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Verstoß gegen die Verbrauchsteuerrichtlinie
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Gerichtshof der Europäischen Union
PRESSEMITTEILUNG Nr. 136/14
Luxemburg, den 9. Oktober 2014
Urteil in der Rechtssache C-428/13
Ministero dell’Economia e delle Finanze u. a./
Yesmoke Tobacco SpA
Die Mindestverbrauchsteuer von 115 %, die Italien auf Zigaretten erhebt, deren Preis niedriger ist als der von Zigaretten der gängigsten Preisklasse, ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar
Eine solche Verbrauchsteuer führt zu Wettbewerbsverzerrungen
Die Richtlinie über Verbrauchsteuern auf Tabakwaren1 bestimmt, dass der Satz der proportionalen Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer für alle Zigaretten gleich sein müssen.
Mit einer im Jahr 2012 erlassenen Entscheidung legte die Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (Autonome Verwaltung der Staatsmonopole, AAMS) die Mindestverbrauchsteuer für Zigaretten, deren Kleinverkaufspreis niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse, auf 115 % des Grundbetrags fest.
Die italienische Gesellschaft Yesmoke Tobacco SpA, die Zigaretten zu einem niedrigeren Preis als dem der gängigsten Preisklasse herstellt und vertreibt, focht die Entscheidung der AAMS vor dem Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) an. Dieses Gericht war der Ansicht, dass mit der Entscheidung der AAMS de facto ein Mindestverkaufspreis für Tabakwaren eingeführt worden sei, was im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs stehe2. Infolgedessen erklärte es die Entscheidung der AAMS für nichtig. Das Ministero dell’Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen) und die AAMS haben gegen dieses Urteil beim Consiglio di Stato (Staatsrat) Berufung eingelegt.
Mit seiner Vorlage zur Vorabentscheidung fragt der Consiglio di Stato den Gerichtshof, ob nach der Richtlinie eine nationale Rechtsvorschrift zulässig ist, mit der keine für alle Zigaretten gleiche Mindestverbrauchsteuer eingeführt wird, sondern eine Mindestverbrauchsteuer, die nur für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis gilt, der niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse.
In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die Richtlinie die allgemeinen Grundsätze für die Harmonisierung der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren festlegt und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sowie ein neutrales Wettbewerbsumfeld im Tabaksektor gewährleisten soll. Die Richtlinie sieht vor, dass auf alle Zigaretten (unabhängig von ihren Eigenschaften und ihrem Preis) eine globale Verbrauchsteuer zu erheben ist, die sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzt: einer nach dem Kleinverkaufshöchstpreis berechneten Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und einer nach Erzeugniseinheit berechneten spezifischen Verbrauchsteuer. Nach der Richtlinie müssen der Satz der Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer für alle Zigaretten gleich sein. Den Mitgliedstaaten steht es frei, eine Mindestverbrauchsteuer auf Zigaretten zu erheben.
Der Gerichtshof betont, dass eine solche Mindestverbrauchsteuer eine Mindestschwelle für die Besteuerung darstellt, unterhalb deren es keine proportionale Kürzung der geschuldeten Steuer geben darf.
Machen die Mitgliedstaaten von der ihnen durch die Richtlinie eingeräumten Befugnis zur Einführung einer Mindestverbrauchsteuer Gebrauch, muss sich eine solche Regelung in den von der Richtlinie vorgegebenen Rahmen einfügen und darf ihren Zielen nicht zuwiderlaufen. Die Einführung von Mindestschwellen für die Besteuerung anhand der Eigenschaften oder des Preises der Zigaretten würde aber zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den verschiedenen Zigaretten führen und stünde im Widerspruch zu dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und ein neutrales Wettbewerbsumfeld zu gewährleisten.
Konkret haben die Zigaretten der gängigsten Preisklasse in Italien einen Kleinverkaufspreis von 210 Euro, wobei die globale Verbrauchsteuer 122,85 Euro beträgt. Gemäß der italienischen Regelung werden Zigaretten, deren Preis unter 210 Euro liegt, mit einer Mindestverbrauchsteuer von 141,28 Euro3 belegt (die Zahlenangaben gelten für je 1 000 Zigaretten).
Der Gerichtshof stellt daher fest, dass die italienische Regelung ein System schafft, bei dem der für Zigaretten der gängigsten Preisklasse in Anwendung der globalen Verbrauchsteuer erhobene Betrag niedriger ist als die Mindestverbrauchsteuer auf die preisgünstigsten Zigaretten, was zu Wettbewerbsverzerrungen führt und den Zielen der Richtlinie zuwiderläuft.
Er führt weiter aus, dass die Richtlinie das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit bereits berücksichtigt, indem es darin u. a. heißt, dass die Höhe der Steuern ein wichtiger Faktor ist, der den Preis von Tabakwaren und folglich die Rauchgewohnheiten der Verbraucher beeinflusst. Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Steuervorschriften ein wichtiges und wirksames Instrument zur Bekämpfung des Konsums von Tabakwaren und damit zum Schutz der öffentlichen Gesundheit darstellen. Sofern sich die nationalen Maßnahmen in den von der Richtlinie festgelegten Rahmen einfügen, hindert diese die Mitgliedstaaten somit nicht daran, mittels der Erhebung von Verbrauchsteuern die Nikotinsucht zu bekämpfen und ein hohes Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten.
Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass nach der Richtlinie eine nationale Rechtsvorschrift unzulässig ist, mit der keine für alle Zigaretten gleiche Mindestverbrauchsteuer, sondern eine Mindestverbrauchsteuer eingeführt wird, die nur für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis gilt, der niedriger ist als bei Zigaretten der
gängigsten Preisklasse.
HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
- Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. L 176, S. 24).
- Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juni 2010, C-571/08, Kommission/Italien.
- 115 % von 122,85 Euro.
Quelle (pdf-download)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)
9. Oktober 2014(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Richtlinien 95/59/EG und 2011/64/EU – Struktur und Satz der für Tabakwaren geltenden Verbrauchsteuern – Bestimmung einer Verbrauchsteuer – Grundsatz der Einführung eines Verbrauchsteuersatzes für alle Zigaretten – Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, einen Mindestbetrag der Verbrauchsteuer festzulegen – Zigaretten der niedrigsten Preisklasse – Nationale Regelung – Spezielle Kategorie von Zigaretten – Festlegung der Verbrauchsteuer auf 115 %“
In der Rechtssache C-428/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 17. Juli 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juli 2013, in dem Verfahren
Ministero dell’Economia e delle Finanze,
Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (AAMS)
gegen
Yesmoke Tobacco SpA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter) sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas, E. Juhász und D. Šváby,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Yesmoke Tobacco SpA, vertreten durch G. Contaldi, avvocato,
– der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
– der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
– der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und F. Gloaguen als Bevollmächtigte,
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Rebelo und J. Colaço als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Cordewener und D. Recchia als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 6 der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. L 176, S. 24).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Ministero dell’Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen) und der Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (Autonome Verwaltung der Staatsmonopole, im Folgenden: AAMS) einerseits und der Yesmoke Tobacco SpA andererseits wegen der Entscheidung des Generaldirektors der AAMS vom 11. Januar 2012 mit dem Titel „Ripartizione dei Prezzi delle sigarette – Tabella A“ (Verteilung der Preise für Zigaretten – Tabelle A) (GURI Nr. 16 vom 20. Januar 2012, im Folgenden: streitige Entscheidung), mit der eine Mindestverbrauchsteuer eingeführt wurde, die nur für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis gilt, der niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 95/59
3 Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (ABl. L 291, S. 40) in der durch die Richtlinie 2010/12/EU des Rates vom 16. Februar 2010 (ABl. L 50, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 95/59) bestimmt:
„Der Satz der proportionalen Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer müssen für alle Zigaretten gleich sein.“
4 Art. 16 Abs. 7 der Richtlinie 95/59 sieht vor:
„Vorbehaltlich der Absätze 3, 4, 5 und 6 können die Mitgliedstaaten auf Zigaretten eine Mindestverbrauchsteuer erheben.“
Richtlinie 2011/64
5 Die Erwägungsgründe 2, 3, 9, 14 und 16 der Richtlinie 2011/64 lauten:
„(2) Die Steuervorschriften der Union für Tabakwaren sollten das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und gleichzeitig ein hohes Gesundheitsschutzniveau gemäß Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleisten und zwar unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Tabakwaren schwere gesundheitliche Schäden verursachen können und dass die Union dem Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakkonsums beigetreten ist. Rechnung getragen werden sollte der jeweiligen Situation bei den einzelnen Tabakwaren.
(3) Eines der Ziele des Vertrags über die Europäische Union ist es, eine Wirtschaftsunion, die einem innerstaatlichen Markt ähnlich ist und in der gesunder Wettbewerb herrscht, aufrechtzuerhalten. Im Bereich der Tabakwaren setzt dies voraus, dass die in den Mitgliedstaaten auf die Erzeugnisse dieses Sektors erhobenen Verbrauchsteuern die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälschen und den freien Verkehr dieser Erzeugnisse in der Union nicht behindern.
…
(9) Die Harmonisierung der Strukturen der Verbrauchsteuern muss insbesondere dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den einer gleichen Gruppe angehörenden Kategorien von Tabakwaren durch die Folgen der Besteuerung nicht verfälscht wird und dass es zur Öffnung der nationalen Märkte der Mitgliedstaaten kommt.
…
(14) Für Zigaretten sollte[n] für Hersteller ein neutrales Wettbewerbsumfeld gewährleistet, die Aufteilung der Tabakmärkte abgebaut und die gesundheitspolitischen Ziele hervorgehoben werden. Daher sollte eine preisbezogene Mindestbesteuerung an den gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis anknüpfen, wohingegen ein Mindeststeuerbetrag für alle Zigaretten gelten sollte. Aus denselben Gründen sollte der gewichtete durchschnittliche Kleinverkaufspreis auch als Bezugsgröße für die Ermittlung des Anteils der spezifischen Verbrauchsteuer an der gesamten Steuerbelastung dienen.
…
(16) Eine solche Annäherung würde außerdem dazu beitragen, ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen. Die Höhe der Steuern ist ein wichtiger Faktor für den Preis von Tabakwaren, und dieser hat wiederum Auswirkungen auf die Rauchgewohnheiten der Verbraucher. Betrug und Schmuggel unterlaufen steuerlich bedingte Preisniveaus insbesondere von Zigaretten und Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten und gefährden somit das Ziel der Eindämmung des Tabakkonsums bzw. des Gesundheitsschutzes.“
6 Art. 1 der Richtlinie 2011/64 sieht vor:
„Die vorliegende Richtlinie bestimmt allgemeine Grundsätze für die Harmonisierung der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern, denen die Tabakwaren in den Mitgliedstaaten unterliegen.“
7 Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/64 lautet:
„(1) In der Union hergestellte Zigaretten und aus Drittländern eingeführte Zigaretten unterliegen in jedem Mitgliedstaat einer nach dem Kleinverkaufshöchstpreis einschließlich Zölle berechneten Ad-Valorem-Verbrauchsteuer sowie einer nach Erzeugniseinheit berechneten spezifischen Verbrauchsteuer.
Abweichend von Unterabsatz 1 können Mitgliedstaaten die Zölle von der Bemessungsgrundlage für die Ad-Valorem-Verbrauchsteuer auf Zigaretten ausschließen.
(2) Der Satz der Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer müssen für alle Zigaretten gleich sein.“
8 Art. 8 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2011/64 sieht vor:
„(3) Bis zum 31. Dezember 2013 darf der spezifische Teilbetrag der Verbrauchsteuer weder niedriger als 5 % noch höher als 76,5 % der Gesamtsteuerlast sein, die sich zusammensetzt aus:
a) der spezifischen Verbrauchsteuer,
b) der Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und der Mehrwertsteuer (MwSt.) auf den gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis.
(4) Ab dem 1. Januar 2014 darf der spezifische Teilbetrag der Verbrauchsteuer auf Zigaretten weder niedriger als 7,5 % noch höher als 76,5 % der Gesamtsteuerlast sein, die sich zusammensetzt aus:
a) der spezifischen Verbrauchsteuer,
b) der Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und der MwSt. auf den gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis.
(5) Sinkt der als Prozentsatz der gesamten Steuerbelastung ausgedrückte spezifische Teilbetrag der Verbrauchsteuer infolge einer Änderung des gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreises für Zigaretten in einem Mitgliedstaat unter 5 % bzw. 7,5 % – je nachdem, welcher Prozentsatz Anwendung findet – der Gesamtsteuerlast oder steigt er über 76,5 % der Gesamtsteuerlast, so kann der betreffende Mitgliedstaat in Abweichung von den Absätzen 3 und 4 die Anpassung des Betrags der spezifischen Verbrauchsteuer längstens bis zum 1. Januar des zweiten auf das Jahr der Änderung folgenden Jahres verschieben.
(6) Vorbehaltlich der Absätze 3, 4 und 5 des vorliegenden Artikels sowie Artikel 7 Absatz 1 Unterabsatz 2 können die Mitgliedstaaten auf Zigaretten eine Mindestverbrauchsteuer erheben.“
9 Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2011/64 bestimmt:
„Die als Prozentsatz, in Form eines bestimmten Betrags je kg oder je Stückzahl ausgedrückte globale Verbrauchsteuer (spezifische Verbrauchsteuer und/oder Ad-Valorem-Verbrauchsteuer ohne Mehrwertsteuer) beträgt mindestens soviel wie die Sätze oder Mindestbeträge für:
a) Zigarren und Zigarillos: 5 % des Kleinverkaufspreises einschließlich sämtlicher Steuern oder 12 EUR je 1 000 Stück oder je kg;
b) Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten: 40 % des gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreises für Feinschnitttabak für selbstgedrehte in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte Zigaretten oder 40 EUR je kg;
c) anderen Rauchtabak: 20 % des Kleinverkaufspreises einschließlich sämtlicher Steuern oder 22 EUR je kg.
Ab 1. Januar 2013 beträgt die globale Verbrauchsteuer auf Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten mindestens 43 % des gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreises von in den steuerrechtlich freien Verkehr überführtem Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten oder mindestens 47 EUR je kg.
Ab 1. Januar 2015 beträgt die globale Verbrauchsteuer auf Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten mindestens 46 % des gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreises von in den steuerrechtlich freien Verkehr überführtem Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten oder mindestens 54 EUR je kg.
Ab 1. Januar 2018 beträgt die globale Verbrauchsteuer auf Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten mindestens 48 % des gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreises von in den steuerrechtlich freien Verkehr überführtem Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten oder mindestens 60 EUR je kg.
Ab 1. Januar 2020 beträgt die globale Verbrauchsteuer auf Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten mindestens 50 % des gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreises von in den steuerrechtlich freien Verkehr überführtem Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten oder mindestens 60 EUR je kg.
Der gewichtete durchschnittliche Kleinverkaufspreis wird unter Bezugnahme auf den Gesamtwert des in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Feinschnitttabaks für selbstgedrehte Zigaretten auf der Grundlage des Kleinverkaufspreises einschließlich sämtlicher Steuern, geteilt durch die Gesamtmenge des in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Feinschnitttabaks für selbstgedrehte Zigaretten, berechnet. Er wird spätestens am 1. März jedes Jahres anhand der Daten zu allen im vorangegangenen Kalenderjahr in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Mengen an Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten ermittelt.“
10 Art. 21 der Richtlinie 2011/64 sieht vor:
„Die Richtlinien 92/79/EWG, 92/80/EWG und [95/59] in der Fassung der in Anhang I Teil A aufgeführten Richtlinien werden unbeschadet der Verpflichtung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang I Teil B genannten Fristen für die Umsetzung in innerstaatliches Recht und für die Anwendung aufgehoben.
Bezugnahmen auf die aufgehobenen Richtlinien gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang II zu lesen.“
11 Nach Art. 22 der Richtlinie 2011/64 trat diese am 1. Januar 2011 in Kraft.
Italienisches Recht
12 Art. 39-quinquies („Tabellen zur Verteilung der Kleinverkaufspreise“) des Decreto legislativo Nr. 504 vom 26. Oktober 1995 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 279 vom 29. November 1995), geändert durch Art. 55 Abs. 2-bis Buchst. c des Gesetzes Nr. 122 vom 30. Juli 2010 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 176 vom 30. Juli 2010) (im Folgenden: Decreto legislativo), bestimmt:
„(1) Die Tabellen zur Verteilung der Kleinverkaufspreise für Tabakwaren werden durch Anordnung des Direktors der [AAMS] festgelegt, die im Amtsblatt der Italienischen Republik veröffentlicht wird. Die Verkaufspreise für die unter Art. 39-bis Abs. 1 Buchst. a und b fallenden Erzeugnisse werden unter Bezugnahme auf das übereinkunftsgemäße Kilogramm festgelegt, das jeweils entspricht:
a) 200 Zigarren;
b) 400 Zigarillos;
c) 1 000 Zigaretten.
(2) Für Zigaretten werden die in Abs. 1 genannten Tabellen unter Heranziehung der Zigaretten der gängigsten Preisklasse erstellt, die alle drei Monate anhand der zum ersten Tag eines jeden Kalenderquartals erhobenen Daten und, was die Bestimmung des spezifischen Teilbetrags der Verbrauchsteuer betrifft, anhand des [gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreises je übereinkunftsgemäßem Kilogramm Zigaretten] im Sinne von Abs. 2-bis bestimmt wird.
(2-bis) Bis zum 1. März eines jeden Kalenderjahres bestimmt die [AAMS] für die unter Art. 39-bis Abs. 1 Buchst. b fallenden Zigaretten den gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis je übereinkunftsgemäßem Kilogramm Zigaretten …, der dem Verhältnis – ausgedrückt in Euro ohne Dezimalstellen – zwischen dem Gesamtwert, berechnet unter Heranziehung des Kleinverkaufspreises einschließlich sämtlicher Steuern der im abgelaufenen Kalenderjahr in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Zigaretten, und der Gesamtmenge dieser Zigaretten entspricht.“
13 Art. 39-octies („Basissteuersatz und Berechnung der für Tabakwaren geltenden Verbrauchsteuer“) des Decreto legislativo bestimmt in den Abs. 3 und 4:
„(3) Für die Zigaretten der im Einklang mit Art. 39-quinquies Abs. 2 bestimmten gängigsten Preisklasse wird die Verbrauchsteuer unter Anwendung des entsprechenden Basissteuersatzes auf den Kleinverkaufspreis berechnet. Dieser Betrag stellt den Grundbetrag dar.
(4) Der Grundbetrag nach Abs. 3 stellt in Höhe von 115 % die geschuldete Verbrauchsteuer auf Zigaretten dar, deren Kleinverkaufspreis niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse im Sinne von Art. 39-quinquies Abs. 2.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
14 Mit der streitigen Entscheidung legte der Generaldirektor der AAMS die Mindestverbrauchsteuer für Zigaretten, deren Kleinverkaufspreis niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse gemäß Art. 39-octies Abs. 4 des Decreto legislativo auf 115 % des Grundbetrags fest.
15 Die Yesmoke Tobacco SpA, eine Gesellschaft, die Zigaretten zu einem niedrigeren Preis als dem der gängigsten Preisklasse herstellt und vertreibt, focht die streitige Entscheidung vor dem Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) an, wobei sie geltend machte, dass diese Maßnahme die gleiche Wirkung wie die Festsetzung eines Mindestverkaufspreises für Zigaretten habe.
16 Mit Urteil vom 5. April 2012 erklärte das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio die streitige Entscheidung für nichtig, nachdem es die Anwendbarkeit von Art. 39-octies des Decreto legislativo verneint hatte. Es stellte fest, dass mit dieser Entscheidung de facto ein Mindestverkaufspreis für Tabakwaren eingeführt worden sei, was im Widerspruch zu dem Urteil Kommission/Italien (C-571/08, EU:C:2010:367) stehe.
17 Das Ministero dell’Economia e delle Finanze und die AAMS haben am 5. Juni 2012 gegen dieses Urteil beim Consiglio di Stato Berufung eingelegt. Sie vertreten die Auffassung, die nationalen Rechtsvorschriften über den Mindestverkaufspreis für Zigaretten, zu denen sich das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio geäußert habe, wiesen keinen Bezug zu den Bestimmungen von Art. 39-octies auf. Vielmehr stünden diese Rechtsvorschriften voll und ganz mit dem Unionsrecht im Einklang, da die Richtlinie 2011/64 den Mitgliedstaaten erlaube, auf Zigaretten eine Mindestverbrauchsteuer zu erheben.
18 Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von der Auslegung der Richtlinien 95/59 und 2011/64 abhänge.
19 Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Stehen Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 95/59 und Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2011/64, wonach der Satz der proportionalen Verbrauchsteuer bzw. der Satz der Ad-Valorem-Verbrauchsteuer ebenso wie der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer für alle Zigaretten gleich sein müssen, einer nationalen Vorschrift wie Art. 39-octies Abs. 4 des Decreto legislativo entgegen, wonach die Verbrauchsteuer auf Zigaretten mit einem Endverkaufspreis, der niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse, 115 % des Grundbetrags beträgt und dadurch zu einer Verbrauchsteuer mit einem spezifischen festen Mindestsatz für Zigaretten einer niedrigeren Preisklasse führt und nicht zu einem für Zigaretten aller Preisklassen geltenden Mindestbetrag der Verbrauchsteuer, wie er nach Art. 16 Abs. 7 der Richtlinie 95/59 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2011/64 zulässig ist?
Zur Vorlagefrage
20 Zunächst ist zum einen festzustellen, dass der Ausgangsrechtsstreit eine Entscheidung des Generaldirektors der AAMS zur Festlegung der Verbrauchsteuersätze für Zigaretten betrifft, die am 11. Januar 2012 ergangen ist. Nach den Art. 21 und 22 der Richtlinie 2011/64 wurde durch sie aber die Richtlinie 95/59 zum 1. Januar 2011 aufgehoben und ersetzt. Somit ist die Vorlagefrage ausschließlich anhand der Vorschriften der Richtlinie 2011/64 zu prüfen.
21 Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht auf Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2011/64 Bezug nimmt, der zu ihrem Kapitel 4 („Vorschriften für andere Tabakwaren als Zigaretten“) gehört, das sich nicht auf Zigaretten bezieht. Die Regelung über die Mindestverbrauchsteuer, auf die in der Vorlagefrage Bezug genommen wird, ist in Art. 8 Abs. 6 der Richtlinie 2011/64 vorgesehen. Daher ist die Vorlagefrage dahin zu verstehen, dass sie sich auf Art. 8 Abs. 6 dieser Richtlinie und nicht auf deren Art. 14 Abs. 2 bezieht.
22 Folglich möchte das vorlegende Gericht mit seiner Frage wissen, ob Art. 7 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 6 der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift entgegenstehen, mit der keine für alle Zigaretten gleiche Mindestverbrauchsteuer eingeführt wird, sondern eine Mindestverbrauchsteuer, die nur für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis gilt, der niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse.
23 Die Richtlinie 2011/64 dient zur Festlegung allgemeiner Grundsätze für die Harmonisierung der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern, denen die Tabakwaren in den Mitgliedstaaten unterliegen. Wie namentlich aus ihren Erwägungsgründen 2, 3, 9 und 14 hervorgeht, soll sie das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und ein neutrales Wettbewerbsumfeld gewährleisten. Insbesondere darf die Harmonisierung der Strukturen der Verbrauchsteuern nicht dazu führen, dass der Wettbewerb im Tabaksektor verfälscht wird.
24 In Bezug auf Zigaretten sieht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64 vor, dass in der Union hergestellte und aus Drittländern eingeführte Zigaretten einer globalen Verbrauchsteuer unterliegen, die sich aus einer nach dem Kleinverkaufshöchstpreis berechneten Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und einer nach Erzeugniseinheit berechneten spezifischen Verbrauchsteuer zusammensetzt. Der als globale Verbrauchsteuer vereinnahmte Betrag variiert in Abhängigkeit vom Verkaufspreis der Zigaretten, da die Ad-Valorem-Verbrauchsteuer anhand des Verkaufspreises festgelegt wird und umso geringer ist, je niedriger der Verkaufspreis ist, und umgekehrt.
25 Nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2011/64 müssen der Satz der Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer für alle Zigaretten gleich sein. Wie schon aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 und 2 hervorgeht, ist die Erhebung der globalen Verbrauchsteuer auf sämtliche Zigaretten, unabhängig von ihren Eigenschaften und ihrem Preis, zwingend vorgeschrieben.
26 Den Mitgliedstaaten steht jedoch nach Art. 8 Abs. 6 der Richtlinie 2011/64 – vorbehaltlich insbesondere der Abs. 3 bis 5 dieses Artikels, in denen die bei der Bestimmung der spezifischen Verbrauchsteuer zu beachtenden Bandbreiten vorgesehen sind – die Erhebung einer Mindestverbrauchsteuer auf Zigaretten frei.
27 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Wortbestandteil „Mindest-“ impliziert, dass die in Art. 8 Abs. 6 der Richtlinie 2011/64 vorgesehene Verbrauchsteuer eine Mindestschwelle für die Besteuerung darstellt, unterhalb deren es keine proportionale Kürzung der geschuldeten Steuer geben darf. Wie die Europäische Kommission in ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen betont hat, ermöglicht es die Mindestverbrauchsteuer, dass die Ad-Valorem-Verbrauchsteuer unterhalb der Mindestschwelle für die Besteuerung keine proportionale Wirkung entfaltet.
28 In Anbetracht dessen, dass die Erhebung der globalen Verbrauchsteuer auf sämtliche Zigaretten unabhängig von ihren Eigenschaften und ihrem Preis zwingend vorgeschrieben ist, muss eine von den Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 6 der Richtlinie 2011/64 vorgesehene Mindestverbrauchsteuer für alle Zigaretten gelten, unabhängig von ihren Eigenschaften und ihrem Preis (vgl. in diesem Sinne, zur Richtlinie 95/59, Urteil Kommission/Frankreich, C-302/00, EU:C:2002:123, Rn. 20).
29 Überdies ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2011/64 zwischen den verschiedenen Kategorien von Tabakwaren, die Gegenstand der mit ihr bezweckten Harmonisierung sind – Zigaretten, Zigarren und Zigarillos, Feinschnitttabak sowie anderer Rauchtabak –, unterscheidet, nicht aber zwischen verschiedenen Kategorien von Zigaretten. Somit sind Zigaretten für die Zwecke der Richtlinie 2011/64 als eine einzige Kategorie von Tabakwaren anzusehen.
30 Die Einführung einer Mindestverbrauchsteuer nur für bestimmte Kategorien von Zigaretten, wie sie die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung vorsieht, würde es ermöglichen, bei bestimmten anderen Kategorien von Zigaretten einen Betrag als globale Verbrauchsteuer zu erheben, der geringer wäre als die Mindestverbrauchsteuer, obwohl deren Einführung nach der Richtlinie 2011/64 darauf abzielen sollte, in einem Kontext niedriger Preise zu verhindern, dass unterhalb dieser Schwelle eine proportionale Kürzung der geschuldeten Steuer möglich ist, und damit zu verhindern, dass das Besteuerungsniveau bei den preisgünstigsten Zigaretten zu niedrig ist.
31 Machen die Mitgliedstaaten von der Befugnis zur Einführung einer Mindestverbrauchsteuer im Einklang mit Art. 8 Abs. 6 der Richtlinie 2011/64 Gebrauch, muss sich eine solche Regelung in den von dieser Richtlinie vorgegebenen Rahmen einfügen und darf ihren Zielen nicht zuwiderlaufen. Die Einführung von Mindestschwellen für die Besteuerung anhand der Eigenschaften oder des Preises der Zigaretten würde aber zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den verschiedenen Zigaretten führen und stünde damit im Widerspruch zu dem mit der Richtlinie 2011/64 verfolgten Ziel, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und ein neutrales Wettbewerbsumfeld zu gewährleisten.
32 Genau dazu führt die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung, die vorsieht, dass nur für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis, der niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse, eine Verbrauchsteuer in Höhe von 115 % der auf die gängigste Preisklasse anwendbaren Verbrauchsteuer gilt.
33 Im Ausgangsverfahren ergibt sich nämlich aus der streitigen Entscheidung – wie der ihr als Anhang beigefügten Tabelle zu entnehmen ist –, dass die Zigaretten der gängigsten Preisklasse einen Kleinverkaufspreis von 210 Euro je 1 000 Zigaretten haben und dass auf sie in Anwendung der globalen Verbrauchsteuer eine als „Grundbetrag“ bezeichnete Steuer von 122,85 Euro je 1 000 Zigaretten erhoben wird. Nach Art. 39-octies des Decreto legislativo werden Zigaretten, deren Preis niedriger ist als der Preis der gängigsten Klasse von Zigaretten, also unter 210 Euro je 1 000 Zigaretten liegt, mit einer Verbrauchsteuer in Höhe von 115 % des Grundbetrags belegt; sie beträgt mithin 115 % x 122,85 Euro, d. h. 141,28 Euro je 1 000 Zigaretten. Somit lastet auf Zigaretten, deren Kleinverkaufspreis unter 210 Euro je 1 000 Zigaretten liegt, nach der italienischen Regelung ein höherer Verbrauchsteuerbetrag als der in Anwendung der globalen Verbrauchsteuer für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis zwischen 210 Euro und 243 Euro je 1 000 Zigaretten geltende.
34 Die italienische Regelung schafft somit ein System, bei dem der für Zigaretten der gängigsten Preisklasse in Anwendung der globalen Verbrauchsteuer erhobene Betrag niedriger ist als die Mindestverbrauchsteuer auf die preisgünstigsten Zigaretten, was zu Wettbewerbsverzerrungen führt und den Zielen der Richtlinie 2011/64 zuwiderläuft.
35 Zu dem von der italienischen, der spanischen, der französischen und der portugiesischen Regierung in ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen angeführten Ziel der öffentlichen Gesundheit ist festzustellen, dass die Richtlinie 2011/64 nach ihren Erwägungsgründen 2, 14 und 16 das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit berücksichtigt. So heißt es im 16. Erwägungsgrund dieser Richtlinie u. a., dass die Höhe der Steuern ein wichtiger Faktor für den Preis von Tabakwaren ist, der wiederum Auswirkungen auf die Rauchgewohnheiten der Verbraucher hat. Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Steuervorschriften bei Tabakwaren ein wichtiges und wirksames Instrument zur Bekämpfung des Konsums dieser Waren und damit zum Schutz der öffentlichen Gesundheit darstellen (vgl. in diesem Sinne, zur Richtlinie 95/59, Urteil Kommission/Italien, EU:C:2010:367, Rn. 51).
36 Sofern sich die nationalen Maßnahmen in den von der Richtlinie 2011/64 festgelegten Rahmen einfügen, hindert diese die Mitgliedstaaten nicht daran, mittels der Erhebung von Verbrauchsteuern die Nikotinsucht zu bekämpfen und ein hohes Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne, zur Richtlinie 95/59, Urteil Kommission/Italien, EU:C:2010:367, Rn. 48).
37 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 6 der Richtlinie 2011/64 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, mit der keine für alle Zigaretten geltende gleiche Mindestverbrauchsteuer eingeführt wird, sondern eine Mindestverbrauchsteuer, die nur für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis gilt, der niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse.
Kosten
38 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 7 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 6 der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, mit der keine für alle Zigaretten geltende gleiche Mindestverbrauchsteuer eingeführt wird, sondern eine Mindestverbrauchsteuer, die nur für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis gilt, der niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Italienisch.
Quelle
Antrag (ABl.)
Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato (Italien), eingereicht am 26. Juli 2013 – Ministero dell'Economia e delle Finanze und AAMS/Yesmoke Tobacco
(Rechtssache C-428/13)
Verfahrenssprache: Italienisch
Vorlegendes Gericht
Consiglio di Stato
Parteien des Ausgangsverfahrens
Rechtsmittelkläger: Ministero dell'Economia e delle Finanze, Amministrazione Autonoma di Monopoli di Stato (AAMS)
Rechtsmittelbeklagte: Yesmoke Tobacco SpA
Vorlagefrage
Stehen Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 95/59/EG vom 27. Dezember 19951 und Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 11/64/EU vom 21. Juni 20112 , wonach der Satz der proportionalen Verbrauchsteuer bzw. der Satz der Ad-Valorem-Verbrauchsteuer ebenso wie der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer „für alle Zigaretten gleich sein“ müssen, einer nationalen Regelung wie Art. 39octies Abs. 4 des Decreto legislativo Nr. 504 vom 26. Oktober 1995 (in der durch Art. 55 Abs. 2bis Buchst. [c] des Decreto-legge Nr. 78 vom 31. März 2010 geänderten Fassung, mit Änderungen umgewandelt in das Gesetz Nr. 122 vom 30. Juli 2010) entgegen, wonach die Verbrauchsteuer auf Zigaretten mit einem Endverkaufspreis, der unter dem für Zigaretten der meistverkauften Preisklasse liegt, 115 % des Grundbetrags beträgt und dadurch zu einer Verbrauchsteuer zu einem spezifischen festen Mindestsatz für Zigaretten einer niedrigeren Preisklasse führt und nicht zu einem für Zigaretten aller Preisklassen geltenden Mindestbetrag der Verbrauchsteuer, der nach Art. 16 Abs. 7 der Richtlinie 95/59 und Art. 14 Abs. [1] der Richtlinie 11/64 zulässig ist?
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1 Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (ABl. L 291, S. 40).
2 Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. L 176, S. 24).
Quelle