Montag, 2. Mai 2016

VG München, Beschluss v. 17.06.2015 – 16 S 14.4667


VG München, Beschluss v. 17.06.2015 – 16 S 14.4667

Titel:
VG München: Sportwetten, GlüStV, Cafe, Geldspielgerät, Dienstleistungsfreiheit, formelle Illegalität, Ortstermin, Rechtsquelle, Wettanbieter, Glücksspielstaatsvertrag, ohne mündliche Verhandlung, Spielsalon, Hoechst, Zwangsgeld, Gebäudekomplex, Wettvermittlung, Antragsgegner, Spielbank, Gaststätte, Spielhalle
Normenketten:
VwGO § 80 V
GlüStV §§ 3 II, 4
§ 80 Abs. 5 VwGO
VwGO § 80 V
§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO
§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO

Schlagworte:
Untersagungsverfügung, Wettterminal, öffentliches Glücksspiel, formelle Illegalität, Erlaubnisvorbehalt

Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine glücksspielrechtliche Untersagungsverfügung.
Bei einem Ortstermin des Landratsamtes Dachau am ... August 2014 wurde festgestellt, dass in einem vom Antragsteller betriebenen Café neben Geldspielgeräten ein sogenannter Sportwettautomat aufgestellt war. Der Antragsteller wurde aufgefordert, den Sportwettautomat oder die Geldspielgeräte unverzüglich zu entfernen. Andernfalls müsse er mit einer Untersagung der Vermittlung von Sportwetten rechnen.
Mit Bescheid des Landratsamtes Dachau vom ... Oktober 2014, den Bevollmächtigten des Antragstellers am 7. Oktober 2014 zugestellt, wurde dem Antragsteller die Annahme, Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten in dem von ihm betriebenen Café untersagt (Ziffer 1 des Bescheides). Der Antragsteller wurde aufgefordert, diese Tätigkeit binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides einzustellen und sämtliche technischen Einrichtungen, Systeme und schriftlichen Unterlagen, die für die Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten erforderlich sind, binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides aus den Räumlichkeiten des Cafés zu entfernen (Ziffer 2). Für den Fall, dass der Antragsteller der Verpflichtung aus Ziffer 2 des Bescheides nicht fristgemäß nachkommen würde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- € je Tag, an dem Sportwetten angeboten werden, angedroht (Ziffer 3).
Die Untersagungsfügung wurde auf § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 des Glücksspielstaatsvertrages - GlüStV - gestützt. Die vom Antragsteller vermittelten Sportwetten seien nach § 3 Abs. 1 Satz 3 und 4 GlüStV Glücksspiele, die nicht erlaubt seien. Das gleichzeitige Aufstellen von Geldspielgeräten und Wettterminals in einer Örtlichkeit sei glücksspielrechtlich unzulässig, was sich aus einem Erst-Recht-Schluss aus § 21 Abs. 2 GlüStV ergebe. Im Rahmen der Ermessensentscheidung werde das Interesse des Antragstellers, weiterhin die Annahme, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten in seinem Café vornehmen zu können, durchaus gesehen; dieses müsse aber hinter dem öffentlichen Interesse an der Untersagung unerlaubten Glücksspiels zurückstehen. Die Vermittlung von Sportwetten im Café sei materiell nicht erlaubnisfähig. Deshalb könne die Vermittlung auch nicht bis zum Abschluss des Konzessionsverfahrens toleriert werden.
Am 14. Oktober 2014 erhob der Antragsteller Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom ... Oktober 2014 (Verfahren M 16 K 14.4666). Gleichzeitig stellte er einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Tätigkeit sowohl des Antragstellers als auch des Wettanbieters würde sich im Schutzbereich der europarechtlich garantierten Dienstleistungsfreiheit bewegen und sei von der dem Wettanbieter erteilten maltesischen Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten gedeckt. Der in der Verfügung des Antragsgegners liegende Eingriff in die europäische Dienstleistungsfreiheit lasse sich nicht rechtfertigen. In der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass das bloße Fehlen einer Erlaubnis dann nicht zur Begründung einer Untersagungsverfügung herangezogen werden könne, wenn für den betreffenden Antragsteller gar nicht die Möglichkeit bestehe, eine derartige Erlaubnis zu erlangen, und wenn dieser Ausschluss in Widerspruch zu höherrangigem Recht stehe. Ausgehend von dieser Rechtsprechung könne die Vermittlung von Sportwetten nur dann untersagt werden, wenn die Erteilung einer sogenannten Wettvermittlungserlaubnis schlechtweg nicht möglich sein würde. Dies sei gegenständlich nicht der Fall, da es durchaus möglich sein werde, die Vermittlung von Sportwetten in einer Gaststätte, in der maximal drei Geldgewinnspielgeräte vorgehalten würden, zu erlangen. Im Freistaat Bayern bestehe keine gesetzliche Grundlage, die ein Verbot der Kombination der Sportwettvermittlung mit dem Aufstellen von Geldspielgeräten enthalte. Der von dem Antragsgegner genannte § 21 Abs. 2 GlüStV verbiete lediglich die Vermittlung von Sportwetten in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich eine Spielhalle oder eine Spielbank befinde. Allein das Aufstellen von Geldspielgeräten sei von dieser Regelung nicht erfasst. Schließlich seien auch die gesetzlichen Grundlagen zur Genehmigung von Geldspielgeräten in Gaststätten und zur Genehmigung von Spielbanken und Spielhallen unterschiedlich. Solange der Antragsteller über seinen Wettanbieter keine Wettvermittlungserlaubnis vom Freistaat Bayern erteilt bekommen könne, bestehe keine Grundlage, diese Betriebskombination zu verbieten. Weiter nimmt der Antragsteller unter anderem auf ein Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 2015, Az. 1 BvR 1694/13, einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Mai 2015, Az. 10 CS 14.2669, sowie weitere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung Bezug.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom ... Oktober 2014 anzuordnen.
Das Landratsamt Dachau beantragt,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Zur Begründung wurde unter anderem vorgetragen, wenn § 21 Abs. 2 GlüStV schon eine weitreichende räumliche Trennung von Wettvermittlung und Spielhallen verlange, müsse ein Widerspruch zu den Zielen des § 1 GlüStV erst recht angenommen werden, wenn Geldspielgeräte und Wettvermittlung im selben Lokal angeboten würden. Die Vorschriften der Gewerbeordnung und der Spielverordnung seien unabhängig von den glücksspielrechtlichen Vorschriften zu sehen, so dass die vorhandene Geeignetheitsbescheinigung das Verbot des § 21 Abs. 2 GlüStV nicht aufhebe. Die vom Antragsteller zitierten Urteile seien in diesem Zusammenhang nicht einschlägig und vergleichbar. Das Café des Antragstellers bestehe nur aus einem einzigen Raum, so dass eine räumliche Trennung zwischen Sportwettterminal und Geldspielgeräten nicht möglich sei. Die Anordnung einer ständigen Aufsicht, wenn diese Geräte betrieben würden, werde nicht für sinnvoll gehalten.
Mit Schreiben vom 24. März 2015 ergänzte das Landratsamt Dachau die Begründung des Bescheides vom ... Oktober 2014 insoweit, als der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 16.5.2013, Az. 8 C 14/12 folgend davon ausgegangen werde, dass für eine Untersagung bereits die - in diesem Fall zu bejahende - formelle Illegalität ausreiche. Eine offensichtliche Erlaubnisfähigkeit der Tätigkeit des Antragstellers sei ebenfalls hier nicht gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren M 16 K 14.4666 und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung; umgekehrt kommt dem öffentlichen Interesse am Vollzug regelmäßig der Vorrang zu, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache hingegen als offen, ist eine von der Vorausbeurteilung der Hauptsache unabhängige Folgenabwägung vorzunehmen, wobei auch die gesetzgeberische Entscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs mit zu berücksichtigen ist.
Nach diesen Maßstäben überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse des Antragstellers. Der Bescheid des Landratsamtes Dachau vom ... Oktober 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten; die hiergegen erhobene Anfechtungsklage hat daher nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keine Erfolgsaussichten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die auf § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV gestützte Untersagungsverfügung in Ziffer 1 des Bescheides ist nicht zu beanstanden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ihren Erlass liegen vor. Beim Einsatz des vom Antragsteller in seinen Geschäftsräumen aufgestellten Wettterminals handelt es sich um ein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV. Da der Gastraum grundsätzlich jedermann zugänglich ist, liegt öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 2 GlüStV vor, das nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet und vermittelt werden darf (§ 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der allgemeine Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV verfassungskonform und mit dem Unionsrecht vereinbar. Der Antragsteller befindet sich nicht im Besitz der entsprechenden Erlaubnis, so dass es sich bei dem Betrieb des Wettterminals um unerlaubtes Glücksspiel i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV handelt.
Weiter ist die Ermessensentscheidung des Landratsamts Dachau nicht mit Rechtsfehlern behaftet (§ 114 VwGO, Art. 40 BayVwVfG). Die formell illegale Tätigkeit des Antragstellers müsste bis zum Abschluss des Konzessionsverfahrens nach §§ 4 a ff. GlüStV nur dann geduldet werden, wenn sie die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllen würde und dies für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung offensichtlich, d. h. ohne weitere Prüfung erkennbar sein würde (vgl. BVerwG, Urteil v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - juris Rn. 54).
Vorliegend ergibt sich die fehlende materielle Erlaubnisfähigkeit nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GlüStV zum Betrieb eines Wettterminals bereits aus dem Umstand, dass der Sportwettanbieter, an den der Antragsteller Sportwetten vermittelt, nicht im Besitz einer inländischen Erlaubnis ist. Weiter widerspricht der Betrieb eines Sportwettautomaten innerhalb der Räumlichkeiten einer Gaststätte oder eines Cafés, in der den Gästen auch Geldspielgeräte zur Verfügung gestellt werden, dem Ziel, das Entstehen von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (§ 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV). Auch aus dem Rechtsgedanken des § 21 Abs. 2 GlüStV ergibt sich, dass die räumliche Verknüpfung einer mit Geldspielgeräten ausgestatteten Gaststätte mit einer Betriebsstätte für die Vermittlung von Sportwetten unerwünschte Anreize zur Förderung von Glücksspiel- und Wettsucht bietet. Zu weiteren Einzelheiten hinsichtlich der fehlenden Erlaubnisfähigkeit des Betriebs des Sportwettautomaten innerhalb der Räumlichkeiten des Cafés wird auf das Urteil der Kammer vom 17. März 2015 im Verfahren M 16 K 14.4670 Bezug genommen, das einen vergleichbaren Fall betrifft.
Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des BayVGH vom 6. Mai 2015, Az. 10 CS 14.2669, auf den der Antragsteller Bezug nimmt. Diese Entscheidung beruht insbesondere auf einem möglichen Ermessensfehlgebrauch, weil die dort streitgegenständliche Untersagungsverfügung unter Umständen zu Unrecht auf die Unzuverlässigkeit des Betreibers gestützt wurde; sie betrifft zudem keinen Fall wie hier, in dem die untersagte Tätigkeit aus weiteren materiell rechtlichen Gründen nicht erlaubnisfähig ist.
Auch war kein gleichermaßen effektives milderes Mittel ersichtlich, das zur Unterbindung der illegalen Sportwettvermittlung führen könnte. Auch ist nicht ersichtlich, dass das Landratsamt in willkürlicher Weise allein gegen den Antragsteller mit einer Untersagungsverfügung vorgegangen wäre. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass in vergleichbaren Fällen des Betriebs von Sportwettterminals in Gaststätten nicht ebenso entschieden würde.
Auch die zur Durchsetzung der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung gewährte Auslauffrist und der angedrohte unmittelbare Zwang unterliegen keinen rechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Quelle

s.a.:
VG München, Beschluss v. 08.06.2015 – 16 S 14.4669