Dienstag, 6. August 2013

OLG Nürnberg: Mollath kommt sofort frei

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat am Dienstag entschieden, dass das Strafverfahren gegen Gustl Mollath wieder aufgenommen wird.
 
Der 56 Jahre alte Mollath sei sofort frei,
teilte das Gericht mit.


ZDF Morgenmagazin vom 07.08.2013 mit Dunja Hayali und Justizministerin Beate Merk (CSU) Video

Rechtsanwalt Dr. iur. h.c. Gerhard Strate:
Da es um Freiheitsrechte gehe, habe sein Senat den Eingang der Beschwerdebegründungen nicht mehr abgewartet und angesichts der Eindeutigkeit der Sachlage die Wiederaufnahme in dem Verfahren zugunsten Gustl Mollaths angeordnet.
Quelle:  Homepage von RA Strate (Dokumentation)
Klare Worte von Dr. Strate: Video


Der Vorsitzende der „Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger“, Jan Bockemühl bezeichnet die Ablehnung der Wiederaufnahmeanträge durch das LG Regensburg als „113 Seiten Unverschämtheit“, die in Teilen „der Wahrheit zuwider“ liefen. Man könne über so etwas nur den Kopf schütteln. weiterlesen

Die Vorgänge zeigen auf, wie weit vordemokratisches Denken und Verhalten in der Justiz noch verbreitet ist!

Prof. Dr. Henning Ernst Müller:
Zur Entscheidung des OLG Nürnberg und zu einigen offenen Fragen
Das Hauptargument – nämlich dass der BGH schließlich auch nicht das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses bemerkt habe (Bl. 267) – ist jedenfalls zurückzuweisen: Dieses Argument geht contra factum von einem „unfehlbaren“ BGH aus. Der BGH hat aber dieselben Akten vorliegen wie die StA Regensburg und hat offenbar nicht genau hingeschaut und deshalb das Verfahrenshindernis (wie alle Richter und Staatsanwälte vorher) „übersehen“.
Der Beschluss des LG Regensburg in der Detail-Kritik

Der Richter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe Ralf Eschelbach, schätzt in seinem Strafprozessrechtskommentar vom Mai 2011 die Quote aller Fehlurteile auf ein ganzes Viertel.
Karlsruher Lotterie - Am höchsten deutschen Strafgericht urteilen Richter ohne die Akten gelesen zu haben.


Unabhängig von dem Wideraufnahmeverfahren wurde durch den Generalbundesanwalt Harald Range dargelegt, dass Herr Mollath zu mindest seit dem Bamberger OLG-Beschluss vom August 2011 rechtswidrig festgehalten wurde. Es wurden die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die weitere Unterbringung  nicht erbracht.

update:
Entsprechend dem BVerfG-Beschluss vom 11. Juli 2013, darf eine Unterbringung nur dann angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist.  weiterlesen

Prof. Dr. Henning Ernst Müller:
........Auch ohne erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren hat es seither genug Gelegenheiten für Gerichte gegeben, den schwersten Grundrechtseingriff in einem Rechtsstaat zu beenden. weiterlesen

Es darf nicht unter den Teppich gekehrt werden, dass es sich damit um eine ungerechtfertigte Freiheitsentziehung handelte!  Es wurde gegen das Grundgesetz, die EU-Grundrechte-Charta und die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen (vgl. u.a. Art. 5 Abs. 1 EMRK; vgl. u.a. Art. 1, 2,2 GG) und die Grundsätze des effektiven, gerichtlichen Rechtsschutzes die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen nicht eingehalten. (vgl. u.a. Art. 6, 13 EMRK und Art. 47,48 der Charta Art. 48,1: Jeder Angeklagte gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als unschuldig; s.u.a. Winner-Wetten, Rn 58, Art. 20 Abs. 3 GG) Es gab zu keiner Zeit den Nachweis einer Schuld! Professor Müller: .....ich halte den Verdacht einer Rechtsbeugung nach wie vor für begründet.  Der Beschluss des LG Regensburg in der Detail-Kritik.
 

Florian Streibl (Freie Wähler): Der stellvertretende Vorsitzende des Mollath-Untersuchungsausschusses im bayerischen Landtag, Florian Streibl von den Freien Wählern, erklärte, nun sei der Weg geebnet, damit Mollath Gerechtigkeit widerfahre. "Darüber hinaus sollen die Verantwortlichen, die Gustl Mollath das angetan haben, zur Rechenschaft gezogen werden."

Oberlandesgericht Nürnberg

06. August 2013 - Pressemitteilung 12/13
 

Oberlandesgericht Nürnberg ordnet in der Sache Mollath die Wiederaufnahme des Verfahrens an

Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat heute die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Gustl Mollath beschlossen. Als Konsequenz dieser Entscheidung hat der Vorsitzende des Senats verfügt, dass Herr Mollath unverzüglich aus der Unterbringung zu entlassen ist.

Die Entscheidung des Senats

Mit seinem heutigen Beschluss hob der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg eine Entscheidung des Landgerichts Regensburg vom 24. Juli 2013 auf, mit der die Wiederaufnahmeanträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung als unzulässig verworfen worden waren. Gleichzeitig ordnete der Senat die Erneuerung der Hauptverhandlung an und verwies das Verfahren zur Durchführung der neuen Hauptverhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts Regensburg.

Der Senat stützt seine Entscheidung auf § 359 Nummer 1 der Strafprozessordnung (StPO). Danach ist die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens zulässig, wenn eine in der Hauptverhandlung zu Ungunsten des Verurteilten vorgebrachte Urkunde "unecht" ist. Unecht ist eine Urkunde dann, wenn sie auf einen Aussteller hinweist, von dem die Erklärung tatsächlich nicht stammt.

Als solche im juristischen Sinne "unechte Urkunde" wertet der Senat ein ärztliches Attest vom 3. Juni 2006. Dieses Attest wurde zwar von einem approbierten Arzt verfasst und ausgestellt, der zudem die zugrunde liegende Untersuchung persönlich durchgeführt hatte. Das Attest selbst nennt aber nur den Namen der Praxisinhaberin, so dass der Eindruck entstand, diese gebe ihre eigenen Feststellungen wieder. Durch übermäßige Vergrößerung der Urkunde könne zwar festgestellt werden, dass der Unterschrift ein Vertretungshinweis ("i.V.") beigefügt war. Auf dem Attest in Originalgröße sei dieser Zusatz aber weder für den Senat noch – soweit ersichtlich – für die Verfahrensbeteiligten im Ausgangsverfahren erkennbar gewesen.

Zwar ist es in verschiedenen Rechtsbereichen zulässig, dass der Vertreter eine von ihm ausgestellte Urkunde sogar mit dem Namen des Vertretenen unterschreibt, wenn dieser damit einverstanden ist. Dann muss nicht einmal auf die Vertretung hingewiesen werden. Anders sei dies – so der Senat –, wo nicht geschäftliche Erklärungen abgegeben werden, sondern jemand seine höchstpersönlichen Wahrnehmungen wiedergibt. Bei solchen Erklärungen könne es keine zulässige Stellvertretung geben. So liege der Fall hier. Das Attest sei daher im Sinne des § 359 Nr. 1 StPO "unecht".

Wegen der Bedeutung des Attests für die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung sei eine Auswirkung dieses Umstandes auf die Ausgangsentscheidung nicht auszuschließen.

Da schon dieser Wiederaufnahmegrund durchgreift, kam es auf andere in den Wiederaufnahmeanträgen genannte Gesichtspunkte nicht mehr an.

Der bisherige Verfahrensverlauf

Mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8.8.2006 wurde Herr Mollath, dem u.a. gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung mit Körperverletzung und Sachbeschädigungen zur Last gelegen hatten, zwar wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit freigesprochen. Jedoch ordnete das Gericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus an, weil es ihn – gestützt auf ein Sachverständigengutachten – aufgrund einer psychischen Erkrankung für gefährlich hielt.
Die hiergegen eingelegte Revision wurde vom Bundesgerichtshof als offensichtlich unbegründet verworfen. Das Urteil war damit rechtskräftig und wurde zuletzt im Bezirkskrankenhaus Bayreuth vollstreckt.

Im Februar bzw. März 2013 beantragten ein neuer Verteidiger des Untergebrachten und die Staatsanwaltschaft Regensburg bei dem hierfür zuständigen Landgericht Regensburg die Wiederaufnahme des Verfahrens. Eine zweite Verteidigerin schloss sich diesen Anträgen im Juli 2013 an.

Mit Beschluss vom 24. Juli 2013 wurden die Wiederaufnahmeanträge der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft von der 7. Strafkammer des Landgerichts Regensburg als unzulässig verworfen. Hiergegen legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidiger Beschwerde ein.

Die Rechtsfolgen

Mit der Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens ist die Rechtskraft des Urteils aus dem Jahr 2006 entfallen und damit auch die Grundlage der Vollstreckung. Infolgedessen war der Untergebrachte unverzüglich zu entlassen.

Im Rahmen der erneuerten Hauptverhandlung wird nunmehr eine andere Kammer des Landgerichts Regensburg neu über die damaligen Anklagevorwürfe zu entscheiden haben. Sollten sich diese bestätigen, wäre auch zu prüfen, ob die seinerzeit angenommene Gefährlichkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung tatsächlich besteht.

(Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 6.8.2013, 1 Ws 354/13 WA)

§ 359 Nr. 1 StPO im Wortlaut:
"Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig,
1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
2. "

Dr. Michael Hammer
Richter am Oberlandesgericht
Justizpressesprecher
(Quelle)



Pressespiegel:

LTO:
Gustl Mollath kommt frei, weil im Ausgangsverfahren gegen ihn eine unechte Urkunde zu seinen Ungunsten als echt behandelt wurde. Die Tücken der Unterschrift
Mollath-Beschluss des OLG Nürnberg auch für Freiberufler interessant
Weiter zum vollständigen Artikel ...

TAZ: Die Wiederaufnahme wurde mit einem Nebenaspekt begründet: einem Attest, das vom falschen Arzt stammte. Die Rechtsbeugungsvorwürfe gegen das Landgericht Nürnberg bleiben damit offen und ungeklärt. 
Weiter zum vollständigen Artikel ...


FAZ:
Das OLG Nürnberg korrigierte damit eine Entscheidung des Landgerichts Regensburg, das vor knapp zwei Wochen die Wiederaufnahme des Prozesses gegen Mollath als unzulässig abgelehnt hatte.
Weiter zum vollständigen Artikel ...


SPON:
Bayerischer Justizskandal: Gustl Mollath kommt frei
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Mollaths Verteidiger Gerd Strate hatten Wiederaufnahmeanträge gestellt. Das Landgericht Regensburg hatte diese Anträge jedoch am 24. Juli abgelehnt. Strate und die Staatsanwaltschaft legten Beschwerde beim OLG Nürnberg ein - mit Erfolg, wie sich nun zeigt.

In der Causa Mollath war die Ministerin selbst stark unter Druck geraten. Im Abschlussbericht für den Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags erhob die Opposition schwere Vorwürfe. Die Regierungsfraktionen hingegen konnten kein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Fehlverhalten von staatlicher Seite erkennen.
Weiter zum vollständigen Artikel ...

FOCUS:
Spektakuläres Urteil des OLG Nürnberg
Mollath ist vorerst frei – Diese fünf offenen Fragen bleiben
Weiter zum vollständigen Artikel ...
Der Verteidiger des nach sieben Jahren Psychiatrie freigekommenen Gustl Mollath, Gerhard Strate, sieht mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg „den Rechtsstaat in Bayern wiederhergestellt“.
Weiter zum vollständigen Artikel ...


Prof. Dr. Henning Ernst Müller:

Das OLG Nürnberg hat heute die hier kommentierte Entscheidung des LG Regensburg aufgehoben und die Wiederaufnahmeanträge für begründet erklärt (Pressemitteilung). Die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung selbst muss eine andere Kammer des LG Regensburg durchführen. Herr Mollath kommt sofort frei! In den Entscheidungsgründen wird v.a. auf den Wiederaufnahmegrund "unechte Urkunde" (§ 359 Nr.1 StPO) abgestellt. Dabei argumentiert der Senat ähnlich wie ich im unten stehenden Kommentar.
Weiter zum vollständigen Artikel ...

Bild.de: Verfahrensfehler, Gutachten
Am 8. August 2006 wurde vor dem Nürnberger Landgericht das Urteil gegen Gustl Mollath verkündet.
2006 wurde er als gemeingefährlich in die Psychiatrie eingewiesen – obwohl ihm nie etwas nachgewiesen werden konnte. Im ersten Satz der Urteils-Begründung heißt es: „Der Angeklagte schlug am 12.08.2004 seine Ehefrau, von der er inzwischen geschieden ist, grundlos mehrfach auf den gesamten Körper, würgte sie bis zur Bewusstlosigkeit und trat sie mit den Füßen.“
Die Staatsanwaltschaft stützt sich dabei auf die Aussage von Mollaths Frau – und auf das Attest einer Ärztin. Dieses – so stellt sich später heraus – wurde erst Monate nach der vermeintlichen Tat vom Sohn der Ärztin ausgestellt.

Es ist nur einer von zahlreichen Verfahrensfehlern. Aber mit genau diesem begründet sieben Jahre später das Nürnberger Landgericht die Freilassung von Gustl Mollath.
Weiter zum vollständigen Artikel ...

Wenn die Urteilsbegründung stimmen würde, dann muss man sich schon fragen, warum sich Frau Mollath wegen der "schweren" Verletzungen nicht unverzüglich in der Notaufnahme eines Krankenhauses gründlich untersuchen und behandeln ließ. Welcher vernünftig denkende Mensch kann glauben, dass Frau Mollath nach der angeblichen “Mißhandlung“ (würgen bis zur Bewustlosigkeit etc.) Monate wartet und sich lediglich ein Attest ausschreiben lässt, von dem in der Praxis dann niemand etwas wusste? "Die frühere Bankerin betätigt sich mittlerweile als Geistheilerin in Nürnberg." Das sagt viel über die Glaubwürdigkeit des vermeintlichen Opfers.

Prof. Dr. Fischer sagte zu einem anderen Thema:
"Der Bürger hat am Ende die Strafjustiz, die er sich gefallen lässt"
Quelle

TAZ:  Strafrechtler über den Fall Mollath
„Fehler müssen zugegeben werden“

Die Justiz muss lernen, offener mit Fehlern umzugehen. Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht. Damit müssen wir leben. Wenn Fehler aber nicht zugegeben werden, kann man auch nicht aus ihnen lernen. Im Fall Mollath hat sich die Justiz viel zu lange hinter der Rechtskraft alter Urteile verschanzt und eine Wiederaufnahme blockiert. Wie man gesehen hat, kann ein derart schlechtes Fehlermanagement am Ende eine massive Vertrauenskrise der Justiz verursachen.
Weiter zum vollständigen Artikel ...

LTO: OLG Nürnberg ordnet Wiederaufnahme und Entlassung an
Anders als noch das Landgericht (LG) Regensburg wertete das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg ein ärztliches Attest, auf das die Verurteilung und die Unterbringung Mollaths gestützt worden waren, als "unechte" Urkunde.
Zudem sei bei höchstpersönlichen Erklärungen, wie den Feststellungen auf dem Attest, eine Stellvertretung ohnehin nicht zulässig.
Weiter zum vollständigen Artikel ...

Prof. Dr. Henning Ernst Müller:
es ist tatsächlich völlig unrealistisch anzunehmen, dass die unechte Urkunde faktisch ganz allein die Wiederaufnahme dieses Verfahrens bewirkt hat. Selbstverständlich hat das OLG Nürnberg den Fall in seiner Gesamtheit betrachtet, d.h. die unerträgliche Anzahl von Verfahrensfehlern, Sachverhaltsumdichtungen, richterlichen Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen und wahrscheinlich auch die schwachen psychiatrischen Gutachten haben sehr wohl eine (ich denke insgesamt entscheidende) Rolle gespielt. Ein ansonsten korrektes Verfahren mit nachvollziehbarem Ergebnis, in dem lediglich ein unechtes ärztliches Zeugnis vorgelegen hätte, wäre niemals wiederaufgenommen worden. Das OLG hat aber - rechtlich dem Effizienzgebot entsprechend - eben diesen einen rechtlich ausreichenden Grund bejaht und sich damit eben erspart, zu den anderen Gründen explizit  Stellung nehmen zu müssen.

Es ist auch unrealistisch anzunehmen, ohne öffentlichen Druck (Presse, TV, Rundfunk, Internet) auf die Politik (und darüber auf die Staatsanwaltschaft) wäre das Verfahren so weit gekommen. Das bedeutet nicht, dass sich das OLG Nürnberg konkret hat beeinflussen lassen. Und wenn schon: Niemand ist bei juristischen Entscheidungen frei von äußeren Einflüssen. Ich glaube aber, dass hinter der Entscheidung aus Nürnberg eben die (nüchterne) richterliche Erkenntnis steht, dass das völlig hanebüchene Urteil von 2006 einfach nicht rechtskräftig bleiben kann, zumal es auch noch eine unverhältnismäßig lange Unterbringungsdauer zur Folge hatte.

"Eine Stellvertretung scheitert nicht am Praxisstempel oder am Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines "i.V.". Wenn es um Rezepte, wenn es um Bestellungen, wenn es um Abrechnungen geht, könnten die Überlegungen des LG Regensburg zutreffen - denn dabei handelt es sich um rechtsgeschäftliche Erklärungen, bei denen man sich vertreten lassen kann. Bei einem Attest ist es anders, denn da geht es darum, eine Zeugenaussage (ggf. vor Gericht) zu ersetzen. Und diese ist stets personengebunden. Wenn Herr R. die Patientin untersucht hat und ihre Verletzungen bezeugen kann, dann hätte er dies in einem Attest tun müssen, aus dem er als Aussteller hervorgeht - also zumindest sein Name auftaucht. Es wäre dann OK gewesen, wenn er zusätzlich noch den Briefkopf/Stempel seienr Mutter benutzt, wenn jedenfalls er als Aussteller erkennbar gewesen wäre. Eine Stellvertretung ("i.V.") für seine Mutter war in diesem Fall definitiv nicht zulässig (und m.E. auch nicht gewollt), denn diese hatte doch die Patientin gar nicht gesehen und konnte auch nichts bezeugen! Für die Wiederaufnahme unerheblich ist, warum er das so ausgefüllt hat."

Fehldiagnose Rechtsstaat: Die ungezählten Psychiatrieopfer
Eva Schwenk
Tag täglich wird tausendfach gefoltert - unter dem Vorwand eines "medizinischen Eingriffs". Und die deutsche Justiz genehmigt dies sogar noch!
Frau Schwenk ist eine der wenigen Menschen mit Rückrad, die bereit sind, das Tabuthema Menschenrechtsverletzungen in Deutschland öffentlich zu machen.
weiterlesen

update: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde im „Fall Mollath“
Die in den Beschlüssen des Jahres 2011 aufgeführten Gründe genügen nicht, um die Fortdauer der Unterbringung zu rechtfertigen.
Die Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG). BVerfG (2 BvR 371/12)

Richterverein kritisiert Politiker
Vorsitzender bemängelt im Interview ihr Einmischen in die Causa

Gustl Mollath ist frei – und in der Richterschaft rumort es. Vielen Richtern im Freistaat ist der politische Einfluss in dieser Causa einfach zu groß gewesen. Der Vorsitzende des Bayerischen Richtervereins fordert jetzt Konsequenzen.
Weiter zum vollständigen Artikel ...

Mit der Behauptung, dass der politische Einfluss zu groß gewesen ist, bestätigt der Richterverein dass es die nach dem Gewaltenteilungsprinzip und im Art. 92 ff GG verankerte Unabhängigkeit der Justiz gerade nicht gibt!

Muß es erst einen Fall Mollath geben, dass auch der Vorsitzende des Bayerischen Richtervereins erkennt, wer bestimmt, wer Richter wird und wer als Richter befördert wird.

Wer kann mit erklären, wieso der Bayerischen Richterverein erst jetzt die Unabhängigkeit von der Exekutive fordert, wenn diese seit über 60 Jahren im Grundgesetz verankert ist und von Anfang an gewährleistet sein müsste?

Hat der Fall Mollath der bayerischen Justiz somit geschadet?

Groß: Die Art und Weise wie die Diskussion geführt worden ist, von einem Einzelfall ausgehend, verallgemeinernd und pauschalierend, hat Schaden hinterlassen.
Weiter zum vollständigen Artikel ...

Lesen Sie bitte auch die Kommentare dazu

Bereits in seiner Pressemitteilung vom 30.11.2012 hielt der Bayerische Richterverein die derzeitige Verfahrensweise für ausreichend. 
weiterlesen

Kommentar dazu

Es ist bedauerlich, dass Herr Groß es versäumt hat, den ersten Schritt zu machen, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, indem er das macht, was man als Bürger erwarten kann und darf, dass die Justiz bzw. ihre Vertreter Fehler in bestimmten Fällen - wie hier - offen und klar eingestehen. Die Bürger wissen, das Richter Menschen und damit fehlbar sind.
Man gewinnt aber kein Vertrauen zurück, wenn man die Kritiker der Justiz kristisiert statt Fehler der Justiz als Vertreter der Richter einzugestehen, wenn man sich - wie Herr Gross - schon öffentlich zu einem Fall äußert.
Es existiert übrigens auch eine Pressemitteilung des Bayerischen Richtervereins, Verein der Richter und Staatsanwälte in Bayern, vom 30.11.2012. Darin heißt es, es sei „völlig unangebracht“, den Vorwurf zu erheben, es sei Rechtsbeugung oder Freiheitsberaubung im Amt verübt worden.

Bemerkenswert ist insoweit, dass es auch und insbesondere (frühere) deutsche Richter und / oder Staatsanwälte waren, die von Rechtsbeugung oder Freiheitsberaubung sprachen oder schrieben:

- In dem Entwurf des Wiederaufnahmeantrags führte der Staatsanwalt Meindl bekanntlich auf 54 Seiten insgesamt fünf Rechtsbeugungen auf und ließ, so berichtete die Süddeutsche Zeitung, keinen Zweifel daran, dass er von diesen überzeugt sei,

- Der frühere Richter und Staatsanwalt in Bayern Prof. Dr. Heribert Prantl sagte, das fragliche Urteil trage den Stempel der Rechtsbeugung,

- Und es war auch der frühere Richter und Staatsanwalt Prof. Dr. Heribert Prantl, der den Vorwurf der „Freiheitsberaubung“ erhob,

- Die ehemalige Oberstaatsanwältin Gabrielle Wolff schrieb: wenn das keine Rechtsbeugung ist, dann gibt es keine. 
Quelle: LTO

Das Justizministerium und der Bayerischer Richterverein haben immer wieder darauf hingewiesen, das Urteil sei vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt worden. Wie wenig aussagekräftig das Qualitätssiegel "höchstrichterlich geprüft" ist, wird jedoch am tatsächlichen Umfang der Prüfung im Fall Mollath deutlich
(Beschl. v. 13.02.2007, Az. 1 StR 6/07).
Weiter zum vollständigen Artikel ...

Es war ein Urteil, das diesen Namen nicht verdient, weil Grundregeln der Juristerei missachtet wurden - nicht einmal Ansätze einer Beweiswürdigung finden sich darin. Trotzdem wurde es vom BGH durchgewunken!


2007-02-13 Der BGH verwirft die Revision von Gustl Mollath als unbegründet und stellt fest dass: "die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat". Rn 91
Weiter zum vollständigen Artikel ...

Für alle beteiligten Richter galt:
Der Richter ist bei seiner Entscheidungsfindung an Recht und Gesetz gebunden. Für Deutschland ergibt sich dies aus Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG.
Nach Art. 92 GG ist die rechtsprechende Gewalt in Deutschland (ausschließlich) den Richtern anvertraut.
Quelle: wikipedia

"Der Richtereid" verpflichtet den Richter nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen.
(§ 38 Deutsches Richtergesetzweiterlesen

“Ein Richter, der vorsätzlich ein geltendes Gesetz nicht anwendet, weil er ein anderes Ergebnis für gerechter, für politisch opportuner oder aus anderen Gründen für zweckmäßiger hält, erfüllt den Tatbestand der Rechtsbeugung.”

Einmal gesetztes Unrecht, das offenbar gegen konstituierende Grundsätze des Rechtes verstößt, wird nicht dadurch zu Recht, daß es angewendet und befolgt wird.

Zu den fundamentalen Rechtsprinzipien gehört das Willkürverbot, das heute in Art. 3 Abs. 1 GG und teilweise auch in Art. 3 Abs. 3 GG seinen positiv-rechtlichen Ausdruck gefunden hat.  weiterlesen

Der Staat hat es im Laufe der Jahre fertig gebracht, sich als Institution geradezu perfekt gegen den Bürger zu schützen, indem Beamtenschaft und Justiz das Grundgesetz bedarfsweise außer Kraft gesetzt haben. weiterlesen

Der BGH soll Fehler unterer Instanzen erkennen und berichtigen. Am höchsten deutschen Strafgericht (BGH) urteilen Richter ohne die Akten gelesen zu haben. Lebenslang vom Hörensagen? 
Der Richter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe Ralf Eschelbach, schätzt in seinem Strafprozessrechtskommentar vom Mai 2011 die Quote aller Fehlurteile auf ein ganzes Viertel. Unter Rechtskontrolle haben wir uns mehr vorgestellt.

Im Art. 3 Abs. 1 des Bonner Grundgesetzes steht:
 ”Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.”

Und in der Grundrechtecharta der Europäischen Union vom 01.12.2009 heißt es im Art. 20 verbindlich: ”Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich.”

Etwas ausführlicher noch klingt es im Art. 7 UN – Resolution 217 a vom 10.12.1948, dort heißt es bis heute ebenfalls verbindlich: ”Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung.” weiterlesen

Freiheit, grundgesetzlich garantiert und doch nicht gewährt... weiterlesen

s.a.
EuGH vom 28. Mai 2013 (C-239/12) zur Rehabilitierung
Stigmatisierung der Betroffenen gibt Rechtsschutzinteresse

Jeder Mitgliedstaat ist für die Durchführung (fristgerechte Umsetzung, Konformität und ordnungsgemäße Anwendung) des Unionsrechts im Rahmen seiner innerstaatlichen Rechtsordnung verantwortlich. (vgl. Rstriktive Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „psychische Störung“ durch den EGMR)

Artikel 25 GG
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes. Quelle

§ 244 Abs. 2 StPO Amtsermittlungsgrundsatz
Der Amtsermittlungsgrundsatz (auch Untersuchungsgrundsatz, Inquisitionsmaxime) begründet die Verpflichtung der Gerichte und Behörden, den Sachverhalt, der einer Entscheidung zugrunde liegt, von Amts wegen zu untersuchen (Prinzip der materiellen Wahrheit). weiterlesen

§ 839a BGB
Haftung des gerichtlichen Sachverständigen


(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.

(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.
Quelle


§ 839 BGB
Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Quelle


Zusammengestellt von Volker Stiny