Mit drei Urteilen vom gestrigen Tage hat der EuGH weitgehend Klarheit zur Rechtslage in Deutschland geschaffen. Jedoch werden die bisherigen Schnellveröffentlichungen zu den Entscheidungen ihrem Inhalt nur teilweise gerecht.
Maßgeblich ist dafür eine Pressemeldung des EuGH, ein nicht amtliches Dokument.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH in Vorlageverfahren Fragen vorlegender Gerichte zur Auslegung des europäischen Rechts beantwortet. Er entscheidet damit nicht über den Ausgang der von den vorlegenden Gerichten ausgesetzten Verfahren. Dies bleibt Sache dieser Gerichte, die bei ihren jetzt zu treffenden Entscheidungen an die Auslegung des europäischen Rechts durch den EuGH gebunden sind.
Im Vorlageverfahren ist es nicht Aufgabe des EuGH, den ihm von den vorlegenden Gerichten unterbreiteten Sachverhalt zu überprüfen. D.h. er erteilt eine Antwort auf der Basis der ihm mitgeteilten Informationen. Sollten diese nicht zutreffend sein, kann die Antwort des EuGH letztlich für die Entscheidung des konkreten Falls irrelevant sein. Ob der dem EuGH unterbreitete Sachverhalt zutrifft, kann von den nationalen Gerichten im Instanzenzug überprüft und anders bewertet werden, als von den vorlegenden Gerichten.
Die Besonderheit der vom EuGH zu entscheidenden Vorlagefragen lag u.a. darin, dass hier Verwaltungsgerichte mit einer anderen Sachverhaltswahrnehmung als die zur Überprüfung ihrer Entscheidungen berufenen Oberverwaltungsgerichte sich einer Überprüfung durch die dazu zuständigen Gerichte entziehen wollten. Diese Phase ist jetzt vorbei. Jetzt müssen die Verwaltungsgerichte die anhängigen Fälle entscheiden und sind dabei an die Auslegung des europäischen Rechts durch den EuGH gebunden. Auch die Gerichte, die dann zur Überprüfung der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zuständig sind, d.h. die Oberverwaltungsgerichte, das Bundesverwaltungsgericht und auch das Bundesverfassungsgericht, sind an diese Auslegung gebunden.
Betrachtet man die drei Urteile näher, kann man erkennen, dass sie den Ansichten der vorlegenden Gerichte zur Auslegung des europäischen Rechts ganz überwiegend nicht folgen.
Vorhergehende Untersuchung über die Verhältnismäßigkeit
In den verbundenen Rechtssachen Markus Stoß u.a. hatte die Verwaltungsgerichte unter Berufung auf das Urteil Lindmann des EuGH das Fehlen einer vor dem Erlass des GlüStV durchgeführten Untersuchung moniert, die die Verhältnismäßigkeit des neuen Rechts untermauert (Rn. 70). Bei diesem Monitum der Verwaltungsgerichte handelte es sich um ein fehlerhaftes Verständnis des Urteils Lindmann (Rn. 71). Einem Mitgliedstaat ist nicht deshalb die Möglichkeit genommen, zu belegen, dass eine innerstaatliche restriktive Maßnahme gerechtfertigt ist, wenn er keine dem Erlass der Maßnahme vorhergehende Untersuchung vorlegen kann (R. 72)
Monopol oder Erlaubnisvorbehalt
Das Verwaltungsgericht Gießen hatte in Zweifel gezogen, ob für die Erreichung der mit dem GlüStV verfolgten Ziele ein Monopol erforderlich sei oder ob diese Ziele mit Erlaubnissen an private Veranstalter genauso gut erreichbar seien, weshalb das Monopol unverhältnismäßig sei (Rn. 73). Auch hier hat der EuGH die Ansicht des vorlegenden Gerichtes nicht geteilt (Rn. 82). Die Behörden dürfen Monopole für wirksamer halten als eine überwachte erlaubte Tätigkeit.
Effizienz der Monopole im Hinblick auf das Internet
Die Vereinbarkeit staatlicher Monopole mit dem Unionsrecht wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Durchsetzung der nationalen Regelungen in einem transnationalen Umfeld auf Schwierigkeiten stößt (Rn. 85 – 87).
Erfordernis der systematischen und kohärenten Begrenzung von Glücksspielen
Hier hat der EuGH auf der Basis der ihm vorgelegten Informationen anerkannt, dass dann, wenn diese zutreffen, die Eignung der Monopole zur Erreichung der mit ihnen verbundenen Ziele zurecht in Zweifel gezogen werden kann (Rn. 107).
Keine Anerkennung ausländischer Erlaubnisse
Hier stellt der EuGH zunächst fest, dass bei einem europarechtskonform bestehenden staatlichen Monopol allein aufgrund der Existenz eines solchen Monopols eine Anerkennung per se ausgeschlossen ist (Rn. 109).
Die Frage nach der eventuellen Existenz einer solchen Verpflichtung stellt sich nur dann, wenn die Monopole mit dem Unionsrecht unvereinbar sind (Rn. 110). Auch dann gibt es beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedsstaaten erteilten Erlaubnisse (Rn. 112).
Im Urteil Carmen Media hat der EuGH zusätzlich noch folgende Punkte behandelt:
1. Auf die Dienstleistungsfreiheit kann sich auch berufen, wer die entsprechende Tätigkeit in seinem Sitzland nicht ausübt.
2. Eine von einem Mitgliedsstaat eingeführte Regelung, nach der das Angebot von Glückspielen einer vorherigen Erlaubnis bedarf, kann den Anforderungen des Art. 49 EG entsprechen, wenn sie auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht.
3. Ein Internetverbot kann als grundsätzlich geeignet zur Verfolgung legitimer Ziele angesehen werden.
Im Fall Winner Wetten hat der EuGH schließlich klargestellt, dass ein Gericht dann, wenn es eine nationale Regelung für unvereinbar mit dem Unionsrecht hält, diese im konkreten Fall nicht anwenden darf. Diese Feststellung hindert jedoch obere Gerichte nicht, im Rechtsmittelverfahren die Frage der Vereinbarkeit der betreffenden Regelung mit dem Unionsrecht – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH - abweichend von dem Verwaltungsgericht zu beantworten.
Bei den von den vorlegenden Verwaltungsgerichten mitgeteilten Tatsachen ist der Gesichtspunkt, dass der Bund im Glücksspielbereich (gewerbliches Spiel und Pferdewetten) Regelungen getroffen hat, die sich nicht an den Zielen des GlüStV orientieren, kaum bestreitbar. Sollen die Monopole wieder europarechtskonform werden, muss der Bund unverzüglich handeln. Dazu hat er mehrere Möglichkeiten:
Zum einen könnte er die Regelungen zum gewerblichen Spiel so ändern, dass die Automatenspiele wieder zu Unterhaltungsspielgeräten werden und nicht mehr zum Bereich des Glücksspiels zu zählen sind. Insoweit gibt es einen Vorschlag des Fachbeirats Glückspielsucht vom 12. März 2008, der kurzfristig in Gesetzesform umgesetzt werden könnte.
Zum anderen könnte er z.B. auch den Bereich der Geldspielautomaten einem Monopol zuführen, wie dies Norwegen getan hat.
Hinsichtlich der Pferdewetten bietet sich an, schlicht die Sonderregelungen über Pferdewetten aufzuheben und damit dieses Rechtsgebiet gemeinsam mit den Sportwetten zu regeln.
Hinsichtlich der Tatsachenbehauptungen zum Werbeverhalten der Monopolveranstalter dürfte hingegen durchaus einer Überprüfung wert sein, wieweit in Zeiten eines ausufernden illegalen Angebots über das Internet auch eine ansonsten nicht erforderliche Werbung für das legale staatliche Angebot doch in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht steht – auch in Anbetracht der Auslegungshinweise des EuGH in den vorliegenden Urteilen.
Der EuGH hat zwar die Berechtigung der staatlichen Monopole – auf der Basis der ihm vorgetragenen Tatsachen – in Zweifel gezogen, nicht aber die Gültigkeit der Vorschriften des GlüStV im Übrigen. Im Gegenteil hat er ausdrücklich anerkannt, dass das Internetverbot als in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht angesehen werden kann. Dasselbe gilt auch für die nationalen Erlaubnisvorbehalte. Eine Pflicht zur Anerkennung ausländischer Erlaubnisse besteht nicht.
Dies bedeutet, dass die bisher illegalen Angebote nicht schlagartig legal geworden sind. Im Gegenteil:
Glücksspielangebote über das Internet bleiben in Deutschland verboten. Und jede Betätigung ohne eine vorherige behördliche Erlaubnis bleibt ebenfalls verboten.
Jedoch kann einem Glücksspielanbieter, der jetzt eine Erlaubnis beantragt, diese nicht nur wegen des bestehenden Monopols versagt werden. Sie kann ihm aber nach wie vor versagt werden, wenn er ein Glücksspielprodukt in einer Art und Weise anbieten will, die nach den Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags auch den staatlichen Anbietern nicht erlaubt werden könnte. D.h. z.B. Live-Wetten und jedes Glücksspielangebot über das Internet bleiben verboten. Und ein Glückspielanbieter, der nach wie vor über das Internet vielfältige in Deutschland nicht genehmigungsfähige Glücksspielarten anbietet, könnte auch allein deswegen einer Erlaubnis versagt werden, weil er nicht die notwendige Gewähr für die Beachtung der in Deutschland zum Spieler- und Verbraucherschutz in Übereinstimmung mit Unionsrecht geschaffenen Regelungen bietet. Quelle: Rechtsanwalt Heinrich Sievers, Ministerialrat a.D.