Glücksspiel als Gewerbe – Pokerspieler muss Steuern zahlen
RA. Kazemi: Der Staat hält ein Monopol auf Poker als Glücksspiel und erklärt es nun über die Finanzbehörden zum Geschicklichkeitsspiel. "Das ist natürlich ein Widerspruch."
Pressemitteilung vom 31. Oktober 2012
Das Finanzgericht Köln hat heute entschieden, dass die Gewinne eines erfolgreichen Pokerspielers der Einkommensteuer unterliegen.
In dem Verfahren (Az.: 12 K 1136/11) hat ein Flugkapitän geklagt, der seit vielen Jahren an Pokerturnieren teilnimmt und in den letzten Jahren Preisgelder im sechsstelligen Bereich erzielt hat. Diese hat das Finanzamt in dem angefochtenen Steuerbescheid als Einkünfte aus Gewerbebetrieb besteuert. Es steht auf dem Standpunkt, dass Gewinne aus Pokerspielen nur bei einem Hobbyspieler steuerfrei seien. Betreibe ein Steuerpflichtiger das Pokerspiel dagegen berufsmäßig, so erziele er sowohl mit seinen Spielgewinnen als auch mit seinen Fernseh- und Werbegeldern steuerpflichtige Einkünfte.
In der mündlichen Verhandlung stritten die Beteiligten insbesondere darum, ob beim Pokern das Glück oder das Geschick überwiegt. Der Vertreter der Finanzverwaltung verglich das Pokerspiel mit einer sportlichen Auseinandersetzung, bei der derjenige mit den besten analytischen und psychologischen Fähigkeiten gewinne. Demgegenüber sagte der Kläger: “Jeder kann ein Pokerturnier gewinnen. Gerade die großen Turniere werden immer wieder von Anfängern gewonnen. Letztendlich entscheidet das Kartenglück“.
Der 12. Senat des Finanzgerichts ließ sich von den Argumenten des Klägers nicht überzeugen. Er wies die Klage mit der Begründung ab, dass Gewinne eines Pokerspielers jedenfalls dann der Einkommensteuer unterliegen, wenn er regelmäßig über Jahre hinweg erfolgreich an namhaften, mit hohen Preisen dotierten Turnieren teilnimmt. Es komme für die Beurteilung der Steuerpflicht nicht darauf an, ob der Erfolg beim Pokerspiel für einen Durchschnittsspieler oder bezogen auf ein einzelnes Blatt auf Zufallsergebnissen beruhe.
Maßgebend sei, ob der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten mit guten Erfolgsaussichten an renommierten Pokerturnieren teilnehmen könne und wiederholt Gewinne erziele.
Der 12. Senat hat gegen das Urteil die Revision beim Bundesfinanzhof in München zugelassen. Das schriftliche Urteil wird den Beteiligten demnächst zugestellt und auf der Homepage des Finanzgerichts Köln (www.FG-Koeln.NRW.de) veröffentlicht werden.
Pokerspieler will keine Steuern zahlen - Prozess
Mittwoch, 31. Oktober 2012 13.28 Uhr
Köln (dpa/lnw) - Erfolg beim Pokern - ist das Glück oder Können? Diese Frage will noch an diesem Mittwoch das Finanzgericht Köln entscheiden, jedenfalls im Fall des Pokerspielers Eddy Scharf. Ein Grundsatzurteil sei das nicht, betonte die Vorsitzende Richterin Maria-Elisabeth Wetzels-Böhm. Scharf klagt in dem Verfahren gegen Steuernachforderungen der Finanzbehörden. Er bestreitet, mit seiner Teilnahme an Pokerturnieren eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben, die steuerpflichtig ist. Seine Pokergewinne beruhten im Wesentlichen auf Glück, argumentierte er am Mittwoch in der Verhandlung. Gewinne aus Glücksspielen wie zum Beispiel Lottogewinne sind steuerfrei.
Das Finanzamt Köln-Mitte verwies unter anderem darauf, dass schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Typ des berufsmäßigen Pokerspielers bekannt sei. Darauf entgegnete Scharfs Anwalt Robert Kazemi: «Mag sein, nur waren das dann aller Wahrscheinlichkeit nach professionelle Falschspieler.» Es stimme zwar, dass Poker Geschicklichkeitselemente enthalte, aber in erster Linie komme es auf Glück an.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass Gewinne aus Pokerspielen nur bei einem Hobbyspieler steuerfrei seien. Scharf hingegen unterhalte einen Gewerbebetrieb.
“Wie heißt es so schön: Das Glück ist mit den Tüchtigen”, sagte die Vorsitzende Richterin Maria-Elisabeth Wetzels-Böhm. In dem Fall hatte der Pokerspieler Eddy Scharf gegen Steuerforderungen des Finanzamts geklagt. Er argumentierte, dass Poker ein Glücksspiel sei; Gewinne aus Glücksspielen sind steuerfrei. Quelle
Der Familienvater nimmt seit 20 Jahren an internationalen Turnieren und Wettbewerben teil und hat hochkarätige Turniere, darunter auch in Las Vegas, gewonnen. Dazu nehme er hohe Anmeldegebühren und Übernachtungskosten in Kauf, argumentierte das Finanzamt. Wenn genügend Profispieler mit analytischen Fähigkeiten aufeinandertreffen würden, wäre der Glücksfaktor nur noch gering. Quelle
Pokergewinne müssen nach einem Urteil des Finanzgerichts Köln versteuert werden, wenn der Spieler über einen längeren Zeitraum an namhaften Turnieren teilnimmt. Quelle
Ein erfolgreicher Pokerspieler muss seine Gewinne nach einem Gerichtsurteil versteuern. Die Gelder seien als gewerbliche Einkünfte zu betrachten, entschied das Finanzgericht Köln. Quelle
Wo die Grenze vom steuerfreien Gelegenheits- zum steuerpflichtigen Profispieler zu ziehen ist, bleibt offen. Das Gericht ließ Revision zum Bundesfinanzhof zu (Aktenzeichen 12 K 1136/11). Quelle
Eine problematische Entscheidung
Zum ersten Mal hat sich ein deutsches Finanzgericht mit der Frage befasst, wie planbar Gewinne am Kartentisch sind und ob sie daher versteuert werden müssen. Es ist eine spannende Frage, nicht nur weil Millionen Deutsche betroffen sein könnten, sondern auch weil die Antwort darauf ebenso an die Legende der Szene rührt wie sie die Schizophrenie staatlicher Stellen offenbart: Wie viel Glück ist beim Pokern im Spiel? Kann man den Erfolg am Kartentisch planen? Das Urteil könnte weitreichende Folgen für die Szene haben. Bei Profispielern wie ihm sei von einer "gewerblichen Tätigkeit" auszugehen. Er nutze seine "persönlichen Fertigkeiten und ein tieferes Spielverständnis" und verlasse sich nicht auf sein Glück. Quelle
Das Gericht sprach von einer Einzelfallentscheidung. Das Urteil habe keine grundlegende Bedeutung. Es ließ allerdings die Revision beim Bundesfinanzhof in München zu (Aktenzeichen 12 K 1136/11). Denn im Prinzip entschied es auch, dass Poker kein Glücksspiel ist, jedenfalls nicht so richtig. Quelle
Nach der Entscheidung sagte Scharf, er stehe nun vor dem Ruin. Er habe beim Spielen mehr verloren als gewonnen.
Richterin Wetzels-Böhm zu Scharf: Allein die Tatsache, dass es beim Poker Turniere gebe und einzelne Spieler in der Szene sehr bekannt seien, deute aber schon darauf, dass es bei dem Spiel auch auf Können ankomme.
Alles nur Glück - oder ein Strategiespiel für helle Köpfe? Das ist die große Frage beim Poker. Alles nur Glück, wollte Poker-As Eddy Scharf dem Richter weismachen, damit der ihn seine Preisgeld-Million nicht als Einkommen versteuern ließ.
Pokern sei hochprofessionelle Strategie, findet hingegen Boris Becker, für den das Kartenspiel inzwischen Tennis ersetzt hat. Er fordert in einem Interview mit der Welt, dass Pokern nicht länger als Glücksspiel geführt wird. Weiter zum vollständigen Artikel ...
Der Staat möchte die finanziellen Vorteile aus dem Glücksspielmonopol nutzen, das Glücksspiel weiter reglementieren und die Glücksspielgewinne der Pokerspieler besteuern.
Für die Frage der Steuerpflichtigkeit komme es nicht darauf an, ob Poker ein Glücks- oder ein Geschicklichkeitsspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages sei. Maßgeblich sei vielmehr, ob der betreffende Spieler auf Grund seiner analytischen und psychologischen Kenntnisse in der Lage sei, sich regelmäßig erfolgreich an Pokerturnieren zu beteiligen. Die Kölner Entscheidung ist daher individuell auf die persönlichen Spielereigenschaften des Klägers zugeschnitten, betonte die Vorsitzende Richterin. Quelle
Gericht: Pokergewinne müssen versteuert werden - weiter lesen auf FOCUS Online:
Glücksspiele - Steuern: Gericht erklärt Pokergewinne für steuerpflichtig Quelle
Mehr als nur ein Glücksspiel - Pokergewinne sind steuerpflichtig Quelle
Grundsätzlich sind Spiel-, Sport-, Wett- und Lotteriegewinne in Deutschland nicht zu versteuern. Dennoch rücken Pokerspieler immer mehr in den Fokus der Finanzbeamten, nicht zuletzt, weil mitunter erhebliche Gewinne erzielt werden. "Zur Steuerpflicht dieser Pokergewinne kommt es aber erst, wenn der hobbymäßige Rahmen überschritten wird", erklärt Anita Käding vom Bund der Steuerzahler.
Wann dieser hobbymäßige Rahmen überschritten wird, ist nicht eindeutig geklärt.
Wurde durch das Finanzamt die Gewerblichkeit festgestellt, müssten dann auch entsprechende Verluste steuermindernd anerkannt und die Aufwendungen wie beispielsweise die Fahrt- und Übernachtungskosten, Startgelder und Einsätze als "Werbungskosten" angesetzt werden.
weitere Informationen:
Das Finanzamt will die Poker-Millionen mehr
Politischer Poker um die Glücksspielregulierung mehr
Poker ist ein Glücksspiel, sagt das Gesetz - zu Unrecht mehr
Poker - Glücksspiel oder Geschicklichkeitsspiel?
Die empirische Messung der Skill-Komponente im Poker mehr
Das BVerfG führte im Urteil vom 27. 6. 1991 - 2 BvR 1493/89 zum Gleichheitssatz im Steuerrecht aus, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich auch gleich belastet werden müssen. Weiter zum vollständigen Artikel ...
Zu der Entscheidung des FG Köln möchte ich anmerken:
Nachdem die Finanzämter, bestätigt durch das das FG Köln, den "gewerblichen Glücksspieler" als einen "neuen Beruf" und damit eine neue "Einkunftsart" geschaffen haben, muss für den Beruf dann auch die Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG gelten.
Poker - Turniere werden i.d.R. nach dem Prinzip - The winner takes it all - durchgeführt, dass bedeutet, dass der Turniersieger den Gesamtgewinn bekommt und alle anderen Teilnehmer nichts. Ob nach diesem Konzept von einer nachhaltigen gewerblichen Tätigkeit und damit von einer nachhaltigen Einnahmeerzielungsabsicht gesprochen werden kann, ist zweifelhaft. Wenn nur ein einziger Teilnehmer von einer größeren Anzahl von Teilnehmern überhaupt etwas verdienen kann. Demnach dürfte Pokern ein sehr abenteuerliches und unzuverlässiges Geschäftsmodell zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen sein und sich für die Mehrheit der „gewerblichen Spieler“ eben nicht als “wirtschaftliche Tätigkeit” eignen, sich damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. «Es gibt ganz wenige Spieler, die wirklich gewinnen, und ganz viele, die regelmäßig einzahlen und dann sagen: Schon wieder Pech.» Quelle
In der Mehrheit werden die gewerblichen Pokerspieler wohl unter die Kleinunternehmerregelung fallen, die als Vereinfachungsregelung für inlandsansässige Unternehmen konzipiert ist, um diese von unverhältnismäßigen steuerrechtlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten zu entlasten.
Wirkung: faktisch Behandlung als Nichtunternehmer vgl. BFH, BStBl. II 2000, 241 V R 22/99 (Kleinunternehmerregelung – Maßgebliche Jahresumsatzgrenzen) Quelle: Professor Dr. Joachim Englisch, Lehrstuhl für Steuerrecht, Finanzrecht und Öffentliches Recht, Umsatzsteuerrecht
5. Sonderfälle d) Kleinunternehmer Englisch S 31, pdf-download
Pokerspieler die glauben besser zu sein als als der Durchschnitt, und den hobbymäßigen Rahmen überschreiten, sollten ein Gewerbe als gewerblicher Glücksspieler anmelden, sich eine Steuernummer geben lassen und alle damit verbundenen Aufwendungen geltend machen.
Lassen Sie sich für alle damit verbundenen Ausgaben Belege aushändigen und falls möglich die MwSt. gesondert ausweisen, damit Sie als Gewerbetreibender auch die Vorsteuer geltend machen können. Da die Spielkasinos mehrwertsteuerpflichtig sind, sind diese auch verpflichtet entsprechende Belege (Quittung) auszustellen. (AG Bad Oeynhausen, Az.: 11 C 67/12 v. 24.9.2012)
Eddy Scharf am 01.01.13:
Westspielcasinos verweigern bis heute die Ausstellung eines Turnierbelegs.
Liegt schriftlich von Westspielcasinos vor. Beweisbar. Quelle
Ich würde mich nicht wundern, wenn die Finanzämter in relativ kurzer Zeit, die Tätigkeit des "gewerblichen Glücksspielers" mehrheitlich als Liebhaberei werten, und die anfallenden Verluste nicht mehr anerkennen werden. Dies würde faktisch dazu führen, dass der Staat auf Gewinne Steuern erheben würde und eine Verrechnung mit Verlusten nicht mehr möglich wäre, womit der "Gewerbetreibende" auf den Kosten sitzen bleiben würde.
Eine für einen Rechtsstaat äußerst bedenkliche Vorgehensweise, wenn die Grundsätze der Rechtsklarheit und Beständigkeit, sowie des Vertrauensschutzes nicht eingehalten werden.
Einerseits wird durch den Staat Poker als “verbotenes“ Glücksspiel angesehen, wodurch es nur in staatlichen Kasinos gespielt werden darf und die Gewinne steuerfrei sind.
Andererseits werden “gewerbliche“ Glücksspielgewinne versteuert, weil Poker nun nicht so ganz ein Glücksspiel sei und etwas mit Können zu tun haben soll. Das ist widersprüchlich - die Rechtslage ist nicht eindeutig!
Die Grenzen zwischen Glück und Können, zwischen Liebhaberei und einer „gewerblichen Tätigkeit“ sind so fließend, dass diese ohne gesetzliche Festlegung der Kriterien nicht nachträglich durch ein Finanzamt/Gericht, willkürlich nach Tageslaune gezogen werden darf. Es darf bezweifelt werden, ob ohne feste Kriterien eine Besteuerung von “gewerblichen“ Glücksspielgewinnen im Lichte der verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Rechtsprechung als hinreichend bestimmt angesehen werden kann.
Noch dazu, wenn der “Beruf“ als Glücksspiel, verboten und eingeschränkt wird. Das grundgesetzliche Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) verpflichtet den Staat jegliche Eingriffe in Bürgerrechte (Grundrecht Art. 12 GG) mit hinreichend genauen Formulierungen zu belegen, da andernfalls der Bürger der Willkür der Verwaltung ausgesetzt wäre. (BVerfGE, Band 100, S. 313/360; BVerfG, Band 65, S. 1 und 165; BVerfGE 78, 374, 381)
Im Hinblick auf den neuen Beruf des gewerblichen Glücksspielers wird der Staat nicht umhinkommen für Rechtsklarheit zu sorgen, indem Poker als Glücksspiel mit einer Steuerbefreiung weiter verboten bleibt oder aber als Geschicklichkeitsspiel steuerpflichtig wird. Dies würde dann eine Freigabe beinhalten, mit der Möglichkeit auch außerhalb von staatlichen Casinos seinem Beruf nachgehen zu können - also auch um Geld zu spielen.
Zum Vertrauensschutz
......Neben der fundamentalen Bedeutung von Vertrauen als elementarer Tatbestand des sozialen Lebens erscheint der Vertrauensschutzgedanke in seiner rechtlichen Dimension als ethischer Mindestgehalt einer jeden auf die Verwirklichung materieller Gerechtigkeit ausgerichteten Rechtsordnung und wird zu Recht als ihr normatives Fundament bezeichnet....
......Zusammen mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist er Garant dafür, dass die Forderung nach eindeutigen, klaren und bestandskräftigen Hoheitsakten, auf die sich der Bürger verlassen kann, erfüllt wird..... (pdf-download)
Die wichtigsten Grundsätze der Gemeinschaft sind:
Das Willkürverbot (EuGHE 1978,1978), Verhältnismäßigkeits- (EuGHE 1979, 677), Vertrauensschutz- (EuGHE 1978, 169), und das Rechtssicherheitsprinzip (EuGHE 1983, 2633), das gebietet, dass Rechtsvorschriften vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können, klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C 17/03, Slg. 2005, I 4983, Randnr. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).
In der Bundesrepublik Deutschland gehört der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu den grundlegenden Prinzipien der demokratischen, sozialen und rechtsstaatlichen Ordnung. Auch wenn er im GG keine ausdrückliche Regelung erfahren hat, gilt er nach nahezu einhelliger Auffassung als ungeschriebener Verfassungsgrundsatz in der deutschen Rechtsordnung. (Borchardt, Vertrauensschutz (vgl. Fn. 1), S. 22; Erichsen, Jura 1981, S. 534 (542)
Das deutsche Steuerrecht ist außer Kontrolle geraten. Rechtsstaatliche Grundsätze werden im deutschen Steuerrecht im Allgemeinen nicht beachtet. Rechtsstaatliche Minimalkriterien sind im allgemeinen nicht durchsetzbar. In der deutschen Steuerverwaltung haben sich mafiose Strukturen gebildet; deutsche Steuerzahler sind in der Praxis weitgehend rechtlos gestellt.
2002 hat auch der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Paul Kirchhof die Feststellung getroffen, dass das derzeitige Steuerrecht noch immer nicht mit dem 1949 in Kraft getretenen Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Einklang steht. (pdf-download) Er hat dazu in seinem Aufsatz ”Verfassungsauftrag zur Erneuerung des Steuerrechts” wie folgt thesenhaft formuliert:
zusammengestellt von Volker Stiny
update vom 22.11.2012
Pokergewinne steuerpflichtig – oder doch nicht?
Ein Artikel von Steuerberater Dipl.-Kfm. Dirk Becker
Das Finanzgericht Köln hat am 31. Oktober 2012 entschieden, dass Gewinne eines erfolgreichen Pokerspielers der Einkommenssteuer unterliegen.
Da ich zahlreiche Pokerspieler steuerlich vertrete, sehe ich mich veranlasst, einige Gedanken zu äußern:
Bisher liegt zwar nur eine Pressemitteilung vor, aus ihr lässt sich jedoch schon entnehmen, dass mehr Fragen entstanden sind als Antworten gegeben wurden.
Es soll hier gar nicht darüber diskutiert werden, ob Pokern überhaupt steuerpflichtig sein kann. Dies würde hier zu weit führen.
Was macht einen erfolgreichen Spieler aus? Natürlich nur einer, der gewinnt und damit Steuern zahlt. Ein erfolgloser Spieler macht Verluste, und die sind selbstverständlich Privatsache. Das widerspricht aber eindeutig dem Steuerrecht. Es kommt – wenn überhaupt – nicht auf den tatsächlichen Gewinn an, sondern auf die Absicht, Gewinne zu machen.
Dann wird angeführt, dass Eddy Scharf ja Profispieler sei, weil er erfolgreich an großen Turnieren teilnimmt. Wenn er dies nur als Hobby ausübe, unterliegt es nach Ansicht der Finanzbehörden nicht der Einkommensteuer. Also ich weiß nicht: Wenn Pokern bei einem Flugkapitän kein Hobby ist, wie auch das Gericht wohl feststellt hat – wann dann? Wahrscheinlich nur wenn er verliert!
Weiterhin wird von namhaften großen Turnieren gesprochen. Wer entscheidet die Einordnung? Ich schlage eine jährliche Verlautbarung der Finanzverwaltung mit Auflistung der „namhaften“ Turniere vor. Dann kann jeder Spieler entscheiden, ob er an ihnen teilnehmen möchte (um die Gewinne zu versteuern) oder lieber welche auswählt, die nicht auf der Liste stehen (dann sind Gewinne steuerfrei). Das wäre doch eine logische Folgerung.
Die angekündigte ausführliche Begründung gibt hoffentlich mehr her als die Pressemitteilung. Insbesondere bin ich gespannt auf die Begründung, warum es sich bei dem Pokerspiel um ein Geschicklichkeitsspiel handelt.
Doch selbst wenn alle deutschen Gerichte einheitlich davon ausgingen, dass es sich bei Poker, insbesondere bei Texas Hold`em, um ein Geschicklichkeitsspiel handelt, wüssten die Spieler noch immer nicht woran sie sind. Denn die Grenze zwischen Hobby und Beruf wird offenbar von der Finanzverwaltung willkürlich je nach Erfolg gezogen.
Aufgrund der unbefriedigenden Pressemitteilung steht zu befürchten, dass auch bei umfangreicher Begründung noch immer keine endgültige Klärung und damit Sicherheit für Spieler erzielt wird. – Und die BFH-Entscheidung wird sicherlich noch Jahre auf sich warten lassen.
Kontakt:
A.C. Abgaben-Control GbR
Ringseisstraße 4
D-80337 München
Im Hinblick auf den neuen Beruf des gewerblichen Glücksspielers wird der Staat nicht umhinkommen für Rechtsklarheit zu sorgen, indem Poker als Glücksspiel mit einer Steuerbefreiung weiter verboten bleibt oder aber als Geschicklichkeitsspiel steuerpflichtig wird. Dies würde dann eine Freigabe beinhalten, mit der Möglichkeit auch außerhalb von staatlichen Casinos seinem Beruf nachgehen zu können - also auch um Geld zu spielen.
Zum Vertrauensschutz
......Neben der fundamentalen Bedeutung von Vertrauen als elementarer Tatbestand des sozialen Lebens erscheint der Vertrauensschutzgedanke in seiner rechtlichen Dimension als ethischer Mindestgehalt einer jeden auf die Verwirklichung materieller Gerechtigkeit ausgerichteten Rechtsordnung und wird zu Recht als ihr normatives Fundament bezeichnet....
......Zusammen mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist er Garant dafür, dass die Forderung nach eindeutigen, klaren und bestandskräftigen Hoheitsakten, auf die sich der Bürger verlassen kann, erfüllt wird..... (pdf-download)
Die wichtigsten Grundsätze der Gemeinschaft sind:
Das Willkürverbot (EuGHE 1978,1978), Verhältnismäßigkeits- (EuGHE 1979, 677), Vertrauensschutz- (EuGHE 1978, 169), und das Rechtssicherheitsprinzip (EuGHE 1983, 2633), das gebietet, dass Rechtsvorschriften vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können, klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C 17/03, Slg. 2005, I 4983, Randnr. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).
In der Bundesrepublik Deutschland gehört der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu den grundlegenden Prinzipien der demokratischen, sozialen und rechtsstaatlichen Ordnung. Auch wenn er im GG keine ausdrückliche Regelung erfahren hat, gilt er nach nahezu einhelliger Auffassung als ungeschriebener Verfassungsgrundsatz in der deutschen Rechtsordnung. (Borchardt, Vertrauensschutz (vgl. Fn. 1), S. 22; Erichsen, Jura 1981, S. 534 (542)
Das deutsche Steuerrecht ist außer Kontrolle geraten. Rechtsstaatliche Grundsätze werden im deutschen Steuerrecht im Allgemeinen nicht beachtet. Rechtsstaatliche Minimalkriterien sind im allgemeinen nicht durchsetzbar. In der deutschen Steuerverwaltung haben sich mafiose Strukturen gebildet; deutsche Steuerzahler sind in der Praxis weitgehend rechtlos gestellt.
2002 hat auch der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Paul Kirchhof die Feststellung getroffen, dass das derzeitige Steuerrecht noch immer nicht mit dem 1949 in Kraft getretenen Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Einklang steht. (pdf-download) Er hat dazu in seinem Aufsatz ”Verfassungsauftrag zur Erneuerung des Steuerrechts” wie folgt thesenhaft formuliert:
1. Die Grundrechte schützen den Berechtigten (red. den Bürger) gegenüber der Steuerhoheit in gleicher Weise wie gegenüber jeder anderen Ausübung von Hoheitsbefugnissen (Art. 1.3 GG i.V.m. 20.3. GG).
2. Der Rechtsgedanke scheint im Steuerrecht verloren gegangen zu sein.
3. Im Steueralltag redet der Finanzbeamte mit dem Steuerpflichtigen weniger über das Gesetz, sondern mehr über seine dienstlichen Anweisungen, über Richtlinien und Erlasse. Er kennt das Gesetz vielfach nicht.Bleibt zum Schluss die offene Frage, warum Kirchhof nicht schon während seiner Tätigkeit als Bundesverfassungsrichter interveniert hat bzw. sich auch bis heute eher zurückhaltend in der Sache verhält.
4. Es interessiert ihn (red. den Finanzbeamten) auch nicht, er vollzieht seine dienstlichen Weisungen.
5. Insoweit müssen wir auch im Steuerrecht diesen Rechtsstaat wieder elementar neu errichten.
zusammengestellt von Volker Stiny
update vom 22.11.2012
Pokergewinne steuerpflichtig – oder doch nicht?
Ein Artikel von Steuerberater Dipl.-Kfm. Dirk Becker
Das Finanzgericht Köln hat am 31. Oktober 2012 entschieden, dass Gewinne eines erfolgreichen Pokerspielers der Einkommenssteuer unterliegen.
Da ich zahlreiche Pokerspieler steuerlich vertrete, sehe ich mich veranlasst, einige Gedanken zu äußern:
Bisher liegt zwar nur eine Pressemitteilung vor, aus ihr lässt sich jedoch schon entnehmen, dass mehr Fragen entstanden sind als Antworten gegeben wurden.
Es soll hier gar nicht darüber diskutiert werden, ob Pokern überhaupt steuerpflichtig sein kann. Dies würde hier zu weit führen.
Was macht einen erfolgreichen Spieler aus? Natürlich nur einer, der gewinnt und damit Steuern zahlt. Ein erfolgloser Spieler macht Verluste, und die sind selbstverständlich Privatsache. Das widerspricht aber eindeutig dem Steuerrecht. Es kommt – wenn überhaupt – nicht auf den tatsächlichen Gewinn an, sondern auf die Absicht, Gewinne zu machen.
Dann wird angeführt, dass Eddy Scharf ja Profispieler sei, weil er erfolgreich an großen Turnieren teilnimmt. Wenn er dies nur als Hobby ausübe, unterliegt es nach Ansicht der Finanzbehörden nicht der Einkommensteuer. Also ich weiß nicht: Wenn Pokern bei einem Flugkapitän kein Hobby ist, wie auch das Gericht wohl feststellt hat – wann dann? Wahrscheinlich nur wenn er verliert!
Weiterhin wird von namhaften großen Turnieren gesprochen. Wer entscheidet die Einordnung? Ich schlage eine jährliche Verlautbarung der Finanzverwaltung mit Auflistung der „namhaften“ Turniere vor. Dann kann jeder Spieler entscheiden, ob er an ihnen teilnehmen möchte (um die Gewinne zu versteuern) oder lieber welche auswählt, die nicht auf der Liste stehen (dann sind Gewinne steuerfrei). Das wäre doch eine logische Folgerung.
Die angekündigte ausführliche Begründung gibt hoffentlich mehr her als die Pressemitteilung. Insbesondere bin ich gespannt auf die Begründung, warum es sich bei dem Pokerspiel um ein Geschicklichkeitsspiel handelt.
Doch selbst wenn alle deutschen Gerichte einheitlich davon ausgingen, dass es sich bei Poker, insbesondere bei Texas Hold`em, um ein Geschicklichkeitsspiel handelt, wüssten die Spieler noch immer nicht woran sie sind. Denn die Grenze zwischen Hobby und Beruf wird offenbar von der Finanzverwaltung willkürlich je nach Erfolg gezogen.
Aufgrund der unbefriedigenden Pressemitteilung steht zu befürchten, dass auch bei umfangreicher Begründung noch immer keine endgültige Klärung und damit Sicherheit für Spieler erzielt wird. – Und die BFH-Entscheidung wird sicherlich noch Jahre auf sich warten lassen.
Kontakt:
A.C. Abgaben-Control GbR
Ringseisstraße 4
D-80337 München
s.a.:
BFH: Pokerturniergewinne können der Einkommensteuer unterliegen
Urteil vom 16.09.15 X R 43/12
FG Münster: umsatzsteuerpflichtige Entgelte durch Poker?
16. August 2014, 15 K 798/11 U
Urteil des Finanzgerichts Münster: Unter welchen Voraussetzungen ist ein Pokerspieler als Unternehmer anzusehen?
Zur Steuerbarkeit von Pokergewinnen
Von Rechtsanwalt Dr. Robert Kazemi
Eine Bewertung der Entscheidung FG Köln, Urt. v. 31.10.2012 12 K 1136/11
FG Köln: Urteil vom 31.10.2012 - Poker als Gewerbe
Rechtsprechung FG Köln, 31.10.2012 - 12 K 1136/11
FG Köln: Pokergewinne sind steuerpflichtig
Pressemitteilung FG Köln, 31.10.2012 - 12 K 1136/11