Mittwoch, 20. Januar 2016

BGH: Verhandlungstermine am 2. Juni 2016 (Glücksspiel)

BGH: Verhandlungstermine am 2. Juni 2016, i. S. I ZR 203/12 und I ZR 241/12 (Glücksspiel)


Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle

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Nr. 015/2016 vom 20.01.2016

Verhandlungstermine am 2. Juni 2016, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 203/12 und I ZR 241/12 (Glücksspiel)


In den zur Verhandlung anstehenden Parallelverfahren hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über die Frage zu entscheiden, ob das Angebot von Glücksspielen und Sportwetten im Internet nach einer Neuregelung des Glückspielrechtes auch mit Blick auf das Unionsrecht als wettbewerbswidrig anzusehen ist. Gegenstand des Verfahrens I ZR 203/12 ist ferner die Frage, ob der in § 4 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrages 2008 (GlüStV 2008) und in § 4 Abs. 1 des 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrages (GlüStV 2012) niedergelegte allgemeine Erlaubnisvorbehalt für das Veranstalten von Glücksspielen sowie die praktische Umsetzung des seit Inkrafttreten des GlüStV 2012 geltenden Konzessionsmodells für Sportwetten mit dem Recht der Europäischen Union in Einklang zu bringen sind.

Die beklagten Gesellschaften bieten im Internet Sportwetten und teils auch Glücksspiele an.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 203/12, die mit behördlicher Erlaubnis auf dem Gebiet des Bundeslandes Sachsen-Anhalt Sportwetten veranstaltet, hält dieses Angebot für wettbewerbswidrig. Sie nimmt die beklagten Gesellschaften und ihre Geschäftsführer auf Unterlassung der Veranstaltung von Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis sowie auf Schadensersatz und Auskunftserteilung in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage mit den von der Klägerin zuletzt gestellten Anträgen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dass den Beklagten jedenfalls mit Blick auf eine fehlende behördliche Erlaubnis kein unlauteres Wettbewerbsverhalten entgegengehalten werden könne, weil der in § 4 Abs. 1 GlüStV 2008 niedergelegte allgemeine Erlaubnisvorbehalt für das Veranstalten von Glücksspielen mit dem Unionsrecht nicht zu vereinbaren sei. Auch unter der Geltung des GlüStV 2012 sei das Verhalten der Beklagten nicht wettbewerbswidrig, solange ihnen keine effektive Möglichkeit zur Erlangung einer entsprechenden Erlaubnis zur Verfügung stehe. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Im Verfahren I ZR 241/12 werden die Beklagten von der staatlichen Lottogesellschaft von Nordrhein-Westfalen auf Unterlassung der Veranstaltung und des Bewerbens von Sportwetten und Glücksspielen im Internet in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und einer auf Unterlassung der Bewerbung von Glücksspielen durch die Klägerin gerichteten Hilfswiderklage stattgegeben. Mit der vom Oberlandesgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelten die beklagten Gesellschaften bis zum 31. Dezember 2011 wettbewerbswidrig, soweit sie gegen die Vertriebs- und Werbeverbote für Glücksspiele im Internet gemäß § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag 2008 (GlüStV 2008) verstießen (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09 - Sportwetten im Internet II). Nach Rechtsänderungen stellt sich auch insoweit die Frage, ob das deutsche Glücksspielrecht noch mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist.

Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Verfahren I ZR 203/12 im Anschluss an das - inzwischen durch Rücknahme der Revision erledigte (vgl. Pressemitteilung Nr. 80/2015) - Verfahren I ZR 171/10 ausgesetzt, in dem er dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) vorgelegt hat (vgl. Pressemitteilung Nr. 12/2013).

Der Gerichtshof hat die Vorlagefragen dahin beantwortet, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen sei, dass er einer der Mehrheit der Gliedstaaten eines föderal strukturierten Mitgliedstaats gemeinsamen Regelung, die die Veranstaltung und die Vermittlung von Glücksspielen im Internet grundsätzlich verbietet, während ein einzelner Gliedstaat für einen begrenzten Zeitraum neben den restriktiven Rechtsvorschriften der übrigen Gliedstaaten bestehende weniger strenge Rechtsvorschriften beibehalten hat, dann nicht entgegensteht, wenn diese gemeinsame Regelung den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt. Ob dies der Fall sei, sei durch das das vorlegende Gericht zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - C-156/13).

Vorinstanzen:

I ZR 203/12

LG Magdeburg - Urteil vom 11. März 2011 - 36 O 235/07

OLG Naumburg - Urteil vom 27. September 2012 - 9 U 73/11

BGH - Beschluss vom 30. Oktober 2013 - I ZR 203/12

I ZR 241/12

LG Köln - Urteil vom 24. Juni 2010 - 31 O 504/09

OLG Köln - Urteil vom 30. November 2012 - 6 U 114/10

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501


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s.a.: Terminhinweis des Bundesgerichtshofs: Verhandlungstermin am 2. Juni 2016 (vorher: 12. November 2015) in Sachen I ZR 203/12 und I ZR 241/12 (Angebot von Glücksspielen im Internet)
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s.a.: BGH (KZR 25/14): Schadensersatzansprüche wegen eines Kartellrechtsverstoßes gg. Lottogesellschaft NRW

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Beschränkungen der Glücksspieltätigkeit nur dann mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar, wenn ihre Eignung, legitime Allgemeininteressen zu verfolgen, nicht durch Ausnahmen und Einschränkungen beseitigt wird (Kohärenzgebot).
Der Bundesgerichtshof hat allerdings zu prüfen, ob die in Rede stehende Regelung allen sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt.

Der BGH (Rs. III ZR 204/13) stellte am 16.04.2015 fest, dass das Sportwettenmonopol 2008, zumindest seit den Urteilen des EuGH vom 8. September 2010 zweifelsfrei unionsrechtswidrig war.
(Der BGH bestätigte insofern die EuGH Vorgaben s.u.)

BGH: Keine Wettbewerbswidrigkeit von Sportwett-, Lotterie- und Casinospielen während der Übergangszeit  (weiterlesen)

Bereits am 18. November 2010 entschied der BGH (I ZR 168/07) mit seiner Leitsatzentscheidung:

UWG § 4 Nr. 11; StGB §§ 284, 287

a) Vor dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 war es auch nicht wettbewerbswidrig, andere Wetten als Sportwetten (hier: Lotterien und Kasinospiele) ohne behördliche Erlaubnis anzubieten. 

b) Während der Übergangszeit im Zeitraum nach dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags am 1. Januar 2008 war das private Angebot von Sportwetten und anderen Wetten (hier: Lotterien und  Kasinospielen) ohne behördliche Erlaubnis nicht wettbewerbswidrig.
Direktlink zum Urteil

Am 8.9.2010 stellte der EuGH fest, dass die nationalen Regelungen für die Übergangszeit (28.3.2006 bis zum 1.1.2008) wie auch der GlüStV 2008 unionsrechtswidrig waren, und verbot ausdrücklich eine weitere Anwendung dieser Regelungen. Wie aus dem EuGH-Verfahren Ince hervorgeht, wurden die Behörden von den Innenministerien der Länder angewiesen, entgegen dieser verpflichtenden Rechtsvorgabe die Ausführungsgesetze der Länder weiter anzuwenden. Somit wurde den Behörden ein Verstoß gegen die Verträge (s. Art. 267 AEUV) vorgegeben. (vgl. EuGH C-581/14)
Pressemitteilung Nr: 78/10 des Europäischen Gerichtshofs zu den Urteilen vom 08.09.2010
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Auch mit dem Urteil (III ZR 333/13) bestätigt der BGH, dass über Weisungen den Aufsichtsbehörden jegliches Ermessen verboten wurde, wodurch diesen verwehrt war die Vorgaben des Unionsrechts (EuGH) einzuhalten. (pdf-download)

Dadurch wird der Grundrechtsschutz aufgehoben und der Grundrechtsträger rechtlos gestellt.

Indem die Behörden Recht ohne gesetzliche Grundlage anwenden, wird gegen das Grundgesetz und gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes des Unionsrechts verstoßen.

(vgl. EuGH Ince (C-336/14); Pfleger (C-390/12) ; BVerfG (1 BvR 223/05) (BvR 1682/07)) weiterlesen


Vielleicht bekommt der BGH für die obigen Verfahren, erneut Hilfestellung durch den EuGH, der, falls er dem Gutachten des Generalanwaltes folgen sollte, auch den 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrages (GlüStV 2012) für „zweifelsfrei unionsrechtswidrig“ einstufen, und für unanwendbar erklären wird.
(update: der EuGH hat am 4.2.16 in der Rs Ince die Rechtswidrigkeit des GlüStV 2012 festgestellt)

Nach Art. 4 Abs, 3 S. 3 EUV (Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit) sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das Unionsrecht, inbegriffen die Grundfreiheiten, zu wahren.
Ausnahmeregelungen fallen selbst in den Geltungsbereich des Unionsrechts. (Rs. Pfleger)
Pflicht zur Befolgung der Vorgaben eines übergeordneten Gerichts (Rs C-581/14)
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vgl. Strafverfahren gegen:
Sebat Ince
Domenico Politano
s.a.:
Glücksspielrecht seit 1999 rechtswidrig?
Kurt Beck´s Experiment ist gescheitert - das Regulierungschaos ist perfekt !

Verstoß gegen Verfassungsrecht:
Das Bundesverfassungsgericht (BvR 1682/07) hat am 1. Dezember 2010 zum Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), einstimmig beschlossen:
„Dazu gehöre, nicht durch Kostenbarrieren von der Verfolgung berechtigter Interessen und geschützter Positionen auf dem Rechtsweg abgehalten zu werden oder zu deren Durchsetzung aussichtslose und zugleich kostenträchtige Gerichtsverfahren führen zu müssen.“ (Rn 15)
Quelle: BvR 1682/07 vom 1. Dez. 2010


Kommentar zum EuGH, Urteil vom 12. 6. 2014 – C-156/13 Digibet & Albers (Auszug)

Keine abschließende unionsrechtliche Beurteilung des GlüStV
Der EuGH verweist ausdrücklich darauf, dass seitens des BGH keine Fragen zur Rechtfertigung gestellt wurden.
...... der EuGH zeigt mit Bezug zu seiner bisherigen Rechtsprechung auf, dass eine mitgliedstaatliche Maßnahme, wie im Ausgangsverfahren (Verbot der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet sowie die Werbung) eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV darstellt.
EuGH, 12. 6. 2014 – C-156/13, K&R 2014, 579, Rn. 21 – Digibet und Albers.

„Gefangen“ in den Vorlagefragen und dem tatschlichen Vorbringen hat der EuGH ausschließlich auf die horizontale Kohrenzproblematik Bezug genommen. Die Chance einer zeitnahen umfassenden unionsrechtlichen Beurteilung des GlüStV wurde nicht genutzt. Den Ausführungen des BGH zu seinen Bewertungen der Rechtmäßigkeit der deutschen Glücksspielregulierung muss wohl entnommen werden, dass dies auch so gewollt war.

Ungewöhnlich deutlich stellte der EuGH fest, dass der BGH keine Fragen vorgelegt hat, “die die Rechtfertigung der in Rede stehenden Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs betreffen”, und erteilte dem BGH nicht nur im Tenor der Entscheidung den klaren Handlungsauftrag, als zuständiges Gericht zu prüfen, ob die Regelungen des GlüStV den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügen.
EuGH, 12. 6. 2014 – C-156/13, K&R 2014, 579, Rn. 25 – Digibet und Albers

EuGH, 12. 6. 2014 – C-156/13, K&R 2014, 579, Tenor, Rn. 25, 39, 40, 41 – Digibet und Albers

In der Digibet-Entscheidung wiederholt der EuGH gebetsmühlenartig seine bisherige Rechtsprechung zu rechtfertigungsbedürftigen Eingriffen in Grundfreiheiten im Bereich des Glücksspielrechts unter Bezugnahme auf die Schutzniveauautonomie und die daraus resultierende Darlegungs- und Beweislast der Mitgliedstaaten, insbesondere zur Verhältnismäßigkeit und Kohärenz.

Glücksspielrechtliche Beschränkungen sind rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in Grundfreiheiten, wobei der Mitgliedstaat zunächst frei ist, sein Regulierungsmodell selbst zu wählen.
Insoweit greift der Schutz der nationalen Identität über Art. 4 Abs. 2 EUV, der allerdings seine Grenze in der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts gem. § 4 Abs. 3 EUV finden sollte.

Dieser Spielraum wird allerdings durch einen hohen Anspruch an die Darlegungs- und Beweislast der Handelnden relativiert, die entsprechenden Nachweise für die Verhältnismäßigkeit und damit auch der Kohärenz der regulatorischen Maßnahmen zu liefern.

Aus Kohärenzgesichtspunkten ist bisher kein den unionsrechtlichen Darlegungslasten entsprechender Nachweis vorgelegt worden, warum die erhebliche Differenzierung im Schutzniveau zwischen Online-Casino/Poker (Totalverbot) und Sportwetten (zahlenmäßig beschränktes Erlaubnismodell) gerechtfertigt sein soll.
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13.09.2013 Die Landesregierung habe den Vollzug vorerst ausgesetzt berichtet der Schwarzwälder-Bote. Es soll abgewartet werden wie der Staatsgerichtshof über die drei Verfassungsbeschwerden entscheidet!
"Da wird etwas beschlossen, von dessen Rechtmäßigkeit der Gesetzgeber fünf Monate später selbst nicht mehr überzeugt ist", sagte er. Das habe mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun.

Da ist dem städtischen Ordnungsamtsleiter Matthias Rehfuß beizupflichten!
Die Verwaltung darf nur gültige Gesetze anwenden!  weiterlesen

Gemeinsam ist den Grundrechten, dass sie primär den Staat verpflichten, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Exekutive, Legislative oder Judikative, Bund oder Land handelt. Keine Rolle spielt auch, ob der Staat unmittelbar oder mittelbar (etwa durch Selbstverwaltungskörperschaften), ob er privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich oder gar durch juristische Personen des Privatrechts tätig wird: stets ist die öffentliche Gewalt grundrechtsverpflichtet (Art. 1 Abs. 3 GG). Quelle: wikipedia

Der Gesetzgeber ist verpflichtet für eine unionskonforme Gesetzgebung (Art. 25 GG) zu sorgen, die den verfassungsrechtlichen Grundlagen (Art. 20/3 GG) entspricht.  (vgl. wikipedia)

Staatsrechtler halten auch den "neuen" Glücksspielstaatsvertrag für  verfassungswidrig!