Einzelzuweisung? Der Faux pas des OLG kostet die Staatskasse richtiges Geld
Mit in meinen Augen deutlichen Worten hat der BGH im BGH, Beschl. v. 12.05. 2015 – 3 StR 569/14, der noch nicht auf der
Homepage des BGH steht, die „Zuweisungspraxis“ in einem Umfangsverfahren beim OLG Düsseldorf gerügt.
Zum Sachverhalt: Beim OLG Düsseldorf war ein Verfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland anhängig. In dem war am 20.12.2012 die Anklage eingegangen. Nach dem Geschäftsverteilungsplan
für 2012 war für die Verhandlung und Entscheidung der Sache der 6. Strafsenat zuständig. Dessen Vorsitzende zeigte am 7. 1. 2013 gegenüber dem Präsidium die Überlastung des Senats an. Der Senat sehe sich nicht in der
Lage, in der gegenständlichen Sache mit der für Haftsachen gebotenen Beschleunigung das Zwischenverfahren durchzuführen und gegebenenfalls in einem „überschaubaren Zeitraum“ die Hauptverhandlung anzuberaumen. Daraufhin
beschloss das Präsidium am 18.01.2013, dass der 5. Strafsenat das Verfahren gegen den Angeklagten übernimmt. Am 15.02. 2013 ergänzte die Vorsitzende des 6. Strafsenats „mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
und des Bundesgerichtshofs“ ihre Überlastungsanzeige. Das Präsidium fasste daraufhin am 06.03.2013 einen der Präsidiumsentscheidung vom 18.01.2013 gleichlautenden Beschluss, den es ergänzend mit dem Vortrag der erweiterten
Überlastungsanzeige begründete.
Der 5. Strafsenat des OLG begann die Hauptverhandlung ab dem 16. 04.2013 an. Zu Beginn der Hauptverhandlung erhob der Angeklagte noch vor Anklageverlesung die Besetzungsrüge, die das OLG zurückwies und u.a.
damit begründete, dass auch keine unzulässige Einzelzuweisung vorliege. Nach Verurteilung des Angeklagten aufgrund der mehr als 50 Tage dauernden Hauptverhandlung, hat der Angeklagte Revision eingelegt und die mit der Verfahrensrüge
begründet. Diese hatte Erfolg.
Aus dem recht umfangreichen Beschluss des BGH hier nur soviel:
b) Der Präsidiumsbeschluss vom 18. Januar 2013 wird auch in seiner „ergänzten“ Fassung vom 6. März 2013 den genannten Anforderungen nicht gerecht.
Das Präsidium hat ein einziges Verfahren, das in die Zuständigkeit des 6. Strafsenats fiel, dem 5. Strafsenat übertragen. Weitere Entlastungsmaßnahmen hat es nicht vorgenommen. Gründe für einen Verzicht auf eine abstrakte Erstreckung der Zuständigkeitsänderung über das gegenständliche Verfahren hinaus werden nicht genannt. Der erste Präsidiumsbeschluss wurde zu Beginn des Geschäftsjahres 2013 und damit nur wenige Wochen nach Inkrafttreten des auf dieses Jahr angelegten Geschäftsverteilungsplanes des Oberlandesgerichts gefasst. Bereits zu diesem Zeitpunkt sah sich der 6. Strafsenat auf unbestimmte Zeit hinaus als überlastet an. Auch noch bei Erlass des „nachgebesserten“ Präsidiumsbeschlusses am 16. März 2013, der ohnehin nur die Gründe des Ursprungsbeschlusses hätte präzisieren, nicht indes etwa nachträglich eingetretene Umstände als zusätzliche Begründungselemente hätte nachschieben können, bestand die Erwartung, dass der 6. Strafsenat keinesfalls vor September 2013 ein weiteres Verfahren würde bearbeiten können. Dennoch verzichtete das Präsidium auf eine Umverteilung über den vorliegenden Fall hinaus.
Auch ein Gesamtkonzept zum Belastungsausgleich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. März 2009 – 2 BvR 229/09, NJW 2009, 1734, 1735) kann der Präsidiumsentscheidung nicht entnommen werden. Es ist deshalb nicht ersichtlich, weshalb die Übertragung allein des vorliegenden Verfahrens auf einen anderen Senat der Überlastung des 6. Strafsenats für das Geschäftsjahr 2013 entgegenzuwirken geeignet sein sollte. Dem steht auch nicht entgegen, dass erfahrungsgemäß in Staatsschutzsachen nur wenige Verfahren eingehen. Denn dies schloss nicht aus, dass bereits zeitnah nach dem Präsidiumsbeschluss ein weiteres – und als Haftsache möglicherweise eilbedürftiges Verfahren – anhängig werden würde. Dieses hätte nach dem Grundkonzept der Präsidiumsentscheidung wiederum im Wege der Einzelzuweisung einem anderen Strafsenat zugeteilt werden müssen. Eine derartige Handhabung ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmung des gesetzlichen Richters indes nicht mehr in Einklang zu bringen.
Sicherlich – hoffentlich – ein Einzelfall, der aber den Leser dann doch verwundert zurücklässt. Man will nicht glauben, dass dem Präsidium eines OLG ein solcher Faux pas und dann auch noch einer so sensiblen
Sache passiert. Einzelzuweisung sind immer gefährlich, weil sie schnell den Eindruck erwecken, dass gerade dieses bestimmte s einzelne Verfahren – aus welchen Gründen auch immer – gezielt einem bestimmten Senat bzw.
einer bestimmten Strafkammer „zugeschoben“ werden soll. Und das dann hier auch noch zu Beginn des Geschäftsjahres. Von daher ist zu begrüßen, dass der BGH das Recht auf den gesetzlichen Richter so streng sieht. Alles
in allem für den Verteidiger, der alles richtig gemacht hat (§§ 222a, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) ein schöner Erfolg. Für die Staatskasse allerdings nicht. Denn es folgt nun der zweite Durchlauf einer Hauptverhandlung, die bereits mehr als
50 Tage gedauert hatte.