Donnerstag, 25. November 2010

Verwaltungsgericht Hamburg: Staatliches Sportwettenmonopol nicht erforderlich und daher rechtswidrig

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Mit Urteilen vom 5. November 2010 hat das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg mehrere gegen Sportwettenvermittler ergangene Untersagungsverfügungen der Stadt Hamburg aufgehoben. In der heute zugestellten, 36 Seiten umfassenden Urteilsbegründung (Az. 4 K 350/08) erläutert das Verwaltungsgericht umfassend, weshalb es das derzeit noch bestehende staatliche Sportwettenmonopol für rechtswidrig hält.

Die Untersagungsverfügung könne nicht auf das bloße Fehlen einer Erlaubnis für das Vermitteln von Sportwetten gestützt werde. Die "formelle Illegalität" dürfe nicht herangezogen werden, wenn gar nicht die Möglichkeit bestehe, ein Erlaubnis zu erhalten und diese Ausschluss im Widerspruch zu höherrangigem Recht stehe (S. 14). Das staatliche Sportwettenmonopol verstoße gegen die Dienstleistungsfreiheit und sei in der Folge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar (S. 15).

Die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des Monopols sei nicht gerechtfertigt, da die derzeitige Ausgestaltung nicht verhältnismäßig sei. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei entgegen der bisherigen Rechtsprechung des VG Hamburg entsprechend den Vorgaben des EuGH nicht nur der Sektor der Sportwetten, sondern der gesamte Glücksspielbereich zu berücksichtigen (S. 20). Hier sei keine kohärente und systematische Einschränkung festzustellen. Das Gericht verweist hierzu auf die Feststellungen des VG Schleswig im dem Vorlagebeschluss zu der Rechtssache Carmen Media und hält fest, dass sich seitdem nicht geändert habe. Auch derzeit gebe es keine staatliche Begrenzung im Bereich des Automatenglücksspiels und der Spielkasinos (S. 22). Auch habe die beklagte Stadt Hamburg entgegen ihrer nach dem Lindman-Urteil obliegenden Darlegungs- und Beweislast keine legislativen Anstrengungen zur Begrenzung des Automatenspiels und der Spielkasinos vorgetragen (S. 23). Auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen Landes- und Bundesrecht komme es hierbei nach dem Carmen Media-Urteil des EuGH nicht an.

Auch hinsichtlich des zur Rechtfertigung des Monopols vorgebrachten Jugendschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung ist das staatliche Sportwettenmonopol nach Überzeugung des VG Hamburg nicht erforderlich (S. 24). Es bestünden nämlich mildere, gleich effektive Mittel, um den Jugendschutz sicherzustellen und die Kriminalität im Zusammenhang mit Sportwetten zu bekämpfen. Das Gericht verweist hierbei auf Genehmigungsvorbehalte und behördliche Kontrollen. Diese milderen Mittel halte der Staat auch bei Pferdewetten und dem Automatenspiel für hinreichend effektiv (S. 25).

Im Folgenden betont das Verwaltungsgericht noch einmal, dass das bloße Fehlen einer Erlaubnis weder dem Anbieter noch dem Vermittler entgegengehalten werden könne, solange in europarechtswidriger Weise privaten Anbietern keine Erlaubnis ausgestellt werde (S. 27). Aus diesem Grund sei auch keine Strafbarkeit nach § 284 StGB gegeben (S. 35).

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Eine Verbotsverfügung ist als unverhältnismäßig anzusehen, wenn diese über das hinausgeht, was zur Bekämpfung einer möglichen Spielsucht erforderlich ist.
(vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C-243/01, Slg. 2003, I-13031, Randnr. 74, vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-1891, Randnr. 62, und Kommission/Spanien, Randnr. 39).