Sonntag, 21. Dezember 2014

Wettbürosteuer verfassungswidrig?


„Ich kann den Kommunen nur abraten, eine Wettbürosteuer zu erheben“

Als erste Kommune in Nordrhein-Westfalen erhebt Hagen eine Wettbürosteuer. Einige Städte wollen nachziehen. Doch Rechtsexperte Prof. Dr. Dieter Birk kritisiert das Konzept und bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit.

Professor Dr. Dieter Birk war bis 2011 Professor für Staatsrecht, Verwaltungsrecht und Steuerrecht sowie Direktor des Instituts für Steuerrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er war Richter im Nebenamt am Finanzgericht Münster und hat Forschungsaufenthalte in den USA, Großbritannien, Frankreich und Japan absolviert. Er ist Autor von zahlreichen Standardwerken zum Steuerrecht und Co-Autor des bei C.H. Beck erschienenen Kommentar „Glücksspielrecht“.

Audio-Interview mit Professor Dr. Dieter Birk


Wettbürosteuer – Fragen an Professor Dr. Dieter Birk


DSWV: Ist die Wettbürosteuer rechtskonform?

Birk: Die Wettbürosteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer und damit nach dem Grundgesetzt zulässig – allerdings nur unter engen Vorraussetzungen. Denn sie darf nicht gleichartig sein mit bundesrechtlichen Aufwandsteuern. Und da ist ein großes Problem: Die Wettbürosteuer ist gleichartig mit der Sportwettensteuer.

DSWV: Welche gleichheitsrechtlichen Bedenken bestehen konkret?


Birk: Wir haben eine Unterscheidung zwischen steuerpflichtigen Wettbüros und Wettannahmestellen, die steuerbefreit sind. Diese Unterscheidung ist verfassungswidrig. Denn der Gesetzgeber sieht hier ohne triftigen Grund unterschiedliche Belastungsfolgen vor.

DSWV: Wie ist der Steuermaßstab von 200 Euro je angefangenen 20 Quadratmetern pro Monat zu bewerten?

Birk: Der hier angewandte Flächenmaßstab ist natürlich viel zu pauschal und bildet den Aufwand nicht ab. Dabei sollte der Gesetzgeber eigentlich einen realtitätsgerechten Maßstab wählen. Das wäre in diesem Fall die Höhe der Wetteinsätze. Bei der Biersteuer wird ja beispielsweise auch die Menge des ausgeschenkten Biers bemessen – und nicht die Fläche des Lokals. Warum das so ist? Darüber kann man nur rätseln. Mein Antwort wäre: Der Gesetzgeber nimmt die Fläche, um die bunderechtlich geregelte Sportwettensteuer nicht exakt zu kopieren. Dann wären wir sofort ganz offensichtlich im bereits angesprochenen Gleichartigkeitsverbot. Davon will man sich absetzen.


DSWV: In welchem Verhältnis stehen hier Steuerrecht und Ordnungsrecht?

Birk: Sportwetten haben sich lange Zeit im illegalen Bereich abgespielt. Der Glücksspielstaatsvertrag sieht Konzessionen für private Anbieter vor. In diesen Prozess wird durch die Wettbürosteuer negativ eingegriffen. Denn jetzt werden Wettbüros durch diese zusätzliche Steuer möglichwerweise vom Markt verdrängt. Dabei sollten sie doch in die Legalität geführt werden.


DSWV: Kann die Wettbürosteuer Suchtprävention leisten?
Birk: Ob dieser Lenkungszweck erreicht wird, ist sehr umstritten. Wenn überhaupt, dann ist der Effekt sehr gering. Das Problem dabei ist: Wählt man eine Steuer, die diesen Zweck erreicht, dann ist die Wette kaputt, und die Wettbüros müssten verschwinden. Das wäre verfassungsrechtlich nicht zulässig. Zudem würden die Einnahmen wegbrechen. Der Gesetzgeber ist ja selber daran interessiert, dass die Wettbüros weiter bestehen. Man sollte den Lenkungszweck also nicht überbewerten. Meistens steht die Haushaltssanierung im Vordergrund.


DSWV: Was raten Sie den Kommunen?

Birk: Wenn die Wettbürosteuer von Seiten vieler Kommunen erhoben wird, folgt eine Reihe von Verfahren. Da es sich um verfassungsmäßige Bedenken handelt, ist der Ausgang naturgemäß unsicher. Die Risiken sind gravierend. Ich kann den Kommunen nur abraten, eine Wettbürosteuer zu erheben.


DSWV: Wird die Wettbürosteuer Bestand haben?

Birk: Es gibt gute Chancen, die Verfassungswidrigkeit der Wettbürosteuer vor Gericht nachzuweisen und sie zu Fall zu bringen.

Quelle



Wettbürosteuer: Rechtsexperte warnt vor gravierenden Risiken für Kommunen



Berlin – Rechtsexperte Prof. Dr. Dieter Birk hat die von zahlreichen Kommunen ins Spiel gebrachte Wettbürosteuer scharf kritisiert. In einem Gutachten für den Deutschen Sportwettenverband (DSWV) attestiert der ehemalige Direktor des Instituts für Steuerrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zahlreiche gesetzgeberische Mängel.

Kommunale Steuer gleichartig mit Bundessteuer
„Die Wettbürosteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer und damit nach dem Grundgesetz zulässig – allerdings nur unter engen Voraussetzungen. Sie darf nicht gleichartig sein mit bundesrechtlichen Aufwandsteuern.“ Darin sieht Birk ein großes Problem: „Die Wettbürosteuer ist gleichartig mit der Sportwettensteuer.“ Hintergrund ist, dass der Bund gemäß Rennwett- und Lotteriegesetz bereits eine Sportwettensteuer auf jede abgegebene Wette erhebt. Laut Bundesministerium der Finanzen flossen dadurch von Januar bis Oktober 2014 bisher 185 Millionen Euro in die Staatskassen.

Ungerechtfertigte Diskriminierung
Auch die bei der Wettbürosteuer angewandte Unterscheidung zwischen steuerpflichtigen Wettbüros und steuerbefreiten Wettannahmestellen hält Birk für „verfassungswidrig“. Der Gesetzgeber sehe hier ohne triftigen Grund unterschiedliche Belastungsfolgen vor.

Die Wettbürosteuer soll in einigen Kommunen wie Hagen oder Gronau ab dem 1. Januar 2015 gelten. Wettbüros müssen demnach 200 Euro monatlich pro angefangen 20 Quadratmetern Ladenfläche zahlen. Trotz heftiger Kritik von Unternehmern, dem Bund der Steuerzahler und Suchthilfe-Experten prüfen weitere Kommunen die Einführung der Wettbürosteuer.

Flächenmaßstab viel zu pauschal
Die Bemessung der Steuer nach der Fläche des Wettbüros hält Rechtsexperte Birk für nicht tragbar: „Der hier angewandte Flächenmaßstab ist viel zu pauschal und bildet den Aufwand nicht ab. Bei der Biersteuer wird ja beispielsweise auch die Menge des ausgeschenkten Biers bemessen – und nicht die Fläche des Lokals.“

Unstimmigkeit mit Ordnungsrecht
Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Wettbürosteuer dem Kanalisierungsauftrag des Glücksspielstaatsvertrags zuwiderläuft. Durch die Steuer werden Wettbüros belastet und möglicherweise vom Markt verdrängt, die dem Schwarzmarkt eigentlich ein legales Angebot entgegensetzen sollen. Birk dazu: „Es besteht ein Wertungswiderspruch zwischen Steuerrecht und Ordnungsrecht. Die Rechtssysteme dürfen nicht zueinander im Widerspruch stehen.“

Gravierende rechtliche Risiken für Kommunen

Birk warnt: „Ich persönlich würde den Kommunen und den Kämmerern abraten, eine Wettbürosteuer zu erheben, weil ich die rechtlichen Risiken als zu gravierend ansehe.“ Mitglieder des DSWV hatten bereits angekündigt, die Wettbürosteuer juristisch anzufechten. Birk sieht gute Chancen, die Verfassungswidrigkeit der Steuer vor Gericht nachzuweisen und sie zu Fall zu bringen.

Über Professor Dr. Dieter Birk
Professor Dr. Dieter Birk war bis 2011 Professor für Staatsrecht, Verwaltungsrecht und Steuerrecht sowie Direktor des Instituts für Steuerrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er war Richter im Nebenamt am Finanzgericht Münster und hat Forschungsaufenthalte in den USA, Großbritannien, Frankreich und Japan absolviert. Er ist Autor von zahlreichen Standardwerken zum Steuerrecht und Co-Autor des bei C.H. Beck erschienenen Kommentar „Glücksspielrecht“.

Über den DSWV
Der Deutsche Sportwettenverband ist ein Zusammenschluss von elf führenden deutschen und europäischen Sportwettenanbietern, der sich für eine rechtskonforme und wettbewerbsorientierte staatliche Regulierung des deutschen Sportwettenmarktes einsetzt.

Video-Interview zur Wettbürosteuer
Ein ausführliches Video-Interview mit Professor Dr. Dieter Birk über die Wettbürosteuer steht auf der Website des Deutschen Sportwettenverbands unter www.dswv.de bereit.

Quelle: Deutscher Sportwettenverband e.V.