Montag, 30. Juli 2012

EuGH: bestätigt Notifizierungspflicht

Urteil in der Rechtssache Fortuna: Europäischer Gerichtshof bestätigt Notifizierungspflicht bei der Änderung technischer Normen für Glücksspielautomaten
(Urteil s.u.)
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) müssen geplante Gesetzesänderungen hinsichtlich Glücksspielautomaten der Europäischen Kommission vorab notifiziert (d.h. im Entwurf mitgeteilt) werden, wenn diese Bestimmungen die Art und die Vermarktung wesentlich beeinflussen können (Urteil vom 19. Juli 2012 in den verbundenen Rechtssachen Fortuna C-213/11, Grand C-214/11 und Forta C-217/11).
Der EuGH war vom Verwaltungsgericht Danzig um Vorabentscheidung gebeten worden, nachdem mehrere Automatenaufsteller mit Klagen geltend gemacht hatten, durch eine nicht notifizierte Gesetzesänderung würden ihre Automaten praktisch nutzlos. Durch das zum 1. Januar 2010 in Kraft getretene polnische Glücksspielgesetz waren Automatenspiele nunmehr nur noch in Spielkasinos zulässig. Davor war lediglich eine Erlaubnis der örtlich zuständigen Finanzbehörde erforderlich. Auch war nunmehr nach den Übergangsbestimmungen eine Änderung der Orte der Spielveranstaltung nicht mehr möglich.
Rechtlich ging es vor dem EuGH um die Frage, ob diese Gesetzesänderungen als „technische Vorschriften“ im Sinne der Richtlinie 98/34/EG zu betrachten sind, deren Entwürfe der Europäischen Kommission übermittelt hätten werden müssen. Nach Ansicht des EuGH wird durch die Übergangsbestimmungen die Vermarktung der Spielautomaten beeinträchtigt. Das Verbot der Ausstellung, der Verlängerung und der Änderung der Erlaubnisse für die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen außerhalb von Spielkasinos sei nämlich geeignet, den Handel mit den Automaten für Spiele mit niedrigen Gewinnen unmittelbar zu beeinträchtigen (Rn. 36). Nach Auffassung des EuGH muss das nationale Gericht neben der Möglichkeit einer (Um-)Programmierung der Automaten nunmehr prüfen, ob die Verringerung der Stätten für Automatenspiele auch mit einer Begrenzung der Höchstzahl der Spielkasinos und der dort benutzbaren Spielautomaten einhergeht.

Kontakt:
Arendts Rechtsanwälte
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Rechtsanwalt Martin Arendts
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D - 82031 Grünwald (bei München)

Quelle

Hintergrund:
EuGH entscheidet zur Notifizierungspflicht

Der BGH entschied:

BGH I ZR 92/09 vom 19. Juli 2012
Rn. 25) Schließlich legt die Anhörungsrüge auch im Zusammenhang mit dem Beklagtenvortrag zur unionsrechtlichen Notifizierungspflicht keinen Gehörsverstoß dar. Der Senat hat in Randnummer 36 f. des Revisionsurteils ausgeführt, dass der Glücksspielstaatsvertrag der Kommission notifiziert worden ist, so dass das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV jedenfalls ab 21. Juni 2007 in Kraft gesetzt werden durfte. Er hat weiter dargelegt, dass das Ausführungsgesetz des Landes Hessen keine Regelungen enthielt, die zu einer erneuten Notifizierungspflicht hinsichtlich des Internetverbots führten; die Frage, ob für die Ausführungsgesetze der Länder zum Glücksspielstaatsvertrag unter anderen Gesichtspunkten eine gesonderte Notifizierungspflicht bestand, hat er dahinstehen lassen. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass der Senat entgegen der Ansicht der Beklagten der Umsetzung von § 4 Abs. 4 GlüStV in hessisches Landesrecht keinen eigenständigen notifizierungspflichtigen Inhalt beimisst, obwohl Rechtswirkungen gegenüber Dritten erst durch diesen Umsetzungsakt entstehen. Mit Notifizierung des Glücksspielstaatsvertrags hatte die Kommission Kenntnis davon, dass die Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV – selbstverständlich mit Rechtswirkung für Dritte – in Deutschland eingeführt werden sollte. Es ist dann nicht ersichtlich, warum der rein formale Akt eines inhaltlich identischen Ausführungsgesetzes erneut der Prozedur der Notifizierung unterzogen werden soll.
BGH I ZR 30/10 vom 28. September 2011
Rn 43) Soweit  § 1 BremGlüG  die  Zustimmung  des  Bundeslands  Bremen  zum  Glücksspielstaatsvertrag enthält, folgt daraus kein über diesen Vertrag hinausgehender notifizierungspflichtiger Inhalt des Ausführungsgesetzes.
Rn 44 cc)  Zwar  können  Verschärfungen  des  Entwurfs  einer  technischen  Vorschrift nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 der Informationsrichtlinie eine erneute Notifizierungspflicht auslösen.
Rn 45) Es  kann  dahinstehen,  ob  für  die  Ausführungsgesetze  der  Länder  zum Glücksspielstaatsvertrag unter anderen Gesichtspunkten eine gesonderte Notifizierungspflicht bestand.
so auch
BGH I ZR 43/10 vom 28. September 2011
BGH I ZR 92/09 vom 28. September 2011





URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
19. Juli 2012(*)

„Binnenmarkt – Richtlinie 98/34/EG – Normen und technische Vorschriften – Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften – Spielautomaten mit niedrigem Gewinn – Verbot der Änderung, der Verlängerung und der Ausstellung der Erlaubnisse für die Durchführung – Begriff ‚technische Vorschrift‘“
In den verbundenen Rechtssachen C‑213/11, C‑214/11 und C‑217/11
betreffend Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Wojewódzki Sąd Administracyjny w Gdańsku (Polen) mit Entscheidungen vom 16. November 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 9. bzw. 11. Mai 2011, in den Verfahren
Fortuna sp. z o.o. (C‑213/11),
Grand sp. z o.o. (C‑214/11),
Forta sp. z o.o. (C‑217/11)
gegen
Dyrektor Izby Celnej w Gdyni,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis (Berichterstatter) und D. Šváby,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
–        der Fortuna sp. z o.o., der Grand sp. z o.o. und der Forta sp. z o.o., vertreten durch K. Budnik, adwokat,
–        der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar, B. Majczyna und D. Lutostańska als Bevollmächtigte,
–        der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck und R. Verbeke, advocaten,
–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und A. P. Barros als Bevollmächtigte,
–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Zavvos und K. Herrmann als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung des Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363, S. 81) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/34).
2        Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Fortuna sp. z o.o. (im Folgenden: Fortuna), der Grand sp. z o.o. (im Folgenden: Grand) und der Forta sp. z o.o. (im Folgenden: Forta) einerseits und dem Dyrektor Izby Celnej w Gdyni (Direktor der Zollkammer Gdyni, im Folgenden: DZG) andererseits wegen dessen Weigerung, die Erlaubnisse für die Aufnahme und Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen, je nach Fall, zu erteilen oder zu verlängern.
 Rechtlicher Rahmen
 Unionsrecht
3        Art. 1 Nrn. 1 bis 5 und 11 der Richtlinie 98/34 bestimmt:
„Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
1.      ‚Erzeugnis‘: Erzeugnisse, die gewerblich hergestellt werden, und landwirtschaftliche Erzeugnisse, einschließlich Fischprodukte;
2.      ‚Dienst‘: eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.
3.      ‚technische Spezifikation‘: Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale für ein Erzeugnis vorschreibt, wie Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen, einschließlich der Vorschriften über Verkaufsbezeichnung, Terminologie, Symbole, Prüfungen und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung des Erzeugnisses sowie über Konformitätsbewertungsverfahren.
4.      ‚sonstige Vorschrift‘: eine Vorschrift für ein Erzeugnis, die keine technische Spezifikation ist und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen wird und den Lebenszyklus des Erzeugnisses nach dem Inverkehrbringen betrifft, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können;
5.      ‚Vorschrift betreffend Dienste‘: eine allgemein gehaltene Vorschrift über den Zugang zu den Aktivitäten der unter Nummer 2 genannten Dienste und über deren Betreibung, insbesondere Bestimmungen über den Erbringer von Diensten, die Dienste und den Empfänger von Diensten, unter Ausschluss von Regelungen, die nicht speziell auf die unter dieser Nummer definierten Dienste abzielen.
11.      ‚Technische Vorschrift‘: Technische Spezifikationen oder sonstige Vorschriften oder Vorschriften betreffend Dienste, einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung rechtlich oder de facto für das Inverkehrbringen, die Erbringung des Dienstes, die Niederlassung eines Erbringers von Diensten oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, sowie – vorbehaltlich der in Artikel 10 genannten Bestimmungen – die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden.
…“
4        Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 und 3 dieser Richtlinie lautet:
„Vorbehaltlich des Artikels 10 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt; in diesem Fall reicht die Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt. Sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor.
Die Mitgliedstaaten machen eine weitere Mitteilung in der vorgenannten Art und Weise, wenn sie an dem Entwurf einer technischen Vorschrift wesentliche Änderungen vornehmen, die den Anwendungsbereich ändern, den ursprünglichen Zeitpunkt für die Anwendung vorverlegen, Spezifikationen oder Vorschriften hinzufügen oder verschärfen.“
 Nationales Recht
5        Das Gesetz über Spiele und Wetten (Ustawa o grach i zakładach wzajemnych) vom 29. Juli 1992 (Dz. U. 2004, Nr. 4, Pos. 27) in geänderter Fassung, das bis zum 31. Dezember 2009 in Kraft war, regelte die Aufnahme und Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen.
6        Art. 2 Abs. 2b dieses Gesetzes bestimmte:
„Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen sind Spiele an mechanischen, elektromechanischen oder elektronischen Geräten mit Geld- oder Sachgewinnen, bei denen der Wert des einzelnen Gewinns nicht mehr als 15 [Euro] betragen kann und der Wert des Höchsteinsatzes für die Teilnahme an einem Spiel nicht höher als 0,07 [Euro] sein kann.“
7        Nach den Bestimmungen des genannten Gesetzes müssen die Eigentümer solcher Geräte, um diese Automatenspiele durchführen zu können, die Erlaubnis der örtlich zuständigen Finanzbehörde erhalten. Diese wurde den Eigentümern dieser Geräte für die Dauer von sechs Jahren erteilt und konnte auf Antrag der Person, der sie erteilt worden war, um weitere sechs Jahre verlängert werden.
8        Art. 7 Abs. 1a des genannten Gesetzes sah vor:
„Die Veranstaltung von Automatenspielen mit niedrigen Gewinnen ist nur an Stätten für Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen zulässig.“
9        Art. 30 des Gesetzes über Spiele und Wetten bestimmte:
„Stätten für Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen können sich in Gastronomie-, Handels- oder Dienstleistungsräumen befinden, die mindestens 100 m von Schulen, Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, Pflegeeinrichtungen und religiösen Stätten entfernt sind.“
10      Das Glücksspielgesetz (Ustawa o grach hazardowich) vom 19. November 2009 (Dz. U. Nr. 201, Pos. 1540), welches das Gesetz über Spiele und Wetten ersetzt, trat am 1. Januar 2010 in Kraft.
11      Art. 14 Abs. 1 Glücksspielgesetz bestimmt:
„Die Veranstaltung von Roulettespielen, Kartenspielen, Würfelspielen und Automatenspielen ist nur in Spielkasinos zulässig.“
12      Art. 129 dieses Gesetzes sieht vor:
„(1)      Eine Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen oder der Automatenspiele in Automatenspielsalons auf der Grundlage von Erlaubnissen, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes erteilt wurden, wird bis zum Erlöschen der Erlaubnisse von den Personen, denen sie erteilt wurden, nach den bisherigen Vorschriften ausgeübt, sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
(2)      Verfahren zur Erteilung von Erlaubnissen für die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen oder der Automatenspiele in Automatenspielsalons, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingeleitet und nicht abgeschlossen wurden, werden eingestellt.
(3)      Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen sind Spiele an mechanischen, elektromechanischen oder elektronischen Geräten mit Geld- oder Sachgewinnen, bei denen der Wert des einzelnen Gewinns nicht mehr als 60 PLN betragen kann und der Wert des Höchsteinsatzes für die Teilnahme an einem Spiel nicht höher als 0,50 PLN sein kann.“
13      Art. 135 Glücksspielgesetz lautet wie folgt:
„(1)      Die Erlaubnisse nach Art. 129 Abs. 1 können vorbehaltlich der Abs. 2 und 3 nach den in diesem Gesetz festgelegten Grundsätzen für die Änderung von Konzessionen und Erlaubnissen, die Personen erteilt worden sind, die eine Tätigkeit in dem in Art. 6 Abs. 1 bis 3 genannten Bereich ausüben, von der für die Erteilung von Erlaubnissen am Tag vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes zuständigen Behörde geändert werden. Die Bestimmungen der Art. 56 und 57 gelten entsprechend.
(2)      Die Änderung einer Erlaubnis darf nicht zur Änderung der Orte der Spielveranstaltung führen, mit Ausnahme einer Verringerung der Zahl der Stätten für Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen.
…“
14      Gemäß Art. 138 Abs. 1 dieses Gesetzes können die Erlaubnisse nach Art. 129 Abs. 1 des genannten Gesetzes nicht verlängert werden.
 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
15      Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens üben eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, die u. a. in der Veranstaltung und Durchführung von Automatenspielen besteht. Für diese Zwecke erwerben Fortuna, Grand und Forta auf dem Unionsmarkt Spielautomaten.
16      Fortuna besitzt die gesetzlich erforderliche Erlaubnis zur Ausübung dieser Art von Tätigkeit, die ihr am 1. November 2003 für die Dauer von sechs Jahren erteilt wurde und anschließend mit Entscheidung vom 14. September 2009 verlängert wurde. Diese Erlaubnis betrifft eine große Zahl von Spielstätten. Fortuna beantragte die Änderung ihrer Erlaubnis hinsichtlich der Festlegung eines der Orte der Spielveranstaltung. Mit Entscheidung vom 3. Februar 2010, bestätigt durch weitere Entscheidung vom 14. April 2010, lehnte der DZG diesen Antrag unter Berufung auf Art. 135 Abs. 2 Glücksspielgesetz ab, wonach Änderungen einer Erlaubnis nicht zu einer Änderung der Orte der Spielveranstaltung führen dürfen, mit Ausnahme einer Verringerung der Zahl der Stätten für Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen.
17      Grand besaß die gesetzlich erforderliche Erlaubnis für die Veranstaltung und Durchführung von Automatenspielen, die ihr am 6. August 2004 für die Dauer von sechs Jahren erteilt worden war. Die Erlaubnis betraf ebenfalls eine große Zahl von Spielstätten. Grand stellte einen Antrag auf Verlängerung seiner Erlaubnis um weitere sechs Jahre. Mit Entscheidung vom 24. Februar 2010, bestätigt durch weitere Entscheidung vom 18. Mai 2010, lehnte der DZG diesen Antrag unter Berufung auf Art. 138 Abs. 1 Glücksspielgesetz ab, wonach die Erlaubnisse für die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen nicht verlängert werden dürfen.
18      Am 10. Dezember 2008 stellte Forta einen Antrag auf Erlaubnis für die Veranstaltung und Durchführung von Automatenspielen mit niedrigen Gewinnen in der Woiwodschaft Pommern. Dieser Antrag, der sich ursprünglich auf 112 Stätten für Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen bezog, umfasste schließlich 80 Stätten. Mit Entscheidung vom 12. Februar 2010, bestätigt durch weitere Entscheidung vom 19. April 2010, stellte der DZG in Anwendung von Art. 129 Abs. 2 Glücksspielgesetz fest, dass das in Rede stehende Verfahren nicht weiter zu verfolgen sei. Nach dieser Bestimmung waren nämlich die offenen und vor Inkrafttreten dieses neuen Gesetzes noch nicht abgeschlossenen Verfahren, welche die Anträge nach dem Gesetz über Spiele und Wetten auf Erlaubnis für die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen oder der Automatenspiele in Automatenspielsalons betrafen, einzustellen.
19      Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens erhoben gegen die sie betreffenden Entscheidungen jeweils Klage beim Wojewódzki Sąd Administracyjny w Gdańsku (Verwaltungsgericht der Woiwodschaft Gdansk) und machten geltend, dass sich die Verwaltungsbehörden nicht auf die Vorschriften des Glücksspielgesetzes als Grundlage für die Entscheidung berufen könnten, da dieses Gesetz nicht der Kommission mitgeteilt worden sei, obwohl es „technische Vorschriften“ im Sinne der Richtlinie 98/34 enthalte. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens trugen außerdem vor, dass die aus diesem Gesetz folgenden Beschränkungen der Ausübung von Automatenspielen mit niedrigen Gewinnen zu erheblichen Beschränkungen des Handels mit den betreffenden Automaten innerhalb der Europäischen Union führen würden. Das Verbot, frühere Erlaubnisse zu ändern oder zu erneuern, sowie das Verbot, für den Betrieb solcher Automaten neue Erlaubnisse zu erteilen, würden nämlich diese Automaten praktisch völlig nutzlos machen.
20      Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum freien Waren- und Dienstleistungsverkehr für Glücksspiele es ihm erlaube, selbständig zu beurteilen, ob das im Glücksspielgesetz festgelegte System mit diesen Freiheiten vereinbar sei. Dagegen fragt sich das vorlegende Gericht, ob die Bestimmungen dieses Gesetzes einem Einzelnen entgegengehalten werden könnten, obwohl sie der Kommission nicht im Verfahren nach der Richtlinie 98/34 mitgeteilt worden seien.
21      Unter diesen Umständen hat der Wojewódzki Sąd Administracyjny w Gdańsku entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen vorzulegen:
In der Rechtssache C‑213/11:
Ist Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie [98/34] dahin auszulegen, dass zu den „technischen Vorschriften“, deren Entwürfe nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie der Kommission übermittelt werden müssen, eine Rechtsvorschrift gehört, die die Änderung von Erlaubnissen für eine Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen insoweit untersagt, als es um eine Änderung des Ortes der Spielveranstaltung geht?
In der Rechtssache C‑214/11:
Ist Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie [98/34] dahin auszulegen, dass zu den „technischen Vorschriften“, deren Entwürfe nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie der Kommission übermittelt werden müssen, eine Rechtsvorschrift gehört, die die Verlängerung von Erlaubnissen für eine Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen untersagt?
In der Rechtssache C‑217/11:
Ist Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie [98/34] dahin auszulegen, dass zu den „technischen Vorschriften“, deren Entwürfe nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie der Kommission übermittelt werden müssen, eine Rechtsvorschrift gehört, die die Erteilung von Erlaubnissen für eine Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen untersagt?
22      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 9. Juni 2011 sind die Rechtssachen C‑213/11, C‑214/11 und C‑217/11 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
 Zu den Vorlagefragen
23      Mit seinen Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34 dahin auszulegen ist, dass nationale Bestimmungen wie jene des Glücksspielgesetzes, welche die Durchführung von Automatenspielen mit niedrigen Gewinnen an anderen Orten als in Kasinos und Spielsalons beschränken oder sogar allmählich unmöglich machen können, „technische Vorschriften“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen, deren Entwürfe nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie übermittelt werden müssen.
24      Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass Maßnahmen, welche die Verwendung von elektrischen, elektromechanischen und elektronischen Spielen an öffentlichen oder privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos verbieten, als technische Vorschriften im Sinne von Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34 zu qualifizieren sind (Urteil vom 26. Oktober 2006, Kommission/Griechenland, C‑65/05, Slg. 2006, I‑10341, Randnr. 61).
25      Unter diesen Voraussetzungen ist eine Maßnahme wie jene in Art. 14 Abs. 1 Glücksspielgesetz, welche die Veranstaltung von Automatenspielen lediglich Spielkasinos vorbehält, als technische Vorschrift im Sinne von Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34 zu qualifizieren.
26      Nach ständiger Rechtsprechung soll die Richtlinie 98/34 den freien Wettbewerb, der zu den Grundlagen der Europäischen Union gehört, durch eine vorbeugende Kontrolle schützen, die insofern sinnvoll ist, als unter die Richtlinie fallende technische Vorschriften möglicherweise Behinderungen des Warenaustauschs zwischen Mitgliedstaaten darstellen, die nur zugelassen werden können, wenn sie notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen zu genügen, die ein im allgemeinen Interesse liegendes Ziel verfolgen (vgl. Urteile vom 30. April 1996 in der Rechtssache C‑194/94, CIA Security International, Slg. 1996, I‑2201, Randnrn. 40 und 48, sowie vom 8. September 2005, Lidl Italia, C‑303/04, Slg. 2005, I‑7865, Randnr. 22).
27      Nach der Rechtsprechung ergibt sich aus Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34, dass der Begriff der „technischen Vorschrift“ – neben der Kategorie der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 1 Nrn. 2 und 5 der genannten Richtlinie, um die es jedoch in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten nicht geht, da sich die dort in Rede stehenden nationalen Bestimmungen auf Automaten für Spiele mit niedrigen Gewinnen als „Erzeugnisse“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 dieser Richtlinie beziehen – drei weitere Kategorien umfasst, nämlich erstens die „technische Spezifikation“ im Sinne von Art. 1 Nr. 3 dieser Richtlinie, zweitens die „sonstige Vorschrift“ im Sinne von Art. 1 Nr. 4 dieser Richtlinie und drittens das Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses im Sinne von Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie (vgl. Urteile vom 21. April 2005, Lindberg, C‑267/03, Slg. 2005, I‑3247, Randnr. 54, und vom 8. November 2007, Schwibbert, C‑20/05, Slg. 2007, I‑9447, Randnr. 34).
28      Eine nationale Maßnahme muss, damit sie unter die erste Kategorie der technischen Vorschriften nach Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34, d. h. unter den Begriff der „technischen Spezifikation“ fällt, sich notwendigerweise auf das Erzeugnis und seine Verpackung als solche beziehen und daher eines der vorgeschriebenen Merkmale für ein Erzeugnis festlegen (vgl. Urteil Intercommunale Intermosane und Fédération de l’industrie et du gaz, Randnr. 15).
29      Im vorliegenden Fall genügt die Feststellung, dass die Übergangsbestimmungen des Glücksspielgesetzes die Erlaubnisse für die Ausübung von Automatenspielen mit niedrigen Gewinnen betreffen. Sie beziehen sich nicht auf Automaten für Spiele mit niedrigen Gewinnen und ihre Verpackung als solche und legen daher nicht deren Merkmale fest.
30      Somit enthalten die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bestimmungen keine technischen Spezifikationen im Sinne der Richtlinie 98/34.
31      Wie weiter aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, setzt die dritte Kategorie technischer Vorschriften in Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34, die ein Verbot insbesondere der Verwendung betrifft, voraus, dass die in Rede stehenden nationalen Vorschriften in ihrer Tragweite klar über eine Begrenzung bestimmter möglicher Verwendungen des in Rede stehenden Erzeugnisses hinausgehen und seine Verwendung nicht bloß beschränken (vgl. Urteil Lindberg, Randnr. 76).
32      Diese dritte Kategorie technischer Vorschriften betrifft nämlich speziell solche nationalen Maßnahmen, die bloß eine marginale und keine andere Verwendung, wie man sie für das betreffende Erzeugnis vernünftigerweise erwarten kann, zulassen (Urteil Lindberg, Randnr. 77).
33      Zwar enthalten die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Übergangsbestimmungen des Glücksspielgesetzes gewisse Verbote betreffend die Ausstellung, die Verlängerung und die Änderung der Erlaubnisse für die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen, doch wird nach Art. 129 Abs. 1 dieses Gesetzes die Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen, die auf der Grundlage von vor dem Inkrafttreten des genannten Gesetzes ausgestellten Erlaubnissen ausgeübt wird, von den Einrichtungen, denen sie ausgestellt worden sind, bis zum Ablauf dieser Erlaubnisse weiterhin nach den früheren Bestimmungen ausgeübt.
34      Somit erlaubt es eine solche Bestimmung, die Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen weiterhin auszuüben und damit solche Spielautomaten über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Glücksspielgesetzes hinaus zu verwenden. Unter diesen Umständen können die Übergangsbestimmungen dieses Gesetzes nicht als nationale Maßnahmen angesehen werden, die bloß eine marginale und keine andere Verwendung der Automaten für Spiele mit niedrigen Gewinnen zulassen.
35      Schließlich hat der Gerichtshof entschieden, dass die betreffenden nationalen Bestimmungen nur dann als „sonstige Vorschrift[en]“ im Sinne von Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 98/34 eingestuft werden können, wenn sie „Vorschriften“ darstellen, die die Zusammensetzung, die Art oder die Vermarktung des betreffenden Erzeugnisses wesentlich beeinflussen können (vgl. in diesem Sinne Urteile Lindberg, Randnr. 72, und Intercommunale Intermosane und Fédération de l’industrie et du gaz, Randnr. 20).
36      Die Übergangsbestimmungen des Glückspielgesetzes stellen Bedingungen auf, die geeignet sind, die Vermarktung der Automaten für Spiele mit niedrigen Gewinnen zu beeinträchtigen. Das Verbot der Ausstellung, der Verlängerung und der Änderung der Erlaubnisse für die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen außerhalb von Spielkasinos ist nämlich geeignet, den Handel mit den Automaten für Spiele mit niedrigen Gewinnen unmittelbar zu beeinträchtigen.
37      In diesem Kontext obliegt es dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob diese Verbote, deren Beachtung im Rahmen der Verwendung der Automaten für Spiele mit niedrigen Gewinnen rechtlich zwingend vorgeschrieben ist, die Art oder die Vermarktung dieser Automaten wesentlich beeinflussen können (vgl. in diesem Sinne Urteil Lindberg, Randnr. 78).
38      Bei der Prüfung, die das vorlegende Gericht somit vornehmen muss, hat es insbesondere zu berücksichtigen, dass die Verringerung der zugelassenen Stätten für Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen mit einer Begrenzung der Höchstzahl der Spielkasinos sowie der dort benutzbaren Spielautomaten einhergeht.
39      Des Weiteren muss das vorlegende Gericht prüfen, ob die Automaten für Spiele mit niedrigen Gewinnen so programmiert oder umprogrammiert werden können, dass sie in Kasinos als Glücksspielautomaten verwendet werden können, die höhere Gewinne ermöglichen und folglich eine größere Gefahr der Abhängigkeit des Spielers vom Spiel darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Lindberg, Randnr. 79), was ihre Art wesentlich beeinflussen könnte.
40      Angesichts der bisherigen Ausführungen ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34 dahin auszulegen ist, dass nationale Bestimmungen wie jene des Glücksspielgesetzes, welche die Durchführung von Automatenspielen mit niedrigen Gewinnen an anderen Orten als in Kasinos und Spielsalons beschränken oder sogar allmählich unmöglich machen können, „technische Vorschriften“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen können, deren Entwürfe nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie übermittelt werden müssen, sofern feststeht, dass die genannten Bestimmungen Vorschriften darstellen, welche die Art oder die Vermarktung des betreffenden Erzeugnisses wesentlich beeinflussen können, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
 Kosten
41      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass nationale Bestimmungen wie jene des Glücksspielgesetzes (Ustawa o grach hazardowich) vom 19. November 2009, welche die Durchführung von Automatenspielen mit niedrigen Gewinnen an anderen Orten als in Kasinos und Spielsalons beschränken oder sogar allmählich unmöglich machen können, „technische Vorschriften“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen können, deren Entwürfe nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie übermittelt werden müssen, sofern feststeht, dass die genannten Bestimmungen Vorschriften darstellen, welche die Art oder die Vermarktung des betreffenden Erzeugnisses wesentlich beeinflussen können, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
Unterschriften

Quelle