Dienstag, 25. März 2014

EuGH: mündliche Verhandlung am 02.04.2014

In der RS C-156/13 Digibet und Albers möchte der BGH vom EuGH wissen, ob diese unterschiedliche Rechtslage das unionsrechtliche Kohärenzgebot verletzt. Er weist insoweit auf die Rechtsprechung des EuGH hin, dass Beschränkungen der Glücksspieltätigkeit nur dann mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar seien, wenn ihre Eignung, legitime Allgemeininteressen zu verfolgen, nicht durch Ausnahmen und Einschränkungen beseitigt werde.
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InfoCuria - Rechtsprechung des Gerichtshofs
Aktenzeichen = C-156/13

Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: Digibet Ltd, Gert Albers
Beklagte: Westdeutsche Lotterie GmbH & Co. OHG
Vorlagefragen
1.
Stellt es eine inkohärente Beschränkung des Glücksspielsektors dar,
wenn einerseits in einem als Bundesstaat verfassten Mitgliedstaat die Veranstaltung und die Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet nach dem in der überwiegenden Mehrheit der Bundesländer geltenden Recht grundsätzlich verboten ist und — ohne Rechtsanspruch — nur für Lotterien und Sportwetten ausnahmsweise erlaubt werden kann, um eine geeignete Alternative zum illegalen Glücksspielangebot bereitzustellen sowie dessen Entwicklung und Ausbreitung entgegenzuwirken,
wenn anderseits in einem Bundesland dieses Mitgliedstaats nach dem dort geltenden Recht unter näher bestimmten objektiven Voraussetzungen jedem Unionsbürger und jeder diesem gleichgestellten juristischen Person eine Genehmigung für den Vertrieb von Sportwetten im Internet erteilt werden muss und dadurch die Eignung der im übrigen Bundesgebiet geltenden Beschränkung des Glücksspielvertriebs im Internet zur Erreichung der mit ihr verfolgten legitimen Ziele des Allgemeinwohls beeinträchtigt werden kann?
2.
Kommt es für die Antwort auf die erste Frage darauf an, ob die abweichende Rechtslage in einem Bundesland die Eignung der in den anderen Bundesländern geltenden Beschränkungen des Glücksspiels zur Erreichung der mit ihnen verfolgten legitimen Ziele des Allgemeinwohls aufhebt oder erheblich beeinträchtigt?
Falls die erste Frage bejaht wird:
3.
Wird die Inkohärenz dadurch beseitigt, dass das Bundesland mit der abweichenden Regelung die in den übrigen Bundesländern geltenden Beschränkungen des Glücksspiels übernimmt, auch wenn die bisherigen, großzügigeren Regelungen des Internetglücksspiels in diesem Bundesland hinsichtlich der dort bereits erteilten Konzessionen noch für eine mehrjährige Übergangszeit fortgelten, weil diese Genehmigungen nicht oder nur gegen für das Bundesland schwer tragbare Entschädigungszahlungen widerrufen werden könnten?
4.
Kommt es für die Antwort auf die dritte Frage darauf an, ob während der mehrjährigen Übergangszeit die Eignung der in den übrigen Bundesländern geltenden Beschränkungen des Glücksspiels aufgehoben oder erheblich beeinträchtigt wird?

Quelle:  Amtsblatt der Europäischen Union

Bundesgerichtshof legt EuGH Fragen zur Neuregelung des Glücksspielrechts vor
Beschluss vom 24. Januar 2013 - I ZR 171/10 – digibet
Mitteilung der Pressestelle Nr. 012/2013 vom 24.01.2013
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Das Kohärenzgebot im Glücksspielsektor
von Taloss und Strass
Wirtschaftsrechtliche Blätter 27, 481±492 (2013)
(pdf-download) 

Kohärenz des deutschen Glücksspielrechts

Nach dem deutschen Glücksspielstaatsvertrag 2012 sind die Veranstaltung und die Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet grundsätzlich verboten. Nur für Lotterien und Sportwetten kann - ohne Rechtsanspruch - ausnahmsweise eine Erlaubnis erteilt werden. Anders als die übrigen 15 Bundesländer trat Schleswig-Holstein diesem Staatsvertrag zunächst nicht bei, sondern liberalisierte sein Glücksspielrecht zum 01.01.2012. Daher waren dort Vertrieb und Werbung für Glücksspiele im Internet grundsätzlich zulässig und unter bestimmten objektiven Voraussetzungen war die Genehmigung für den Vertrieb öffentlicher Wetten jedem Antragsteller aus der EU zu erteilen.

Der BGH möchte vom EUGH wissen, ob diese unterschiedliche Rechtslage das unionsrechtliche Kohärenzgebot verletzt. Er weist insoweit auf die Rechtsprechung des EuGH hin, dass Beschränkungen der Glücksspieltätigkeit nur dann mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar seien, wenn ihre Eignung, legitime Allgemeininteressen zu verfolgen, nicht durch Ausnahmen und Einschränkungen beseitigt werde. Der BGH möchte insbesondere wissen, ob eine Verletzung dieses Kohärenzgebots schon deshalb ausscheide, weil die Regelung des Glücksspielwesens in die Gesetzeskompetenz der Länder falle und die Möglichkeit unterschiedlicher Regelungen in den Bundesländern daher eine Folge der bundesstaatlichen Verfassung Deutschlands sei. Außerdem möchte er wissen, ob eine etwaige Inkohärenz dadurch beseitigt werde, dass Schleswig-Holstein dem Glückspielstaatsvertrag 2012 beitrete, auch wenn die bisherigen großzügigeren Regelungen für bereits erteilte Konzessionen noch während einer mehrjährigen Übergangszeit fortgälten, weil sie nicht oder nur gegen hohe Entschädigungen widerrufen werden könnten. Der BGH hat über die Revision des in Gibraltar ansässigen Glücksspiel- und Sportwettenanbieters Digibet und ihres Geschäftsführers zu entscheiden, nachdem die staatliche Lottogesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, die Westdeutsche Lotterie, die das Internetangebot von Digibet für wettbewerbswidrig hält, mit ihrer Unterlassungsklage in den beiden Vorinstanzen Erfolg hatte. Am 02.04.2014 findet die mündliche Verhandlung vor dem EuGH statt.