Sonntag, 4. Januar 2015

Wie viel Justizwillkür verträgt unser Rechtsstaat noch?

Die Richter von Naumburg - Wie viel Justizwillkür verträgt unser Rechtsstaat noch? :

Bundespolitik
(Mit Nachträgen vom 26.07.2011, 14.01.2012, 10.08.2012, 04.07.2013 und 29.12.2014)
Kompakt:
  • Eine Gerichtsentscheidung des OLGs Naumburg liefert ein Paradebeispiel für Justizwillkür.
  • Um solche Vorfälle zu vermeiden, sind dringend Gesetzesänderungen sowie Verbesserungen im Gerichtswesen erforderlich; Vorschläge hierzu - auch von Fachleuten - gibt es genügend.
  • Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, geeignete Maßnahmen zur Beseitigung dieser Missstände zu treffen, so dass die Bürger wieder Vertrauen in die Justiz gewinnen; hier sind - im Vorfeld - auch die politischen Parteien gefordert.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat den Richtern des 14. Senats des OLGs Naumburg einen glatten „Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht" bescheinigt (BVerfG, NJW 2005, 2685). Die OLG- Richter haben in einem Gerichtsverfahren vorgeführt, dass die Macht der Richter so groß ist, „um im Extremfall die Rechtsordnung aus den Angeln zu heben“ (NJW 2007, 2746).
Kurz zu dem Fall: Die Verbindung des Herrn Görgülü mit seiner Lebensgefährtin ging auseinander. Sie gab ihr 1999 geborenes Kind sofort in fremde Hände. Herr Görgülü erwirkte im Jahr 2000 die Feststellung seiner Vaterschaft und bemühte sich seither um das Sorgerecht, zumindest aber um ein Umgangsrecht. Da sich u. a. das Jugendamt Wittenberg diesem Wunsch widersetzte, wurde die Sache schließlich mehrfach vom Oberlandesgericht Naumburg (OLG Naumburg) zu Ungunsten von Herrn Görgülü entschieden (Jahre 2004/05). Dabei setzten sich die OLG- Richter über mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hinweg, die für das OLG bindend waren. Schließlich sprach das BVerfG von „Willkür“. Hierauf wurde nach langem Zögern seitens der Staatsanwaltschaft Klage wegen des „Verdachts auf Rechtsbeugung“ gemäß § 339 StGB erhoben. Der zuständige Senat des OLGs Naumburg eröffnete jedoch erst gar nicht das Strafverfahren. Begründung: Die drei OLG- Richter haben zwar ihre Fehlurteile gemeinsam unterschrieben, sie werden aber nicht offenlegen, wer von ihnen das Urteil gestützt hat und wer evtl. bei ihren geheimen Beratungen gegen dieses Urteil gestimmt hat. Es könnte ja sein, dass zwei Richter den dritten Richter überstimmt haben. Würde man die drei OLG- Richter für ihr falsches Urteil bestrafen, könnte es sein, dass der Richter, der gegen das Urteil war (also unschuldig an diesem falschen Urteil ist), mit bestraft würde.
Der Naumburger Fall stellt einen besonders eklatanten Fall von Justizwillkür dar.
Er ist jedoch kein Einzelfall: So hatte beispielsweise eine LG- Richterin in einem Zivilverfahren die Zeugenaussagen zwar einigermaßen korrekt protokolliert, aber dann in ihrer Urteilsbegründung völlig andere Zeugenaussagen passend zu einem Falschgutachten kreiert. Die Richter des OLGs Nürnberg als Berufungsinstanz – damals noch eine Tatsacheninstanz – haben das gebilligt und auch noch sachliche Fehler in ihre Urteilsbegründung geschrieben (AZ: 2 U 2062/97). RA Bossi, München: Es ist für Juristen eine Sensation, festzustellen, daß Urteile verschiedentlich falsch sind. Gerade am konkreten Fall des Urteils des Oberlandesgerichts Nürnberg, auf das ja in der Einstellungsverfügung Bezug genommen wird, läßt sich wie folgt darstellen, daß das Urteil in sich unschlüssig und eindeutig falsch ist. - Wir sind der Meinung, dass die bekannt gewordenen Fälle von Justizwillkür nur die Spitze eines Eisberges sind, d. h. wir glauben, dass in Deutschland sehr viele Fehlurteile aus sachfremden Gründen erlassen oder billigend in Kauf genommen werden (Juristen schätzen ca. 10 %, in bestimmten Fällen sogar bis zu 100 %(!)). Es gibt ja in Deutschland keine Qualitätskontrolle für Gerichtsverfahren - insbesondere nicht für die der OLGs. Hinzu kommen noch die irrtümlich falschen Urteile und Urteile mit unklaren Rechtsanwendungen, so dass Fachleute von insgesamt ca. 25 % oder noch mehr falschen Urteilen ausgehen.
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Exemplarisch für die katastrophalen Zustände bei der bundesdeutschen Justiz ist ein Bericht in der Saarbrücker Zeitung vom 17.07.2014 mit dem Titel:

"Ex-Staatsanwalt: Es läuft vieles schief bei der Justiz an der Saar"
„Die Akten mussten vom Tisch – so schnell wie möglich.“ Von Kollegen hat der junge Richter damals gelernt, ein zivilrichterliches Dezernat könne „überhaupt nur bewältigt werden, wenn mindestens 60 bis 70 Prozent der Verfahren einem Vergleich zugeführt werden“. Auf Kläger und Beklagten musste also spürbarer Druck ausgeübt werden, sich zu verständigen.

Vergleiche sparen richterliche Arbeitszeit. Urteile finden, begründen und schreiben ist dagegen aufwendig. Der gut gemeinte Rat eines Kollegen am Landgericht lautete zudem: „Urteile werden für die nächste Instanz geschrieben, nicht für die Parteien.“ Das Fazit des Ex-Staatsanwaltes und Ex-Richters nach fast zwei Jahren im Saar-Justizdienst: Jeder wisse, wie falsch die Dinge laufen, aber keiner unternehme etwas dagegen, weil er nicht den eigenen Ast absägen wolle.
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Dem Nürnberger Würschtlkönig Uli Hoeneß, der als echter Schwabe für seine Millionen in der Schweiz Asyl gesucht hatte, wurde im Frühling der Prozess gemacht. Ende Mai wurde er inhaftiert.

Im Gegensatz zu Eon-, Ikea-, Amazon- oder Deutsche Bank-Managern und steuerlichen Luxem­bürgern.

Sportfreund Bernie Ecclestone kaufte sich für 100 Millionen frei, die Manager der Bayerischen Landesbank kamen mit preiswerten 10.000 Euro für den 3,7-Milliardenverlust in Kärnten davon.

Gar nicht auf der Anklagebank: verantwortliche Aufsichtsräte wie Stoiber, Huber, Faltlhauser und Beckstein. Ein Triumph bayerischer Gerechtigkeit!
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