Mit Beschluss vom 3. November 2010 ist das Verwaltungsgericht Berlin dem OVG Berlin-Brandenburg substanziell entgegengetreten und gewährt weiterhin einstweiligen Rechtsschutz. Das Gericht verweist auf seine tatsächlichen Feststellungen, die es in zahlreichen Hauptsacheverfahren getroffen hat. In Berlin werde an offensichtlich rechtswidrigen Werbeverhalten festgehalten und die Glücksspielaufsicht schreite dagegen auch nicht ein. Das Gericht weist auf das "offen zu Tage tretende fiskalische Interesse bei Schaffung und Aufrechterhaltung des Monopols, das Fehlen einer geeigneten Kontrollinstanz mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport und die (auch unionsrechtlich) gebotene, aber nach wie vor fehlende Kohärenz und Systematik bei der Bekämpfung der Glücksspielsucht" hin und zeigt detailliert das inkohärente Verhalten der staatlichen Sphäre auf.
Die Entscheidung kann hier eingesehen werden.
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Hoeller Rechtsanwälte
Rechtsanwalt Boris Hoeller
Wittelsbacherring 1
53115 Bonn
VG Berlin VG 35 L 395.10 Beschluß s. unten (Volltext)
Der lesenswerte Volltext der Entscheidung des VG Berlin vom 7. Juli 2008 zur Gemeinschaftswidrigkeit. (Az. VG 35 A 167.08) Urteilsbegründung auf 113 Seiten
VG Berlin bestätigt Europarechtswidrigkeit und Verfassungswidrigkeit des Sportwettenmonopols
VG Berlin hält Verwaltungsgebühr für Untersagungsbescheide gegen Sportwettenvermittler für rechtswidrig
LG Berlin schließt Strafbarkeit nach § 284 StGB
wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols aus
weitere Urteile des VG Berlin:
VG Berlin vom 04.11.2010 (Az. VG 35 K 75.09)
VG Berlin vom 03.11.2010 (Az. VG 35 L 395.10)
VG Berlin vom 16.08.2010 (Az. VG.35 L 47.10)
VG Berlin vom 22.09.2008 (Az. VG.35 A 15.08)
VG Berlin vom 07.07.2008 (Az. VG 35 A 149.07)
VG Berlin vom 07.07.2008 (Az. VG 35 A 167.08)
VG Berlin vom 05.05.2008 (Az. VG 35 A 108.08)
VG Berlin vom 02.04.2008 (Az. VG 35 A 52.08)
Das VG Berlin bestätigte erneut am 16.11.2009 ( Az. VG 35 L 460.09)
die Verfassungswidrigkeit des "sog. staatlichen Sportwettenmonopols."
weitere Urteile des EuGH zur Dienstleistungsfreiheit
EuGH Gambelli
EUGH Urteil v. 11.09.03 Freier Dienstleistungsverkehr
EUGH Urteil v. 13.11.03 Auslegung v. Art 49 EGV
Aufsatz zum BVerfG Urteil
Gutachten Sportwette EU
Redeker Staatshaftung
EuGH-Vorlage zur Frage der Vereinbarkeit von Sportwettenrecht und EU-Recht
Verfahren bei Untersagung von Sportwettenvermittlung wegen Vorlage zum EuGH ausgesetzt -
VG Stuttgart, Beschluss vom 28.02.2008, Az.: 4 K 213/08
Die aufschiebende Wirkung des Sportwettenvermittlers überwiegt gegenüber dem öffentlichen Interesse des sofortigen Vollzugs der Untersagungsverfügung.
Anders als der Verwaltungsgerichtshof Baden-Würtembergs hegt das erkennende Gericht erhebliche gemeinschaftsrechtliche Bedenken. Das Verfahren wird ausgesetzt und dem EuGH vorgelgt.
Erhebliche Zweifel an der derzeitigen Ausgestaltung der Regelungen zum Sportwettenrecht -
VG Frankfurt a. M., Beschluss vom 19.02.2008, Az.: 7 G 4290/07 (V)
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung in Sachen "Vermittlung von Sportwetten" muss, aufgrund der erheblichen Zweifel des Gerichts an der Vereinbarkeit der derzeitigen Regelungen zum Wettmonopol mit dem Gemeinschaftsrecht, zurücktreten.
EuGH-Vorlage zur Frage der Vereinbarkeit von Sportwettenrecht und EU-Recht -
VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30.01.2008, Az.: 12 A 102/06
Das Gericht legt dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vor, ob es mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist, dass mit der Bekämpfung von Spielsuchtgefahren begründeten nationalen staatlichen Veranstaltungsmonopol auf Sportwetten und Lotterien entgegensteht, wenn in diesem Mitgliedstaat andere Glücksspiele mit erheblichem Suchtgefährdungspotenzial von privaten Dienstleistungsanbietern erbracht werden dürfen und die unterschiedlichen rechtlichen Regelungen zu Sportwetten- und Lotterien einerseits und anderen Glücksspielen andererseits auf der unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder und des Bundes beruhen.
Vorlage an den EuGH zum staatlichen Glücksspielmonopol -
VG Stuttgart, Beschluss vom 24.07.2007, Az.: 4 K 4435/06
Das Gericht legt dem EuGH die Frage vor, ob einem innerstaatlichen Monopol auf bestimmte Glückspiele die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit entgegensteht, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat insgesamt an einer kohärenten und systematischen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels fehlt.
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VG 35 L 395.10
VERWALTUNGSGERICHT BERLIN
BESCHLUSS
BESCHLUSS
In der Verwaltungsstreitsache
Antragstellers,
Verfahrensbevollmächtigte(r) :
Rechtsanwalt
g e g e n
das Land Berlin, vertreten durch das
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten,
Referat Zentrale Einwohnerangelegenheiten
Ordnungswidrigkeiten/Glücksspielwesen,
Friedrichstraße 219, 10969 Berlin,
Antragsgegner,
Verfahrensbevollmächtigte:
hat die 35. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht MacLean,
den Richter am Verwaltungsgericht Amelsberg und
den Richter Dr. Bourquain
am 3. November 2010 beschlossen:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid
des Antragsgegners vom 16. August 2010 wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 12.500,-- Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller, der deutscher Staatsangehöriger ist, wendet sich in dem Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die sofortige Vollziehbarkeit
einer Untersagungs- und Beseitigungsverfügung hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten
sowie entsprechender Werbung.
Der Antragsteller vermittelt in Berlin, K_____, Sportwetten an die F_____ nach Österreich.
Der Antragsgegner untersagte ihm mit Bescheid vom 16. August 2010 unter Androhung von
Zwangsmitteln „für den Bereich des Landes Berlin jegliche Art des Veranstaltens und der
Annahme und Vermittlung von Sportwetten einschließlich jeder Form des terrestrischen und
Internetvertriebs derselben, diesbezügliche Handreichungen und Unterstützungshandlungen,
die Aufstellung sowie den Betrieb von Internetwettautomaten, soweit nicht jeweils eine
behördliche Genehmigung des Landes Berlin vorliegt und die Werbung hierfür. Jegliche
Werbung für in Berlin behördlich nicht genehmigte Sportwetten ist unverzüglich einzustellen
und in, an und außerhalb der Betriebsstätte zu beseitigen“. Für die Entscheidung wurde eine
Gebühr in Höhe von 2.000,-- Euro festgesetzt. Über den Widerspruch des Antragstellers vom
20. September 2010 (Montag) ist – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden.
Der Antrag des Antragstellers vom 1. Oktober 2010,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 20. September 2010 gegen den
Bescheid vom 16. August 2010 anzuordnen,
hat Erfolg.
I.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, insbesondere verfügt der Antragsteller über
das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. dazu ausführlich VG Berlin, Urteile vom 7. Juli
2008 – VG 35 A 108.07 –, Rn. 25 ff., vom 22. September 2008 – VG 35 A 576.07 –, Rn. 56
ff., und vom 13. November 2008 – VG 35 A 17.07 –, zitiert nach juris; st. Rspr. der Kammer;
dazu, dass die bloße Tatsache, dass der Antragsteller über keine Erlaubnis für seine
Wettvermittlung verfügt, für sich die Untersagungsverfügung nicht zu rechtfertigen vermag,
wenn für den betreffenden Antragsteller gar nicht die Möglichkeit besteht, eine derartige
Erlaubnis zu erlangen, und wenn dieser Ausschluss in Widerspruch zu höherrangigem Recht
steht, vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. Juli 2008 – 11 MC 71/08 –, zitiert nach juris,
Rn. 33 m.w.N.; zur grundsätzlichen Zulässigkeit eines unionsrechtskonformen
Erlaubnisverfahrens vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010 – Rs. C-316/07 u.a. [Stoß
u.a.] –, Rn. 113 ff., und – Rs.C-46/08 [Carmen Media] –, Rn. 81 ff., unter
http://curia.europa.de; zur Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg zum
Erlaubniserfordernis [Beschluss vom 7. Juli 2010 – OVG 1 S 80.09 –, S. 6 f. des Umdrucks]
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sei lediglich darauf hingewiesen, dass die dort benannten Beispiele, die die Erforderlichkeit
eines Erlaubnisverfahrens unterstreichen sollen, zu kurz greifen, denn die Einrichtung einer
Annahmestelle in einer Spielhalle oder das Angebot von Live-Sportwetten sind nach dem
Gesetz nicht nur „nicht erlaubnisfähig“, sondern nach § 8 Abs. 4 AG GlüStV und § 21 Abs. 2
S. 3 GlüStV verboten; eine tragfähige Begründung dafür, dass darüber hinaus für die
gesamte - also auch die mit dem Wortlaut des Glücksspielstaatsvertrages konforme und
damit jedenfalls für staatliche Anbieter grundsätzlich genehmigungsfähige - Tätigkeit des
Antragstellers materiell keine Genehmigung erteilt werden könne, bleibt das OVG, wie im
Folgenden zu zeigen sein wird, auch in seinem Beschluss vom 26. Oktober 2010 – OVG 1 S
154.10 – schuldig, was zugleich auch die vom OVG angenommene Rechtmäßigkeit einer
vollumfänglichen Untersagungsverfügung in Frage stellt. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, zwecks Vermeidung eines „ungeregelten Zustands“ ein vom
Gesetzgeber gar nicht vorgesehenes Erlaubnisverfahren [vgl. VG Berlin, Urteil vom 22.
September 2008, a.a.O.] zu fingieren, um darauf gestützte [ebenfalls fiktive]
Ablehnungsbescheide oder gar Untersagungsbescheide zu legitimieren).
II.
Der Antrag ist auch begründet. Das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die angefochtene Untersagungsverfügung überwiegt das öffentliche Interesse an deren sofortiger Durchsetzung.
Die Untersagungsverfügung lässt sich nämlich nicht in verfassungs- und
unionsrechtskonformer Weise auf die glücksspielrechtliche Ermächtigungsgrundlage des § 1
Abs. 1 GlüStVG i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV (im Folgenden: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV) oder eine andere Ermächtigungsgrundlage stützen. Vor diesem Hintergrund fällt auch die Interessenabwägung im Übrigen zugunsten des Antragstellers aus. Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV kann die zuständige Behörde die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele untersagen. Vorliegend kann die Untersagungsverfügung jedoch nicht auf die Nichterfüllung der Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 S. 1 GlüStV (und damit die Unerlaubtheit des Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV) gestützt werden, da diese Erlaubnispflicht in der erforderlichen Zusammenschau mit § 5 S. 1 AG GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 2 und Abs. 5 GlüStV und dem dort konstituierten sog. Sportwettenmonopol des Landes Berlin gegen höherrangiges (Verfassungs- und Unions- )Recht verstößt. Die Untersagungsverfügung kann auch nicht auf die Verbote des § 4 Abs. 4
GlüStV oder des § 21 Abs. 2 S. 3 GlüStV gestützt werden, da das Sportwettenangebot des
Antragstellers weder ein Angebot im Internet i.S.d. § 4 Abs. 4 GlüStV darstellt noch es sich
dabei um „Wetten über Telekommunikationsanlagen“ handelt. Insbesondere kann der
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Betrieb eines Tipomaten nicht als nach § 4 Abs. 4 GlüStV verbotenes Angebot von
Sportwetten im Internet gewertet werden, weil er – im Unterschied zur eigentlichen Internet-
Wette vom privaten PC oder aus einem Internet-Café, wie sie der Gesetzgeber bei dem
Verbot in § 4 Abs. 4 GlüStV im Blick gehabt haben dürfte – nur unter Aufsicht der in der
Betriebsstätte tätigen Mitarbeiter erfolgt, die auch die Auszahlung der Gewinne durchführen,
so dass Spieler- und Jugendschutz wie bei normalen Wettbüros sichergestellt werden
können. Die Unerlaubtheit des Glücksspiels i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV kann sich
zwar möglicherweise auch aus einem Verstoß gegen § 21 Abs. 2 S. 3 GlüStV (Ausschluss
von Live-Wetten) oder gegen § 4 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 S. 1 GlüStV (keine
Erlaubnisfähigkeit von Wetten, die keine Sportwetten sind) ergeben, insoweit ist dem Gericht
aber eine geltungserhaltende Reduktion bzw. ein Austausch des Regelungsgehalts der
Untersagungsverfügung verwehrt. Auch die ordnungsrechtliche Generalklausel des § 17
ASOG stellt keine taugliche Ermächtigungsgrundlage dar. Dem Gericht ist es ferner vorliegend nicht möglich, nach § 47 VwVfG die rechtswidrige Untersagungsverfügung wegen unerlaubten Glücksspiels in eine andere rechtmäßige Untersagungsverfügung umzudeuten (st. Rspr. des VG Berlin, s. die eingangs zitierten Urteile vom 7. Juli 2008 – VG 35 A 108.07 –, vom 22. September 2008 – VG 35 A 576.07 –, und vom 13. November 2008 – VG 35 A 17.07 –, sowie die Urteile vom 29. April 2009 – VG 35 A 12.07 –, vom 6. Juli 2009 – VG 35 A 168.08 – und 17. November 2009 – VG 35 A 247.06 –, alle zitiert nach juris, jeweils mit zahlr.w.N., weiter Urteile vom 14. Oktober 2009 – VG 35 A 135.07 u.a. –). Dass den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in seinen neueren Beschlüssen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Beschlüsse seit dem 21. Dezember 2009, etwa – OVG 1 S 11.09 – und – OVG 1 S 94.09 –, jeweils zitiert nach juris) nicht zu folgen ist, hat die Kammer in weiteren Urteilen vom 28. Januar 2010 (– VG 35 A 19.07 –, zitiert nach juris), 25. Februar 2010 (– VG 35 A 338.07 –, zitiert nach juris), 22. März 2010 (– VG 35 A 381.07 – u.a.), 17. Mai 2010 (– VG 35 A 93.07 – u.a.), 22. Juni 2010 (– VG 35 A 34.07 – u.a.), 22. Juli 2010 (– VG 35 A 353.07 –, zitiert nach juris) und 7. Oktober 2010 (– VG 35 K 433.09 –) ausführlich dargelegt; hierauf kann verwiesen werden. Die in diesen jüngsten Urteilen der Kammer enthaltenen inhaltlichen Vertiefungen und umfassenden Ausführungen zu aktuelleren Entwicklungen in dem in Frage stehenden Bereich – etwa betreffend das weiterhin offensive Werbeverhalten des staatlichen Anbieters (das auch vom OVG Berlin-Brandenburg z.B. im Hinblick auf Rabattaktionen beanstandet wird), das offen zu Tage tretende fiskalische Interesse bei Schaffung und Aufrechterhaltung des Monopols, das Fehlen einer geeigneten Kontrollinstanz mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport und die (auch unionsrechtlich) gebotene, aber nach wie vor fehlende Kohärenz und Systematik bei der Bekämpfung der Glücksspielsucht – sind auch durch die jüngsten Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (etwa vom 7. Juli 2010 – OVG 1 S 80.09 – und zuletzt vom 8. September 2010 – OVG 1 S
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122.10 – [„keine Anhaltspunkte für eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49
EG …“]) nicht durchgreifend in Frage gestellt. Dies gilt auch für die Ausführungen der Kammer dazu, dass die Zulässigkeit des Monopols entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg schon aus Gründen einer damit verbundenen dauerhaften Rechtsunsicherheit und somit auch fehlender Praktikabilität nicht wochenaktuell nach dem jeweiligen Sportwettenangebot überprüft werden kann.
Auf die die ständige Rechtsprechung der Kammer bestätigenden Urteile des Gerichtshofes
der Europäischen Union vom 8. September 2010 (– Rs. C-316/07 u.a. [Stoß u.a.] – und –
Rs. C-46/08 [Carmen Media] –, unter http://curia.europa.eu) kann zur weiteren Begründung
verwiesen werden (zur „Parallelität“ der verfassungs- und unionsrechtlichen Anforderungen
an die Rechtfertigung eines staatlichen Wettmonopols vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006
– 1 BvR 1054/01 –, juris, Rn. 144).
Das sog. Sportwettenmonopol betreffende Hauptsacheentscheidungen des
Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg liegen noch nicht vor.
Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg nunmehr (Beschluss vom 26.
Oktober 2010 – OVG 1 S 154.10 –) seine bisherige Rechtsprechung mit der (neuen)
Begründung aufrecht erhält, dass es sich in Fällen, in denen ein Antragsteller Sportwetten in
einer Annahmestelle annimmt und über das Internet an einen in einem Mitgliedstaat ansässigen Wettveranstalter vermittelt, um die Vermittlung verbotener Internetsportwetten handele, geht es fehl. Die dem unzutreffenden Vortrag des Antragsgegners entlehnte These des Oberverwaltungsgerichts trägt angesichts der Gesetzeslage nicht. Zur Begründung ausreichend ist insoweit ein Verweis auf das Urteil der Kammer vom 7. Juli 2008 (– VG 35 A 149.07 –, juris, Rn. 64 ff.):
„Die Untersagungsverfügung lässt sich auch nicht aus anderen Gründen der Unerlaubtheit auf die Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV stützen. Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV kann die zuständige Behörde die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele untersagen. Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich die Unerlaubtheit aber vorliegend nicht aus den Verboten der § 4 Abs. 4, § 21 Abs. 2 S. 3 GlüStV, da es sich bei dem Sportwettenangebot der Klägerin weder um ein Veranstalten bzw. Vermitteln im Internet i.S.d. § 4 Abs. 4 GlüStV noch um Wetten über Telekommunikationsanlagen i.S.d. § 21 Abs. 2 S. 3 GlüStV handelt (siehe auch ergänzend BayVGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 – 10 CS 08.1364 –, zitiert nach juris, Rn. 17 zur Sportwettenvermittlung in ortsfesten Annahmestellen an
Sportwettunternehmen in Großbritannien und Gibraltar im Bezug auf das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV).
Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 GlüStV ist das Veranstalten und Vermitteln „im Internet“ verboten, nicht aber die Übermittlung „über“ Internetleitungen. Das Verbot von Wetten über Telekommunikationsanlagen (§ 21 Abs. 2 S. 3 Alt. 2 GlüStV) bezieht sich auf das Angebot mittels Telekommunikationsanlagen (z.B. SMS-Wetten), nicht aber auf den Modus der Übermittlung vom Vermittler zum Veranstalter über Telekommunikationsanlagen, d.h. Datenfernübertragung.
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Aus der Begründung zu § 4 Abs. 4 GlüStV folgt eindeutig, dass mit dem Internetverbot ein
bestimmter Vertriebsweg, d.h. die Wettteilnahme im Internet, ausgeschlossen werden sollte, nicht aber Vorgaben zur verwendeten Kommunikationstechnologie getroffen werden sollten (siehe auch die Erläuterung der Bundesregierung im Schreiben an das Generalsekretariat der Europäischen Kommission vom 20. Mai 2008 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2007/4866 – Wi 424.27 –, ZfWG 2008, 173 ff., Rn. 50 ff.). So heißt es in der Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag (Begründung des Glücksspielstaatsvertrags, S. 15, abgedruckt als Anlage 11 zu Drs. 16/0826 des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 18. September 2007):
„Absatz 4 enthält das generelle Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher
Glücksspiele im Internet … Damit wird eine wesentliche Forderung erfüllt, die das
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 aufgestellt hat.
Insbesondere vor dem Hintergrund der rechtlich gebotenen Ausrichtung des Wettangebots am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht hat das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit der Wettteilnahme über das Internet als bedenklich angesehen … Zur Sicherstellung der Ziele des § 1 ist es daher geboten, dem Glücksspielbereich den Vertriebsweg Internet grundsätzlich zu untersagen. Damit wird zudem eine Forderung der Suchtexperten erfüllt, die ein konsequentes Verbot von Internet-Wetten und Online-Glücksspielen verlangen.“
Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass mit § 4 Abs. 4 GlüStV den besonderen Gefahren der Wettteilnahme im Internet begegnet werden sollte, auf die auch das Bundesverfassungsgericht hingewiesen hatte (BVerfGE 115, 276 [315]):
„Vor dem Hintergrund der rechtlich gebotenen Ausrichtung des Wettangebots am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ist auch die Möglichkeit der Wettteilnahme über das Internetangebot der Staatlichen Lotterieverwaltung bedenklich. Der Vertreter der Staatlichen Lotterieverwaltung hat … selbst dargelegt, dass sich über diesen Vertriebsweg jedenfalls derzeit der … Jugendschutz nicht effektiv verwirklichen lasse.“
Zu § 21 Abs. 2 S. 3 Alt. 2 GlüStV finden sich keine speziellen Ausführungen in der
Gesetzesbegründung, es wird lediglich ausgeführt, dass „die Regelungen in den Absätzen 2 und 3, die dem erhöhten Suchtpotential von Sportwetten Rechnung tragen, … die Vorgaben [umsetzen], die das Bundesverfassungsgericht in Abschnitt C.II.2 des o.a. Urteils zur Veranstaltung von Sportwetten gesetzt hat“ (Begründung des Glücksspielstaatsvertrags, S. 26 f.). Die Vertragspartner des Glücksspielstaatsvertrags beziehen sich damit wohl auf die Forderung des Bundesverfassungsgerichts zur Neuregelung der Vertriebswege (BVerfGE 115, 276 [318]), insbesondere hatte das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Möglichkeit der Abgabe von Sportwetten mittels Textnachrichten über Mobiltelefone (Short Messages Services, SMS) beanstandet, dass Sportwetten auf diese Weise „jederzeit und von jedem Ort aus grundsätzlich spielbar“ sind (BVerfGE 115, 276 [315]). Entsprechend dieser Beanstandung durch das Bundesverfassungsgericht hatte die DKLB unter dem 18. Mai 2006 mitgeteilt, dass sie in
Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Umgaben keine Wettmöglichkeiten über SMS
mehr anbiete, so dass sich § 21 Abs. 2 S. 3 Alt. 2 GlüStV als gesetzliche Festschreibung
der vorgezogenen tatsächlichen Umsetzung darstellt. Vorgaben zu den zwischen
Vermittler und Veranstalter verwendeten Kommunikationstechnologien finden sich im
Urteil des Bundesverfassungsgerichts hingegen nicht.
Diese Auslegung der § 4 Abs. 4 und § 21 Abs. 2 S. 3 Alt. 2 GlüStV entspricht auch der
Unterscheidung durch Suchtexperten zwischen Angeboten im Internet (Online- Glücksspiel) und „Betrieb von privaten Wettbüros“ (Hayer/Meyer, Sucht 49 [2003], S. 212 [213 f., 217]) und der darauf basierenden Forderung, für das als besonders gefährliche erachtete Angebot im Internet (Online-Glücksspiel) besondere Vorkehrungen zu treffen (Hayer/Meyer, a.a.O., S. 214). Dieser Forderung wollte der Gesetzgeber mit der Schaffung der § 4 Abs. 4 und § 21 Abs. 2 S. 3 Alt. 2 GlüStV ausweislich der Begründung nachkommen (Begründung des Glücksspielstaatsvertrags, S. 15).
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Schließlich spricht auch die von der DKLB angewandte und von der Aufsichtsbehörde – soweit ersichtlich – nicht beanstandete Praxis für die Auslegung, dass § 4 Abs. 4 und § 21 Abs. 2 S. 3 Alt. 2 GlüStV nur ausschließen, dass Sportwetten für den Kunden mittels Internet oder Mobiltelefon jederzeit und von jedem Ort aus spielbar sind, nicht aber ausschließen, dass in der Kommunikation zwischen Vermittler und Veranstalter moderne Kommunikationstechnologien verwendet werden. So erfolgt die Übermittlung der in einer Annahmestelle der DKLB abgegebenen Spielscheine mittels Datenleitung an die DKLB.
Dazu heißt es in der Selbstbeschreibung der DKLB im Internetauftritt (http://www.lotto-
berlin.de – Wir über uns – Lotto-Haus, Stand: 7. Juli 2008): Seit Juni 1997 werden „die
Spielscheine … in der Verkaufsstelle elektronisch erfasst und per Datenleitung in die Zentrale geschickt, um dort von einer Computeranlage bearbeitet und ausgewertet zu werden.“
Nicht anders aber ist der vorliegende Fall zu bewerten, in dem die Spielscheine der Wettkunden in der Betriebsstätte der Klägerin entgegen genommen werden, um sodann eingelesen zu werden, damit elektronisch die Spielscheindaten an das private Wettunternehmen übermittelt werden können.“
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg übersieht in seiner Entscheidung ferner die
vom Europäischen Gerichtshof in seinen Urteilen vom 8. September 2010 (– Rs. C-316/07
u.a. [Stoß u.a.] –, a.a.O. [zum Sachverhalt Rn. 14 ff.] einerseits, – Rs. C. 46/08 [Carmen Media] –, a.a.O., andererseits) untermauerte Unterscheidung eines Angebots von Glücksspielen im Internet und eines solchen auf den herkömmlichen Glücksspielmärkten (vgl. EuGH – Rs. C-46/08 [Carmen Media] –, a.a.O., Rn. 101 ff.; s.a. Urteilsformel zu 4.):
„Der Gerichtshof hatte bereits Gelegenheit, die Besonderheiten des Anbietens von
Glücksspielen über das Internet hervorzuheben (vgl. Urteil Liga Portuguesa de Futebol
Profissional und Bwin International, Randnr. 72).
Er hat insbesondere ausgeführt, dass über das Internet angebotene Glücksspiele, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich bergen, dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden (Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 70).
Desgleichen können sich die Besonderheiten des Angebots von Glücksspielen im Internet als Quelle von, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, anders gearteten und größeren Gefahren für den Schutz der Verbraucher und insbesondere von Jugendlichen und Personen erweisen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder eine solche Neigung entwickeln könnten. Neben dem bereits erwähnten fehlenden unmittelbaren Kontakt zwischen Verbraucher und Anbieter stellen auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Häufigkeit eines solchen Angebots mit internationalem Charakter in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und aufgrund dessen die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen, die in ständiger Rechtsprechung herausgestellt worden sind, vergrößern können. …
Nach alledem ist anzuerkennen, dass eine Maßnahme, mit der jedes Anbieten von Glücksspielen über das Internet verboten wird, grundsätzlich als geeignet angesehen werden kann, die legitimen Ziele der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes zu verfolgen, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmlichere Kanäle zulässig bleibt.“
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Zu diesen „herkömmlicheren Kanälen“ gehört unstreitig auch der terrestrische Vertrieb in
Annahmestellen (vgl. etwa § 8 Abs. 6 AG GlüStV), in denen anders als im Internet insbesondere der unmittelbare Kontakt zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter unter Aufhebung der Isolation des Spielers stattfindet. Ergänzend hinzuweisen ist auf das diese Unterscheidung aufnehmende Urteil der Kammer vom 17. November 2009 (– VG 35 A 247.06 –, juris; Az. des Berufungsverfahrens für das OVG: – OVG 1 B 1.10 –). Die Rechtsprechung der Kammer steht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in Einklang (vgl. VG Berlin, Urteil vom 22. Juli 2010 – VG 35 A 353.07 –, juris, Rn. 134 ff.).
Soweit das Oberverwaltungsgericht meint, der Antragsgegner trage mit beachtlichen
Argumenten vor, dass von der Kammer lediglich längst überholte Werbemaßnahmen des
öffentlichen Veranstalters beanstandet würden, ist dies – unabhängig davon, dass dieser Vorwurf angesichts der Tatsache, dass der zuständige Senat des Oberverwaltungsgerichts unter wiederholter Herausstreichung des entscheidungserheblichen Zeitpunktes der letzten
tatsachengerichtlichen Entscheidung bislang noch in keinem der bei ihm seit dem Jahr 2008
anhängigen Berufungsverfahren entschieden hat, etwas überrascht – inhaltlich unzutreffend
(vgl. VG Berlin, Urteile vom 7. Oktober 2010 – VG 35 K 433.09 –, S. 19 ff. des Umdrucks):
„Die Werbemaßnahmen der DKLB und des DLTB zielen den oben aufgestellten Maßstäben zuwiderlaufend darauf ab, den Spieltrieb der Verbraucher zu fördern und sie zwecks Maximierung der aus den entsprechenden Tätigkeiten erwarteten Einnahmen zu aktiver Teilnahme am Spiel zu stimulieren (s.a. oben zu I.1.b]aa]).
Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen zulässigen und unzulässigen Werbemaßnahmen hat der Europäische Gerichtshof im vorgenannten Urteil vom 8. September 2010 präzisierend erkannt (a.a.O., Rn. 101, 103):
„Insoweit hat der Gerichtshof zwar in Bezug auf das von einem nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel, einer Ausnutzung von Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen, entschieden, dass eine Politik der kontrollierten Expansion dieser Tätigkeiten mit dem Ziel in Einklang stehen kann, sie in kontrollierbare Bahnen zu lenken, indem Spielern, die verbotenen geheimen Spiel- oder Wetttätigkeiten nachgehen, ein Anreiz gegeben wird, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Zur Erreichung dieses Ziels ist es nämlich erforderlich, dass die Veranstalter, die über eine Erlaubnis verfügen, eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zur verbotenen Tätigkeit darstellen, was als solches das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken implizieren kann. …
[I]nsoweit [kommt es] darauf an, dass die vom Inhaber eines staatlichen Monopols
eventuell durchgeführte Werbung maßvoll und strikt auf das begrenzt bleibt, was
erforderlich ist, um die Verbraucher zu den genehmigten Spielnetzwerken zu lenken.
Hingegen darf eine solche Werbung insbesondere nicht darauf abzielen, den
natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver
Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost oder ihm ein
positives Image verliehen wird, das daran anknüpft, dass die Einnahmen für Aktivitäten
im Allgemeininteresse verwendet werden, oder indem die Anziehungskraft des Spiels
durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne
vorspiegeln.“
Zur Verletzung dieser nunmehr vom Europäischen Gerichtshof konkretisierten Kriterien hat die Kammer bereits in zahlreichen Urteilen seit Sommer 2008 ausführlich ausgeführt
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und stets auf den spielanreizenden Charakter der Werbemaßnahmen der DKLB und des DLTB hingewiesen, so im Urteil vom 7. Juli 2008 (– VG 35 A 149.07 –, juris, Rn. 242 f.):
„Exemplarisch sei daher hier nochmals erwähnt, dass die staatlich veranstalteten Sportwetten auch derzeit in einer Weise beworben werden, die zu einer aktiven Teilnahme einlädt bzw. dazu anreizt und ermuntert, Sportwetten abzuschließen. So erfolgt beispielsweise eine emotionale Ansprache der potentiellen Kunden mit dem regelmäßig auf der Titelseite der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift der DKLB „Glück aktuell“ abgedruckten Slogan „Unsere Stadt. Unser Spiel.“ (vgl. beispielhaft Glück aktuell, Nr. 9/2008, Nr. 11/2008, Nr. 15/2008, Nr. 16/2008, Nr. 17/2008, Nr. 28/2008, jeweils Titelseite). Ferner werden Oddset und die Dachmarke Lotto in
Anzeigen in Sportzeitschriften weiterhin als „Partner des Sports“ und „Förderer des Gemeinwohls“ dargestellt (z.B. Sportbild vom 6. Februar 2008, Seite „Bundesliga-Vorschau“: „Lotto und Oddset – Förderer des Gemeinwohls“, Sportbild vom 30. Januar 2008, 12. März 2008, jeweils Seite „Bundesliga-Vorschau“: „Lotto und Oddset – Partner des Sports“). Darüber hinaus wurde in den Sportteilen verschiedener Sonntagszeitungen während der Fußballeuropameisterschaft 2008 mit ganzseitigen Anzeigen unter der Überschrift „Ehrlich wetten: Ein Gewinn für alle.“ und unter Abbildung eines mit einem Heiligenschein versehenen Fußballs für Oddset geworben (siehe z.B. Bild am Sonntag vom 8. Juni 2008; Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 15. Juni 2008, S. 21; Welt am Sonntag vom 15. Juni 2008). Soweit der Beklagte einwendet, diese Anzeigen seien nicht von der DKLB, sondern der Staatlichen Lotterieverwaltung in Bayern in Auftrag gegeben worden, so vermag er damit nicht
durchzudringen. Die DKLB ist Mitglied des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB, siehe den Blockvertrag der deutschen Lotto- und Totounternehmen in der Fassung vom 4. Dezember 2007), dessen Mitglieder (die sog. Blockpartner) Sportwetten unter der Marke „Oddset“ durchführen und dessen Vorsitz turnusmäßig eine andere Lotteriegesellschaft federführend übernimmt (vgl. § 7 Blockvertrag; siehe auch www.lotto.de/dltb.html, Stand: 7. Juli 2008), derzeit ist die Staatliche Lotterieverwaltung Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg federführend. Der DLTB hat ferner die Staatliche Lotterieverwaltung Bayern mit der gesamten Spielabwicklung für Oddset beauftragt (vgl. www.oddset.de – Impressum, Stand: 7. Juli 2008). Als Teil des DLTB ist die DKLB damit (mit-)verantwortlich für die Art und Weise der Spielabwicklung und Beschreibung des Spiels durch die Staatliche Lotterieverwaltung in Bayern und insbesondere deren Werbestrategie.
Ferner besteht auch weiterhin eine faktische Omnipräsenz der Sportwettenwerbung, wobei insbesondere die (mittelbare) Werbung für Sportwetten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen zu einer aktiven Teilnahme einlädt bzw. dazu anreizt und ermuntert, Sportwetten abzuschließen. So war die DKLB (zusammen mit der Fachstelle für Suchtprävention und dem Landessportbund) mit einem Stand auf der sog. Fanmeile zu den Halbfinalspielen und dem Finale der Fußballeuropameisterschaft 2008 am Brandenburger Tor (23.-29. Juni 2008) vertreten und bot – neben Beratung, Information und Spaß am Sport – Jubelhilfen mit dem Motto „Abpfiff für Alkohol–, Nikotin- und Wettsucht“ für die Live-Übertragungen der Spiele an. Ferner bestand die Möglichkeit für Neukunden, sich direkt am Stand der DKLB eine Kundenkarte erstellen zu lassen. Auch die Staatliche Lotterieverwaltung in Bayern wirbt im Auftrag des DLTB, dessen Mitglied auch die DKLB ist, im sportlichen Umfeld für Sportwetten (so z.B. „Sportbild“ vom 9. Januar 2008, 16. Januar 2008, 30. Januar 2008, 6. Februar 2008 und 12. März 2008; „tippmit“ vom 12. Februar 2008; Bild am Sonntag vom 8. Juni 2008; Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 15. Juni 2008, S. 21; Welt am Sonntag vom 15. Juni 2008).”
Dies wurde ergänzt im Urteil der Kammer vom 22. September 2008 (– VG 35 A 15.08 –,
juris, Rn. 150 ff.):
“Bei diesem gesetzgeberischen Defizit handelt es sich nicht um ein theoretisches Defizit ohne Auswirkungen auf die Praxis. Es ist vielmehr so, dass staatliche Glücksspielprodukte, auch „Lotto 6 aus 49“, weiterhin als geradezu gemeinnützig
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beworben werden. Soweit nun aber vom Gesetzgeber nicht in hinreichendem Maße unterbunden wird, die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, kann sich der Staat nicht im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung berufen, um entsprechende Maßnahmen zu rechtfertigen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 6. November 2003 – C-243/01 – Gambelli –, EuGHE 2003 I-13031, Rdn. 69). Vorliegend nutzt der staatliche Veranstalter selbst für die Werbung (auch) das Internet und das Fernsehen.
So wird im Internetauftritt der DKLB und der hauseigenen Zeitschrift sowie in Anzeigen in Zeitschriften und Zeitungen nicht lediglich über die gemeinnützige Verwendung der Zweckabgabe und des Bilanzgewinns zur Herstellung von Transparenz informiert, sondern auf emotionaler Ebene damit geworben und somit zur Teilnahme an den angebotenen Glücksspielen ermuntert (vgl. nur Anzeige in „Glück aktuell“, Nr. 37 vom 9. September 2008, S. 7: „Der LOTTO-Trainer dankt: Berlin hat gewonnen. Durch Ihren Einsatz unterstützte die LOTTO-Stiftung zahlreiche Berliner Projekte oder ermöglichte sie erst.“ und den geführten Slogan „Unsere Stadt. Unser Spiel.“ oder im Internetauftritt „Der LOTTO-Trainer informiert: Ostergeschenkideen von Lotto“ [Stand: 13. März 2008], d.h. OsterTipps zu Lottoziehungen bzw. Rubbellose in einem der Osterzeit angepassten Outfit, oder die Oddset-Werbung, die einen Fußball mit einem Heiligenschein abbildete und hierzu den Slogan führte „Ehrlich wetten: Ein Gewinn für alle.“ mit der Unterzeile „Das Gemeinwesen in Deutschland profitiert von den Abgaben der Lottogesellschaften in Höhe von drei Milliarden Euro jedes Jahr. Davon gehen
allein 500 Millionen jährlich an den Breitensport. Wer bei ODDSET wettet, beschert uns also allen eine Gewinn.“). Exemplarisch kann auch auf eine etwa viertelseitige
„Sonderveröffentlichung der Lotto-Stiftung“ (Tagesspiegel, 12. April 2008) unter dem Begriff „Anzeige“ verwiesen werden, in der es heißt: „LOTTO-Gelder für Berlin“, „Leuchtende Kinderaugen, Begeisterung und helles Gelächter – das schafft das Berliner ´Atze´, Deutschlands größtes Kindertheater. Jetzt hat ´Atze´ einen wichtigen Förderer gefunden: die Lotto-Stiftung Berlin. … Doch woher kam all dieses Geld? Von unseren LOTTO-Kunden … Wer in einem Berliner LOTTO-Laden ein Los oder ein anderes Produkt von LOTTO Berlin erstanden hat, leistete einen Beitrag für unsere lebendige und lebenswerte Hauptstadt. … Dafür möchten wir uns bei den Berlinerinnen und Berlinern herzlich bedanken. …
Weiter ist festzustellen, dass auch die im Fernsehen stattfindende Ziehung der Lottozahlen als Werbung im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages anzusehen ist.
Richtig ist zwar, dass die Sendung als Programmteil von der Werbung getrennt ausgestrahlt wird (vgl. die Erläuterungen zu § 5 Abs. 3 GlüStV und die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 2 RStV zu Programmteilen, die optisch von der Werbung zu trennen sind) und nach den Erläuterungen des Gesetzgebers nicht unter die Werbung i.S.d. Glücksspielstaatsvertrages fallen sollte. Gleichwohl stellt sich die Ziehung der Lottozahlen materiell als Werbung i.S.d. § 5 Abs. 1 GlüStV dar, d.h. eine Kommunikation, die sich nicht auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit
zum Glücksspiel beschränkt (so wohl auch Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen [DHS], Prävention der Glücksspielsucht, März 2007, S. 14). Hierfür spricht zunächst die Sendezeit am Samstag vor der um 20 Uhr ausgestrahlten „Tagesschau“ bzw. am Mittwoch vor den 19-Uhr-„heute“-Nachrichten, mit der eine größtmögliche Zielgruppe erreicht werden kann und soll. Dies ergibt sich auch aus dem Beitrag „Lotto: Ein Stück Kulturgeschichte“ (vom 9. Februar 2005 unter www.lotto. de/ presse; Stand 9. Juli 2008), denn das Zahlenlotto erfreue sich permanenter Präsenz und lebhafter Resonanz in den Medien, die Ziehung der Lottozahlen werde zu besten Fernsehzeiten direkt im Fernsehen übertragen. Des Weiteren wird von den Lottogesellschaften zur Ziehung eine charmante „Lottofee“ am Samstag und am Mittwoch eingesetzt, die sich großer Bekanntheit und Beliebtheit erfreuten (vgl. Lotto: Ein Stück Kulturgeschichte, a.a.O.). Die samstägliche Lottoziehung sei damit zum nicht mehr wegzudenkenden Wochenend-Ritual im 1. Programm geworden. Zugleich werde über das äußerst erfolgreiche Vertriebssystem der überwiegend in Einzelhandelsgeschäften weit
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verbreiteten Lottoannahmestellen erreicht, dass zum täglichen Einkauf „um die Ecke“ nun einmal die Abgabe des Lottoscheins gehöre, das Spielangebot „6 aus 49“ sei quasi in den Familienalltag integriert. Die derzeitige Lottofee vom Samstag hat einen eigenen Internetauftritt, auf dem ihr, auf einem Berg von 500-Euro-Scheinen im Wert von 26 Millionen Euro sitzend und dem Betrachter die Arme entgegenstreckend, die Frage gestellt wird, „Lotto-Glücksfee, wann endlich schenkst Du mir die Millionen?“ (www. franziska-reichenberger.de meinlotto, zu erreichen auch über www. hr-online.de, Die Lottofee im Internet, jeweils Stand 26. August 2008). Entsprechendes gilt auch für die „Lottofee“ vom Mittwoch (vgl. www. zdf.de/ZDFde/inhalt, 1.8.2006: Das Lottoglück liegt in weiblicher Hand). Dass sich die Ziehung der Lottozahlen vor diesem Hintergrund als reine Information darstellte, kann nicht bejaht werden. Vielmehr drängt sich ihre Einstufung als Teil eines Marketingkonzeptes, innerhalb dessen vielerlei Werbeelemente (Spannungselement der Ziehung, „charmante“ Moderatorin, mehrminütige Dauer, samstägliche Präsentation in einer „atemberaubenden und für eine Lotto-Ziehung einmaligen Kulisse“ vor der durch Jahreszeit und Lichtstimmung abwechslungsreichen Frankfurter Skyline [so www.ard-werbung.de/lotto.html, Stand 26. August 2008], Ziehung am Mittwoch mit freundlicher Studioatmosphäre und neuer Musik, die „mit speziellen Soundeffekten Dramaturgie und Spannung der Ziehung“ unterstütze [so http:// lotto.zdf.de/ZDFde/inhalt, 1.8.2006], Hinweise auf die Sendung auf den Webseiten der Lottogesellschaften) vorhanden sind, und damit materiell als Werbung im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages geradezu auf. Das Live-Erlebnis der Ziehung der Lottozahlen führt beim Zuschauer auch zu einer besonderen emotionalen Beteiligung (vgl. Grüsser/Plönske/Albrecht/Mörsen, a.a.O., S. 26). Die Betonung der Lottogesellschaften, dass es sich um eine Informationssendung handele, die ein Service für den Zuschauer sei und für die der Hessische Rundfunk als zuständiger Sender keinerlei Zahlungen erhalte (vgl. Äußerung eines Sprechers des HR, www.tvdigital.de/news/2008/07/21/ziehung-der-lottozahlen-bleibt-im-fernsehen), vermag die gefundene Wertung nicht in Frage zu stellen. Dass die Sendung nach den Richtlinien des Rundfunkstaatsvertrages nicht als Werbung eingestuft wird, ändert an dem inhaltlich-materiellen Gehalt der Übertragung, auf die im Hinblick auf den Glücksspielstaatsvertrag abzustellen ist, nichts. Soweit der Sprecher des DLTB erklärt, die Sendung trage in erheblichem Maße zur Transparenz und Seriosität des Zahlenlottos bei (vgl. www. mz-web.de vom 17. Juli 2008, Stand 26. August 2008), ist dies richtig, trägt aber zur Frage, ob es sich um Werbung im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages handelt, nichts bei. Denn unbestritten ist die Darbietung mehr, als zur reinen Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel erforderlich wäre. Dass die Sendungen zu einem Zeitpunkt ausgestrahlt werden, zu dem eine Teilnahme nicht mehr möglich ist (vgl. Hecker/Ruttig, a.a.O., § 5 GlüStV Rdn. 57), ist insoweit unerheblich, da sich die werbende Wirkung nicht nur auf die gerade ausgespielte Ziehung, sondern auf die Teilnahme an den folgenden Ziehungen, zu denen wiederum das Live-Erlebnis angeboten wird, richtet.“
Weiter stellte die Kammer im Urteil vom 13. November 2008 (– VG 35 A 17.07 –, juris,
Rn. 37) fest:
„Auch hinsichtlich der gebotenen Reduzierung der Werbung ist – soweit ersichtlich – keine wesentliche Änderung eingetreten (für weitere aktuelle Werbebeispiele siehe OLG Oldenburg, Urteil vom 18. September 2008 – 1 V 66/08 –, zitiert nach juris). So erfolgt weiterhin von Seiten des staatlichen Anbieters eine emotionale Ansprache der potentiellen Wettteilnehmer mit dem auf der Titelseite der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift der DKLB „Glück aktuell“ abgedruckten Slogan „Unsere Stadt. Unser Spiel.“ (Glück aktuell, Nr. 46/2008 vom 11. November 2008, Titelseite, sowie S. 3, 4). Zwar steht die Werbung in der Zeitschrift Sportbild nicht mehr unter dem Slogan „Lotto und Oddset – Partner des Sports“ (Sportbild Nr. 46 vom 12. November 2008, S. 36; anders noch beispielsweise Sportbild Nr. 40 vom 1. Oktober 2008, S. 39), entscheidend ist aber, dass weiterhin Anzeigen für Sportwetten in Zeitschriften im Umfeld von Sportberichterstattung geschaltet werden (Sportbild Nr. 46 vom 12. November 2008: Anzeige mit den „Spielen der Woche“ am unteren Rand mehrerer Seiten der
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Statistikbeilage). Zudem wird auf der bundesweiten Internetseite zu Oddset wieder als ein Grund, Oddset zu spielen, aufgeführt: „Oddset tut Gutes“ (http://www.oddset.de, „über uns“, Stand: 13. November 2008) und wird zumindest dort Oddset als „Partner des Sports“ dargestellt (http://www.oddset.de, „über uns“, Stand: 13. November 2008). Auch an der Dachmarkenstrategie des DLTB und der DKLB hat sich nichts geändert; so ist auf einem aktuellen Teilnahmeschein für die Oddset-Kombiwette der sog. „Lotto-Trainer“ (in grüner Trainingsjacke) abgebildet, der dem Teilnehmer mit der einen Hand einen Fußball und mit der anderen einen Teilnahmeschein für Oddset entgegenhält (Stand: 25. Juli 2008 / Gültig ab KW 33/08). Damit bleibt es aus verfassungsrechtlicher Sicht dabei, dass sich das von der Kammer festgestellte gesetzgeberische Defizit auf die Praxis auswirkt. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht gilt zudem weiterhin, dass die staatlich veranstalteten Sportwetten in einer Weise beworben werden, die zu einer aktiven Teilnahme einlädt bzw. dazu anreizt und ermuntert, Sportwetten
abzuschließen, so dass die tatsächliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols unverändert gemeinschaftsrechtswidrig ist.“
Dem schloss sich der Hinweis der Kammer im Urteil vom 28. Januar 2010 (– VG 35 A
19.07 –, juris, Rn. 62) an:
Hinsichtlich einer unzureichenden Tätigkeit der Berliner (Glücksspiel-)Aufsichtsbehörde kann weiter auf die zahlreichen gerichtskundigen Verstöße gegen die Vorschriften zur Werbung nach § 5 GlüStV verwiesen werden (vgl. KG, Urteile vom 30. März 2009 – 24 U 145/08 – und – 24 U 168/08 – sowie vom 12. August 2009 – 24 U 40/09 –, sämtlichst zitiert nach juris; weitere Beispiele bei Hoeller, Lotto informiert nicht, vom 8. April 2009, und Arendts, Rechtswidrige Werbung für das staatliche Glücksspielangebot, vom 9. September 2009, beide unter www.isa-guide.de/law/articles).
Schließlich erkannte die Kammer im Urteil vom 22. Juli 2010 (– VG 35 A 353.07 –, juris,
Rn. 42, 48 ff.):
„So hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg über die von der Kammer angeführten Mängel hinaus weitere Bedenken hinsichtlich Art und Ausmaß der von den staatlichen Monopolanbietern praktizierten Werbung angeführt (Beschluss vom 27. November 2008 – OVG 1 S 81.08 –, Rn. 35; sowie vom 21. Januar 2010 – 1 S 94.09 –, Rn. 15, beide zitiert nach juris, dort auch weitere Beschlüsse). Diese Bedenken werden auch nicht dadurch relativiert, dass ein Teil der Werbung lediglich in anderen Bundesländern dokumentiert ist. Die DKLB ist Mitglied des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB, siehe den Blockvertrag der deutschen Lotto- und Totounternehmen in der Fassung vom 4. Dezember 2007), dessen Mitglieder (die sog. Blockpartner) Sportwetten unter der Marke „Oddset“ durchführen und dessen Vorsitz turnusmäßig eine andere Lotteriegesellschaft federführend übernimmt (vgl. § 7 Blockvertrag); derzeit ist die Staatliche Lotterieverwaltung Bayern federführend. Als Teil des DLTB ist die DKLB damit (mit-)verantwortlich für die Art und Weise der Spielabwicklung und Beschreibung des Spiels durch die Staatliche Lotterieverwaltung in Bayern und insbesondere deren Werbestrategie. Insofern ist ihr auch zuzuschreiben, dass der DLTB in einer neuerlichen Pressemitteilung vom 7. Januar 2010 („Stabil durch die Krise“, www.lotto.de) das von ihm angebotene Glücksspiel weiterhin als „Freizeitspaß“ bezeichnet und seiner Freude darüber Ausdruck verleiht, dass ein Plus von Spieleinsätzen habe erzielt werden können, was unter den gegebenen Bedingungen so schwierig wie selten zuvor gewesen sei. Eine derart positive und emotional gefärbte Darstellung ist mit dem gesetzlichen Auftrag des staatlichen Wettanbieters zur Begrenzung der Wettleidenschaft nicht vereinbar (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Januar 2010 – 1 S 33.09 -, zitiert nach juris, Rn. 15; vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 28. März 2006, a.a.O., Rn. 151, wonach sich die Werbung für das Wettangebot zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit von Wetten zu beschränken hat). Im Übrigen wäre – bei Zugrundelegung des Ziels der Suchtbekämpfung – die Freude über ein Plus an Spieleinsätzen untunlich, denn wie die Vorsitzende des Fachverbandes Glücksspielsucht schon im Oktober 2006 erläuterte, bedeute eine wirkungsvolle
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Suchtprävention nun mal, dass der Umsatz sinke; schon damals jedoch sei sie entsetzt gewesen über die „Scheinheiligkeit der Diskussion“ etwa im bayerischen Landtag (vgl. Spiegel Online vom 20. Oktober 2006, „Geldsüchtige Suchtbekämpfer“). …
Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg selbst festgestellt hat, dass es mit dem gesetzlichen Auftrag des staatlichen Wettanbieters zur Begrenzung der Wettleidenschaft nicht vereinbar sei, in der Öffentlichkeit einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem Sinken der Spielumsätze und einer Mittelreduzierung für gemeinnützige Zwecke (Beschluss vom 12. Januar 2010 – OVG 1 S 33.09 –, zitiert nach juris, Rn. 15), ist zu ergänzen, dass neuerlich in der Ausgabe 01/2010 von „Glück aktuell Extra“ der DKLB-Stiftung dieser Zusammenhang in extensiver Weise hergestellt wird. So werden Lotto-Laden-Besitzer mit den Worten zitiert, wenn jemand nicht gewonnen habe, dann sagten sie immer, der Kunde habe aber Gutes für Berlin getan. In einem Interview mit einem Träger in der sozialen Betreuung wird auf die Frage, was passieren würde, wenn er plötzlich keine Lotto-Gelder mehr erhielte, geantwortet, das wäre eine Katastrophe, mehr als 100 soziale Projekte könnten nicht mehr wie gewohnt weitergeführt werden, bei manchen würde in der Tat das Licht ausgehen. Unter der Überschrift „67 Millionen- Ganz Berlin hat gewonnen“ wird auf rund 100 Projekte hingewiesen, die durch LOTTO gefördert worden seien, da von jedem Euro, den Berliner für ein von der DKLB veranstaltetes Glücksspiel etwa Oddset ausgegeben hätten, 20 Cent in die Stiftung geflossen seien. Eine Grafik mit einem 10-Euro- Geldschein verdeutlicht dies an anderer Stelle nochmals plastisch mit dem Hinweis,
dass dies „Ein gutes Argument“ sei. Von jedem Euro Einsatz für ein Lotto-Produkt flössen 20 Cent in die Stiftung – von 10 Euro Einsatz also immerhin 2 Euro. Letztere Formulierung legt im Übrigen schon eine Anreizwirkung nahe, nicht nur mit einem Euro, sondern stattdessen mit 10 Euro zu spielen. Ähnlich gestaltet sich auch der von der DKLB-Stiftung herausgegebene Flyer vom 13. Januar 2010 unter dem Titel „Einer gewinnt immer: Berlin. Durch Ihren Einsatz konnten wir zahlreiche Berliner Projekte fördern und ermöglichen.“ Danach bestehe bei jedem Glücksspiel die Gefahr des Verlusts; dennoch sei in Berlin nicht alles verloren, denn ein Teil des Spieleinsatzes komme über die DKLB-Stiftung den Berlinern wieder zugute, wie an einzelnen
Beispielen illustriert wird.
In ähnlicher Form wurde bereits im September 2008 geworben, wie die Kammer zur llustration des gesetzlichen Regelungsdefizites in § 5 Abs. 1 und 2. GlüStV bereits im Urteil vom 22. September 2008 (– VG 35 A 15.08 –, zitiert nach juris, Rn. 149; s.a. die Beispiele in Rn. 151) ausführte:
„Die Ansicht, dass, da Werbung nicht generell untersagt worden sei, eine kommerzielle Kommunikation mit Absatzförderungsabsicht grundsätzlich erlaubt sei, wenn sie nicht gezielt zur Teilnahme auffordere, anreize oder ermuntere (so Engels, WRP 2008, 470 [475]), übersieht den weiten Regelungsgehalt von § 5 Abs. 1 GlüStV und verengt ihn – entgegen dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GlüStV – in unbegründeter Weise. Denn dass etwa der Hinweis darauf, dass mit den Lottomitteln Gutes getan werde, eine sachlich zutreffende Information ist, ist unbestritten. Dass die mit dieser Information zugleich verbundene, nur wenig implizite Aufforderung, aus diesem Grund – nämlich Gutes zu tun – mitzuspielen (vgl. etwa www. lotto-berlin.de zur Lotto-Stiftung, Stand 11. September 2008: „Bislang hat die Stiftung circa zwei Milliarden Euro vergeben. Möglich machen das alle Berliner, die jede Woche ihr Glück beim Tippen versuchen oder Rubbellose kaufen. Von jedem Euro, den sie für ein Lotto-Produkt in einem Berliner LOTTO-Laden ausgeben, fließen 20 Cent in die Stiftung.“), allerdings Werbung ist, zeigt sich schon an gleichstrukturierten Unternehmenskommunikationen, die mit dem Kauf einer Getränkekiste auch eine „gute Tat“, etwa einen Beitrag zur Rettung des Regenwaldes, verknüpfen und damit zweifelsfrei auf eine Ermunterung zum Erwerb ihres Produktes zielen.“
Ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde, der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, ist auch insoweit nicht ersichtlich.“
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Diese Richtung verfolgt die Unternehmenskommunikation der DKLB bereits seit Jahren. So bekundete das Vorstandsmitglied der DKLB Wieck, der zugleich auch eines von zwei Vorstandsmitgliedern der DKLB-Stiftung ist, bereits im Jahr 2005 auf die Frage, ob gelte, auch wer spiele und verliere, gewinne’: ja, das sei ja eigentlich die Maxime der Stiftung, dass der Lottospieler auch für den Fall, dass er nun nicht drei Richtige oder mehr habe, einen Teil dazu beitrage, dass er in der Stadt komplementär neben den Haushaltsausgaben, die das Land mache, etwas erreiche (vgl. Beitrag „Millionär ohne Gewähr“ vom 5. Oktober 2005, unter
www.dradio.de/dkultur/sendungen/zeitreisen/425343). Entsprechendes findet sich auch in
der Rubrik „Wir über uns“ auf der Internet-Homepage der DKLB (www.lotto-berlin.de), auf
der es zur DKLB-Stiftung unter der Überschrift „Ein Herz für Berlin“ und nach Aufzählung
einiger der bisher mit mehr als zwei Milliarden Euro geförderter oder gar erst ermöglichten
Projekte heißt:
„Übrigens: Von jedem Euro, der in der Hauptstadt für LOTTO-Produkte ausgegeben
wird, gehen 20 Cent an die zahlreichen Stiftungsprojekte.“
In ähnlicher Weise wird die DKLB-Stiftung etwa auch in ihrer Pressemitteilung vom 29. September 2010 dargestellt, in der unter der Überschrift „Von Weihnachtsfeiern bis zum
modernen Theaterlicht“ einige der mit der dritten Ausschüttung der Berliner LOTTO-Stiftung im Jahr 2010 begünstigten Projekte beschrieben werden. Am Ende heißt es dann:
„Bisher hat die Stiftung weit über zwei Milliarden Euro vergeben. Möglich machen das alle Berliner, die jede Woche ihr Glück beim Tippen versuchen oder Rubbellose kaufen.“
Auch annoncierte die DKLB-Stiftung etwa im Magazin des Deutschen Theaters Berlin (dt Magazin, Ausgabe 4, Spielzeit 2009/10, S. 2) unter der Überschrift „Frühlingserwachen.
Wichtige Hilfe – LOTTO-Gelder für die Hauptstadt“ und führte dort aus:
„Für Berlin. Von den Berlinern.
…Doch woher kommt all dieses Geld? ´Von unseren LOTTO-Kunden´, antwortet Hans- Georg- Wieck, Vorstandsmitglied der Deutschen Klassenlotterie Berlin und der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. ´Wer in einem Berliner LOTTO-Laden ein Los oder ein anderes Produkt von LOTTO Berlin erstanden hat, leistet einen Beitrag für unsere lebendige und lebenswerte Hauptstadt.´ “
Dieser Werbestrategie, die zu aktiver Teilnahme am Spiel anregt, indem ihm ein positives
Image verliehen wird, das daran anknüpft, dass die Einnahmen für Aktivitäten im
Allgemeininteresse verwandt werden, entspricht – mangels innerer Fußballlogik – auch die ODDSET-Werbung, die im September 2010 auf den Plakataufstellern vor den DKLB-
Annahmestellen im Berliner Stadtgebiet zu finden war:
„EGAL WIE´S AUSGEHT - BERLIN GEWINNT
Hertha vs. Union. Das Hauptstadt-Derby am 4. Spieltag der 2. Bundesliga.“
Schließlich haben, wie zu ergänzen ist, die staatlichen Lotteriegesellschaften, auch diejenige aus Berlin, im Oktober 2010 einen offenen Brief an die „sehr geehrten Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, sehr geehrten F.A.Z.-Leserinnen und – Leser“ gerichtet (vgl. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 3. Oktober 2010, Seite 6), in dem es heißt:
„…unser Land hat das große Glück, auf 20 Jahre deutsche Einheit zurück zu blicken.
Auf das, was erreicht wurde, können wir alle stolz sein. In besonderer Weise steht
hierfür die Sanierung der ostdeutschen Innenstädte mit ihren historischen Denkmälern.
Ohne Lotto wäre dies nicht möglich gewesen.
Der Glücksspielstaatsvertrag sichert die gemeinnützige Verwendung der Lottogelder, derzeit circa 7 Mrd. EUR jährlich. Rund 50% werden an die Spieler ausgeschüttet. Und circa 40% fließen in gemeinnützige Zwecke sowie an die Bundesländer. Unter
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anderem in die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die bisher die Restaurierung von über 3.600 Denkmälern in ganz Deutschland unterstützt hat und auf diese Weise einzigartige kulturelle Werte bewahrt. …
Wir appellieren deshalb an Sie:
Es geht um das Gemeinwohl!
Stärken Sie die staatlichen Lottogesellschaften, die
1. verantwortungsbewusstes Spielen im Sinne der Suchtprävention seit über 50 Jahren
gewährleisten und
2. immer ein verlässlicher Partner für das Gemeinwohl sind
- für den Denkmalschutz
- für den Spitzen- und Breitensport
- für Kultur und Wohlfahrt.“
Auch hier wird neben der zu 1. benannten Aussage, die angesichts des Urteils des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (– 1 BvR 1054/01 –, BVerfGE 115, 276) erkennbar zu hinterfragen sein dürfte, wiederum in deutlicher Weise und nach Adressierung auch an die Zeitungsleser auf die mit dem Spielen bei den staatlichen
Lotteriegesellschaften verbundenen „guten Taten“ hingewiesen und damit mehr als
unterschwellig dessen positives Image bestärkt.
Dass zudem die Ausspielung einer „Blocksonderauslosung“, die als Gewinn 7 Mal eine Million Euro zur Verfügung stellt, die unter allen „Lotto 6aus49“-Spielaufträgen verlost werden, die lediglich 3 Richtige aufweisen (vgl. Glück aktuell, Nr. 38 vom 21. September 2010), dass die in den letzten Monaten durch nahezu zweimal wöchentlich herausgegebene Pressemitteilungen forcierte Bekanntmachung des aktuellen Jackpots – im Übrigen ohne die in Nr. 2 des Anhangs zum Glücksspielstaatsvertrag vorgeschriebene Verbindung mit der Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust – (vgl. www.lotto.de unter „Presseservice“) und dass ständige Pressemitteilungen, die in besonderer Weise herausstellen, dass „bereits der dritte Berliner“ in diesem Jahr mit sechs Richtigen im LOTTO gewinnt (www.lotto-berlin.de, Pressemitteilung vom 18. Februar 2010), ein „Berliner aus Spandau“ drei Millionen im LOTTO gewinnt (Pressemitteilung vom 15. April 2010), ein „Berliner aus Steglitz“ über ein halbe Million
Euro gewinnt (Pressemitteilung vom 8. Juli 2010), ein „Treptower“ den Spiel 77-Jackpot knackt (Pressemitteilung vom 19. Juli 2010), ein „Lichtenberger“ den 12-Mio. Jackpot knackt (Pressemitteilung vom 2. September 2010) und ein „Erster LOTTO-Millionär in Wilmersdorf“ 2,3 Millionen Euro gewinnt (Pressemitteilung vom 27. September 2010),
Werbemaßnahmen sind, die den Verbraucher (aus Berlin) zur aktiven Teilnahme anregen sollen, indem die Anziehungskraft des Spiels durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne vorspiegeln, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
Soweit der Beklagte für sich in Anspruch nehmen wollte, dass eine gewisse Werbung erforderlich sei, um den Verbraucher zu dem Angebot des Inhabers des staatlichen Monopols zu lenken, ist – neben der vom Europäischen Gerichtshof konstatierten Unzulässigkeit der Verleihung eines mit den Spielen verbundenen positiven Images (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – Rs. C-316/07 u.a. [Stoß u.a.] –, a.a.O., Rn. 103) – darauf hinzuweisen, dass nach der qualifizierten Feststellung des Fachbeirates vom 16. Oktober 2008 selbst der geplante Eurojackpot nicht in nennenswertem Umfang die Nachfrage nach gefährlicheren Spielprodukten (also etwa Sportwetten) zu weniger süchtig machenden Glücksspielen kanalisieren könne (vgl. www.fachbeirat-gluecksspielsucht.hessen.de, unter „Empfehlungen“), weshalb dies erst recht für das „LOTTO 6aus49“ gelten muss und sich damit eine mit der Werbung hierfür verbundene
Lenkungsfunktion zu den staatlich angebotenen Sportwetten nicht erschließt.
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Mit welcher Beharrlichkeit das Angebot der DKLB in erkannt rechtswidriger Weise beworben wird – obschon die DKLB, wie der Beklagte zu Recht betont, als Anstalt des öffentlichen Rechts unmittelbar an geltendes Recht gebunden ist (die DKLB bezeichnet sich indes selbst als „staatliche Lotteriegesellschaft“, vgl. Anzeige in der FAS vom 3. Oktober 2010, S. 6) – und die zuständige Aufsichtsbehörde in Untätigkeit verharrt, zeigt sich schließlich exemplarisch erneut an der Ausspielung der „Berlin-Prämie“. Hierzu hat die Kammer bereits im Urteil vom 22. September 2008 (– VG 35 A 15.08 –, juris Rn. 152) ausgeführt:
„Das Defizitäre der gesetzlichen Regelung zeigt sich auch in weiterer Hinsicht im
Verhalten des staatlichen Veranstalters und insbesondere auch einem offenbar fehlenden Einschreiten der staatlichen Aufsichtsbehörde. So wurde im Mai 2008 die sogenannte „Berlin-Prämie“ im Rahmen des Lottos „6 aus 49“ angeboten. Um die Prämie zu erlangen, musste ein Kontingent von – für diesen Zweck auch nur so angebotenen - 100 Lottotipps für 100,- Euro erworben werden. Diese waren mit 100 fortlaufenden Spielscheinnummern ausgestattet und nahmen an den regulären Ziehungen der Lottozahlen teil. Die darüber hinausgehende Prämie von 50,- Euro wurde dabei bereits bei Vorliegen einer gesondert gezogenen zweistelligen
Gewinnzahl erzielt. Der Gewinn von 50,- Euro war damit garantiert (vgl. www. lotto-
berlin.de zur Sonderauslosung am 12. Mai 2007, zur Ziehung am 17. Mai 2008; Stand:
16. September 2008); wirtschaftlich bedeutet dies, dass auf den – regulären - Einsatz von 100 Euro zwingend eine Rückerstattung von 50,- Euro erfolgt und damit der Natur nach ein Rabatt auf den Einsatz für 100 Lottospiele. Dies widerspricht eindeutig den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag, die gerade verkaufsfördernde Maßnahmen wie Rabatte als mit § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüStV verboten betrachten (s. dazu auch Hecker/Ruttig, in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2008, § 5 GlüStV Rdn. 29 und 35). Da die Berlin-Prämie am 15. September 2008 und damit im Jahr 2008 zum zweiten Mal ausgespielt und hierfür ausführlich beworben wurde, offensichtlich ohne dass Einwände der staatlichen Aufsichtsbehörde bestanden hätten, spricht auch dies dafür, dass das Gesetz nicht in gebotener Weise Anwendung finden kann.“
und im Urteil vom 22. Juli 2010 (a.a.O., Rn. 45, 107 f.) ergänzt:
„Weiter ist notwendig ein wiederholter Hinweis auf die von der DKLB ausgespielte „Berlin-Prämie“, die die Kammer bereits mit Urteil vom 22. September 2008 (– VG 35 A 15.08 –, zitiert nach juris, Rn. 152) beanstandet hat. Dennoch wurde die „Berlin-Prämie“ im Mai 2009 erneut ausgespielt, ohne dass ein Tätigwerden der Aufsichtsbehörde ersichtlich geworden wäre (vgl. die Zeitschrift der DKLB „Glück aktuell“ vom 14. April 2009 und VG Berlin, Urteil vom 6. Juli 2009 – VG 35 A 168.08 –, Rn. 50 f., zitiert nach juris). Hierauf ist von der Kammer auch im Weiteren mehrfach aufmerksam gemacht worden (vgl. z.B. Urteil vom 6. Juli 2009 – VG 35 A 168.08 –, zitiert nach juris, Rn. 50 f.) sowie Beschlüsse vom 29. Juli 2009 – VG 35 A 280.09, VG 35 A 283.09 und VG 35 A 284.09 –). Trotz der danach nicht nur erkennbaren, sondern eingedenk der klaren Urteile und Beschlüsse auch bekannten Gesetzeswidrigkeit einer Rabattgewährung fand im Oktober 2009 eine weitere Ausspielung der „Berlin-Prämie“ statt. Zwar ist die Ausspielung offenbar insoweit verändert worden, als die Teilnahme an der Verlosung der „Berlin-Prämie“ nicht mehr zwingend den Kauf von 100 Lotto- Tipps erfordert, sondern nunmehr jeder Spielschein (bei gleichzeitiger Pflicht zur Teilnahme an der Zusatzlotterie SUPER 6) zur Teilnahme berechtigt. Der Rabatt- Charakter der „Berlin-Prämie“ von 50,-- Euro, die bei 100 Tipps garantiert ist, ändert sich dadurch indes nicht. Dies gilt umso mehr, als die DKLB gerade auch Lottoscheine in nahezu doppeltem DIN-A4-Format mit 100 Lottokästchen ausdrücklich zur Teilnahme an der Ausspielung der „Berlin-Prämie“ gefertigt und in den Annahmestellen ausgelegt hat (vgl. „Glück aktuell“, Nr. 41 vom 6. Oktober 2009). Wegen der mit 100 Tipps einhergehenden Gewährung von mindestens 50,-- Euro Gewinn sind auf diesen Spielscheinen bezeichnenderweise auch jeweils nur zwei Spielscheinnummern vermerkt. Angesichts der bereits langjährigen Ausspielung der „Berlin-Prämie“ ist mit
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der DKLB, die 25.000 Kontingente zu je 100 Tipps zur Verfügung stellte, auch von einem hinreichenden Kundenpotential auszugehen, das willens ist oder jedenfalls willens gemacht werden kann, 100 Lotto-Tipps in einer Woche abzugeben. Am 15. Mai 2010 wurde die „Berlin-Prämie“ erneut ausgespielt (vgl. www.lotto-berlin.de). …
In Anbetracht dessen kann von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport nicht ernsthaft erwartet werden, dass sie in der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Unabhängigkeit und ohne jede Rücksichtnahme auf eigene Ressortinteressen aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die DKLB ergreifen würde, die zu einem nicht unerheblichen Einbruch der Einnahmen für den ihr zugeordneten Sportbereich führen könnten (…).
Diese Vermutung wird bestätigt durch die Tatsache, dass die Senatsinnenverwaltung als Aufsichtsbehörde des Beklagten weder gewillt noch befähigt zu sein scheint, gegen die unzulässigen Werbemethoden der DKLB (s.o. b. (2)) einzuschreiten. In Anbetracht dessen, dass beispielsweise die Ausspielung der Berlin-Prämie im Mai und Oktober 2009 in Kenntnis der rechtlichen Würdigung der Kammer und letztlich auch des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (welches die Rabattaktion als „problematisch“ erachtet, vgl. etwa Beschluss vom 12. Januar 2010 – 1 S 33.09 –, zitiert nach juris, Rn. 15) erfolgt ist, lassen sich diese Verstöße jedenfalls kaum noch mit einer noch nicht erfolgten „Verinnerlichung“ der aus dem vor mehr als zwei Jahren in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag herrührenden Anforderungen erklären (so aber wohl OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Januar 2010 – 1 S 33.09 –, zitiert nach juris, Rn. 15). Am 15. Mai 2010 wurde die „Berlin-Prämie“ erneut ausgespielt (vgl. www.lotto-berlin.de).“ Die „Berlin-Prämie“ wurde gleichwohl am 16. Oktober 2010 erneut ausgespielt (vgl. „Glück aktuell“, Nr. 40 vom 5. Oktober 2010 mit dem Hinweis, dass 25.000 Kontingente zu je 100 Tipps zur Verfügung stünden).
Der Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung am 7. Oktober 2010 erklärt, mit dem Angebot der „Berlin-Prämie“ habe sich die Aufsichtsbehörde „sehr sorgfältig“ befasst und angesichts der abgeschafften Paketierung (zur verbindlichen Abgabe von 100 Tipps) keinen Anlass gesehen einzugreifen. Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf den Willen und die Fähigkeit der Aufsichtsbehörde, den ihr vom (Ausführungsgesetz zum) Glücksspielstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben nachzukommen. Denn die Auflösung der „Paketierung“ (im Oktober 2009) ist bereits Gegenstand des Urteils der Kammer vom 22. Juli 2010 gewesen (s.o.), in dem festgestellt worden ist, dass sich der Rabattcharakter erhalten hat. In diesem Sinne hat auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 7. Juli 2010 (– OVG 1 S 80.09 –, S. 19 des Umdrucks) festgestellt, dass jüngst erneut zu beobachtende Rabattaktionen beim Zahlenlotto von der staatlichen Aufsichtsbehörde nicht tatenlos hingenommen werden können. Zudem führt die Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 2 GlüStV wörtlich aus (vgl. Anlage 11 zu Abgh.-Drs. 16/0826, S. 15 f.; Unterstreichung nicht im Original):
„Vor diesem Hintergrund richtet sich das Verbot des gezielten Aufforderns, Anreizens oder Ermunterns zur Teilnahme am Glücksspiel in Satz 1 vor allem gegen unangemessene unsachliche Werbung. Verboten sind insbesondere die Glücksspielsucht fördernde Formen der Werbung etwa durch verkaufsfördernde Maßnahmen wie Rabatte, Gutscheine und ähnliche Aktionen.“
Das Prüfungsergebnis der Senatsverwaltung für Inneres und Sport ist demnach –
jedenfalls in rechtlicher Hinsicht – nicht nachvollziehbar.
Weiter hat die Kammer im Urteil vom 22. Juli 2010 (– VG 35 A 353.07 –, a.a.O.; s. dazu
bereits VG Berlin, Urteil vom 28. Januar 2010 – VG 35 A 19.07 –, juris, Rn. 40)
ausgeführt:
„Ergänzend aufmerksam zu machen ist auch auf das „Abo Lotto6aus49“, welches nach
eigener Darstellung der DKLB den Vorteil bietet, dass mit ihm „sowohl mittwochs als
auch sonnabends die Bearbeitungsgebühren für die LOTTO 6aus49-Ziehungen“
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entfallen (vgl. den Flyer „Der LOTTO-Trainer meint: Das Abo vergisst nichts“, Stand 17.12.2007). Bei einer Bearbeitungsgebühr von 0,25 Euro auf einen Tipp, der 0,75 Euro kostet, gewährt das Abo damit einen (effektiven) Rabatt von 25%. Dies ist nach dem oben Gesagten indes offensichtlich gemäß § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV unzulässig. Trotz des bereits seit Langem laufenden Angebots dieses Abo-Systems sind wiederum Aufsichtsmaßnahmen seitens des Beklagten nicht ersichtlich; Gründe für seine Untätigkeit erschließen sich gleichfalls nicht.“
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Erfolgsaussichten einer Klage privater
Sportwettenvermittler ohnehin nicht jeweils abhängig vom wochenaktuellen Angebot des
staatlichen Veranstalters sein können (vgl. VG Berlin, Urteil vom 22. Juli 2010, a.a.O., Rn.
110 ff.). Dies gilt auch für die Frage der jeweils praktizierten Werbemaßnahmen.
Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 26. Oktober 2010,
a.a.O.) ferner meint, der Antragsgegner sei der Auffassung der Kammer mit beachtlichen
Argumenten etwa auch zur Rechtsentwicklung auf dem Gebiet des gewerblichen Spielrechts
entgegengetreten, bleiben diese Argumente unbenannt. Solche sind auch nicht erkennbar.
Hierzu hat die Kammer im Urteil vom 7. Oktober 2010 (– VG 35 K 433.09 –, S. 30 des
Umdrucks) weiter ausgeführt:
„Auch die vom Unionsrecht geforderte Betrachtung anderer Glücksspielarten steht der Annahme einer systematischen und kohärenten Begrenzung der Tätigkeiten im
streitgegenständlichen Bereich entgegen. In seinem Urteil vom 8. September 2010 hat der Europäische Gerichtshof hierzu wie folgt Stellung bezogen (– Rs. C-316/07 u.a. [Stoß u.a.] –, a.a.O., Rn. 96 ff.):
„Daher kann der Umstand, dass von verschiedenen Arten von Glücksspielen einige einem staatlichen Monopol und andere einer Regelung unterliegen, nach der private Veranstalter eine Erlaubnis benötigen, im Hinblick darauf, dass mit Maßnahmen, die – wie das staatliche Monopol – auf den ersten Blick als am restriktivsten und wirkungsvollsten erscheinen, legitime Ziele verfolgt werden, für sich genommen nicht dazu führen, dass diese Maßnahmen ihre Rechtfertigung verlieren. Derart divergierende rechtliche Regelungen ändern nämlich als solche nichts an der Eignung eines solchen staatlichen Monopols zur Verwirklichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels, Anreize für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen.
Wie in Randnr. 88 des vorliegenden Urteils dargelegt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs aber auch, dass die Errichtung einer mit diesem Ziel begründeten Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn die entsprechende restriktive Maßnahme geeignet ist, die Verwirklichung dieses Ziels dadurch zu gewährleisten, dass sie dazu beiträgt, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.
Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass es den nationalen Gerichten obliegt, sich im Licht insbesondere der konkreten Anwendungsmodalitäten der betreffenden restriktiven Regelung zu vergewissern, dass sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Zenatti, Randnrn. 36 und 37, sowie Placanica u. a., Randnrn. 52 und 53).“
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So ist in Berlin hinsichtlich der der Spielverordnung unterfallenden gewerblichen
Geldspielautomaten festzustellen, dass „die zuständigen Behörden in Bezug auf andere
Glücksspiele als die, die dem in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden staatlichen Monopol unterliegen, eine Politik betreiben oder dulden, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen“, weshalb „das der Errichtung dieses Monopols zugrunde liegende Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann, so dass es im Hinblick auf die Art. 43 EG und 49 EG auch nicht mehr gerechtfertigt werden kann“ (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – Rs. C-316/07 u.a. [Stoß u.a.] –, a.a.O., Rn. 106).
Zu diesem Aspekt führt die Kammer seit Längerem aus und erkannte etwa im Urteil vom
17. November 2009 (– VG 35 A 247.06 –, juris, Rn. 31 ff.):
„Im Widerspruch zu diesen Vorgaben – insbesondere der Vermeidung eines krassen
Missverhältnisses der Glücksspielregelungen – ist nämlich davon auszugehen, dass das in der Neufassung der Spielverordnung geregelte gewerbliche Spielrecht keineswegs wie die vom GlüStV erfassten Glücksspiele von den Aspekten des Spielerschutzes dominiert wird, sondern diese geradezu konterkariert. Damit wird der im gesamten Glücksspielbereich anzustrebenden konsequenten und konsistenten Bekämpfung und Begrenzung der Glücksspielsucht zuwidergehandelt und dieses Ziel durchgreifend und insgesamt in Frage gestellt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
(1) Mit dem Inkrafttreten der neuen SpielV zum 1. Januar 2006 wurden die Spielanreize der gewerblichen Geldspielautomaten durch eine schnellere Spielabfolge sowie höhere Einsatz- und Gewinnmöglichkeiten um ein Vielfaches gesteigert. Entsprechend weist der Verband der Deutschen Automatenindustrie e.V. unter dem 12. Januar 2009 in seiner Presse-Information für das Jahr 2008 unter der Überschrift „Positiver Trend hat sich fortgesetzt“ selbstbewusst darauf hin, dass man „die mit der Reform der SpielV beabsichtigte Stärkung des Unterhaltungsspiels mit Geldgewinn erreicht“ habe; die Zahl der Geld-Gewinn-Spiel-Geräte (GGSG) habe von 183.000 im Jahre 2005 auf 225.000 im Jahr 2008 zugenommen.
Dadurch seien – so der vom Bundestag angehörte Sachverständige Prof. Dr. Gerhard Meyer von der Universität Bremen, dessen Beiträge „Das Suchtpotenzial von Sportwetten“ (Sucht 2003, 212 ff.) und „Glücksspiel – Zahlen und Fakten“ (Jahrbuch Sucht 2005, 83 ff.) schon in das Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 Eingang gefunden hatten – die gesetzlichen Vorgaben zum Spielerschutz und zur Suchtprävention weitgehend ausgehebelt worden, denn der in der SpielV festgelegte Maximalverlust von 80,- Euro pro Stunde könne infolge verschiedener Transaktionen wesentlich höher ausfallen. So sei es möglich, den Hartz-IV-Regelsatz in Höhe von 359,-- Euro in 4,5 Stunden an einem Gerät zu verspielen; bei Kauf einer Spielteilnahme auf höherem Niveau könne der Regelsatz aber auch in weniger als einer Stunde verspielt werden. Die Umsätze mit Geldspielautomaten seien seit dem Jahr 2005 von 5,88 Mrd. Euro bis zum Jahr 2008 auf 8,13 Mrd. Euro gestiegen, auch der Brutto-Spielertrag (Kasseninhalt) der Aufsteller weise eine Steigerungsrate von rund 38% von 2,35 Mrd. Euro (2005) auf 3,25 Mrd. Euro (2008) auf. Die höheren Spielanreize förderten eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs und seien mit Sinn und Zweck des § 33 f GewO, die Allgemeinheit und die Spieler zu schützen, nicht vereinbar (Stellungnahme vom 22. Juni 2009 im Hinblick auf die öffentliche Anhörung vom 1. Juli 2009 zum Antrag der Bundestagsfraktion
Bündnis90/Die Grünen „Prävention der Glücksspielsucht stärken“ [BT-Drs. 16/11661],
veröffentlicht unter [sc. http://www.bundestag.de/ausschuese/a14/anhoerungen/127/stllg/index.html] …).
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In ähnlicher Weise wird die Landesfachstelle Glücksspielsucht des Landes Nordrhein- Westfalen (unter www.landesfachstelle-gluecksspielsucht-nrw.de, 7. April 2009, Stand: 22. Juni 2009) in dem Bericht des ZDF „Geschäft mit der Sucht“ wie folgt zitiert:
„ ’Mehr Spielsüchtige’
Zwar sollte die Verordnung das Glücksspiel an den Automaten regulieren und vor Sucht schützen, sie habe jedoch das Ziel verfehlt, meint Ilona Füchtenschnieder von der Landesfachstelle Glücksspielsucht in Nordrhein-Westfalen. ’Die Änderung der Spielverordnung im Jahr 2006 hat den Interessen der Automatenindustrie gedient, aber nicht den Interessen des Spielerschutzes’, sagt sie. So sind in Gaststätten seit 2006 drei statt zwei Automaten erlaubt, in Spielhallen zwölf statt zehn. Der maximale Stundenverlust pro Gerät wurde von 60 auf 80 Euro erhöht. Zudem ist das Spiel schneller geworden: Statt früher zwölf dauert ein Spiel heute fünf Sekunden. Seit der Änderung der Spielverordnung gibt es in Deutschland deutlich mehr Geldspielgeräte: 2005 waren es 183.000 Automaten, heute sind es 225.000.
Eine Folge der neuen Verordnung seien mehr Spielsüchtige, sagt Ilona Füchtenschnieder. Immer mehr Ratsuchende kämen zu ihr in die Beratungsstelle – mit steigender Tendenz. ’Eine verantwortungsvolle Suchtpolitik hätte hier wesentlich größere Einschränkungen vorgenommen’. …
Der Psychologe Professor Gerhard Meyer von der Universität Bremen forscht seit 30 Jahren im Glücksspielbereich. Er hält es für absurd, dass sich ausgerechnet das Spiel an den Automaten so weiter der Kontrolle entziehen kann: ’Die Spielform mit dem höchsten Suchtpotential ist praktisch der Gewinner dieses Glücksspielstaatsvertrages’.“
Nach den Erkenntnissen des nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eingerichteten „Fachbeirats Glücksspielsucht“ belegen übereinstimmend alle bisher erschienenen Studien zu dieser Thematik, dass die vorstehend kritisierten gewerblichen Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit unter allen Glücksspielarten die höchste Suchtgefahr aufweisen. Für rund 80% aller Menschen, die aufgrund eines problematischen oder pathologischen Glücksspielverhaltens Beratung oder
Behandlung nachfragen, stellten diese Geräte das Hauptproblem dar. Die Zahl der
Geldspielgerätesüchtigen werde in Deutschland auf rund 200.000 Menschen geschätzt. Mit jedem Süchtigen seien hohe private und soziale Kosten verbunden.
(2) Daraus leitet der Fachbeirat die Empfehlung an die Länder ab, über den Bundesrat eine Gesetzesinitiative für eine Änderung der Gewerbeordnung zu ergreifen; Ziel dieser Initiative sei es, eine der Hauptursachen für Glücksspielsucht und problematisches Glücksspielen zu beseitigen . Weiter heißt es in dem bereits am 12. März 2008 gefassten Beschluss zur Verminderung der von Geldspielgeräten ausgehenden Gefahren (unter www.fachbeirat-gluecksspielsucht.hessen.de, Empfehlungen; Stand: 1.4.2009) wörtlich:
„Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes verlangen vom deutschen Gesetzgeber in Bund und Ländern eine kohärente und systematische Politik der Bekämpfung der Glücksspielsucht. Fiskalische Zwecke haben bei der Regelung der Glücksspielmärkte außer Betracht zu bleiben. Während der Glückspielstaatsvertrag der Länder für den Bereich der Lotteriespiele und Sportwetten den verfassungsgerichtlichen Vorgaben nachkommt, hat der für den Bereich der Geldspielgeräte zuständige Bund die Spielverordnung mehrfach gelockert und somit zugelassen, dass aus den einst harmlosen Geldspielgeräten gefährliche Glücksspielgeräte geworden sind. Durch die Spielverordnung i.d.F vom 27.1. 2006 wurde das Gefahrenpotential der Geldspielgeräte nochmals deutlich erhöht. Es steht im Widerspruch zu einer kohärenten und systematischen Politik der Verhinderung von Glücksspielsucht, dass für die vergleichsweise ungefährlicheren Lottospiele strenge Auflagen erlassen wurden, während die Geldspielgeräte als suchtrelevanteste Glücksspiele keinen
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wirksamen Beschränkungen unterliegen. Die gewerblichen Geldspielgeräte müssen ihren jetzigen Charakter als gefährliche und krankmachende Glücksspielgeräte verlieren und ihren früheren Charakter als Unterhaltungsgeräte zurück erhalten.
Angesichts der besorgniserregenden Zahlen der süchtigen Glücksspieler und der hohen sozialen Kosten des Automatenspiels ist unmittelbares Handeln des Gesetzgebers zum Schutze der Bevölkerung geboten. …
Die vom Fachbeirat vorgeschlagenen Regelungen stellen sicher, dass nur noch Geldspielgeräte zugelassen und aufgestellt werden können, die durch eine Einschränkung der bisherigen besonders gefahrenträchtigen Spieleigenschaften gewährleisten, dass Geldspielgeräte wieder weitgehend ungefährliches Freizeitvergnügungen darstellen. Es besteht unmittelbarer Handlungsbedarf.“
Prof. Dr. Adams, Mitglied des Fachbeirates Glücksspielsucht, sieht (in seiner Stellungnahme zur o.a. Anhörung vom 1. Juli 2009 zum Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen, a.a.O.) im Hinblick auf die gewerblichen Spielautomaten ebenfalls „dringenden gesetzlichen Handlungsbedarf“ und verweist insbesondere auf den o.a. Beschluss des Fachbeirates vom 12. März 2008. Vertiefend ergänzt er, dass die Auflistung der Kosten der einzelnen Glücksspielsegmente zeige, dass die Einnahmen gewerblicher Automatenspiele zu 54% auf der Ausnutzung von süchtigen Spielern beruhe, der Anteil der Einnahmen, der von kranken Spielern stamme, betrage bei Casinospielen 44%; die Automatenspiele seien für insgesamt 81,6% aller sozialen Kosten aus der Glücksspielsucht verantwortlich. Auch sei eine Reform der Aufsicht
über die Gerätezulassung vordringlich, da die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) als Prüf- und Zulassungsstelle ungeeignet erscheine, da sie über nicht genug Know-how verfüge, um die Spielgeräte seriös zu sichern.
Eine entsprechende Gesetzesinitiative der Länder (über den Bundesrat; vgl. Art. 76 Abs. 1, 3. Alt. GG) ist bis heute nicht ersichtlich. Vielmehr kommt angesichts der vorliegenden Erkenntnisse und fachkundigen Stellungnahmen die Untätigkeit der Länder (und des Bundes in Gestalt des Bundeswirtschaftsministeriums – BMWi –) der bewussten Verhinderung einer konsistenten Schutzregulierung gleich. Nach Meyer (in: „Jahrbuch Sucht“ 09, S. 135, 140) habe beispielsweise der Bund-Länder-Ausschuss „Gewerberecht“ die vorgeschlagenen Grenzwerte mit der Begründung abgelehnt, dass sie im Ergebnis auf ein faktisches Verbot des gewerblichen Spiels hinausliefen. Eine Auseinandersetzung mit der Suchtgefahr und Suchtbekämpfung ergibt sich daraus nicht; im Übrigen führt auch der GlüStV beispielsweise mittelfristig dazu, dass die
Betätigung eines gewerblichen Spielvermittlers unmöglich wird (vgl. VG Berlin, Urteil vom 22. September 2008 – VG 35 A 15.08 –; BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 928/08 – Rn. 21, beide zitiert nach juris), ohne dass dies von den Ländern als problematisch angesehen worden wäre.
Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 27. Mai 2009 (etwa zum Verfahren VG 35 A 48.07) zur Rechtfertigung der fehlenden Umsetzung vorträgt, die Empfehlung des Fachbeirats erweise sich „nach einer vorläufigen ersten Einschätzung“ als kontraproduktiv, weil sie diese Glücksspielart faktisch so unattraktiv ausgestalte, dass dadurch die verfassungskonforme Kanalisierungsfunktion beeinträchtigt werden könne, und es vielmehr erster belastbarer Evaluierungsergebnisse bezüglich der Spielverordnung bedürfe, um auf deren Grundlage weitere Regelungen zu entwickeln, vermag dies im Hinblick auf die bereits vorliegenden Zahlen nicht ansatzweise zu überzeugen, sondern bestätigt den Unwillen, die von zahlreichen Experten
übereinstimmend und dringend angemahnten Sofortmaßnahmen gegen die Glücksspielsucht zu ergreifen. Mit der ersten Äußerung, die Empfehlung des Fachbeirates sei kontraproduktiv, behauptet der Beklagte nichts anderes, als dass der Fachbeirat die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages außer Acht lasse, während er denselben im Übrigen in bisherigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als fachlich besonders qualifiziertes Gremium im Hinblick auf die Suchtbekämpfung charakterisierte, dessen Mitwirkung „frühzeitig die notwendigen fachlichen Grundlagen
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[schaffe], um auf breiter Basis beurteilen zu können, ob ein neues Glücksspielangebot mit den Zielen des Staatsvertrages vereinbar ist“. Denn zu deren Beachtung wurde er gemäß § 10 Abs. 1 GlüStV gerade eingerichtet, womit Teil seiner Aufgabe auch und insbesondere darin besteht, die Länder im Hinblick auf das Ziel des Staatsvertrages nach § 1 Nr. 2 GlüStV zu beraten, nämlich das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern. Die Darstellung des Beklagten, dies habe der Fachbeirat in seiner Empfehlung vom 12. März 2008 nicht getan, ist umso bemerkenswerter, als der Beklagte hierfür nicht einmal auf eine fachkundige Gegenäußerung verweist (verweisen kann), die seine
diesbezügliche Behauptung stützte.
Des Weiteren ist hinsichtlich der nach Ansicht des Beklagten abzuwartenden belastbaren Evaluierung auf den weiteren Beschluss des Fachbeirats vom 26. März 2009 zum Projektantrag des BMWi zur Evaluierung der Novelle der Spielverordnung (SpielV) im Hinblick auf die Problematik des pathologischen Glücksspiels hinzuweisen:
„Der Fachbeirat empfiehlt, bei der Vergabe des Auftrags zur Evaluierung der Novelle der Spielverordnung (SpielV) die Grundsätze des § 20 des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechend anzuwenden. Dies gilt gemessen am Maßstab des Gesetzes über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) hinsichtlich gewissenhafter Obliegenheitserfüllung insbesondere für die Verpflichtung zum Offenlegen sämtlicher Zuwendungen und Aufträge von Veranstaltern oder Vermittlern von Glücksspielen sowie die
Verpflichtung zur Anzeige des Vorliegens von Gründen für eine Besorgnis der Befangenheit.“
Der Fachbeirat hat offensichtlich eine Notwendigkeit erkannt, ausdrücklich eine solche Empfehlung abzugeben. Noch bemerkenswerter ist vor diesem Hintergrund der diese Empfehlung vom 26. März 2009 ergänzende Beschluss des Fachbeirats vom 2. Juli
2009, in dem er nach Vergabe des Auftrages zur Durchführung der Studie an das
Institut für Therapieforschung (IFT; Betreuung durch Prof. Dr. Bühringer) ausdrücklich
bekanntgab:
„Der Fachbeirat bedauert es, dass Interessenkonflikte bei der Vergabe nicht berücksichtigt wurden“.
Auch von anderer Seite war etwa die Studie von Prof. Dr. Bühringer et al. „Pathologisches Glücksspiel in Deutschland: Spiel- und Bevölkerungsrisiken“ (2007) wegen methodischer und inhaltlicher Schwächen mit dem Ergebnis einer suggerierten Verharmlosung der vom gewerblichen Automatenspiel ausgehenden Suchtgefahren heftig kritisiert worden (Dipl.-Psych. Hayer und Prof. Dr. Meyer, in: Sucht, 54 [2], 2008, S. 109 ff.). Angesichts dieser Vorbedingungen einer Evaluierung der SpielV drängt sich der Eindruck auf, dass auf Bundes- und Landesebene jegliche Bereitschaft fehlt, dem unabhängigen Fachbeirat das ihm durch den Glücksspielstaatsvertrag verliehene und auch im Hinblick auf die SpielV zustehende Gewicht tatsächlich zukommen lassen zu wollen, womit zugleich die Belastbarkeit der Evaluierung als solcher in Frage gestellt ist.
(3) Da die gewerblichen Automatenspiele somit weiterhin ohne jede Zugangskontrolle genutzt werden können, ist die Folge, dass zumindest ein Teil der Spielsüchtigen, die durch die Ausweitung des Sperrwesens auf suchtrelevante Lotterieprodukte (wie Oddset und Keno) an deren Inanspruchnahme gehindert sind, nunmehr auf das gewerbliche Automatenspiel ausweicht, so dass es zu einer „Wanderbewegung der Glücksspieler von streng regulierten zu weniger streng regulierten Glücksspielen“ kommt (Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht vom 22. Juni 2009 zur o.a. Anhörung vom 1. Juli 2009, a.a.O.). Die bestehenden divergierenden Regelungen für die verschiedenen Bereiche des Glücksspiels tragen zu einer weiteren Verlagerung des problematischen und pathologischen Spielens aus den staatlich konzessionierten
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Glücksspielformen in die gering regulierten gewerblichen Spielformen bei (vgl. Prof. Dr.
Meyer, in: „Jahrbuch Sucht“ 09, S. 135; Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes vom 26. Juni 2009 zur o.a. Anhörung vom 1. Juli 2009, a.a.O.). Auch der Sachverständige Prof. Dr. Beutel (Kompetenzzentrum Verhaltenssucht der Universitätsmedizin Mainz) weist in einer entsprechenden Stellungnahme vom 22. Juni 2009 darauf hin, dass sich die Hinweise darauf mehrten, dass in Spielbanken gesperrte Spieler auf Angebote gewerblicher Glücksspielanbieter auswichen und sich damit außerhalb der Präventions- und Interventionsmöglichkeiten staatlicher Glücksspielanbieter bewegten (a.a.O.). Da somit gerade der Bereich mit dem höchsten Gefährdungspotential für Glücksspielsucht bislang von den Schutz- und Präventionsvorgaben des GlüStV ausgenommen sei, werde die Glaubwürdigkeit staatlicher Präventionspolitik untergraben und zur Verlagerung des problematischen und pathologischen Spielens aus den staatlich konzessionierten Glücksspielformen in die gering regulierten gewerblichen Spielformen beigetragen (Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes vom 26. Juni 2009, a.a.O.; Prof. Dr. Meyer, in: „Jahrbuch Sucht“ 09, S. 135 ff.; ebenso die Stellungnahme des Deutschen Lotto- und Totoblocks vom 23. Juni 2009 zur o.a. Anhörung vom 1. Juli 2009, vorletzter Absatz, a.a.O., der die Glaubwürdigkeit der deutschen Gesamtregelung des Glücksspiels in Frage gestellt sieht; auch nach Prof. Dr. Dietlein sei ein Auseinanderdriften der nationalen Glücksspielregulierungen aus Gründen des Spielerschutzes sowie aus Gründen der
Glaubwürdigkeit der glücksspielrechtlichen Regelung dringend zu vermeiden [Ziffer 6
seiner Stellungnahme, a.a.O.]).“
Ergänzt hat die Kammer hierzu im Urteil vom 22. Juli 2010 (– VG 35 A 353.07 –, a.a.O.,
Rn. 114):
„Denn die staatliche Förderung des gewerblichen Automatenspiels (als der Glücksspielart mit der unstreitig höchsten Suchtgefahr, vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, zitiert nach juris, Rn. 100, m.w.N.; Urteil der Kammer vom 17. November 2009 – VG 35 A 247.06 –, zitiert nach juris, Rn. 39) durch die jüngste Änderung der Spielverordnung – SpielV –(Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 2006, BGBl. I S. 280), verbunden mit der Nichtbefolgung von Expertenratschlägen zur Reduzierung der dadurch hervorgerufenen Steigerung der Suchtgefahren, widerspricht den mit dem Glücksspielstaatsvertrag vorgeblich verfolgten Zwecken des Spielerschutzes und der Suchtprävention diametral und bewirkt im Ergebnis zudem statt einer Verminderung allenfalls eine in der Gesamtschau zahlenmäßig „neutrale“ Wanderbewegung der Spielsüchtigen von streng regulierten zu weniger streng regulierten Glücksspielen (vgl. ausführlich dazu: Urteil der Kammer vom 17. November 2009 – VG 35 A 247.06 –, zitiert nach juris, Rn. 32 bis 54) oder aber sogar eine Steigerung der Glücksspielsucht, wofür sprechen dürfte, dass seit 2006 in Berlin die Zahl der Geldgewinnspielgeräte in Spielhallen und ähnlichen Unternehmen im Sinne des § 33 i GewO mehr als verdoppelt und in Gaststättenbetrieben, Kantinen, Wettannahmestellen, Vereins- und ähnlichen Räumen sowie an sonstigen der Öffentlichkeit zugänglichen Orten (§§ 1 und 2 SpielV) um rund 20 % erhöht wurde (Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Seidel-Kalmutzki vom 13. Januar 2010, Drs. 16/13882 des Abgeordnetenhauses von Berlin, zu Frage 2).“
Als aktuelle Quelle für die besondere Gefährlichkeit des Geldautomatenspiels ist hinzuweisen auf den Aufsatz von Meyer/Hayer, Problematisches und pathologisches Spielverhalten bei Glücksspielen, im Bundesgesundheitsblatt 2010, 295 (insbes. Tabellen auf S. 296, die sich auch auf die Untersuchungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Glücksspielverhalten und problematischem Glücksspielen in Deutschland 2007 und 2009 beziehen; s.a. unter www.bzga.de).
Dem aus dem Obigen gewonnenen Eindruck, dass auf Bundes- und Landesebene jegliche Bereitschaft fehlt, dem unabhängigen Fachbeirat das ihm durch den Glücksspielstaatsvertrag verliehene und auch im Hinblick auf die SpielV zustehende
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Gewicht tatsächlich zukommen lassen zu wollen, und dass angesichts dessen die Belastbarkeit der Evaluierung der Spielverordnung in Frage gestellt ist, entspricht auch die Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie zur Eröffnung der Internationalen Fachmesse Unterhaltungs- und Warenautomaten [IMA] 2010 am 19. Januar 2010 (unter www.bmwi.de). Hierin bekennt er, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie traditionell mit der IMA, aber auch zu den Verbänden der Automatenwirtschaft einen sehr guten Kontakt habe. Er sei froh, dass mit Herrn Ministerialdirigent Schönleiter und seiner Abteilung jemand bei ihm im Hause sei, der die Kompetenz für die Betreuung des Wirtschaftszweiges habe, aber auch die erforderliche Aufgeschlossenheit. Das heiße natürlich nicht, dass man sich immer einig sei, – das könne wohl auch nicht sein, aber es heiße, dass man sich aufgeschlossen begegne und versuche, Probleme gemeinsam zu lösen. Das gewerbliche Automatenspiel habe wirtschaftlich von der Novelle der Spielverordnung profitiert, dies sei politisch auch so gewollt gewesen. Die Evaluierung werde völlig unvoreingenommen durchgeführt werden. Für das BMWi spiele der Grundsatz der Gewerbefreiheit eine große Rolle und die Zuhörer wüssten aus der ganzen Zusammenarbeit, dass sie diesbezüglich durchaus auf das Ministerium zählen könnten. Dass auf gewisse Schutzvorschriften nicht völlig verzichtet werden könne, verstehe sich von selbst, aber eine ganze Branche gewissermaßen an den Pranger zu stellen, das werde mit dem Ministerium nicht zu machen sein. „Da haben Sie uns weiter an Ihrer Seite. Sie können sich auf uns verlassen.“ Auf der Jahreshauptversammlung des Bundesverbandes Automatenunternehmer (BA) Mitte 2010 betonte der bereits erwähnte Unterabteilungsleiter beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Schönleiter, dass nach den vorläufigen Erkenntnissen der Studien zur Evaluation alles darauf hindeute, dass die Spielverordnung nachgebessert werden müsse (vgl. Beitrag „Unserer Branche droht eine Änderung der Spielverordnung“, in: AutomatenMarkt Juli 2010, Seite 68). Nach dem Bericht habe er sich viel Zeit genommen, die Sicht der Bundesregierung
sowie den derzeitigen Stand der Evaluation darzustellen. So sei etwa die erfolgreiche Umstellung der Geräte auf die Technische Richtlinie 4 auch deshalb so wichtig, da sie ein „gutes Zeichen für die Evaluation setzen“ würde, habe Schönleiter betont. Und gute Zeichen brauche die Branche offensichtlich dringend, denn bei der Studie des Instituts für Therapieforschung (IFT) von Professor Dr. Gerhard Bühringer sei nach einem Vorabbericht „nicht alles in Butter“, so Schönleiter. Er habe weiter ausgeführt, Hintergrund aller möglichen Nachbesserungen sei, die aufgetretenen „Fehlentwicklungen“ zu korrigieren und deutlich zu machen, dass das staatliche Spiel in den Casinos und das gewerbliche Spiel in den Spielstätten zwei unterschiedliche Welten seien. In einem weiteren Beitrag („Durch freiwillige Maßnahmen Gesetzesänderung verhindern“, a.a.O., S. 66) heißt es, der Vorsitzende des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie (VDAI) habe erklärt, das Bundeswirtschaftsministerium gehe nach ersten Vorgesprächen davon aus, dass in der Studie des IFT auch kritische Punkte enthalten seien; um eine Änderung der Spielverordnung noch zu verhindern, sei es jetzt höchste Zeit, dass die Branche gemeinsam zum Beispiel mit freiwilligen selbstbeschränkenden Maßnahmen den Druck der Kritiker abfedere. Denn eines müsse jedem klar sein, sollte es zu einer Änderung der Spielverordnung kommen, würden die Länder im Bundesrat der Branche vieles aufbürden. Er selbst sei guten Mutes, dass man es schaffe, durch die freiwilligen Maßnahmen eine Gesetzesänderung zu vermeiden.
Während demnach dem BA wie dem VDAI – zumindest – Auszüge und Tendenzen der
vorläufigen Ergebnisse des im Rahmen der Spielverordnung zu erstellenden Evaluationsberichts durch das BMWi bereits bekannt gemacht wurden, antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter dem 10. Juni 2010 noch (BT-Drs. 17/2037; Antwort zu Frage 1., 3. und 4.), das mit der Studie beauftragte Institut für Therapieforschung München werde den Abschlussbericht voraussichtlich im Juni 2010 vorlegen; das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie werde im Rahmen des Evaluierungsberichts etwaige Schlussfolgerungen aus der Studie darlegen. Diesen Bericht werde das Ministerium gleichzeitig mit der Studie bis Ende des Jahres 2010 dem Bundesrat vorlegen und zur Veröffentlichung freigeben. …
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Die (etwaig vormalige) Auffassung des Beklagten, dass die grundgesetzliche Kompetenzverteilung das europarechtliche Kohärenzgebot begrenze, weil die Länder durch die abschließende Normierung auf Bundesebene in der Gewerbeordnung und der Spielverordnung von vornherein an einer Einbeziehung des gewerblichen Automatenspiels in die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages gehindert gewesen seien, vermag nicht zu überzeugen (st. Rspr. der Kammer, zuletzt Urteil vom 22. Juli 2010 – VG 35 A 353.07 –, a.a.O., Rn. 138). Entsprechend hat der Europäische Gerichtshof nunmehr ausgeführt (Urteil vom 8. September 2010 – Rs. C-46/08 [Carmen Media] –, a.a.O., Rn. 69 f.):
„Was den Umstand betrifft, dass die verschiedenen Glücksspiele zum Teil in die Zuständigkeit der Länder und zum Teil in die des Bundes fallen, ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die Nichteinhaltung seiner aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen. Die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb eines Mitgliedstaats, namentlich zwischen zentralen, regionalen und lokalen Behörden, kann ihn u. a. nicht davon entbinden, den genannten Verpflichtungen nachzukommen …
Dementsprechend müssen, auch wenn das Unionsrecht einer internen Zuständigkeitsverteilung, nach der für bestimmte Glücksspiele die Länder zuständig sind und für andere der Bund, nicht entgegensteht, in einem solchen Fall die Behörden des betreffenden Bundeslandes und die Bundesbehörden gleichwohl gemeinsam die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland erfüllen, nicht gegen Art. 49 EG zu verstoßen. Soweit die Beachtung dieser Bestimmung es erfordert, müssen diese verschiedenen Behörden dabei folglich die Ausübung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten koordinieren.“
Den Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 29. September 2010 ist ebensowenig zu folgen. Zu den dort angesprochenen Gesichtspunkten hat die Kammer bereits umfangreich ausgeführt (vgl. insbesondere nochmals Urteile der Kammer vom 22. September 2008 – VG 35 A 576.07 – Rn. 56 ff., 79 ff., 90 ff., vom 13. November 2009 – VG 35 A 247.06 – Rn. 32-54, und zuletzt vom 22. Juli 2010 – VG 35 A 353.07 – Rn. 42 ff., 73 ff., 103, 109, 113 ff., 123 ff., alle juris, jeweils m.w.N.). Insbesondere ist zum wiederholten Male festzustellen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Angebot nicht um ein Angebot im Sinne des § 4 Abs. 4 GlüStV handelt. Denn nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift ist ausschließlich das Veranstalten und Vermitteln „im Internet“ verboten, nicht aber die Übermittlung „über“ Internetleitungen. Weiter sind zur Frage der Gesamtbetrachtung des glücksspielrechtlichen Regelungssystems neben der vom Beklagten nur zitierten Randnummer 96 aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 8. September 2010 (– Rs. C-316/07 u.a. [Stoß u.a.]) auch die Randnummern 97 ff. zu erinnern. Soweit der Beklagte schließlich meint, der Europäische Gerichtshof halte
europarechtliche Zweifel an der Kohärenz nur dann für gerechtfertigt, wenn kumulativ mehrere Voraussetzungen erfüllt seien, ist ihm auch insoweit nicht zuzustimmen. Die Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof rekurriert auf die Vorlagefragen der nationalen Gerichte und nimmt dazu deren Ausführungen in Bezug. Hieraus ist daher nicht abzuleiten, dass ausschließlich dann, wenn die formulierten Feststellungen zu treffen sind, berechtigter Anlass zur Schlussfolgerung fehlender Kohärenz und Systematik bestehen kann, sondern insbesondere in diesem Fall. Dieses Verständnis folgt im Übrigen auch daraus, dass in der Entscheidung zur Rechtssache C-46/08 [Carmen Media] insoweit zwei Feststellungen benannt sind (dort Rn. 71), im Urteil in der Rechtssache C- 316/07 u.a. [Stoß u.a.] hingegen drei (dort Rn. 107 zu iv]; der Beklagte zitiert hiervon indes nur zwei und dabei auch eine, die in der erstgenannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht angeführt ist). Soweit der Beklagte seine fehlende Untätigkeit im Bereich der Geldspielautomaten dadurch zu belegen versucht, dass er auf die derzeitige parlamentarische Beratung des Entwurfs eines Spielhallengesetzes
verweist (Abgh.-Drs. 16/3456), überzeugt dies nach dem Vorgesagten nicht. Im Übrigen
stellt dieses Argument, da der entsprechende Entwurf unter dem 13. September 2010 von
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der oppositionellen CDU-Fraktion eingebracht wurde, eher eine kuriose Arabeske dar. Die vom Beklagten für sich in Bezug genommenen Ausführungen zur Spielverordnung in den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 18. Februar 2009 – 4 B 298/08 –, juris, Rn. 63) und des Verwaltungsgerichtshofes Baden- Württemberg (Urteil vom 10. Dezember 2009 – 6 S 1110/07 –, juris, Rn. 65) führen gleichfalls nicht weiter. Denn die benannten Obergerichte beziehen sich in ihrer – im Falle des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen ohnehin lediglich aus einer summarischen Prüfung erzielten – Argumentation ausschließlich auf die Begründung zum Erlass der Spielverordnung (vgl. BR-Drs. 665/05) und blenden unbegründet und unzutreffend die obigen, insbesondere vom besonders qualifizierten Fachbeirat sowie aus der Anhörung vor dem Bundestagsausschuss am 1. Juli 2009 gewonnenen Erkenntnisse aus. Schon angesichts der sich daraus ergebenden Unsubstantiiertheit der obergerichtlichen Ausführungen ist ihnen nicht zu folgen (vgl. bereits VG Berlin, Urteil vom 22. Juli 2010 – VG 35 A 353.07 –, a.a.O., Rn. 115 a.E.).“
Die streitgegenständliche Untersagungs- und Beseitigungsverfügung stellt sich auch bezüglich der Werbung als rechtswidrig dar. Zwar ermöglicht § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV auch die Untersagung der Werbung für unerlaubtes Glücksspiel; aus den obigen Ausführungen ergibt sich aber, dass die formelle Illegalität seiner Tätigkeit dem Antragsteller nicht entgegengehalten werden kann und auch keine andere Ermächtigungsgrundlage einschlägig ist.
Soweit der Antragsgegner geltend macht, nach der Rechtsprechung der Kammer sei die
Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet und die entsprechende Werbung
rechtswidrig, ist dies richtig (vgl. VG Berlin, Urteil vom 17. November 2009 – VG 35 A 247.06
–), hilft vorliegend angesichts des Bescheidtenors zu 1. indes nicht weiter. Denn dem
Antragsteller wurde „jegliche Art des Veranstaltens und der Annahme und Vermittlung von
Sportwetten (…) und die Werbung hierfür“ untersagt. Aus dem Wortlaut der Verfügung ergibt
sich klar, dass die Untersagungsverfügung – soweit sie die Werbetätigkeit betrifft – auf die zu
untersagende Tätigkeit des Antragstellers, nämlich dessen (etwaige) Veranstaltung und
Vermittlung von Sportwetten (die gerade keine solche „im Internet“ darstellt), bezogen ist.
Für eine weitergehende Untersagung auch von Werbung für im Internet tätige Sportwettanbieter (insbesondere für Vertragspartner des Antragsstellers) bedürfte es einer
gesonderten Verfügung des Antragsgegners, an der es hier fehlt. Insbesondere kann hierfür
nicht Satz 2 des Bescheidtenors zu 1. herangezogen werden, mit dem der Antragsteller zur
Einstellung und Beseitigung der Werbung aufgefordert wird. Zwar lautet die Formulierung
hier „jegliche Werbung für in Berlin behördlich nicht genehmigte Sportwetten (…)“; da jedoch
eine Beseitigungsverfügung nur in der Zusammenschau mit der zugehörigen
Untersagungsverfügung gesehen werden kann, ist auch insofern vom vorstehend geschilderten Tätigkeitsbezug zur konkreten gewerblichen Betätigung des Antragstellers auszugehen.
Aber auch soweit man – entgegen den vorangegangenen Ausführungen – annähme, die
Verfügungsziffer zu 1. umfasste jede Werbung für unerlaubtes Glücksspiel (also auch für
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Angebote Dritter im Internet), folgte daraus keine teilweise Rechtmäßigkeit des Bescheides.
Denn die hierfür erforderliche geltungserhaltende Reduktion ist vorliegend bereits mangels
sprachlicher Teilbarkeit (im Sinne einer sprachlichen Abtrennbarkeit bestimmter Arten von
Werbung) nicht möglich (vgl. dazu ausführlich und mit weiteren Nachweisen VG Berlin, Urteil
vom 22. September 2008 – VG 35 A 576.07 –, zitiert nach juris, Rn. 91).
Nach dem Gesagten erweist sich auch die an die Untersagungsverfügung gekoppelte
Zwangsmittelandrohung als rechtswidrig und stellt sich ferner die Gebührenfestsetzung
schon in Folge der Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsaktes als rechtswidrig dar (dazu,
dass letztere auch an eigenständigen Mängeln leidet, s. VG Berlin, Urteil vom 7. Oktober
2010 – VG 35 A 224.08 –, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).
III.
Angesichts der Überzeugung der Kammer von der Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit
des sog. staatlichen Sportwettenmonopols im Land Berlin ist das Interesse des Antragstellers daran, vorläufig seine Tätigkeit nicht weiter vollziehbar untersagt zu sehen, nunmehr anders zu bewerten als vor dem Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangsfrist. Da an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse besteht (Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 159; Schoch, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn. 264 f. m.w.N.), war die gem. § 9 Abs. 2 GlüStV kraft Gesetzes entfallende aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) anzuordnen (§ 80 Abs. 5 S. 1 VwGO). Gleiches gilt hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung (§ 4 Abs. 1 S. 1 AGVwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Festsetzung des Verfahrenswertes findet ihre Grundlage in §§ 39 ff., 52 f. GKG. Die Kammer legt dabei unter Orientierung am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7. Juli 2004, Nrn. 54.2.1 und 1.6.2 einen Verfahrenswert für die Hauptsache von 25.000,-- Euro zugrunde. Dieser ist für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Hälfte festzusetzen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen die Sachentscheidung ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBl. S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009, GVBl. S. 881) einzulegen. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde
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endet zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus können auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einsch ließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören.
Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. Sie ist innerhalb von sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht.
MacLean Amelsberg Dr. Bourquain
Ausgefertigt
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle