Montag, 10. Mai 2010

VG München: Auch 50 Cent Spiele sind strafbar !

update: 8. September 2010 EU-Gericht kippt Glücksspiel-Monopol
update vom 11.12.2011: Mit dem Urteil (I ZR 93/10) vom 28.09.2011 hält der BGH auch zufallslastige 50-Cent Gewinnspiele für zulässig und stellt unter der Rn.: 66 fest: "Teilnahmeentgelte von höchstens 0,50 € sind glücksspielrechtlich unerheblich"

Urteilssammlung weiter unten


VG München,
Urteil v. 03.03.2010 - Az.: M 22 K 09.4793
Ein auf einer Internetplattform angebotenes Spiel, bei dem die Teilnehmer mit einem Einsatz von 50 Cent auf den Ausgang von Fußballbundesligaspielen wetten, verstößt gegen den GlüStV. Bei den Online-Wetten handelt es sich um unerlaubtes Glücksspiel. Jeder Einsatz - egal welcher Höhe - verstößt gegen den Glücksspielstaatsvertrag.

Leitsätze:

1. Da die Amtliche Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag eine via Mehrwertdienst erfolgende Teilnahme an einem Spiel als „entgeltliche Teilnahmemöglichkeit“ bezeichnet, kann der in der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV verwendete Begriff des „Entgelts“ nicht im Sinne des - von der strafgerichtlichen Rechtsprechung zur Beschreibung eines Glücksspiels i.S.v. § 284 StGB entwickelten - Begriffs des „Einsatzes“ ausgelegt werden.

2. Da nach der Amtlichen Begründung zum Zehnten Rundfunk- änderungsstaatsvertrag durch die Einfügung des § 8a RStV die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages der Länder unberührt bleiben sollen, kann § 8a RStV nicht diejenigen Gewinnspiele legalisieren, die als Glücksspiele vom Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages erfasst werden.

STA München, Beschluss v. 09.12.2009 - Az.: 385 Js 43144/08
Auch der Spieleinsatz von 50 Cent bei einer Online-Gewinnspiel-Auktion stellt ein unerlaubtes Glücksspiel dar. Es liegt daher ein Verstoß gegen die glücksspielrechtlichen Vorschriften vor.
Die bisherige Diskussion über das Bestehen eines (un-) erheblichen Mindesteinsatzes müsse aufgrund der Neuregelung des Glücksspiel-Staatsvertrages als überholt angesehen werden. Der bisherige strafrechtliche Begriff des Einsatzes werde durch die Neuregelung des Glücksspiel-Staatsvertrages abgeändert.
Danach sei jeder Einsatz - egal in welcher Höhe - ein Verstoß.

Nach dieser Rechtsauffassung wären Call-In-Spiele entsprechend den Regeln der Gewinnspielsatzung / § 8a RStV unzulässig ! Die Gewinnspielsatzung selbst, wäre demnach rechtswidrig, da sie einen Rechtsbruch geradezu vorschreibt.

Gemäß § 8a, 58 Abs. 4 RStV sind Ausnahmen für Rundfunk und Fernsehen möglich, wodurch auch zufallslastige schnelle Telefongewinnspiele mit Mehrwertdiensten (50 ct Call-In Spiele) möglich sind.

Aus dem Aufsatz zur Rechtskonformität rundfunkrechtlicher Gewinnspielregelungen vom 07.01.2010, zur Entscheidung des BayVGH, geht hervor, dass die in § 8 a RStV normierten Anforderungen an Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele gesetzliche Ausgestaltungen der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) darstellen und keine Eingriffsgesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG. mehr

Die in § 8a RStV geregelten Glücksspiele wurden wegen der allgemein in der Rechtsprechung verbreiteten Auffassung eines unerheblichen Einsatzes auf 50 Cent festgelegt und sollten eben deshalb nicht unter den § 284 StGB fallen.

TV-Gewinnspiele als Glücksspiel?
Symposium 2009 der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim vom 24. September 2009

Glücksspiele im Rundfunk und im Internet eingeschränkt zulässig?

Noch am 14.09.2009 entschied die Staatsanwaltschaft München I in der Verfügung (Az. 460 Js 306886/07) der Strafanzeige gegen einen Hörfunksender wegen Veranstalten unerlaubten Glücksspiels (§ 284 StGB) gemäß § 152 Abs. 2 StPO keine Folge zu gegeben. Die Veranstaltung des gegenständlichen und vergleichbarer Gewinnspiele erfüllt nicht den Tatbestand des § 284 StGB, da die von den Teilnehmern für jeden Anruf zu zahlende Telefongebühr von 0,50 Euro noch nicht einmal das übliche Briefporto übersteigt, so dass der für eine Anwendbarkeit von § 284 StGB erforderliche "erhebliche Einsatz" nicht gegeben ist.
Ähnlich das AG Starnberg vom 18.11.2009 s.u.

Über das Urteil des VG Mü. vom 03.03.2010 und die Änderung der Rechtsanwendung durch die Staatsanwaltschaft äußert sich RA Bahr in seinem Aufsatz: "Sind 50 Cent-Gewinnspiele nach dem Glücksspiel-Staatsvertrag verboten? ......, dass der Glücksspiel-Staatsvertrag bei dieser Form der Interpretation klar verfassungswidrig ist.
Er verletzt nämlich die Rechte des Bundes.
Nach Art. 74 Abs.1 Nr. 11, 72 Abs.1 GG steht ausschließlich dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für Gewinnspiele zu. Diese Gesetzgebungskompetenz würde der Landesgesetzgeber mit dem Glücksspiel-Staatsvertrag unterlaufen, wenn er quasi durch die Hintertür jedes zufallsbezogene Gewinnspiel mit einem entgeltlichen Einsatz verbieten würde".

Auch die Kanzlei Hambach hat sich in dem Beitrag "50-Cent-Gewinnspiele: Im TV erlaubt – im Internet verboten?" eingehend mit dem Vorwurf des strafbaren Glücksspiels bei Veranstaltung einer 50-Cent-Tombola beschäftigt. weiter

"In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (EuGH, Urteil vom 10. März 2009, Hartlauer, C‑169/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 55).
Es kommt also weiterhin darauf an, ob eine tatsächliche Ausrichtung an den formulierten Gemeinwohlzielen festzustellen ist. Anders als in Portugal, stützten sich die Landesgesetzgeber jedoch nicht primär auf Gesichtspunkte der Kriminalitätsbekämpfung, sondern solcher der Suchtbekämpfung. Dass diese Ziele auch staatlicherseits nicht ernsthaft verfolgt werden, verdeutlichen die zahlreichen Verstöße der staatlichen Monopolbetreiber gegen die zur Suchtbekämpfung etablierten Werbebeschränkungen." so Dr. Robert Kazemi

Nur was hat die neuerliche Rechtsprechung dann noch mit den Vorgaben das EuGH und des Bundesverfassungsgericht zu tun, wenn sich praktisch an der im Beschluß vom 10.11.2008 beschriebenen Situation bis heute nichts (u.a. Minutenlotterie "Quicky") geändert hat?

Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 10.11.2008
Az.: 1 BvR 2783/06
1. Der Sofortvollzug einer Untersagungsverfügung gegenüber einem privaten Vermittler von Sportwetten ist rechtswidrig, so lange das Land selbst sich nicht um die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Sportwetten-Urteil bemüht.
2. Dies erfordert z.B. dass auch das staatliche bzw. staatlich konzessionierte Glücksspiel-Angebot nicht über eine sachliche Information hinaus beworben wird. Eine entsprechende Verfügung an das staatlich konzessionierte Unternehmen, die ihrerseits erst des Vollzugs bedarf, ist hierzu nicht ausreichend.

Ich darf noch auf weitere Entscheidungen hinweisen:

EuGH, Urteil vom 08.09.2010
C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07, C-410/07, C-46/08, C-409/06

Europäischer Gerichtshof kippt deutsches Sportwettenmonopol
Deutsche Regelung begrenzt Glücksspiele nicht in wirksamer und systematischer Weise
Das deutsche Glücksspielmonopol ist unwirksam und ab sofort ungültig.
Mit dem im Rahmen der Organisation von Sportwetten und Lotterien in Deutschland errichteten staatlichen Monopol wird das Ziel der Bekämpfung der mit Glücksspielen verbundenen Gefahren nicht in kohärenter und systematischer Weise verfolgt. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.

Monopol darf nicht weiter angewandt werden
Im Übrigen weist der Gerichtshof darauf hin, dass die dieses Monopol betreffende nationale Regelung, die gegen die Grundfreiheiten der Union verstößt, auch während der Zeit, die erforderlich ist, um sie mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen, nicht weiter angewandt werden darf.


EuGH, Urteil vom 03.06.2010
Az.: C-258/08 (Ladbrokes) und AzC-203/08 (Betfair)
Zunächst stellt das Gericht in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) durch die Etablierung staatlicher Glücksspielmonopole fest. Weiterhin nicht überraschend können derartige Beschränkungen nach Ansicht des EuGH aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein (Urteil C-258/08, Rz. 17).
Zum Leidwesen der Mitgliedstaaten und vor allem auch der deutschen Monopolisten hält der Gerichtshof jedoch in erfreulicher Deutlichkeit an dem – vor deutschen Gerichten in der Vergangenheit oftmals sträflich vernachlässigtem – Kohärenzerfordernis einer derartigen auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beruhenden Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit fest.

In diesem Zusammenhang ist es Sache des nationalen Gerichts zu überprüfen, ob nationale Regelungen, die den Glücksspielmonopolisten erlaubt, ihr Angebot auf dem Markt durch die Einführung neuer Glücksspiele und durch Werbung attraktiver zu machen, tatsächlich geeignet ist, die Ziele der Betrugs- und Suchtbekämpfung zu verfolgen.
Ob das Glücksspielmonopol "bestehen bleiben" kann ist daher aktuell weder für die Niederlande, noch für die Bundesrepublik entschieden. Vielmehr sind die nationalen Gerichte nunmehr gehalten, das tatsächliche Werbe und Marktverhalten der staatlichen Glücksspielanbieter genauer unter die Lupe zu nehmen. Der bloße Verweis auf die hehren Ziele des Gesetzgebers reicht hierfür jedenfalls nicht aus. Bezogen auf die Deutsche Rechtslage wird dabei auch zu berücksichtigen sein, dass die nationalen Aufsichtsbehörden in der Vergangenheit kaum gegenüber der ausufernden Werbe- und Vertriebspraxis der staatlichen Monopolisten eingeschritten sind. Hier wurden und werden vielmehr nach wie vor die Augen verschlossen. Allein den Aktivitäten der privaten Glücksspielunternehmer ist es zu verdanken, dass auch den Monopolisten zeitweilen auf wettbewerbsrechtlicher Ebene Einhalt geboten wurde. Allein die gerichtlich als Verstoß gegen den GlüStV bereits positiv festgestellten Verhaltensweisen der staatlichen Glücksspielunternehmen finden sich indes auch in den Werberichtlinien der Länder, was belegt, dass eine eigenständige Überprüfung der Werbemaßnahmen der Monopolunternehmen nicht stattfindet. Auch die vehementen und fortwährenden zivilgerichtlich festgestellten Verstöße gegen die Werbebeschränkungen des GlüStV haben bislang nicht dazu geführt, dass die Aufsichtsbehörden Zweifel an der Zuverlässigkeit der staatlichen Monopolisten und/oder ihrer Führungsgremien geäußert oder gar Maßnahmen gegen diese ergriffen hätten. Bezogen auf die Rechtslage in der Bundesrepublik kann daher eine "wirksame Kontrolle" kaum angenommen werden. Viele der monopolseitig ein- und fortgeführten Glücksspiele (allen voran das immer wieder auf den Plan gerufene Superding und die stets neuen und anlassbezogenen Sofortloslotterien wie das "Osterkörbchen" oder der "Rubbellos-Adventskalender) lassen darüber hinaus erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass die in Deutschland zu verzeichnende Expansion einen Umfang einhält, der mit dem Ziel der Eindämmung der Spielsucht noch vereinbar ist. Quelle: Rechtsanwalt Dr. Robert Kazemi zur Pressemitteilung

EuGH, Urteil vom 06.03.2007
Az.: C-338/04; C-359/04; C-360/04 (Placanica)
1. Eine nationale Regelung, die die Ausübung von Tätigkeiten des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, ohne eine von dem betreffenden Mitgliedstaat erteilte Konzession oder polizeiliche Genehmigung verbietet, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. 43 EG und 49 EG dar.
2. Es ist Sache der vorlegenden Gerichte, zu prüfen, ob die nationale Regelung, soweit sie die Anzahl der im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer begrenzt, tatsächlich dem Ziel entspricht, der Ausbeutung von Tätigkeiten in diesem Sektor zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen.
3. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Wirtschaftsteilnehmer mit der Rechtsform von Kapitalgesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, vom Glücksspielsektor ausschließt und darüber hinaus im Sinne eines solchen Ausschlusses fortwirkt.
4. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen, die für Personen wie die Beschuldigten der Ausgangsverfahren eine strafrechtliche Sanktion wegen Sammelns von Wetten ohne die nach dem nationalen Recht erforderliche Konzession oder polizeiliche Genehmigung vorsieht, dann entgegenstehen, wenn sich diese Personen diese Konzessionen oder Genehmigungen deshalb nicht beschaffen konnten, weil der betreffende Mitgliedstaat es unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt hatte, sie ihnen zu erteilen.

EuGH, Urteil v. 18.10.2007
Az.: C-195/06 Eine Fernsehsendung bzw. ein Teil einer Sendung, in der oder dem den Zuschauern vom Fernsehveranstalter die Möglichkeit angeboten wird, sich durch die unmittelbare Anwahl von Mehrwert-Telefonnummern und damit entgeltlich an einem Gewinnspiel zu beteiligen, ist dann Teleshopping, wenn die Sendung bzw. dieser Teil der Sendung unter Berücksichtigung des Zwecks der Sendung, in der das Spiel stattfindet, der Bedeutung des Spiels innerhalb der Sendung - bezogen auf die Zeit, die erhofften wirtschaftlichen Ergebnisse im Verhältnis zu den von der Sendung insgesamt erwarteten Ergebnissen - sowie der Ausrichtung der den Kandidaten gestellten Fragen ein tatsächliches Dienstleistungsangebot ist; ist Fernsehwerbung, wenn das Spiel aufgrund seines Ziels und seines Inhalts sowie der Bedingungen, unter denen die Gewinne präsentiert werden, eine Äußerung enthält, die einen Anreiz für die Zuschauer schaffen soll, die als Gewinne präsentierten Waren und Dienstleistungen zu erwerben, oder die die Vorzüge der Programme des betreffenden Veranstalters mittelbar in Form der Eigenwerbung bewerben soll.

EuGH, Urteil v. 06.11.2003
Az.: C-243/01 (Gambelli) Leitsatz:
1. Eine nationale Regelung, die - strafbewehrte - Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, via Internet enthält, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Artikeln 43 EG und 49 EG dar, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine Konzession oder Genehmigung erteilt.
2. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob eine solche Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 15. April 2009
2 BvR 1496/05
Entscheidung über Verfassungsbeschwerden gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen Rn. 33 f. – juris, BVerfGK 15, 330) - (vgl. S. 5).
Darin hatte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich einen staatlichen Strafanspruch verneint, wenn der strafbewehrte Ausschluss privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten wegen des rechtswidrigen Staatsmonopols verfassungswidrig ist. (vgl. S. 5)

Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 20.03.2009
Az.: 1 BvR 2410/08
Eine verfassungsrechtliche Überprüfung der vollen Kohärenz wurde gerade noch nicht vorgenommen und ist einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. So ist durch die erkennenden Gerichte in jedem Fall die volle Kohärenz des Auftritts der Monopolbetriebe zu prüfen. (Rn.14, 29,46; zugleich BA S. 7,11, 13, 14). Hervorzuheben ist der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab. Das Bundesverfassungsgericht hebt für die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht auf die bloße Beseitigung des Regelungsdefizits ab. Maßstab ist vielmehr die "vollständige Konsistenz der rechtlichen und tatsächlichen Monopolausgestaltung" (Rn. 24- BA S. 10). Nach dem Bundesverfassungsgericht darf die Ausgestaltung des staatlichen Monopols also auch in tatsächlicher Hinsicht keine grundlegenden Defizite mehr aufweisen (Rn. 24 und 44 – BA S. 13 unten unter bb). Pressemitteilung

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.10.2008
Az.: 1 BvR 928/08
Hier wird erneut betont, unter welchen engen Bedingungen ein Glücksspielmonopol zulässig ist um verfassungskonform zu sein.
Unter der Rn 10 geht das BverfG auf die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) ein und bestätigt: “ Der Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG kommt in Betracht, wenn ein Akt der öffentlichen Gewalt die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter begrenzt, ...(vgl. BVerfGE 30, 292 <334>; 84, 133 <157>; 85, 360 <383>).”
Rn 15
Über die Voraussetzungen der für das Jahr 2008 befristeten Übergangsfrist
Rn 15/16/17
Wird auf die Grundrechtseinschränkung gem. Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) hingewiesen. (vgl. BVerfGE 7, 377 <378>).
Rn 25
Zwar finden sich in den §§ 33c ff. der Gewerbeordnung (GewO) Regelungen zu Spielgeräten sowie anderen Spielen mit Gewinnmöglichkeiten. § 33h GewO stellt jedoch klar, dass diese Vorschriften auf die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen grundsätzlich nicht anwendbar sind.
Rn 16/26/39/47 Werbeverbot
Die in § 5 Abs. 1 bis 4 GlüStV enthaltenen Vorschriften über die Werbung für Glücksspiele einschließlich des in Absatz 3 normierten Verbots der Fernseh-, Internet- und Telefonwerbung. Dies gilt sowohl hinsichtlich der in § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüStV enthaltenen Bezugnahmen auf die “Ziele des § 1” als auch mit Blick auf das Verbot der “auffordernden, anreizenden oder ermunternden” Werbung sowie der Internetwerbung in § 5 Abs. 2 Satz 1 bzw. Abs. 3 GlüStV. Aus der Zielsetzung des Staatsvertrags, dem sachlichen Zusammenhang der Vorschriften mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 115, 276 <314,>) sowie den Materialien zu dem Staatsvertrag lassen sich Zweck und Inhalt ausreichend ermitteln und objektive Kriterien gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden und Gerichte ausschließen (vgl. BVerfGE 21, 73 <80>).
Die in § 5 Abs. 1 bis 4 GlüStV normierten Werbeverbote und Werbebeschränkungen sind ebenfalls erforderlich, um die mit dem Staatsvertrag angestrebten Ziele - namentlich die Verhinderung und Bekämpfung der Glücksspielsucht - zu erreichen. Nach Einschätzung der Landesgesetzgeber ist die Spielleidenschaft zwar an sich unerwünscht, aber nicht völlig zu verhindern. Allerdings kann durch das Verbot unangemessener und unsachlicher Werbung, die zur Teilnahme am Glücksspiel auffordert, anreizt oder ermuntert und damit die Glücksspielsucht fördert, einer Ausweitung der Spielleidenschaft entgegengewirkt werden. Alternativen zu den Werbeverboten sind nicht ersichtlich, zumal es widersprüchlich wäre, zunächst appellative Formen der Werbung zuzulassen, um anschließend die hierdurch geförderte Spielleidenschaft der Bevölkerung begrenzen zu wollen.
Rn 40/48 Internetverbot
Das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ist geeignet, problematisches Spielverhalten einzudämmen. Das Spielen per Internet ist durch ein hohes Maß an Bequemlichkeit sowie durch eine zeitlich unbeschränkte Verfügbarkeit des Angebots gekennzeichnet. Hinzu kommt ein im Vergleich zur Abgabe des Lottoscheins in der Annahmestelle höherer Abstraktionsgrad, der geeignet ist, das virtuelle Glücksspiel in der Wahrnehmung des Spielers aus seinem Bedeutungszusammenhang herauszulösen und insbesondere die Tatsache des Einsatzes - und möglichen Verlustes von Geld - in den Hintergrund treten zu lassen. Die Möglichkeiten des Internet-Glücksspiels zu beschneiden, bedeutet, die Umstände der Teilnahme für den Einzelnen zu erschweren und ihm den Vorgang des Spielens bewusster zu machen. Hierdurch kann einem Abgleiten in problematisches Spielverhalten entgegen gewirkt werden. Hinzu kommt, dass nach wie vor erhebliche Bedenken bestehen, ob sich bei einer Teilnahme an Glücksspielen per Internet der im Rahmen der Suchtprävention besonders wichtige Jugendschutz effektiv verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 115, 276 <315>). Auch zur Vermeidung derartiger Präventionslücken ist das Internetverbot das geeignete Mittel.
Auch hinsichtlich der Erforderlichkeit des Verbots der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ergeben sich keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist nicht ersichtlich, welche alternativen Maßnahmen in Betracht kämen, um den spezifischen Gefährdungen des Glücksspiels bei der Nutzung dieses Mediums wirksam zu begegnen. Wie bereits angesprochen, können im Internet die Spielverträge bequem und rund um die Uhr von zuhause aus abgeschlossen werden. Die hiermit einhergehenden Effekte der Gewöhnung und Verharmlosung sind systemimmanent, weshalb sie auch nicht durch Beschränkungen oder Auflagen ausgeglichen werden können. Ebenfalls nicht anderweitig zu lösen sind die spezifischen Gefährdungen jugendlicher Spieler.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 21.01.2008
Az.: 1 BvR 2320/00
Ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist.

Bundesverfassungsgericht, Urteil v. 28.03.2006
Az.: 1 BvR 1054/01
Ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist. Nach Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts können weder die fiskalischen Interessen des Staates noch eine gemeinnützige Verwendung der Einnahmen legitime Ziele für eine Einschränkung der Berufsfreiheit nach Art. 12 des Grundgesetzes sein.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 27.04.2005
Az.: 1 BvR 223/05
Gegenstand des Beschlusses ist die Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) durch die Außerachtlassung gemeinschaftsrechtlich begründeter subjektiver Rechte der Veranstalter und Vermittler von Sportwetten im Rahmen von verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren.
Nachweis konkreter Gefahren für das Gemeinwohl erforderlich 
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit von Untersagungsbescheiden ist nur zulässig, wenn im Einzelfall konkrete Gefahren für das Gemeinwohl gegeben sind. Allgemeine Behauptungen zu Gefahren des unerlaubten Glücksspiels begründen kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27.04.2005 reichen die abstrakten Gefahren des Glücksspiels gerade nicht aus, um die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen.
Quelle: Rechtsgutachten Prof. Widmaier, S. 40ff

Hinsichtlich der Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten in EU-Ausland stellte das Bundesverfassungsgericht in besagtem Beschluß fest, daß
„angesichts der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Gambelli .[…] und ihrer Rezeption in Rechtsprechung und Literatur […] erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB […] nicht ohne Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen werden könnten.“ (a.a.O. S. 13)
Weiter heißt es in dem Beschluß:
„Angesichts dieser Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs könnte im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren die Konformität der deutschen Rechtslage mit Gemeinschaftsrecht kaum ohne eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof festgestellt werden. Sie kann daher auch nicht bei der Bewertung des besonderen Vollzugsinteresses in verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren als ausreichend sicher behandelt werden.“  (Rn. 33 und 35).

BGH, Urteil v. 02.12.2009
Der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat mit Urteil vom 02. Dezember 2009, auf die Revision eines in den ersten beiden Instanzen ein zuvor erlassenes (rechtsfehlerhaftes) Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 28. April 2006 aufgehoben und die wettbewerbsrechtliche Klage der Lotteriegesellschaft in NRW gegen das Sportwettvermittlungsunternehmen und deren Geschäftsführung in Köln zurückgewiesen. (Az: BGH I ZR 91/06).

Das Sportwettvermittlungsunternehmen mit Sitz in Köln vermittelte zum Zeitpunkt der Klageerhebung Sportwetten in einer Wettannahmestelle in Köln an ein in Österreich ansässiges Wettveranstaltungsunternehmen. Die Lotteriegesellschaft nahm die Klägerin wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung in Anspruch und warf der Sportwettvermittlungsagentur und deren Geschäftsführung vor, gegen § 284 StGB zu verstoßen.

Sowohl das Landgericht Köln als auch das Oberlandesgericht Köln hatten zunächst der Klage der Lotteriegesellschaft stattgegeben. Diese Entscheidungen sind nun durch das höchste deutsche Zivilgericht aufgehoben worden. Der Bundesgerichtshof hat beide Entscheidungen kassiert und festgestellt, dass der Klägerin des Verfahrens gegen das Sportwettvermittlungsunternehmen gerade kein Anspruch auf Unterlassung nach den §§ 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 284 Abs. 1 und 4 StGB, § 1 Sportwettengesetz NRW, § 3 Abs. 2 Glücksspielstaatsvertrag AG NRW zustehe.

Dabei stellt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung auf den Zeitpunkt ab, zu dem der Unterlassungsanspruch erstmals geltend gemacht wurde. Dies war im vorliegenden Fall im März 2005 in der Annahmestelle in Köln.

Der Bundesgerichtshof führt zutreffend aus, dass im Zeitpunkt der Vornahme der vermeintlichen Verletzungshandlung in Nordrhein Westfalen die dort geltenden gesetzlichen Regelungen über die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen gegen nationales Verfassungsrecht und auch gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen haben. Das damalig in Nordrhein-Westfalen und den anderen deutschen Bundesländern errichtete staatliche Wettmonopol habe in seiner gesetzlichen wie auch tatsächlichen Ausgestaltung in dem im Streitfall maßgeblichen Zeitraum unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit privater Wettanbieter eingegriffen und sei deshalb mit Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar. Zugleich habe darin eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gelegen, worauf der Bundesgerichtshof ebenfalls unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausdrücklich verweist.

Dies gelte nicht nur für die Rechtslage in Bayern, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28.03.2006 für verfassungswidrig erklärt habe, sondern naturgemäß auch für die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen.

Liege ein verfassungswidriger Zustand vor, könne auch § 284 StGB nicht angewandt werden, wobei der Bundesgerichtshof auf eine vom Strafsenat des BGH im Jahre 2007 in einem Strafverfahren dargestellte Auffassung verweist. In dem damaligen Strafverfahren hatte der Unterzeichner einen Sportwettvermittlungsunternehmer aus Saarbrücken aufgrund eines gegen ihn durchgeführten Strafverfahrens vertreten. Der Strafsenat des Bundesgerichtshofes hatte damalig ausgeführt, dass sich der Wettvermittler nicht nur auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen könne, sondern aufgrund der verfassungswidrigen Rechtslage auch eine objektive Anwendbarkeit der Strafnorm nicht gegeben sei.

Insgesamt ist damit festzuhalten, dass es in Deutschland als höchstrichterlich geklärt anzusehen ist, dass für den Zeitraum bis zum 28.03.2006 weder ein strafbares Verhalten noch ein wettbewerbswidriges Verhalten bei der Annahme und Vermittlung von Sportwetten an Unternehmen innerhalb der europäischen Gemeinschaft, die über entsprechende Konzessionen verfügen, gegeben war.

Bemerkenswert ist im Übrigen an der Entscheidung des Bundesgerichtshofes besonders, dass dieser nicht nur auf die verfassungswidrige gesetzliche Ausgestaltung des Wettmonopols abgestellt hat, sondern insbesondere auch hervorhebt, dass die tatsächliche Ausgestaltung des Wettmonopols verfassungs- und gemeinschaftswidrig gewesen sei.

Dies ist deshalb umso bedeutsamer, als eine Vielzahl deutscher Verwaltungsgerichte nach wie vor die Auffassung vertritt, auf die tatsächliche Ausgestaltung komme es nicht entscheidend an. Allein maßgeblich sei die gesetzliche Ausgestaltung. Diese Einschätzung wird z.B. durch den Bayrischen Verwaltungsgerichtshof vertreten. Sowohl das Bundesverfassungsgericht selbst als auch nunmehr der Zivilsenat des Bundesgerichtshofes weisen allerdings darauf hin, dass es maßgeblich auch auf die tatsächliche Ausgestaltung ankommt, so dass Gerichte anhand der hier gemachten Vorgaben höchster deutscher Gerichte selbstverständlich zu überprüfen haben, wie sich die tatsächliche Ausgestaltung des Wettmonopols darstellt. Dabei sind insbesondere Werbemaßnahmen, Vertriebssysteme, Anzahl der Lottoannahmestellen und Marketing-Maßnahmen in den Blick zu nehmen und zu untersuchen, was indes von zahlreichen Verwaltungsgerichten schlicht nicht konkret untersucht wird.

Nachdem nicht nur das Bundesverfassungsgericht, sondern auch der Zivilsenat des Bundesgerichtshofes auf den vorbeschriebenen Prüfungsmaßstab verwiesen hat, ist zu hoffen, dass zukünftig auch sämtliche deutschen Verwaltungs-, Straf- und Zivilgerichte diesem Prüfungsmaßstäben gerecht werden. Betrachtet man insgesamt den Auftritt der Lotteriegesellschaften inklusive der Werbe- und Marketingmaßnahmen zum heutigen Zeitpunkt, so wird man nach unserer Einschätzung auch jetzt zu der Schlussfolgerung kommen müssen, dass weiterhin bzw. erneut eine verfassungs- und gemeinschaftswidrige Rechtslage besteht. 17.06.2010 Quelle: RA Bongers

BGH Urteil v. 16.08.2007 - Az.: 4 StR 62/07
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Juli 2006 wird verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Das Landgericht hat die Frage, ob das strafbewehrte Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis gemäß § 284 StGB gegen europäisches Gemeinschaftsrecht oder deutsches Verfassungsrecht verstößt, ausdrücklich offen gelassen. Es hat die objektive Strafbarkeit unterstellt, ist jedoch - unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes - von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum im Sinne des § 17 Satz 1 StGB ausgegangen.

Das freisprechende Urteil hält jedoch der rechtlichen Nachprüfung deshalb stand, weil die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich bei seiner Betätigung in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 Satz 1 StGB) befunden und sei deshalb straflos, im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist.

Im Ergebnis ist der Senat vielmehr der Auffassung, dass das Risiko der extrem unklaren Rechtslage, wie sie hier durch die Verwaltung und die Rechtsprechung geschaffen worden ist, nicht einseitig dem Normadressaten aufgebürdet werden darf (so auch OLG Stuttgart NJW 2006, 2422).

Das verlangt hier bei der Beurteilung der subjektiven Tatseite umso mehr Beachtung, als selbst das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27. April 2005 (1 BvR 223/05 - NVwZ 2005, 1303 m. Anm. Ennuschat DVBl 2005, 1288 und Dietlein, WRP 2005, 1001) - insbesondere unter europarechtlichen Gesichtspunkten - einer Verfassungsbeschwerde gegen eine auf die angenommene Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB gestützte Untersagung der Vermittlung von Sportwetten stattgegeben und dazu ausgeführt hat, zwar liege eine Untersagung strafbaren Verhaltens durch Verwaltungsakt regelmäßig in öffentlichem Interesse, das setze jedoch voraus, dass die Strafbarkeit des in Rede stehenden Verhaltens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne. Gerade das hat das Bundesverfassungsgericht dort aber verneint.

Hiervon ausgehend, hat das Landgericht für den zweiten Tatzeitraum einen unvermeidbaren Verbotsirrtum schon deshalb zu Recht angenommen, weil der Angeklagte zuvor bei einem auf das Recht der Sportwetten spezialisierten Rechtsanwalt um Rechtsrat nachgesucht und dieser ihm zur Weiterführung seines Betriebes geraten hatte.

Bei dieser Sachlage genügt der Umstand, dass der Angeklagte im Tatzeitraum trotz der Durchsuchungsmaßnahmen den Betrieb der Annahmestelle für Sportwetten fortsetzte, hier nicht, um einen schuldhaften Verstoß anzunehmen.

Der Senat stützt seine Rechtsauffassung auf folgende Überlegungen:
a) Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Sportwettenurteil vom 28. März 2006 (BVerfG aaO) für die Rechtslage in Bayern entschieden, dass das dortige staatliche Wettmonopol in seiner gegenwärtigen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung und der dadurch begründete Ausschluss privater Vermittlung von Sportwetten "vor dem Hintergrund des § 284 StGB" einen unverhältnismäßigen und deshalb "nach Maßgabe der Gründe" mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbaren Eingriff in die Berufsfreiheit der an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Personen darstellt (BVerfG aaO Rdn. 79, 119).

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem staatlichen Wettmonopol legitime Gemeinwohlziele zugrunde liegen - namentlich die Bekämpfung der Spiel- und Wettleidenschaft sowie der Verbraucherschutz - und der Gesetzgeber auch von dessen Geeignetheit und Erforderlichkeit zur Bekämpfung dieser Ziele ausgehen durfte.
Jedoch ist danach ein solches Monopol verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn es in seiner konkreten gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung konsequent an seinem legitimen Hauptzweck ausgerichtet ist, nämlich an der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht (BVerfG aaO Rdn. 97 ff zu den Gemeinwohlzielen, Rdn. 111 ff zur Geeignetheit, Rdn. 115 ff zur Erforderlichkeit). Dagegen scheiden fiskalische Interessen des Staates als solche zur Rechtfertigung der Errichtung eines Wettmonopols aus (BVerfG aaO Rdn. 107). An einer solchen konsequenten Ausrichtung der Regelung des Sportwettenrechts an den legitimen Gemeinwohlzielen fehlte es in Bayern:

Weder das bayerische Staatslotteriegesetz noch die Vorschrift des § 284 StGB oder die Regelungen im Lotteriestaatsvertrag gewährleisteten - so das Bundesverfassungsgericht -, dass das Spannungsverhältnis zwischen den legitimen Zielen des staatlichen Wettmonopols und den fiskalischen Interessen des Staates, der durch das eigene Wettangebot erhebliche Einnahmen erziele, nicht zugunsten letzterer aufgelöst werde und der Staat sich damit nicht in Widerspruch zu den legitimen Zielen der Monopolisierung setze.

Das der Strafvorschrift des § 284 StGB zu entnehmende repressive Verbot ungenehmigten Glücksspiels beseitige das verwaltungsrechtliche Defizit einer konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Suchtgefahren ausgerichteten Gesamtregelung nicht.

Dieses Regelungsdefizit spiegelte sich nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts auch in der tatsächlichen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols in Bayern wider, indem der Vertrieb der Sportwette Oddset dem Erscheinungsbild der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung entsprach (BVerfG aaO Rdn. 125).

Dies würde nach Auffassung des Senats zur Nichtanwendbarkeit des § 284 StGB auf das Verhalten des Angeklagten führen, was zu beurteilen das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich der Entscheidung der Strafgerichte zugewiesen hat (BVerfG aaO Rdn. 159; zur Straflosigkeit wie hier OLG München NJW 2006, 3588, 3592; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 5. Juli 2007 - 1 Ws 61/07 Rdn. [nach Juris] 6 ff.; ebenso Horn JZ 2006, 789, 793; Widmaier in Gutachten "Strafrechtliche Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006", abrufbar unter www.vewu.com, zit. bei Dietlein K&R 2006, 307, 308).

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht das (bayerische) Staatslotteriegesetz nicht für nichtig erklärt (BVerfG aaO Rdn. 146), was wegen der Verwaltungsakzessorietät des § 284 StGB auch eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift ausgeschlossen hätte.

Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht es als "nach Maßgabe der Gründe mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar" erklärt, dass nach dem Staatslotteriegesetz Sportwetten nur staatlicherseits veranstaltet und nur derartige Wetten gewerblich vermittelt werden dürfen, "ohne das Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten".

Auch wenn danach die in der Entscheidungsformel enthaltene Unvereinbarkeitserklärung des Bundesverfassungsgerichts nicht die Strafvorschrift des § 284 StGB unmittelbar betrifft, diese Strafvorschrift als solche vielmehr verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. BVerfG aaO Rdn. 116 ff. zum Schutzzweck der Norm vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 67 und BGHSt 11, 209, 210; auch Senat NStZ 2003, 372, 374), schränkt die Entscheidung "nach Maßgabe der Gründe" - insoweit grundlegend anders als in dem der Entscheidung BGHSt 47, 138 zu Grunde liegenden Sachverhalt (vgl. dazu OLG München aaO S. 3592) - auch deren Anwendungsbereich ein.

Denn das durch § 284 StGB begründete strafrechtliche Verbot der Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels ist Teil der Gesamtregelung, die zumindest in der Vergangenheit das den verfassungswidrigen, mit Art. 12 GG unvereinbaren Eingriff in die Berufsfreiheit begründende staatliche Wettmonopol ausmachte (BVerfG aaO Rdn. 79, 119; ebenso für das europäische Gemeinschaftsrecht EuGH in der "Gambelli"-Entscheidung aaO Rdn. 57, 72 sowie in der "Placanica"-Entscheidung vom 6. März 2007, EuZW 2007, 209 ff Rdn. 72). Dieser Zustand würde aber aufrecht erhalten, wäre die Strafvorschrift auch auf abgeschlossene Sachverhalte wie hier weiterhin uneingeschränkt anwendbar.

Dass die Frage der Strafbarkeit nicht losgelöst von der verfassungsrechtlichen Beurteilung der landesrechtlichen Gesamtregelung des Sportwettenrechts zu beantworten ist, folgt aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 284 Rdn. 14 m.N.).

VG Stuttgart, Beschluss vom 19. Mai 2010, Az. 4 K 1562/10
Verwaltungsgericht Stuttgart gewährt angesichts europarechtlicher und verfassungsrechtlicher Bedenken gegen den Glücksspielstaatsvertrag weiter Vollstreckungsschutz
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat einem Sportwettenvermittler Vollstreckungsschutz gegen eine Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe gewährt (Beschluss vom 19. Mai 2010, Az. 4 K 1562/10). Der von der Kanzlei ARENDTS ANWÄLTE vertretene Vermittler kann damit weiter Verträge über Sportwetten an den in Österreich staatlich zugelassenen Buchmacher vermitteln, ohne ein Zwangsgeld zahlen zu müssen.
In der Entscheidung verweist das Verwaltungsgericht auf seine durchgreifenden europarechtlichen Bedenken hinsichtlich den in Deutschland bestehenden Sportwettenmonopols, wegen der das Gericht mehrere Verfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt hatte. Auch nach dem Liga Portugesa-Urteil des EuGH seien die Anforderungen an Verhältnismäßigkeit und Kohärenz weiter offen. Gegen „die aktuelle nationale Rechtslage und Verwaltungspraxis“ bestünden auch unter Berücksichtigung der Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts vom 4. März 2010 weiterhin „erhebliche gemeinschaftsrechtliche Bedenken“.
Im Übrigen äußert das Verwaltungsgericht Stuttgart durchgreifende verfassungsrechtliche Zweifel. Das Gericht verweist hierzu auf die massive Bewerbung des staatlichen Angebots und die „wohl nicht stringente Einhaltung des Verbots einer Werbung für staatliche Sportwetten mit Aufforderungscharakter“. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken würden von einer „beachtlichen Anzahl von Verwaltungsgerichten“ geteilt (VG Freiburg, VG Karlsruhe, VG Minden, VG Neustadt an der Weinstraße, VG Arnsberg, VG Frankfurt am Main, VG Mainz, VG Berlin, VG Braunschweig, VG Hamburg, OVG Rheinland-Pfalz).
Eine rechtliche Klärung werden voraussichtlich die Urteile des EuGH zu den Ende letzten Jahres verhandelten deutschen Sportwetten-Vorlagen bringen. Urteile der EuGH zu zwei Sportwetten-Vorlageverfahren aus den Niederlanden (Rechtssachen Betfair und Ladbrokes) werden bereits am 3. Juni 2010 verkündet werden. Quelle: wettrecht.blogspot.com

VG Minden, Beschluss v. 17.03.2010, Az: 3 L 63/10
Das Gericht sieht erhebliche rechtliche Bedenken an dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen 2008 und dem Gesetz des Landes NRW. "Nationale Regelungen, die - wie das in Frage stehende Sportwettenmonopol - die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Art. 43 und 49 EG) beschränken, sind nur unter vier Voraussetzungen zulässig: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist."
Nach dem Verwaltungsgericht Minden müssen alle Glücksspiele in die Betrachtung einbezogen werden. Eine sektorale Betrachtungsweise würde den Grundsatz der kohärenten und systematischen Bekämpfung der Spielsucht ins Leere laufen lassen. Das Gericht verweist ausführlich auf die entsprechenden EuGH Beschlüsse.

VG Arnsberg, Beschluss v. 10.03.2010, Az.: 1 L 37/10
Das Gericht geht weiterhin davon aus, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV verstoße gegen das europäische Recht der Dienstleistungsfreiheit.
Denn "das legitime Ziel der Suchtbekämpfung" würde nicht durch "die für das Land Nordrhein-Westfalen maßgebliche rechtliche Ausgestaltung des Glücksspielwesens den Vorgaben des Kohärenzgebotes" gerecht werden (S. 8). Dies bedeutet, dass demnach das Vermitteln von Sportwetten, das Anbieten von Automatenspielen sowie Pferdewetten rechtlich gleich behandelt werden müsste.
Nach alledem geht richtiger Weise das Verwaltungsgericht Arnsberg entgegen den Schlussanträgen des Generalanwalts Mengozzi vom 04.03.2010 davon aus, dass das nationalstaatliche Glücksspielwesen als Ganzes zu betrachten sei (S. 5 des Beschlusses). Es lehnt somit eine sektorale Betrachtungsweise, also allein die Prüfung des Sportwettensektors in Deutschland, ab.
Abschließend ist festzustellen, dass das Verwaltungsgericht Arnsberg die vom Generalanwalt Mengozzi zugewiesene Aufgabe der Beurteilung der nationalen Gesetzgebung wahrnehmen und dem Glücksspielstaatsvertrag insbesondere mangels Notwendigkeit eines nationalstaatlichen Sportwettenmonopols eine Absage erteilt.

VG Maulbronn, Beschluss v. 16.03.2010, Az.: 1 Cs 83 Js 15781/09
Mit rechtskräftigem Urteil vom 16. März 2010 (Az.: 1 Cs 83 Js 15781/09) hat das Amtsgericht Maulbronn (Baden-Württemberg) in einem durch die Bielefelder Kanzlei KARTAL Rechtsanwälte geführten Strafverfahren einen privaten Sportwettenvermittler freigesprochen.
Das Gericht hat zu Gunsten des Sportwettenvermittlers einen sog. unvermeidbaren Verbotsirrtum angenommen. Das Gericht führt in der Urteilbegründung aus, dass hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten eine "unklare Rechtslage" vorliegt. Sowohl in der straf- als auch in der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung sei sowohl zum Tatzeitpunkt am 04.01.2010 als auch zum heutigen Zeitpunkt keine einheitliche Rechtsauffassung zu erkennen.
Das Gericht geht davon aus, dass schließlich dem Angeklagten ein normgemäßes Verhalten nicht zumutbar gewesen wäre, da bereits das Verbot der Fortführung des Betriebes des Sportwettenvermittlers einen nicht nur unerheblichen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und Berufsfreiheit dargestellt hat und der Angeklagte somit ohne Schuld gehandelt hat.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hat auf Rechtsmittel verzichtet, so dass das Urteil rechtskräftig ist. Quelle RA Kartal

LG Bremen, Beschluss v. 16.02.2010
Die zweite Strafkammer hat in dem Verfahren die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bremen gegen ein zuvor bereits zugunsten eines Sportwettvermittlers ergangenen Beschlusses des Amtsgerichts Bremen als unbegründet verworfen.
Das Landgericht Bremen lässt in seiner Entscheidung offen, ob die Vermittlung von Sportwetten an ein in Malta ansässiges Wettveranstaltungsunternehmen "objektiv" strafbar ist oder nicht. Jedenfalls könne sich der Betreiber einer Wettannahmestelle für Sportwetten auch für den Zeitraum nach dem 01.01.2008 mindestens auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen. Die Frage der Strafbarkeit gem. § 284 StGB könne nicht unabhängig von der Frage beantwortet werden, ob die jeweilige landesrechtliche Gesamtregelung des Sportwettenrechts verfassungsrechtlich zulässig ist oder nicht. Das gleiche gelte für einen Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Das Landgericht Bremen verweist dabei ausdrücklich auf den Anwendungsvorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts, wonach jedwede Norm außer Anwendung zu bleiben hat, die die Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit eines Unternehmens in unzulässiger und diskriminierender Weise beeinträchtigt. Das Landgericht verweist ferner darauf, dass eine höchst unübersichtliche und zum Teil widersprüchliche Rechtsprechung deutscher Verwaltungsgerichte vorliege, wobei eine abschließende höchstrichterliche Klärung bis heute sowohl in Bremen als auch bundesweit ausstehen. Die Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität der landesrechtlichen Gesamtregelung des Sportwettenrechts in Bremen müsse als offen und ihre abschließende Beurteilung als extrem unklar eingestuft werden. Quelle: RA Bongers

LG Ellwangen, Urteil v. 20.01.2010, Az.: 4 Ns 25 Js 7169/09
In dem Berufungsurteil wurde das freisprechende Urteil des AG Ellwangen vom 15.10.2009 bestätigt. Die Kammer lässt offen, ob objektiv den Tatbestand des § 284 StGB erfüllt ist.
Diese Frage konnte letztendlich offen gelassen werden, da sich aus Sicht des Gerichtes der Angeklagte bei der Tatbegehung in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hat.
"Die Kammer geht davon aus, dass zum Zeitpunkt der dem Angeklagten vorgeworfenen Tatbegehung zur Frage der Strafbarkeit seines Tuns eine unklare Rechtslage vorlag. In einer solchen Situation obliegt es dem Angeklagten, erforderliche Auskünfte einzuholen und alle Erkenntnismittel auszuschöpfen. Es kann vorliegend jedoch auch dahinstehen, ob und inwieweit dieses der Angeklagte getan hat, da eine Klärung der Rechtsfrage zu diesem Zeitpunkt gar nicht möglich war. Sowohl in der Straf- als auch in der verwaltungs-gerichtlichen Rechtsprechung war zu diesem Zeitpunkt und ist bis zum heutigen Zeitpunkt keine einheitliche Rechtsauffassung zu erkennen, die von einer Strafbarkeit des Tuns des Angeklagten ausgeht. In einer solchen Situation kann die Vorwerfbarkeit und damit die Vermeidbarkeit des Irrtums nicht auf eine ausreichende Gewissensanspannung oder eine mangelnde Ausschöpfung vorhandener Erkenntnisquellen gestützt werden, da zum Tatzeitpunkt keine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung zu Unrechtsfragen vorlag (vgl. OLG Stuttgart, NJW 2008, Seite 243 ff)."
"Es war daher zu prüfen, ob es dem Angeklagten zumutbar war, die möglicherweise verbotene Handlung zu unterlassen, bis eine endgültige Klärung der Frage ihrer Verbotenheit erreicht war. Hierzu hat die Kammer das Interesse des Angeklagten an der Fortführung seines Gaststättenbetriebes mit den beiden Wettautomaten einerseits und das Interesse der Allgemeinheit zum Unterlassen dieser Tätigkeit andererseits abgewogen. Hierbei war zu sehen, dass der Angeklagte nicht nur in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Artikel 2 GG, sondern auch in seiner Berufsfreiheit aus Artikel 12 GG nicht unerheblich betroffen war. Darüber hinaus war zu sehen, dass zum Tatzeitpunkt für den Angeklagten in keiner Weise absehbar war, bis zu welchem Zeitpunkt denn mit einer Klärung der Rechtsfrage gerechnet werden konnte. Andererseits sieht die Kammer kein erhöhtes Interesse der Allgemeinheit, an einem sofortigem Unterlassen der Aufstellung dieser Geräte durch den Angeklagten."
Mangels Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens war deshalb nach der Rechtsprechung des Landgerichtes in Anlehnung an die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart davon auszugehen, dass hier ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vorlag und damit gem. § 17 Satz 1 StGB ohne Schuld gehandelt wurde und der Angeklagte freizusprechen war.
"Darüber hinaus schließt sich die Kammer der Auffassung an, dass in einer freiheitlichen Ordnung eine Vermutung für das Nichtverbotensein eines Verhaltens (in dubio pro libertate) besteht (OLG Stuttgart aaOm.b.N.)" Quelle RA Aidenberger

LG Saarbrücken, Beschluss v. 14.01.2010
Az.: 5 KLs 2 Js 1096/07 (22/08)
Zunächst verweist das Gericht darauf, dass für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2008 – also bis zum 31. Dezember 2007 – es schlichtweg an einer verfassungsrechtlichen Grundlage für das staatliche Wettmonopol und damit für eine strafrechtliche Sanktion gefehlt habe. Solange nämlich das bestehende Wettmonopol in seiner konkreten rechtlichen sowie in der Praxis realisierten Ausgestaltung nicht primär der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten diene, stelle ein strafbewehrter Ausschluss gewerblicher Wettangebote einen unverhältnismäßigen und unzumutbaren Eingriff in die Berufsfreiheit dar.
Insgesamt folgt das LG Saarbrücken damit der Rechtsprechung anderer Strafgerichte, die auch nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages, insbesondere für das in den Verfahren bisher streitgegenständliche Jahr 2008 von einem straflosen Verhalten ausgehen. Quelle: RA Bongers

VG Frankfurt a.M., Beschluss v. 01.12.2009, Az: 7 L 2818/09.
Die 7. Kammer des Gerichts ordnete Eilrechtsschutz an.
Das VG Frankfurt verweist auf die Vorlagefragen des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts und die Rechtsprechung des OVG Saarlouis, das von der Erforderlichkeit einer Gesamtkohärenz ausgeht. Der Gesamte Glückspielsektor müsse eine kohärente und streng begrenzende, sowie systematisch auf die Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtete Gesetzgebung aufweisen. Dass dies in Deutschland aktuell der Fall ist, sei unter Berücksichtigung der "klaren und eindeutigen Vorgaben" des europäischen Gerichtshofs "tatsächlich mehr als fraglich". "… auch die neuen Umstände lassen erhebliche und durchgreifende Zweifel bestehen, ob das deutsche Sportwettmonopol auch in seiner derzeitigen konkreten Ausgestaltung nach Inkrafttreten des Glückspielstaatsvertrages zum 01.01.2008 mit Gemeinschaftrecht zu vereinbaren ist."
Die Kammer verweist hier auf die Argumente des Verwaltungsgerichts Arnsberg im Beschluss vom 07.10.2009 – 1 L 243/09. Das VG Arnsberg hatte bereits betont, dass sich aus der Entscheidung nicht ableiten ließe, dass für die Frage der Kohärenz allein auf den Bereich der Sportwette abzustellen sei. Auch nach Liga-Portuguesa müsse nach einer Gesamtbetrachtung von einer Inkohärenten Gesetzeslage in Deutschland ausgegangen werden. Hingewiesen wird hier insbesondere auf das Automaten- und Casinospiel. Quelle: RA Bongers

AG Starnberg, Beschluss vom 18.11.2009
Az. 1 Cs 34 Js 41228/08
Das AG Starnberg hat den Erlass eines Strafbefehls gegen einen Veranstalter einer Online-Tombola mit 50-Cent-Einsatz abgelehnt, und zwar unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung und herrschende Meinung in der juristischen Literatur:
"Der Straftatbestand des § 287 StGB verlangt nach a. M. und höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Einsatz, der nicht gänzlich unerheblich ist (vgl. auch Tröndler/Fischer, 52. Auflage, Rdnr. 5 zu § 287 StGB). Als Erheblichkeitsgrenze ausdrücklich benannt wird das Briefporto, das derzeit für eine einfache Postsendung 0,55 € beträgt und damit noch über dem hiesigen Lospreis von 0,50 € liegt. Sogenannte "versteckte" Einsätze, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden, sind vorliegend nicht ersichtlich. Des Weiteren kann der Spielteilnehmer frei entscheiden, ob er mehrere Lose kaufen möchte oder nicht. Der einzelne Spieleinsatz in Form eines einzelnen Loses liegt jedenfalls unterhalb der Erheblichkeitsgrenze (Anm. 0,50 €) sodass eine Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubter Veranstaltung einer Lotterie oder Ausspielung gemäß § 287 Abs. 1 StGB nicht in Betracht kommt." Quelle: RA Hambach

VG Minden vom 05.10.2009
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VG Neustadt vom 28.09.2009
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VG Mainz, Beschluss v. 04.09.2009, Az. 6 L 770/09
konstatiert verfassungsrechtliches Defizit des Sportwettenmonopols
„In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist allerdings festzustellen, dass der unmittelbare Veranstalter, die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH, nach wie vor nicht in einer den Anforderungen des § 10 Abs. 3 GlüStV und damit auch den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner grundlegenden Entscheidung vom 28. März 2006 (NJW 2006, 1261 ff.) genügenden Weise verpflichtet worden ist, die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV zu begrenzen. § 10 Abs. 3 GlüStV schreibt vor, dass die Länder die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der. Ziele des § 1 begrenzen. Dieser Anforderung wird § 7 Abs. 1 LGlüG in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2008 (GVBI. S. 318), wonach bis zum 31. Dezember 2011 es landesweit nicht mehr als 1150 AnnahmesteIlen geben soll, nicht gerecht. Zum einen wird die Festlegung einer Obergrenze von Annahmestellen in die Zukunft verlegt. Erst bis zum 31. Dezember 2011 soll es eine Obergrenze geben. Bis zu diesem Zeitpunkt fehlt es an jeglicher verbindlichen Vorgabe einer Begrenzung der Annahmestellen. Zum anderen handelt es sich bei § 7 Abs. 1 LGlüG nur um eine Soll-Vorschrift und damit nicht um eine verbindliche Vorgabe i.S.d. § 10 Abs. 3 GlüStV.“

OLG Bremen, Beschluss v. 05.03.2009 - Az.: 2 U 4/08
Bei Gesamtbetrachtung des gesamten Glücksspielmarktes erscheint es zweifelhaft, ob ein Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet mit der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist.
Leitsätze (der Redaktion)
1. Der Senat hält auch an seiner durch das Bundesverfassungsgericht jetzt bestätigten (Beschluss v. 14.10.2008, 1 BvR 928/08) Auffassung fest, dass das in § 4 Abs. 4 GlüStV angeordnete generelle Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet verfassungsgemäß ist.
2. Der Senat ist aber der Ansicht, dass die europarechtliche Frage, ob die in § 4 Abs. 4 GlüStV enthaltene Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG europarechtskonform ist, nicht abschließend und hinreichend geklärt ist. Dies betrifft in erster Linie die Forderung des Europäischen Gerichtshofes nach einer kohärenten und systematischen Bekämpfung der Spielsucht und die damit einhergehende Frage, ob die sogenannte "äußere Kohärenz" es erfordert, alle Sparten des Glückspiels "bewertend in den Blick zu nehmen", damit die Bereiche des Glückspiels mit vergleichbarem Suchtpotential in gleicher Weise geregelt werden. Ob bei einer solchen Gesamtbetrachtung insbesondere unter Berücksichtigung der Automatenspiele, denen besondere Suchtgefährdungen zukommen sollen, noch von einer kohärenten Bekämpfung der Spielsucht gesprochen werden kann, erscheint zweifelhaft. Gleiches gilt für die Frage, ob die weiterhin bestehende Erlaubnis, Pferdewetten im Internet zu bewerben und zu veranstalten, mit den Verboten in den §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 und Abs. 4 GlüStV in Einklang zu bringen ist.

OVG-RHEINLAND-PFALZ – Beschluss v. 18.08.2008
Az. 6 B 10338/08 Leitsatz: Solange die Zahl der Lotto-Annahmestellen nicht in einer dem Glücksspielstaatsvertrag genügenden Weise begrenzt wird und nicht sichergestellt ist, dass die Werbung für die monopolisierten öffentlichen Glücksspiele in Rheinland-Pfalz diesem Staatsvertrag entspricht, geht das Interesse privater Wettvermittler, die gewerbliche Vermittlung von Sportwetten EG-ausländischer Buchmacher einstweilen fortzusetzen, dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Einstellung dieser Wettvermittlung vor.

Bereits am 7. Juli 2008 begründet das VG Berlin sein Urteil auf 113 Seiten. (Az. VG 35 A 167.08) mehr Das VG Berlin bestätigte erneut am 16.11.2009 ( Az. VG 35 L 460.09) die Verfassungswidrigkeit des "sog. staatlichen Sportwettenmonopols. VG Berlin: „Sein und Schein des Glückspielstaatsvertrages“

OLG München Urteil v. 17.06.2008 - Az.: 5 St RR 028/08
Leitsatz: Auch für die Übergangszeit zwischen dem 28.03.2006 (Sportwetten-Entscheidung des BVerfG) und 31.12.2007 (01.01.2008: Inkrafttreten des GlüStV) ist die Vermittlung von privaten ausländischen Sportwetten in Deutschland nicht strafbar.

Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss v. 19.05.2008
Az.: 7 ME 66/08 Leitsatz: Es bestehen erhebliche rechtliche Bedenken, ob das deutsche Glücksspiel-Monopol mit dem EU-Recht vereinbar ist.

VG Minden, Beschluss v. 30.01.2008 - Az.: 3 K 1572/06 Leitsatz:
1. Dem Europarecht sind Übergangsfristen wie sie aktuell das BVerfG (Urt. 28.03.2006 - Az.: 1 BvR 1054/01) bestimmt hat, fremd, so dass die vom BVerfG eingeräumte Übergangsfrist europarechtswidrig ist.
2. Das staatliche Glücksspiel-Monopol verstößt daher gegen EU-Recht und ist unwirksam.

VG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 30.01.2008
Az.: 12 A 102/06
1. Es bestehen erhebliche rechtliche Bedenken, ob das deutsche Glücksspiel-Monopol mit dem EU-Recht vereinbar ist.
2. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art. 234 Abs. 1 a EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
a) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass die Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit voraussetzt, dass der Dienstleistungserbringer nach den Bestimmungen des Mitgliedstaates, in dem er ansässig ist, die Dienstleistung auch dort erbringen darf. - hier: Beschränkung der Glücksspiellizenz Gibraltars auf "offshore bookmaking"?
b) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass dieser einem maßgeblich mit der Bekämpfung von Spielsuchtgefahren begründeten nationalen staatlichen Veranstaltungsmonopol auf Sportwetten und Lotterien (mit nicht nur geringem Gefährdungspotenzial) entgegensteht, wenn in diesem Mitgliedstaat andere Glücksspiele mit erheblichem Suchtgefährdungspotenzial von privaten Dienstleistungsanbietern erbracht werden dürfen und die unterschiedlichen rechtlichen Regelungen zu Sportwetten- und Lotterien einerseits und anderen Glücksspielen andererseits auf der unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder und des Bundes beruhen?
Für den Fall der Bejahung der Vorlagefrage b):
c) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass dieser einer nationalen Regelung entgegensteht, die einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen auch bei Vorliegen der gesetzlich normierten Erteilungsvoraussetzungen in das Ermessen der Erlaubnisbehörde stellt?
d) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass dieser einer nationalen Regelung entgegensteht, die das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet untersagt, wenn insbesondere gleichzeitig - wenngleich auch nur für eine Übergangsfrist von einem Jahr - die Veranstaltung und Vermittlung im Internet unter Einhaltung von Jugend- und Spielerschutzbestimmungen ermöglicht wird, um zum Zweck eines Verhältnismäßigkeitsausgleichs namentlich zweier gewerblicher Spielvermittler, die bislang ausschließlich im Internet tätig sind, eine Umstellung auf die nach dem Staatsvertrag zugelassenen Vertriebswege zu ermöglichen?

Verwaltungsgericht Stuttgart, Beschluss v.
07.01.2008
Az.: 4 K 6081/07 Leitsatz:
1. Es bestehen erhebliche rechtliche Bedenken, ob das deutsche Glücksspiel-Monopol mit dem EU-Recht vereinbar ist.
2. Der Klage eines Vermittlers von privaten Sportwetten, der eine sofort vollziehbare behördliche Untersagungsverfügung erhalten hat, ist daher im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aufschiebende Wirkung zu gewähren.

Verwaltungsgericht Giessen, Beschluss v. 09.01.2008
Az.: 10 G 4285/07 Leitsatz:
1. Es bestehen rechtliche Bedenken, ob das deutsche Glücksspiel-Monopol mit dem EU-Recht vereinbar ist.
2. Durch das Inkrafttreten des Glücksspiel-Staatsvertrages (GlüStV) zum 01.01.2008 hat sich die materielle Rechtslage nicht verändert. Die bisherigen Regelungen in Hessen bzgl. des Verbots privater Glücksspiele bleiben erhalten.

OVG Bremen, Beschluss vom 08.03.2004 - 1 A 419/03
Das VG stellte mit Urteil vom 06.10.2003 fest, dass die Tombola keiner Genehmigung bedurfte, weil sie nicht öffentlich veranstaltet wurde. Der Antrag des Stadtamts, gegen dieses Urteil die Berufung zuzulassen, ist nun vom OVG Bremen zurückgewiesen worden.
Das OVG hat damit im Ergebnis die Vorinstanz bestätigt. Es hat ebenfalls das Merkmal der Öffentlichkeit als nicht erfüllt angesehen. Denn die Tombola sei hier im Rahmen einer geschlossenen Gesellschaft durchgeführt worden. In dem Beschluss wird dazu auf die näheren Umstände des konkreten Falles eingegangen. Es sei eine sogenannte Fest-Tombola veranstaltet worden, die keinen gesetzlichen Beschränkungen unterliege. Das Kriterium des „Privatzirkels“ mag bei bestimmten Sachverhaltskonstellationen eine Abgrenzung von einer bloß zufällig zusammengetretenen Gesellschaft ermöglichen.

weitere Urteile finden Sie hier
Urteilssammlung des Deutschen Lottoverbands
Glücksspielstaatsvertrag („GlüStV“) – Eine Chronologie

Rechtsgutachten

Staatshaftung für Verletzungen der Dienstleistungsfreiheit aufgrund des Sportwetten-Monopols der deutschen Bundesländer

Strafrechtliche Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006

Zur Zulässigkeit der Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland zugelassene Veranstalter

Rechtsgutachten zum Entwurf vom 14. Dezember 2006 eines Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland

zusammengestellt von:
Volker Stiny
www.winyourhome.de/braincontest.org
update: 01.04.2012