Montag, 12. Dezember 2011

Glücksspielstaatsvertrag: Geplantes Spieleinsatzlimit für Unternehmer unrentabel

Regelung von 1.000 Euro Höchsteinsatz pro Monat und Spieler für Sportwettenanbieter digibet realitätsfern

Berlin, 12. Dezember 2011. Der 15. Dezember erzeugt bei Wettanbietern gemischte Gefühle: Die Ministerpräsidenten treffen sich in Berlin, um den Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspiel-Staatsvertrages (1. GlüÄndStV) zu unterzeichnen. Ausgenommen ist Schleswig-Holstein mit einer eigenen, marktgerechten Regelung. "Wir freuen uns zwar einerseits über den grundsätzlich eingeschlagenen Weg hin zu einer Liberalisierung in der Gesetzgebung", so Günter Boyks, Direktor der digibet UK Ltd. "Andererseits sind im Vertrag jedoch Modalitäten enthalten, die für Anbieter unrentabel sind. Dazu gehört der geplante Höchsteinsatz für Spielteilnehmer von 1.000 Euro im Monat."

Für digibet birgt dieses Limit für den Anbieter finanzielle Verluste, sollte er in Deutschland eine von den geplanten 20 Konzessionen innehaben. Deutlich wird dies in folgendem Rechenbeispiel: Bei 1.000 Euro Spieleinsatz werden im Durchschnitt 900 Euro als Gewinn an Wetter ausgezahlt; bleibt bis hier erstmal ein Ertrag von 100 Euro für den Wettanbieter. Nach den derzeitigen Planungen der 15 Bundesländer würde für den Anbieter noch eine Steuer von 5 Prozent auf den Umsatz von 1.000 Euro fällig. Unterm Strich verbleiben – nach Gewinnausschüttung an den Spieler und dem Steuerabzug – noch 50 Euro Ertrag beim Anbieter. Gewänne jedoch ein Tipper bei 1.000 Euro Einsatz 10.000 Euro, benötigt das Wettunternehmen mindestens zehn Monate, um diese Gewinnauszahlung wieder auszugleichen – um finanziell rentabel zu bleiben, ist das eine zu kritische Ausgangssituation.

"Es ist schwer vorstellbar, dass sich bei diesen Aussichten Anbieter auf die Konzession für das Online-Spiel bewerben. Bei den momentan geplanten Bestimmungen ist ein finanzielles Desaster für Unternehmen programmiert", so Boyks weiter. "Wesentlich interessanter sind in dem Fall die Steuerabgaben, die Schleswig-Holstein geplant hat. Sie betragen 20 Prozent vom Rohertrag und nicht wie in den anderen Ländern 5 Prozent vom Umsatz." Auch das geplante Verbot von Online-Poker und Online-Casinospielen wird nach Einschätzung von digibet viele Anbieter abschrecken: Diese Spielarten gehören neben den Wetten zum Standardportfolio der Online-Gaming-Branche. Ohne diese Spielarten kann das Geschäftsmodell insgesamt gefährdet sein.

Quelle: Markengold PR GmbH

SPD huldigt einer Glücksspielregulierung aus Großmutters Zeiten – Studie von Gambling Data führt rapides Anwachsen des Graumarktes auf restriktive deutsche Gesetzgebung zurück

Von Ansgar Lange Berlin/Kiel, Dezember 2011
In Sachen Glücksspielstaatsvertrag frönen die deutschen Sozialdemokraten weiterhin dem Prinzip Wirklichkeitsverweigerung. Selbst die Einigung von 15 Ministerpräsidenten auf einen neuen Glücksspielvertrag vom Oktober 2011 – von Experten als völlig unzureichend und nicht EU-konform eingestuft – findet nicht die Gnade der SPD-Bundestagsfraktion. So erklärten der sportpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Gerster, und die zuständige Berichterstatterin Sabine Bätzing-Lichtenthäler: "Was lange währt, muss nicht zwangsläufig gut werden. Dieser Ansicht sind die Mitglieder der Arbeitsgruppe Sport der SPD-Bundestagsfraktion über die Einigung der Ministerpräsidentenkonferenz über den Glücksspielstaatsvertrag. Nach monatelangen Verhandlungen hebt dieser das bisher bestehende staatliche Monopol auf und öffnet den Sportwettenmarkt in Deutschland für 20 kommerzielle Wettanbieter. Dies stößt seitens der Mitglieder der Arbeitsgruppe Sport auf deutliche Kritik, vor allem weil diese Öffnung noch viel weiter geht, als zunächst angedeutet."

Die Aufhebung des Glückspielmonopols erhöhe nicht nur die Gefahr der Spielsucht, sondern gefährde auch die finanzielle Planungssicherheit von Sportvereinen, meinen die Sozialdemokraten. Für den Breitensport führe die geplante Regelung voraussichtlich zu erheblichen Mindereinnahmen. Bislang erhalte der Breitensport pro Jahr Zuwendungen in Höhe von etwa 500 Millionen Euro. "Die vereinbarte Konzessionsabgabe von fünf Prozent entspricht weniger als einem Drittel der bisherigen Zweckabgabe und dürfte kaum ausreichen, um den Bedarf des Sportes zu decken. Die Zweckabgabe aus dem bisherigen Glücksspielstaatsvertrag ist eine feste - und vor allem verlässliche - Stütze der Breitensportfinanzierung in Deutschland", so die SPD-Sportpolitiker.

Eine Analyse des deutschen Glücksspielmarktes durch das Unternehmen Gambling Data http://www.gamblingdata.com kommt hingegen zu einem völlig anderen Ergebnis. Die Studie belegt, dass der deutsche Online-Graumarkt rund drei Jahre nach Inkrafttreten des äußerst restriktiven Glücksspielstaatsvertrags auf rund eine Milliarde Euro angewachsen ist. Der aktuelle Report sieht einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem seit dem 1. Januar 2008 geltenden Vertragswerk und dem starken Anwachsen des unregulierten Marktes. Dies heißt in Konsequenz, dass dem deutschen Staat Steuergelder in erheblicher Höhe vorenthalten werden. Geld, das beispielsweise in die Förderung des Breiten- und Spitzensports sowie in Wohlfahrtspflege und Spielerschutz investiert werden könnte. Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher, dass ausgerechnet die SPD, die sich auf ihrem jüngsten Parteitag für massive Steuererhöhungen ausgesprochen hat, im Bereich von Online-Wetten, Sportwetten, Online-Poker etc. auf sprudelnde Steuermillionen verzichten möchte und einem antiquierten Regulierungsmodell aus Großmutters Zeiten nachhängt.

Mit Ausnahme von Schleswig-Holstein, das ein eigenes, EU-konformes und wettbewerbsorientiertes Glücksspielgesetz verabschiedet hat, befinden sich die 15 deutschen Länder weiter auf europäischer Geisterfahrt, obwohl die Kommission das so genannte E15-Regulierungsmodell bereits im Sommer als inkohärent und unsytematisch gegeißelt hat. Dabei wird die Glücksspielregulierung Europas im Jahr 2012 eine bisher nicht gesehene Öffnung der Märkte erfahren: Spanien, die Niederlande und Dänemark sind nur einige Mitgliedsstaaten, die alte Zöpfe abgeschnitten haben und dem nicht mehr zeitgemäßen Glücksspielmonopol demnächst den Rücken kehren werden.

Die Analysten von Gambling Data gehen davon aus, dass sich der deutsche Online-Markt zwischen 760 und 960 Millionen Euro bewegt. Experten sagen, dass der hiesige Online-Markt zu 50 Prozent aus Sportwetten, zu 30 Prozent aus Online-Poker und zu 20 Prozent aus Online-Casinospielen besteht. Wegen der restriktiven deutschen Gesetzgebung, die zurzeit nur das Kieler Modell glaubwürdig aufbrechen will, musste der in Deutschland traditionell starke Bereich der staatlichen Lotterien und der Sportwetten in den letzten Jahren drastische Einbußen hinnehmen.

Trotz dieser Tatsachen macht man weiter Front gegen das schleswig-holsteinische Modell, obwohl nur dieses vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand haben dürfte und dem Spielverhalten heutiger User Rechnung trägt, indem es endlich auch das Internetglücksspiel angemessen reguliert und damit dem Schwarzmarkt entzieht.
Mit Erstaunen haben der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Hans-Jörn Arp, und der FDP-Fraktionvorsitzende Wolfgang Kubicki beispielsweise aktuell zur Kenntnis genommen, dass der Süddeutschen Zeitung die seit langem öffentlich bekannte "Prüfung" eines Ausschlusses Schleswig-Holsteins aus dem deutschen Lottoblock überhaupt noch eine Meldung wert war. "Mit dieser Prüfung droht der Lottoblock seit mehr als einem Jahr. Selbst auf wiederholte Aufforderung sah sich der Lottoblock allerdings nicht in der Lage, dafür eine Rechtsgrundlage vorzuweisen", erklärte Arp http://www.hans-joern-arp.de am 9. Dezember in Kiel.

Der Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages habe sich daraufhin das Vertragswerk sehr genau angesehen, erläuterte Kubicki: "Es gibt keine Rechtsgrundlage. Das erklärt, weshalb diese "Prüfung' nach über einem Jahr immer noch nicht abgeschlossen ist. Mit dieser offenkundig leeren Drohung will der Lottoblock lediglich die Menschen in Schleswig-Holstein verunsichern", so der FDP-Fraktionschef http://www.fdp-sh.de/Abgeordnete/2358b674/index.html.

Beide Abgeordnete betonten, durch das schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz werde darüber hinaus das Veranstaltungsmonopol des Staates für Lotterien gestärkt. Lediglich deren Vertrieb solle privaten Anbietern wieder ermöglicht werden. Dies sei auch deshalb notwendig, weil es für die vom Lottoblock befürwortete Begründung eines Veranstaltungsmonopols mit Suchtgefahren keine Rechtsgrundlage gebe. Das sei von zahlreichen Gerichten bestätigt worden. So hatte unter anderem das Verwaltungsgericht Halle in einem mittlerweile rechtskräftigen Urteil (Az.: 3 A 158/09 HAL) festgestellt: "Der oben dargelegte Befund einer im Wesentlichen nicht vorhandenen Wett- und Spielsucht im Bereich der Glücksspiele des staatlichen Lotto-Toto-Blocks belegt die oben schon dargelegte Inkohärenz bei der Bekämpfung der Wett- und Spielsucht."

Arp und Kubicki erklärten: "Lotto 6 aus 49 macht nicht süchtig. Deshalb ist es der Deutsche Lotto- und Totoblock, der sich mit dem Versuch, seine Pfründe widerrechtlich zu sichern, selbst gefährdet. Denn irgendwann werden die Gerichte unter diese scheinheilige Vorgehensweise einen Schlussstrich ziehen." Zudem sei nicht gesichert, dass die Festlegung auf eine höhere Zahl von Konzessionen durch den Europäischen Gerichtshof und die Europäische Kommission als weniger willkürlich angesehen werde als die ursprünglich vorgesehenen sieben Konzessionen aus dem ersten Vertragsentwurf. Auch sei wenig realistisch, dass durch die lediglich kosmetischen Korrekturen dem existierenden Schwarzmarkt tatsächlich Kunden entzogen und in die Legalität zurückgeführt werden können. So hatte die Europäische Kommission http://ec.europa.eu/index_de.htm bereits in ihrer negativen Stellungnahme im Juli dieses Jahres die zahlenmäßige Begrenzung von Sportwettlizenzen kritisiert und angemerkt, dass sie nicht erkennen könne, wie die Beschränkung der Gesamtzahl der Konzessionen dazu geeignet wäre, die Verbrauchernachfrage zu lenken oder zur Bekämpfung von Verbrechen und Betrug beizutragen.