Donnerstag, 18. November 2010

Prozeßkostenhilfe für Staatshaftungsklagen gegen bayerische Kommunen

Von Rechtsanwalt Dr. Thomas Bartholmes

Das OLG München hat mit Beschluss vom 08.11.2010 (1 W 1491/10) einer von der Kanzlei Kuentzle Rechtsanwälte vertretenen Antragstellerin Prozeßkostenhilfeverfahren für eine Staatshaftungsklage gegen eine bayerische Kommune unter Beiordnung des Verfassers als Prozeßbevollmächtigten bewilligt.

Die Antragstellerin hatte zum 01.01.2006 eine Wettannahmestelle übernommen und vermittelte dort für eine in Gibraltar ansässige Firma allgemeine Sportwetten zu festen Gewinnquoten. Mit Bescheid vom 25.04.2006 untersagte die Stadt der Antragstellerin, Sportwetten zu festen Quoten zu vermitteln, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden. Hiergegen legte die Antragstellerin am 04.05.2006 Widerspruch ein, über den bis heute nicht entschieden wurde. Die Vermittlungstätigkeit mußte, um einer drohenden Versiegelung des Lokals zu entgehen, am 31.08.2006 eingestellt werden.

Die Antragstellerin beantragte im Hinblick auf eine möglicherweise drohende Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen die betroffene Kommune Prozeßkostenhilfe für eine Klage gegen die Stadt mit dem Antrag, festzustellen, daß diese verpflichtet ist, ihr alle Schäden zu ersetzen, sie diese infolge der Ordnungsverfügung vom 25.04.2006 sowie deren Vollziehung erlitten hat und noch erleidet.

Die Stadt erhob die Einrede der Verjährung, woraufhin das Landgericht Deggendorf mit Beschluß vom 22.04.2010 den Antrag auf Prozeßkostenhilfe abgewiesen hat.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wurde ihr nunmehr in der Beschwerdeinstanz Prozeßkostenhilfe bewilligt. Das OLG sieht hinreichende Erfolgsaussichten, da von einer Verjährung der Schadensersatzansprüche nicht auszugehen sei. Ob der Bescheid rechtmäßig war und ob die Antragstellerin zu Recht die Vermittlung von Sportwetten mit festen Gewinnquoten untersagt wurde und eine rechtswidrige Untersagung Amtshaftungsansprüche begründen kann, ist eine schwierige Rechtsfrage, die in einem Hauptsacheverfahren zu klären ist.

Das OLG München brachte damit zum Ausdruck, daß in Prozeßkostenhilfeverfahren Staatshaftungsklagen gegen bayerische Kommunen wegen Schließung von Wettbüros, in denen Sportwetten an im EU-Ausland zugelassene Veranstalter vermittelt wurden, eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden kann (§ 114 ZPO). Es sei danach in derartigen Fällen nicht angängig, umfangreiche Rechtsprüfungen ins Prozeßkostenhilfeverfahren zu verlagern, wie dies noch das Landgericht München I in seinem Beschluß vom 29.05.2009 (15 O 23548/08) auf nicht weniger als 35 Seiten (ohne Sachverhaltsdarstellung!) getan hatte (über 14 Seiten ungekürzt abgedruckt in der "Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht" 2009, S. 279-293).

Der Beschluß betrifft nicht allein die Rechtslage vor Inkrafttreten des GlüStV am 01.01.2008, vielmehr betrifft die Klage, für die Prozeßkostenhilfe gewährt wurde, auch die Ersatzpflichtigkeit für laufende Schäden unter der aktuellen Rechtslage.

Städte und Gemeinden, die auch nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes vom 08.09.2010 weiter an ihren unter alter Rechtslage erlassenen Untersagungsverfügungen festhalten und sich damit für die Durchsetzung eines europarechtswidrigen Monopols einspannen lassen, gehen also ein nicht unerhebliches Risiko weiterer Schadensersatzpflichten ein. Für Untersagungsverfügungen, die unter neuer Rechtslage erlassen wurden oder noch erlassen werden, dürfte dies aber gleichermaßen gelten.

Das Verfahren macht aber auch deutlich, daß in vielen Altfällen Verjährung droht oder sogar schon eingetreten ist. Die in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche aufgrund von Bundes- und EU-Recht unterliegen einer dreijährigen Verjährung, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Hierzu stellte das OLG München nun klar, daß bei Einlegung eines Widerspruchs die Verjährung mindestens bis sechs Monate nach dem frühestmöglichen Zeitpunkt für eine Untätigkeitsklage gehemmt ist (§ 204 Abs. 2 BGB), also mindestens neun Monate nach Widerspruchseinlegung. In Fällen der Verjährungshemmung tritt die Verjährung drei Jahre nach Ablauf der Hemmung ein, und zwar nicht am Jahresende, sondern mitten im Jahr.

Allerdings ist es nach Auffassung des OLG München bereits äußerst fraglich, ob die Verjährungshemmung nach Ablauf der Dreimonatsfrist für die Untätigkeitsklage überhaupt in entsprechender Anwendung von § 204 Abs. 2 BGB geendet hat. Denn es lasse sich aus § 75 Abs. 1 VwGO keine Verpflichtung zur Erhebung der Untätigkeitsklage vor Entscheidung über den Widerspruch konstituieren. Im vorliegenden Fall konnte diese Frage offenbleiben, da durch die Prozeßkostenhilfeantragstellung die Verjährung vor Ablauf der Dreijahresfrist gehemmt wurde.

Sportwettveranstalter und -vermittler, gegen die vor Inkrafttreten des GlüStV am 01.01.2008 behördliche Maßnahmen ergriffen wurden, sollten also auf eine drohende Verjährung von Schadensersatzansprüchen achten und verjährungshemmende Maßnahmen wie z.B. Klageerhebung oder einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe in Erwägung ziehen. Es sei abschließend darauf hingewiesen, daß für landesrechtliche Schadensersatzansprüche, wie sie in einigen Bundesländern zusätzlich bestehen könnten, unter Umständen abweichende Verjährungsregelungen gelten könnten.
Quelle: Rechtsanwalt Dr. Thomas Bartholmes - Kuentzle Rechtsanwälte
An der Raumfabrik 29; 76227 Karlsruhe


Oberverwaltungsgericht: Streit um Sportwetten

DORTMUND Der Poker um die privaten Sportwettenanbieter geht in die nächste Runde. Auslöser ist eine aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster.
Von Daniel Müller und Oliver Volmerich

Zwischen der Stadt und der Landesregierung gibt es einen Streit um private Sportwetten-Anbieter.
Vorerst bleibt man seiner Linie treu, die privaten Wettbüros nicht zu schließen. „So lange wir keine schriftliche Weisung durch das Innenministerium bekommen, werden wir keinen Betrieb dicht machen“, ist sich Heike Tasillo vom städtischen Ordnungsamt mit ihrem Dezernenten Wilhelm Steitz einig.

Hintergrund: Es geht um viel Geld. Denn Sportwetten sind ein Millionengeschäft. Sollte das Monopol doch gekippt werden, könnten auf die Stadt horrende Regressforderungen zukommen. „Dann wären wir pleite“, erklärte Bernhard Tibura, Leiter für Gewerbe beim Ordnungsamt, bereits vor Wochen.

Aktuell prüfe man den „Fall Dortmund“ sehr intensiv. Sie betonte nochmal, dass man möglicherweise die Kommunalaufsicht einschalten würde. Wenn am Ende eine Anweisung komme, müsse das Land aber auch für mögliche Schadenersatzforderungen gerade stehen, so Steitz. weiterlesen

Glücksspielmonopol - Der große Kampf um die Wett-Millionen
An diesem Donnerstag kommt es im Ringen um das Glücksspielmonopol zu einem Gipfeltreffen in Frankfurt. Sportverbände und Profiligen hoffen, dass das staatliche Monopol fällt. Doch die Lotto-Fürsten wollen nicht weichen.
An diesem Donnerstag findet in Frankfurt ein brisantes Gipfeltreffen statt. Frei von offiziellen Zwängen wollen sich zwei Gegner in vertraulicher Runde zusammensetzen - im Ringen um eine Öffnung oder den Fortbestand des Glücksspielmonopols. Dass Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), und Erwin Horak, Präsident der Staatlichen Lotterieverwaltung in Bayern sowie Federführender der Lottogesellschaften der Bundesländer, dabei noch einen gemeinsamen Nenner finden, ist fast auszuschließen. Zu unterschiedlich sind die Positionen in der wichtigsten Frage.
Doch erst einmal kämpft das staatliche Monopol gegen die schwierigen Marktbedingungen. „Der Glücksspielstaatsvertrag ist von den Traditionalisten an die Wand gefahren worden. Die Umsätze beim Lotto fallen Jahr für Jahr, die Sportwette Oddset ist bedeutungslos, wenn nicht sogar schon defizitär. Dieser Abwärtstrend wird sich verschärfen, wenn der Markt sich nicht öffnet“, behauptet Reinhardt. Die Lotto-Beamten widersprechen da und sehen sich weiterhin als Platzhirsche. Gerade verlängerte Lotto Rheinland-Pfalz bei Mainz 05 seinen umfangreichen Werbevertrag, dazu wurde noch eine der 85 Personen fassenden Logen in der neuen Arena angemietet.
Die Befürworter des Monopols haben zuletzt in der Öffentlichkeit immer wieder unglücklich agiert. Zur eigenen Interessenwahrung wurde beispielsweise eine teure Studie eines Schweizer Instituts zur Anhörung im Frühjahr von den Bundesländern einfach umfrisiert. In den vergangenen Jahren gab es zudem Kritik an den viel zu hohen Kosten des Apparats. In Bayern bemängelte der Rechnungshof die durchschnittliche Gesamtvergütung von jährlich einer halben Million Euro der Bezirksstellenleitungen und deren zu große Anzahl von bald 30. weiterlesen