2012)
vorsehen." Auch in der so jungen wie erfolgreichen Piratenpartei mehren
sich aktuell die Stimmen, die sich für die Regulierung von Internetpoker
à la Schleswig-Holstein einsetzen (vgl. http://wiki.piratenpartei.de/NDS:Landesparteitag/2012.3/Antragsportal/Programmantrag_-_061)
Interessenkollision ist unübersehbar
Dass bei der europaweiten Ausschreibung der 20 Lizenzen, deren Zahl bis
heute nicht begründet ist, nun auch noch eine Kölner Anwaltskanzlei
durch das federführende hessische Innenministerium beauftragt wurde, die
seit Jahren für die Gesellschaften des Deutschen Toto- und Lottoblocks
arbeitet, treibt der Branche unterdessen die Zornesfalten auf die Stirn.
Denn damit werden Bewerber quasi gezwungen, Betriebsinterna einer
Anwaltskanzlei zur Kenntnis zu geben, die seit Jahren im Auftrag
staatlicher Sportwettenanbieter gegen private Anbieter vorgeht. Die
Kanzlei verteidigt "verbittert das Monopol und führt für einzelne
Gesellschaften des Lottoblocks noch heute gerichtlich anhängige
Verfahren gegen private Sportwettenunternehmen, die potentielle Bewerber
für eine Konzession sind", kommentiert Rechtsanwalt Markus Maul,
Präsident des Verbandes Europäischer Wettunternehmer VEWU. Er warnt vor
der Gefahr einer Interessenkollision und bewertet die vergleichsweise
kurze Einreichungsfrist für die Lizenzbewerbungen bis zum 4. September
als äußerst knapp - für ihn "kein Zulassungs-, sondern ein
Verhinderungsverfahren"
CDU: Abgeordnete dürfen sich nicht wegducken
In Kiel hat die CDU-Landtagsfraktion http://www.cdu.ltsh.de
vor dem Hintergrund des Ausschreibungsverfahrens unter Beteiligung der
Anwaltskanzlei aus Köln nach den Worten ihres Parlamentarischen
Geschäftsführers Hans-Jörn Arp Entschließungsanträge für die
Landtagssitzung, in der über die Aufhebung des Glücksspielgesetzes sowie
über den Beitritt zum Glücksspielstaatsvertrag der übrigen Länder
beraten werden soll, eingebracht, mit denen der Landtag zum Einen die
Regierung auffordern soll, das geltende und von Brüssel goutierte
Glücksspielgesetz an der Förde so lange weiter umzusetzen, bis das
EU-Notifizierungsverfahren für den neuen Staatsvertrag abgeschlossen ist
(vgl. Landtagsdrucksache 18/108). Arp appelliert dabei insbesondere an
Grüne und Südschleswigschen Wählerverband (SSW) auf Seiten der
Regierungsfraktionen, die zuletzt "ein rechtssicheres Verfahren für den
Beitritt Schleswig-Holsteins zum Glücksspielsstaatsvertrag der anderen
15 Bundesländer gefordert" hatten. Während Regierungsvertreter sowie
Grüne und SSW hier auch mit Blick auf mögliche Schadensersatzforderungen
auf sorgfältige Beratungen pochen, tendiert der Stegner-Flügel der SPD
zu Schnellschüssen und ignoriert die Tatsache, dass bereits zahlreiche
Landeslizenzen mit einer Gültigkeit von sechs Jahren an
Sportwettenanbieter vergeben wurden und rund 50 offene - zum Teil
entscheidungsreife - Wett-, Casino- und Pokeranträge vorliegen.
Zweitens wird die Landesregierung aufgefordert, "sicherzustellen, dass
als Kontaktstelle des öffentlichen Auftraggebers zur Erteilung von
Konzessionen keine Dritten beauftragt werden dürfen, die bereits als
Berater und Vertreter des deutschen Lotto- und Totoblocks tätig waren
oder sind", so der Antrag gemäß Landtagsdrucksache 18/107. Damit will
die CDU auch vermeiden, dass die Landesregierung sich in
Verfahrensfragen hinter dem federführenden hessischen Ministerium
versteckt: Während die Landesregierung erklärt hatte, dass "Fragen einer
möglichen Interessenkollision (...) in die alleinige Verantwortung des
hessischen Innenministeriums (fallen)", verweist die Union auf den zur
Abstimmung stehenden Glücksspielstaatsvertrag, wonach Hessen für alle
Bundesländer die Konzessionsverfahren und Aufsicht für
Sportwettenanbieter durchführen solle. Geschieht dies nun unter
Inkaufnahme einer erkennbaren Interessenkollision mit Hilfe einer
Anwaltskanzlei, die die Fahne der staatlichen Anbieter hochhält, so Arps
Erwartung, werde spätestens der Europäische Gerichtshof diesem
Verfahren Einhalt gebieten. "Die Interessenkollision der Anwaltskanzlei
ist genau so offensichtlich, als wenn man Herrn Dr. Stegner den Vorsitz
über einen Schlichtungsausschuss zwischen ihm selbst und Wolfgang
Kubicki übertragen würde. Trotzdem wollen SPD, Grüne und SSW dieses
Verfahren für Schleswig-Holstein übernehmen. Wenn die Protagonisten der
neuen Landesregierung jetzt meinen, sich mit Polemik aus der
Verantwortung stehlen zu können, dann wird ihnen spätestens der
Europäische Gerichtshof einmal mehr einen Riegel vorschieben", erklärte
Arp in Kiel.
Die Volksvertreter an der Förde können sich nach Arps Überzeugung damit
nicht hinter den Fehlern anderer wegducken: "Jeder Abgeordnete des
Schleswig-Holsteinischen Landtags wird mit einer Zustimmung zum
Staatsvertrag auch seine Zustimmung zum durch das Land Hessen gewählten
Verfahren geben." (Andreas Schultheis)
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Andreas Schultheis, Text & Redaktion
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