Samstag, 29. April 2017
BVerwG PM vom 05.04.2017 - Bestandsschutz für Alt-Spielhallen
Pressemitteilung
Nr. 21/2017
BVerwG 8 C 16.16
05.04.2017
Fünf Jahre Bestandsschutz für Alt-Spielhallen auch bei Betreiberwechsel
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute zur Auslegung einer in der Praxis bedeutsamen Übergangsvorschrift des zum 1. Juli 2012 geänderten Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) entschieden, dass der fünfjährige Bestandsschutz für eine bestehende und vor dem Stichtag 28. Oktober 2011 gewerberechtlich erlaubte Spielhalle auch bei einem Wechsel des Spielhallenbetreibers erhalten bleibt.
§ 25 Abs. 1 GlüStV sieht zur Bekämpfung der Spielsucht einen Mindestabstand zwischen Spielhallen vor, den das Land Sachsen in seinem Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag auf 250 m Luftlinie festgelegt hat (§ 18a Abs. 4 SächsGlüstVAG). Nach dieser Vorschrift soll der gleiche Abstand zu allgemeinbildenden Schulen gewahrt werden. Zur Kontrolle ordnet § 24 Abs. 1 GlüStV ein glücksspielrechtliches Erlaubnisverfahren an. Für bestehende Spielhallen enthält § 29 Abs. 4 GlüStV zwei unterschiedlich lange Übergangsfristen. Hat zum gesetzlichen Stichtag bereits eine unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis bestanden, gilt eine fünfjährige Bestandsschutzfrist. Ist die Erlaubnis erst später erteilt worden, gilt eine einjährige Frist.
Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin mit gewerberechtlicher Erlaubnis im November 2011 eine legal betriebene Spielhalle übernommen, die von der nächstgelegenen anderen Spielhalle 121 m, von einer Grundschule 236 m und von einem Gymnasium 246 m Luftlinie entfernt ist. Der beklagte Freistaat Sachsen hat der Klägerin mitgeteilt, dass für sie nur die einjährige Übergangsfrist gelte. Nach Ablauf dieses Jahres komme die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis wegen dreifacher Unterschreitung des Mindestabstands nicht in Betracht. Daraufhin hat das Verwaltungsgericht auf Antrag der Klägerin festgestellt, dass sie für den weiteren Betrieb ihrer Spielhalle über den 30. Juni 2013 hinaus neben der gewerberechtlichen Erlaubnis keine weitere Erlaubnis benötige. Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Klägerin zwar eine weitere Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV benötige, für die von ihr betriebene Spielhalle jedoch die fünfjährige Bestandsschutzfrist gelte. Voraussetzung hierfür sei allein, dass für eine zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Glücksspielstaatsvertrages bestehende Spielhalle vor dem Stichtag eine gewerberechtliche Erlaubnis erteilt wurde. Wegen dieser ausschließlich spielhallenbezogenen Ausrichtung des Bestandsschutzes sei ein danach eintretender Betreiberwechsel unschädlich.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Für eine betriebs- und nicht betreiberbezogene Ausgestaltung des Bestandsschutzes spricht neben dem Wortlaut auch der Zweck der fünfjährigen Übergangsfrist. Sie dient dem Schutz der Investitionen, die im Vertrauen auf den Fortbestand einer vor dem Stichtag erteilten Spielhallenerlaubnis getätigt wurden. Diesen Schutz gewährt das Gesetz auch bei einem späteren Betreiberwechsel, weil die Investitionen weitgehend entwertet würden, wenn der personelle Wechsel eine Verkürzung des Bestandsschutzes auf ein Jahr zur Folge hätte. Die fünfjährige Übergangsfrist selbst ist verfassungsrechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie die Erlaubnisvoraussetzung eines Mindestabstandes zu allgemeinbildenden Schulen. Insoweit wird ergänzend auf die Entscheidungen vom 16. Dezember 2016 zu den ähnlich geregelten Einschränkungen für Spielhallen in Berlin und Rheinland-Pfalz (PM Nr. 108/2016) verwiesen. Die Frage, ob das Mindestabstandsgebot zu einer weiteren Spielhalle nach § 18a Abs. 4 SächsGlüStVAG trotz fehlender landesgesetzlicher Regelungen zur Auswahl konkurrierender Spielhallen verfassungsmäßig ist, war in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
BVerwG 8 C 16.16 - Urteil vom 05. April 2017
Vorinstanzen:
OVG Bautzen 3 A 314/15 - Urteil vom 11. Mai 2016
VG Leipzig 5 K 498/13 - Urteil vom 30. April 2015
§ 24 GlüStV - Erlaubnisse
(1) Unbeschadet sonstiger Genehmigungserfordernisse bedürfen die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle einer Erlaubnis nach diesem Staatsvertrag.
(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle den Zielen des § 1 zuwiderlaufen. Sie ist schriftlich zu erteilen und zu befristen. Die Erlaubnis kann, auch nachträglich, mit Nebenbestimmungen versehen werden.
(3) Das Nähere regeln die Ausführungsbestimmungen der Länder.
§ 25 GlüStV - Beschränkungen von Spielhallen
(1) Zwischen Spielhallen ist ein Mindestabstand einzuhalten (Verbot von Mehrfachkonzessionen). Das Nähere regeln die Ausführungsbestimmungen der Länder.
(2) Die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht ist, ist ausgeschlossen.
(3) Die Länder können die Anzahl der in einer Gemeinde zu erteilenden Erlaubnisse begrenzen.
§ 29 GlüStV - Übergangsregelungen
(4) Die Regelungen des Siebten Abschnitts finden ab Inkrafttreten dieses Staatsvertrags Anwendung. Spielhallen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Staatsvertrags bestehen und für die bis zum 28. Oktober 2011 eine Erlaubnis nach § 33i Gewerbeordnung erteilt worden ist, deren Geltungsdauer nicht innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages endet, gelten bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrags als mit §§ 24 und 25 vereinbar. Spielhallen, für die nach dem 28. Oktober 2011 eine Erlaubnis nach § 33i Gewerbeordnung erteilt worden ist, gelten bis zum Ablauf von einem Jahr nach Inkrafttreten dieses Staatsvertrags als mit §§ 24 und 25 vereinbar. Die für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 24 zuständigen Behörden können nach Ablauf des in Satz 2 bestimmten Zeitraums eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 24 Abs. 2 sowie § 25 für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist; hierbei sind der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33i Gewerbeordnung sowie die Ziele des § 1 zu berücksichtigen. Das Nähere regeln die Ausführungsbestimmungen der Länder.
§ 18a SächsGlüStVAG
(4) Der Abstand einer Spielhalle zu einer weiteren Spielhalle oder zu einer allgemeinbildenden Schule soll 250 Meter Luftlinie nicht unterschreiten. Abweichungen vom Mindestabstand nach Satz 1 sind unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls zulässig. In einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem zulässigerweise eine Wettvermittlungsstelle für Sportwetten oder eine Verkaufsstelle für Sportwetten betrieben wird, darf eine Spielhalle nicht erlaubt werden.
Quelle
BVerwG 8 C 16.16 (OVG Bautzen 3 A 314/15; VG Leipzig 5 K 498/13)
05.04.2017
11:00 Uhr
C. GmbH - RA Petra Stegkemper, Leipzig - ./. Freistaat Sachsen
Die Revision betrifft Fragen der Auslegung der Bestandsschutzvorschriften für Spielhallen im Glücksspielstaatsvertrag.
Der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV) vom 15. Dezember 2011 sieht zur Bekämpfung der Spielsucht vor, dass die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht ist, ausgeschlossen ist. Zwischen Spielhallen ist nach § 25 Abs. 1 GlüStV ein Mindestabstand einzuhalten, den das Land Sachsen in seinem Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag (SächsGlüstVAG) auf 250 m Luftlinie festgelegt hat (§ 18a Abs. 4 SächsGlüstVAG). Nach dieser Vorschrift soll der gleiche Abstand zu allgemeinbildenden Schulen eingehalten werden.
Die Spielhalle der Klägerin ist zu der nächsten Spielhalle in 121 m, zu einer Grundschule in 236 m und zu einem Gymnasium in 246 m Luftlinie entfernt. Ihre Spielhalle wird allerdings bereits seit dem Jahr 2003 betrieben. Die Klägerin übernahm im Jahr 2011 die Spielhalle und erhielt am 2. November 2011 die unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis zu deren Betrieb. Der Beklagte teilte der Klägerin im Folgenden mit, seit dem 1. Juli 2012 gälten aufgrund des geänderten Glücksspielstaatsvertrages für den Betrieb von Spielhallen neue Anforderungen. Für bereits genehmigte Spielhallen gebe es zwar nach § 29 Abs. 4 GlüStV Vertrauensschutz. Sei die Genehmigung - wie hier - erst nach dem 28. Oktober 2011 erteilt worden, sei die Spielhalle allerdings gemäß § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV nur bis zum Ablauf eines Jahres nach Inkrafttreten des Staatsvertrages - also bis zum 30. Juni 2013 - von dem Mindestabstandsgebot befreit.
Mit ihrer Feststellungsklage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass sie über eine unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis verfüge und darum Bestandsschutz genieße. Antragsgemäß hat das Verwaltungsgericht Leipzig mit Urteil vom 30. April 2015 festgestellt, dass die Klägerin für den weiteren Betrieb ihrer Spielhalle über den 30. Juni 2013 hinaus keine neue Erlaubnis benötige. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und festgestellt, dass die Klägerin für den weiteren Betrieb ihrer Spielhalle lediglich für die Dauer von 5 Jahren seit Inkrafttreten des Staatsvertrages keine neue glücksspielrechtliche Erlaubnis benötige. Der glücksspielrechtliche Erlaubnisvorbehalt ergebe sich aus § 24 Abs. 1 GlüStV und erfasse auch „Altspielhallen“, für die vor Inkrafttreten des Staatsvertrages eine gewerberechtliche Erlaubnis vorgelegen habe. Bei der Auslegung der Bestandsschutzvorschrift des § 29 Abs. 4 GlüStV komme es allerdings - entgegen der Auffassung des Beklagten - auf die dem früheren Betreiber der Spielhalle bereits am 12. Juli 2010 erteilte unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis an. Für vor dem 28. Oktober 2011 erteilte Erlaubnisse gelte nach § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV ein Bestandsschutz von 5 Jahren nach Inkrafttreten des Staatsvertrages, d.h. bis zum 30. Juni 2017.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Ziel weiter. Sie beruft sich insbesondere auf ihre unwiderrufene und unbefristet fortgeltende gewerberechtliche Erlaubnis, neben der keine weitere Erlaubnis erforderlich und vorgeschrieben sei. Die Rechtsprechung überschreite die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung, wenn sie ein vom Gesetzgeber nicht vorgesehenes weiteres Erlaubnisverfahren einführe. Ferner seien die Stichtagsregelung des § 29 Abs. 4 GlüStV und das Spielhallenverbundverbot der §§ 24, 25, 26 GlüStV verfassungswidrig.
Der Beklagte hat dem widersprochen und Anschlussrevision mit dem Ziel einer vollständigen Klageabweisung erhoben. Das Oberverwaltungsgericht habe bei der Anwendung der Übergangsvorschrift des § 29 Abs. 4 GlüStV zu Unrecht auf die dem früheren Betreiber erteilte Erlaubnis abgestellt. Da die gewerberechtliche Erlaubnis personenbezogen und nicht anlagebezogen sei, könne nur die der Klägerin am 2. November 2011 erteilte Erlaubnis maßgeblich sein, die lediglich einen einjährigen Vertrauensschutz vermittle.
Quelle