Sonntag, 21. Dezember 2014

VGH Baden-Württemberg: Sofortvollzug kann sich als unverhältnismäßig darstellen


Gericht:    Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 6. Senat
Entscheidungsdatum:    10.12.2013
Aktenzeichen:    6 S 2112/13
Dokumenttyp:    Beschluss

Anordnung des Sofortvollzugs gewerberechtlicher Erlaubnisse; Verhältnismäßigkeit; örtliche Zuständigkeit und Verbandskompetenz

Leitsatz


    1. Die Anordnung des Sofortvollzugs des Widerrufs einer gewerberechtlichen Erlaubnis (hier: Erlaubnis nach § 33 c GewO) kann sich als unverhältnismäßig darstellen, wenn sie zum Wegfall einer konkreten Chance zur Fortführung eines Betriebes führt. (Rn.39)

    2. Die Verbandskompetenz für den Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis (hier: Erlaubnis nach § 33 i GewO) kommt grundsätzlich allein dem Rechtsträger derjenigen Behörde zu, in deren Bezirk die organisatorisch in gewissem Maß verselbstständigte Betriebsstätte eines Unternehmens liegt, auf die sich die Erlaubnis bezieht.(Rn.41)

Orientierungssatz

    1. Die sachliche Zuständigkeit für den Widerruf bestimmt sich nach dem anwendbaren Sachrecht. Bestehen keine speziellen Regelungen, kommt es bei unanfechtbaren Ausgangsverwaltungsakten auf die sachliche Zuständigkeit für den Erlass des Ausgangsverwaltungsakts im Zeitpunkt des Widerrufs bei Zugrundelegung der dann geltenden Rechtslage an (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.12.1999 - 7 C 42/98 -, BVerwGE 110, 226).(Rn.44)

    2. Zur entsprechenden Anwendung des § 3 VwVfG BW bei unvollständiger Regelung der Verbandskompetenz vergleiche auch: BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 1 C 5/11 -, BVerwGE 142, 195.(Rn.46)

39     bb) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist aber unverhältnismäßig.

40    Vorliegend ist zwar damit zu rechnen, dass der Antragsteller auch zukünftig seine gewerberechtlichen Pflichten nicht erfüllen wird. Auch mit Blick darauf, dass es während des seit 12.07.2010 laufenden Widerrufsverfahrens und auch nach der ersten Widerrufsverfügung zu neuen Pflichtverletzungen gekommen ist, die mit rechtskräftigen Bußgeldbescheiden geahndet wurden, ist damit zu rechnen, dass bis zur Rechtskraft des Widerrufs weitere Pflichtverletzungen erfolgen. Allerdings hätte der Widerruf der Aufstellerlaubnis mit sofortiger Wirkung nicht nur wie regelmäßig voraussichtlich das wirtschaftliche Ende des Betriebs zur Folge, weil die Gastwirte auf andere Aufsteller ausweichen würden. Vielmehr würde der Sofortvollzug darüber hinaus zum Wegfall einer konkreten Fortführungschance führen. Denn der Betrieb des Antragstellers könnte anders als regelmäßig sonst voraussichtlich erhalten werden, wenn die Aufstellerlaubnis nicht mit sofortiger Wirkung widerrufen würde und der Antragsteller somit die Übertragung seiner geschäftlichen Aktivitäten in diesem Bereich auf einen Dritten, die bereits zum Teil umgesetzt ist, abschließen könnte. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich dabei um eine reine Strohmannkonstruktion handelt, hat der Senat nicht. Unter diesen Umständen erweist sich der Sofortvollzug aber als unverhältnismäßig.