Dienstag, 25. September 2012

EuGH-Generalanwalt: Griechisches Wettmonopol europarechtswidrig

Griechisches Wettmonopol nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts europarechtswidrig

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Der EuGH-Generalanwalt Ján Mazák hat am 20. September 2012 seine Schlußanträge zum griechischen Wettmonopol vorgelegt (verbundene Rs. C-186/11 – Stanleybet u.a. und C-209/11 – Sportingbet). Nach griechischem Recht hat das Unternehmen Organismos prognostikon agonon podosfairou AE, besser bekannt unter der Abkürzung OPAP, das ausschließliche Recht zur Veranstaltung von Glücksspielen. Entgegen diesem bis zum Jahr 2020 geltenden Monopol hatten mehrere britische Glücksspielunternehmen in Griechenland Konzessionen beantragt und gegen die Ablehnung geklagt. In der ersten Rechtssache waren dies Stanleybet International Ltd., William Hill Organisation Ltd und William Hill plc, in der zweiten der britische Buchmacher Sportingbet plc.

OPAP war zunächst ein Staatsunternehmen, ist aber seit mehreren Jahren börsennotiert. Der griechische Staat gab im Rahmen des Gangs an die Athener Börse zunächst 49% ab und reduzierte seinen Anteil dann auf 34%. Auch dieser Anteil soll zur Reduzierung der Staatsschulden verkauft werden. OPAP ist auch im Ausland tätig und betreibt mehr als 200 Büros im EU-Mitgliedstaat Zypern.

Das oberste Verwaltungsgericht Griechenlands, der Staatsrat (Simvoulio tis Epikrateias), hielt das Monopol für eine nicht kohärente und systematische Regelung und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) daher mehrere Fragen vor. Zur Vorbereitung des Urteils des EuGH hat der zuständige Generalanwalt die Rechtslage in den eingangs erwähnten Schlussanträgen gewürdigt.

Nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts stellt die griechische Regelung eine Einschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit dar (jetzt geregelt in Art. 49 AEUV und Art. 56 AEUV), da in anderen Mitgliedstaaten ansässige Anbieter in Griechenland keine Glücksspiele anbieten und hierzu Niederlassungen gründen können. Zwar sind die Verringerung der Gelegenheit zum Spiel und die Bekämpfung der Kriminalität (Kontrolle der Wirtschaftsteilnehmer) vom EuGH als Rechtfertigungsgründe im Glücksspielbereich anerkannt (Rn. 43). Eine nationale Regelung ist allerdings nur dann geeignet, wenn das angeführte Ziel auch in kohärenter und systematischer Weise erreicht wird.

Hierzu sind u.a. die konkreten Anwendungsmodalitäten dahin zu überprüfen; ob die restriktive Regelung „tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen“ (Rn. 48). Nach Ansicht des Generalanwalts steht die vom vorlegenden Gericht dargestellte expansive Geschäftspolitik und das verstärkte Angebot von Glücksspielen „offenkundig im Widerspruch zu dem angeführten Ziel der Verminderung der Gelegenheiten zum Spiel in Griechenland“ (Rn. 51).

Um die Spieltätigkeit in kontrollierbare Bahnen zu lenken, kann nach der Rechtsprechung des EuGH zwar „Werbung in einem gewissen Umfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken“ zulässig sein (Rn. 55). Allerdings kann „eine Politik der Expansion von Glücksspielen nur dann als kohärent angesehen werden, wenn die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Glücksspiel in Griechenland tatsächlich ein Problem erheblichen Umfangs darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten abhelfen könnte” (Rn. 57). Außerdem muss das Monopol „mit der Schaffung eines normativen Rahmens einhergehen, mit dem sich gewährleisten lässt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, das festgelegte Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen“ (Rn. 58). Hierzu ist eine strikte Kontrolle des Monopolanbieters und dessen Glücksspielangebots erforderlich: „Aus den strengen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des betreffenden Monopols folgt erstens, dass eine vom Monopolinhaber betriebene Expansionspolitik, die u. a. durch eine Ausweitung des Angebots von Glücksspielen und durch Werbung für diese Glücksspiele gekennzeichnet ist, maßvoll und eng auf das begrenzt bleiben muss, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken, und zweitens, dass das Glücksspielangebot einer strikten Kontrolle unterliegen muss.“ (Rn. 59)

Nach Einschätzung des Generalanwalts unterliegen die Tätigkeiten der OPAP jedoch weder einer strikten behördlichen Kontrolle noch werden sie durch den für sie geltenden normativen Rahmen wirksam begrenzt. Insoweit könne das vorlegende Gericht entsprechend seinem Vorlagebeschluss „durchaus zu dem Ergebnis gelangen, dass der Zweck des streitgegenständlichen Monopols nicht in einer kontrollierten Expansion im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs gesehen werden kann“ (Rn. 61)

In einer weiteren Vorlagefrage wollte der griechische Staatsrat wissen, „ob es die nationalen Behörden während eines Übergangszeitraums unterlassen dürfen, über Anträge auf Erteilung von Konzessionen im Glücksspielsektor zu entscheiden“ (Rn. 63) Hierzu verweist der Generalanwalt auf das Winner Wetten-Urteil des EuGH, nach dem eine inkohärente nationale Reglung „nicht für eine Übergangszeit weiter angewandt werden darf“ (Rn. 66). Es bestehe „kein Raum für die Annahme, dass die streitige nationale Regelung während einer Übergangszeit weiterhin angewandt werden darf, sofern das vorlegende Gericht diese restriktive Regelung anhand der Kriterien, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur systematischen und kohärenten Natur der restriktiven Maßnahme ergeben, für mit den Art. 49 AEUV und 56 AEUV unvereinbar hält.“ (Rn. 69)  Quelle

Kontakt:
Arendts Rechtsanwälte
Rechtsanwaltskanzlei
Rechtsanwalt Martin Arendts
Perlacher Str. 68
D - 82031 Grünwald (bei München)



EU-Kommission: Vertragsverletzungen
Öffentliche Konsultation zum Online-Gücksspiel im Binnenmarkt

Verstöße: Jeder Mitgliedstaat ist für die Durchführung (fristgerechte Umsetzung, Konformität und ordnungsgemäße Anwendung) des Unionsrechts im Rahmen seiner innerstaatlichen Rechtsordnung verantwortlich. Gemäß den Verträgen wacht die Europäische Kommission über die ordnungsgemäße Anwendung des Unionsrechts.   mehr zum Unionsrecht



Klage, eingereicht am 2. März 2012 - Hellenische Republik/Kommission
(Rechtssache T-105/12)
Verfahrenssprache: Griechisch
Parteien
Klägerin: Hellenische Republik (Prozessbevollmächtigte: K. Samoni und N. Dafniou)
Beklagte: Europäische Kommission
Anträge
Die Klägerin beantragt,
der Nichtigkeitsklage stattzugeben,
den angefochtenen Beschluss der Kommission für nichtig zu erklären,
der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Klagegründe und wesentliche Argumente
Die Hellenische Republik begehrt mit ihrer Klage (nach Art. 263 AEUV) die Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 1472708 der Kommission vom 3. Januar 2012 über die Fortzahlung des Zwangsgelds in Höhe von 31 536 Euro pro Tag des Verzugs bei der Umsetzung der Maßnahmen, die erforderlich sind, um dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-65/05 nachzukommen, durch die Hellenische Republik, soweit damit die Zahlung dieses Zwangsgelds ab dem 22. August 2011 verlangt wird. Mit diesem Beschluss wird die Hellenische Republik aufgefordert, 4 825 008 Euro als Zwangsgeld für den Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 30. November 2011 zu zahlen, da sie nach Ansicht der Kommission die Maßnahmen, die erforderlich sind, um dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-65/05 und sodann dem zweiten Urteil dieses Gerichtshofs in der Rechtssache C-109/08 nachzukommen, offenbar nicht getroffen hat.
Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin die folgenden Klagegründe geltend:
1.    Beurteilungsfehler der Kommission hinsichtlich der Frage, ob die Hellenische Republik die Maßnahmen, die erforderlich sind, um dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union nachzukommen, erlassen hat
Die Kommission habe die Maßnahmen, die die Hellenische Republik getroffen habe, um dem Urteil des Gerichtshofs nachzukommen, falsch beurteilt und ausgelegt. Mit der Annahme des Gesetzes 4002/2011, durch das die streitigen Artikel des Gesetzes 3037/2002 entsprechend der Anordnung im Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-65/05 aufgehoben würden, habe die Hellenische Republik alle zur Durchführung dieses Urteils erforderlichen Maßnahmen getroffen.
2.    Befugnisüberschreitung durch die Kommission
Die Kommission habe die Grenzen ihres Auftrags als Hüterin des Vertrags überschritten, da sie sich nicht, wie es ihr oblegen hätte, mit der mehr oder weniger offenkundigen Durchführung der Anpassungsmaßnahmen begnügt habe. Außerdem sei sie über die Urteile des Gerichtshofs hinausgegangen, da die Hellenische Republik diesen vollständig nachgekommen sei.
3.    Fehlende Begründung seitens der Kommission
Die Kommission habe den von der Hellenischen Republik angefochtenen Beschluss nicht begründet und nicht klar ausgeführt, aus welchen Gründen sie die Fortzahlung des Zwangsgelds für den Zeitraum nach der Annahme des Gesetzes 4002/2011, also vom 22. August 2011 bis zum 30. November 2011, verlange.
Die Hellenische Republik wendet sich gegen diesen zusätzlichen Betrag, weil sie mit der Veröffentlichung des fraglichen Gesetzes den Urteilen des Gerichtshofs vollständig nachgekommen worden sei.
4.    Falsche Rechtsgrundlage
Die Kommission hätte, wenn sie meine, die Hellenische Republik habe das Gesetz 4002/2011 nicht ordnungsgemäß angewandt, von Art. 258 AEUV Gebrauch machen und ein neues Vertragsverletzungsverfahren in die Wege leiten müssen, nicht aber die Fortzahlung des Zwangsgelds verlangen dürfen.  Quelle