Missverständnisse beim Konzessionsverfahren für Sportwetten
Eine Anmerkung von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein
Das im geänderten Glücksspielstaatsvertrag angelegte und erst später
im Verlauf des Verfahrens konkretisierte Verfahren für max. 20
sportwettenrechtliche Konzessionen wird keinen Abschluss finden, der den
unionsrechtlichen Vorgaben gerecht wird. Das stand von Anfang an fest
und diese Erkenntnis hat sich offensichtlich auch in der Politik bei der
SPD durchgesetzt. „Aus meiner Sicht ist
klar, dass der Glücksspielstaatsvertrag so nicht funktionieren wird. Ich
fordere die Länder auf, sich noch mal zusammenzusetzen und
Verbesserungen im Verfahren zu beschließen“ ließ Martin Gerster, der sportpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag jüngst verlautbaren (Quelle: SID).
Den Bundesländern bleibt, das Verfahren für gescheitert zu erklären
und im Anwendungsbereich des Unionsrechts auf die Vollziehung der
Beschränkungen des geänderten Glücksspielstaatsvertrags zu verzichten,
soweit sich diese Beschränkungen an private Anbieter richten sollten und
nicht lediglich an die erlaubten bzw. erlaubnisfähigen Anbieter. Nur so
können weitere Staatshaftungsansprüche vermieden werden.
Das Scheitern des Konzessionsverfahrens stand schon fest, als im Juni
2010 öffentlich bekannt wurde, dass die maßgebliche Schweizer Studie,
auf die sich die Bundesländer zur Rechtfertigung der Beschränkungen des
geänderten Staatsvertrages berufen, in ihrem Kernaussagen manipuliert
worden war. Während es im Original dieser Studie zur Gesamtbewertung des
Wettwesens heißt: „Das Wettwesen scheint auch weniger dem
Problemspiel ausgesetzt zu sein, wahrscheinlich weil Wetten
Opportunitätskosten für den Spieler hervorbringen, d.h. der Wettspieler
braucht gewisse Auskünfte (über Pferde, Sportklubs, usw.). Diese
Auskunftssuche hält jedoch jene Spieler zurück, die ein schnelles und
einfaches Glücksspiel suchen und in diese Kategorie fallen die meisten
Suchtspieler. Auch vom Internet kommt hier weniger Konkurrenz, weil das
Wettprinzip das gleiche bleibt.“ wurde in der von Seiten der
Erfüllungsgehilfen der Bundesländer manipulierten Fassung die Sportwette
wahrheitswidrig im Ergebnis als Spiel „mit hohem Gefährdungspotenzial“ betrachtet, was – so die Manipulatoren – insbesondere auch für das Internet-Wettwesen gelte.
Die Konzessionsstelle, die von diesen Manipulationen weiß, schert die
fehlende sachliche und tatsächliche Rechtfertigung des geänderten
Staatsvertrages nicht. Unbeirrbar rekrutiert sie Söldner, um sich gegen
die erwartete Flut von Unbeugsamen Dienstleistern zu verteidigen, die
von ihren Grundrechten und Grundfreiheiten Gebrauch machen möchten und
dazu auch gerichtliche Unterstützung in Anspruch nehmen. Nachdem schon
einige Klagen gegen das Konzessionsverfahren als solches und zahlreiche
Eil-Anträge auf die weitere Teilnahme am Konzessionsverfahren
gerichtlich anhängig sind, lässt sich nunmehr auch die staatliche
Argumentationsstrategie übersehen.
Diese Strategie verkennt zunächst, dass die privaten Wettanbieter
keine Almosen von der Konzessionsstelle erhoffen, sondern Inhaber der
höherrangigen Dienstleistungsfreiheit sind und das elementare Recht
haben, von staatlichen Beschränkungen verschont zu bleiben. Außerdem ist
die Verteidigungsstrategie der Konzessionsstelle von Widersprüchen
gekennzeichnet. Beispielsweise räumt die Konzessionsstelle ein, dass der
Staatsvertrag „so gut wie gar keine Aussagen zur konkreten
Ausgestaltung des Verfahrens“ trifft, spricht aber von einem objektiven
und transparenten Verfahren und meint dann, die einzelnen Anforderungen
für eine Konzession hätten nicht notifiziert werden müssen. Das passt
nicht zusammen. Wenn der Staatsvertrag so gut wie keine Aussagen zu dem
Verfahren trifft, ist das Verfahren nicht hinreichend vorhersehbar und
nicht transparent. Die Behörde räumt mithin selbst ein, dass die
einzelnen, oft recht komplexen Anforderungen zur Erlangung einer
Konzession schon deshalb unanwendbar sind, weil sie nicht notifiziert
wurden.
Auffällig ist zudem, dass die Konzessionsstelle stets ausgeführt
hatte, Vergaberecht sei nicht anwendbar, weil es nicht um einen
öffentlichen Dienstleistungsauftrag geht; andererseits aber vor den
Verwaltungsgerichten nunmehr mit einer Analogie zum Vergaberecht
argumentiert. Dabei übersieht die Konzessionsstelle einmal mehr, dass
private Wettanbieter nicht als Bittsteller kommen. Sie dürfen ihre
Dienstleistung grundsätzlich unbeeinträchtigt von staatlichen Zwängen
erlaubnisfrei ausüben. Das ist der Sinn und Zweck der unionsrechtlichen
Grundfreiheiten. Von diesem Grundsatz der unionsrechtlichen
Gewerbefreiheit gibt es nur dann Ausnahmen, wenn ein gesetzlich
vorgesehenes objektives Erlaubnisverfahren besteht, das durch zwingende
Erfordernisse des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und auch in seinen
konkreten Anwendungsmodalitäten alle Voraussetzungen des Unionsrechts an
seine Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dabei ist die
Konzessionsstelle, der grundsätzlich jede Beschränkung der
Dienstleistungsfreiheit privater Wettanbieter verboten ist, darlegungs-
und beweisbelastet dafür, dass jede einzelne Beschränkung des
Verfahrens ausnahmsweise durch zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls
gerechtfertigt, das heißt zwingend erforderlich und verhältnismäßig ist.
Diesen Nachweis hat die Konzessionsstelle nicht erbracht und kann ihn
auch nicht erbringen. Deshalb zieht sie sich auf den fernliegenden
Standpunkt zurück, die zahlreichen von ihr aufgestellten
Mindestvoraussetzungen bedürften keiner eigenständigen unionsrechtlichen
Rechtfertigung. Das ist falsch, denn nach der ständigen Rechtsprechung
des EuGH ist jede einzelne Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit für
sich genommen rechtfertigungsbedürftig, sonst könnten die
Mitgliedstaaten diese elementare Grundfreiheit leerlaufen lassen.
Die Konzessionsstelle und ihre (zukünftigen) Anwälte werden deshalb
umdenken müssen. Vergaberecht findet keine Anwendung, schon gar nicht in
Analogie. Anträge auf eine Konzession sind anders als im Vergaberecht
keineswegs darauf gerichtet, eine Dienstleistung gegen Entgelt für den
Staat als öffentlichen Auftraggeber zu erbringen. Nicht der Staat fragt
die Dienstleistung Sportwetten nach, das macht der Bürger. Der Staat
bezahlt auch nicht dafür, dass private Anbieter unter Inanspruchnahme
ihrer Dienstleistungsfreiheit Sportwetten anbieten, das macht der
Bürger.
Private Sportwettenanbieter kommen mithin nicht als Bittsteller nach
Wiesbaden, denn die Ausübung der Grundfreiheiten ist nicht an eine
behördliche Erlaubnis gebunden. Private Anbieter kommen als Inhaber
höherrangiger Rechte mit dem Anspruch auf ein freies und unbeschränktes
Gewerbe und müssten angesichts der fehlenden Transparenz und
Objektivität des Konzessionsverfahrens, das zudem offenkundig auf die
Günstlingswirtschaft zu Gunsten der staatlichen Lotteriegesellschaften
angelegt ist, überhaupt keine Konzession beantragen, um ihre
Dienstleistungsfreiheit auszuüben.
Von diesem Blickwinkel aus betrachtet liegt es fern, eine Analogie
zum Vergaberecht zu ziehen und dem privaten Wettanbieter die Erfüllung
eines Lastenheftes – in der Form der so genannten Mindestvoraussetzungen
– aufzuzwingen. Die Ausübung der Grundrechte und Grundfreiheiten ist
nicht an die Erfüllung bestimmter Mindestvoraussetzungen gebunden.
Grundrechte und Grundfreiheiten existieren, um unmittelbar ausgeübt zu
werden, sonst bräuchte man sie nicht. Es geht daher nicht an, die
unüberwindbaren Hürden für ein staatliches Sportwettenmonopol oder
–Oligopol über die Hintertür ungerechtfertigter „Mindestvoraussetzungen“
zu umgehen und das Vergaberecht heranzuziehen. Die privaten
Wettanbieter verlangen nichts vom deutschen Staat. Sie wollen keinen
Wettauftrag und kein Entgelt. Sie möchten nur, dass der Staat seine
primäre staatliche Pflicht erfüllt und ihre Grundrechte und
Grundfreiheiten beachtet. Das ist nicht viel verlangt, für manchen
Amtsträger aber scheinbar doch zu viel.
Rolf Karpenstein
Rechtsanwalt
Karpenstein@raeblume.de
Tel.: 0403550300; Fax.: 04035503030
EGBA: Ein Jahr Glücksspieländerungsstaatsvertrag in Deutschland: Beschränkte Marktöffnung droht zu scheitern
Pressemitteilung der European Gaming and Betting Association (EGBA)
Brüssel,
28. Juni 2013 - Auch ein Jahr nach in Inkrafttreten des Ersten
Glücksspieländerungsstaatsvertrages (Erster GlüÄndStV) ist die
beschränkte Marktöffnung für die Sportwette in Deutschland noch nicht
auf den Weg gebracht. Damit bestätigen sich die Bedenken der führenden
europäischen Glücksspielanbieter und der Europäischen Kommission
bezüglich der deutschen Regulierung und deren Umsetzung.
Der
Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist am 1. Juli 2012 in Kraft getreten
und sieht eine Neuregelung des Glücksspiels in Deutschland vor, nachdem
der Europäische Gerichtshof (EuGH) die deutsche Regulierung im Jahre
2010 für europarechtswidrig erklärte. Durch den Vertrag wird der Markt
beschränkt für den Zeitraum von sieben Jahren für 20 Sportwettenanbieter
geöffnet. Erklärte politische Ziele des Vertrages sind die
Kanalisierung des Schwarzmarktes und die Bekämpfung von Spielsucht.
Die
Europäische Kommission hat frühzeitig europarechtliche Bedenken an der
deutschen Regulierung geäußert, insbesondere in Bezug auf die
Problematik der Begrenzung der Höchstzahl von Anbietern und auf die
fehlende Berücksichtigung von Online Poker und -Casino in der Regelung.
Für die Kommission ist nicht zu erkennen, wie eine Beschränkung der
Gesamtzahl der Konzessionen zur Erreichung der gesetzten Ziele geeignet
ist (vgl. Notifizierung des Glückspielstaatsvertrages 2011/0188/D). In
Kombination mit den gesetzten engen Grenzen für die Ausgestaltung von
Sportwetten ist es durch die Begrenzung schwierig, ein attraktives
(Online-)Sportwetten-Angebot in Deutschland zur Verfügung zu stellen.
Diese
Bedenken der Kommission scheinen sich nun zu bestätigen: Ein Jahr nach
Inkrafttreten ist die Neuregelung der Sportwette nicht gelungen, ein
Jahr der siebenjährigen Öffnungsphase ist verstrichen, ohne dass
Sportwettenanbieter zum Markt zugelassen wurden. Das für die Vergabe der
20 Sportwetten-Konzessionen gewählte Verfahren, auf das sich die
Ministerpräsidenten geeinigt hatten, entspricht nicht den europäischen
Vorgaben: Es wurde versäumt den Bewerbern klare, transparente und
verlässliche Informationen über die bei der Vergabe anzuwendenden
Kriterien zu liefern. Dies führte bisher zu zahlreichen Klagen der
Anbieter und mehrfacher Verschiebung der Konzessionsvergabe durch die
Verwaltung. Wann die Vergabe der Konzessionen stattfinden wird, ist
momentan völlig offen, selbst die Verwaltung rechnet mit bis zu 80
verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sowohl mit unterlegenen Bewerbern
als auch mit Konzessionsinhabern. Zudem sind Online Poker und -Casino
nicht Teil der beschränkten Marktöffnung, obwohl diese Marktsegmente
einen deutlich größeren Umfang ausmachen als die Sportwette.
Maarten
Haijer, Generalsekretär der EGBA, kommentiert: "Zahlreiche Fragen
bezüglich der Sportwette sind in Deutschland nach wie vor offen, obwohl
das Vergabeverfahren seit Monaten läuft. Selbst wenn die Vergabe
gelingt, wird am Ende eine Marktregulierung stehen, die für alle
Beteiligten - sowohl die Anbieter, die Verwaltung als auch den Breiten-
und Profisport und die Werbebranche, die von Erträgen der
Glücksspielanbieter abhängig sind – Nachteile birgt.“
Die
schleppende Vergabe der Konzessionen zeigt, dass das gewählte
Regulierungsmodell problematisch ist. Die Bedenken der Kommission können
aus Sicht der EGBA zu diesem Zeitpunkt nur ausgeräumt werden, wenn der
Regulierungsansatz grundsätzlich überdacht oder das Vergabeverfahren neu
begonnen wird. Ohnehin stellt die deutsche Regulierung einen
europäischen Alleingang dar: In anderen europäischen Ländern werden
Anbieter auf Basis eines umfangreichen Kriterienkatalogs zugelassen.
Zudem gibt es mit der seit 2011 praktizierten Lizenzierung von
Glücksspielanbietern in Schleswig-Holstein ein binnenländisches Beispiel
für eine erfolgreiche Regulierung: Dort erhalten Anbieter eine Lizenz,
die die Erfüllung von hohen Zuverlässigkeits-, Qualitäts-,
Wirtschaftlichkeits- und Sicherheitskriterien nachweisen können. Diese
Verfahren haben sich in der Praxis bewährt und führen nirgends zu
vergleichbaren Verzögerungen und juristischen Auseinandersetzungen wie
in Deutschland.
Maarten Haijer fasst zusammen: “In Deutschland
lässt sich beobachten, wie ein politischer Kompromiss, von dem nun
niemand abrücken möchte, ein schlechtes Verfahren schafft. Für unsere
Mitglieder, die in allen europäischen Ländern aktiv sind, ist das
deutsche Vorgehen vor dem Hintergrund erfolgreicher europäischer
Regulierungsbeispiele und dem Fortbestand europarechtlicher Bedenken
unverständlich“.
Die Erreichung der politischen Ziele von
Schwarzmarktkanalisierung und Bekämpfung der Spielsucht sind vor dem
Hintergrund der Verfahrensprobleme in der Konzessionsvergabe komplett in
den Hintergrund gerückt. Die Europäische Kommission plant, sich
spätestens 2014 im Rahmen der Evaluierung des
Glücksspielstaatsvertrages, mit der deutschen Regulierung intensiv
auseinander zu setzen. Der bisherige Verlauf des Konzessionsverfahrens
dürfte Gegenstand der Evaluierung sein.
Deutsche Kunden haben
Anspruch auf ein effizient reguliertes Angebot an digitaler
Unterhaltung. So müssen sie nicht auf asiatische Anbieter ausweichen.
EGBA wird in sehr naher Zukunft mit einer Vertretung in Berlin die
Online-Gaming-Industrie vor Ort repräsentieren und so einen
faktenbasierten Entscheidungsfindungsprozess mit Politik und anderen
Stakeholdern unterstützen.
Über EGBA
Die European Gaming and
Betting Association (EGBA) ist die Industrievereinigung der führenden in
der Europäischen Union angesiedelten, lizenzierten und regulierten
Online-Glücksspiel- und Wettanbieter Bet-at-home.com, bwin.party,
Betclic, Digibet, Expekt und Unibet. Die EGBA tritt für einen
durchgängigen und von fairem Wettbewerb gekennzeichneten regulierten
Online-Glücksspiel- und Wettmarkt ein, der im Einklang mit EU-Recht
steht. Die EGBA ist der Überzeugung, dass ein derart regulierter Markt
auf der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Wahrung von
Verbraucherschutzinteressen basieren sowie dem grenzübergreifenden
Charakter des Online-Marktes entsprechen sollte. www.egba.eu
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Donnerstag, 4. Juli 2013
Montag, 12. Juni 2017
Betrieb von Bestandsspielhallen nach dem 1.7.2017 nur noch mit glücksspielrechtlicher Erlaubnis zulässig
Pressemeldung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
Gericht/Institution: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Erscheinungsdatum: 08.06.2017
Entscheidungsdatum: 08.06.2017
Aktenzeichen: 4 B 307/17
Betrieb von Bestandsspielhallen erfordert glücksspielrechtliche Erlaubnis
Das OVG Münster hat entschieden, dass Bestandsspielhallen, für die die fünfjährige Übergangsfrist nach dem Glücksspielstaatsvertrag gilt, für den weiteren Betrieb auch in Nordrhein-Westfalen ab dem 01.07.2017 eine glücksspielrechtliche Erlaubnis benötigen.
Diese könne grundsätzlich nur erteilt werden, wenn eine Spielhalle nicht in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht (Verbundverbot) und einen Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zu einer anderen Spielhalle nicht unterschreitet (Mindestabstandsgebot). Sofern unter diesen Umständen nicht alle bestehenden Spielhallen weiter betrieben werden könnten, müssten die Behörden ihre Auswahlentscheidung vor dem 01.07.2017 treffen und nicht erst vor dem 01.12.2017, so das Oberverwaltungsgericht.
Die Antragstellerin, eine Betreiberin zweier Bestandsspielhallen mit Sitz in Großbritannien, machte einen Verstoß der Stadt Wuppertal gegen das Transparenzgebot bezogen auf zwei Spielhallen in Wuppertal geltend.
Das OVG Münster hat entschieden, dass Bestandsspielhallen, für die die fünfjährige Übergangsfrist nach dem Glücksspielstaatsvertrag gilt, für den weiteren Betrieb auch in Nordrhein-Westfalen ab dem 01.07.2017 eine glücksspielrechtliche Erlaubnis benötigen.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgericht, das einer Entscheidung des BVerfG zur vergleichbaren Rechtslage im Saarland folgt, steht in Nordrhein-Westfalen ein verfassungsgemäßes und europarechtskonformes Auswahlverfahren zur Verfügung. Glücksspielrechtliche Erlaubnisse für den Betrieb von Spielhallen seien keine Dienstleistungskonzessionen und unterlägen nicht dem förmlichen Vergaberecht. Für das Auswahlverfahren gelte allerdings die aus dem Gleichbehandlungsgebot folgende Pflicht zur Transparenz, die nicht notwendig eine öffentliche Ausschreibung erfordere. Diesem Gebot entsprechend beruhe das gesetzlich vorgesehene Auswahlverfahren auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien. Es gebe ausreichend gesetzlich fundierte und durch Verwaltungsvorschrift näher konkretisierte Maßstäbe, durch die die Gefahr willkürlicher Entscheidungen ausgeschlossen werde.
Das Oberverwaltungsgericht hat im Streitfall angenommen, dass ein konkreter Verstoß der Stadt Wuppertal gegen das Transparenzgebot zum jetzigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden könne und der Antragstellerin deshalb zuzumuten sei, zunächst einen Erlaubnisantrag zu stellen. Da die Stadt die Betreiber von Bestandsspielhallen darauf hingewiesen habe, dass die Übergangsfrist bis zum 30.11.2017 laufe, hat das Oberverwaltungsgericht klargestellt, bei ihnen dürften für die Zeit bis dahin zur Vermeidung unbilliger Härten jedenfalls die Voraussetzungen für die Befreiung vom Mindestabstandsgebot und vom Verbundverbot gegeben sein; eine Härtefallbefreiung für einen jeweils angemessenen Zeitraum komme im Übrigen gerade bei vergleichsweise spät getroffenen behördlichen Auswahlentscheidungen in Betracht, um die nach einer etwaigen negativen Auswahlentscheidung ggf. noch vorzunehmenden Abwicklungsmaßnahmen zu ermöglichen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 08.06.2017
update:
OVG-Beschluss hat keine Auswirkungen auf Verfahrensablauf
Nach der Verwirrung um die Übergangsfrist in NRW, die ein Urteil des OVG Münster ausgelöst hatte, hat das Ministerium für Inneres den 30.11.2017 bestätigt.
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Der Stichtag 1. Dezember 2017 bleibt, schrieb der Automatenmarkt am 12.06.2017 unter Hinweis auf ein Schreiben des Landesinnenministeriums vom 6. Juni 2017, aus dem hervorgeht, dass die Übergangsfrist für Spielhallen nach § 29 Absatz 4 Satz 2 und 3 GlüStV i.V.m. §§ 16 und 18 AG GlüStV NRW in Nordrhein-Westfalen am 30.11.2017 endet. Entscheidend für die Berechnung der Übergangsfrist ist das Datum des Inkrafttretens des Ausführungsgesetzes NRW Glücksspielstaatsvertrag, also der 1. Dezember 2012.“
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Demnach müsste die Übergangsfrist in Schleswig-Holstein erst am 8.2.2018 enden.
Was gilt – das Inkrafttreten des jeweiligen Ausführungsgesetzes oder der OVG-Beschluss, der den Zeitpunkt auf den GlüStV abstellt, von dem nicht klar ist, ob dieser wegen möglicher Unionsrechtswidrigkeit in diesem Fall, gegenüber der Firma aus Großbritannien, keine Rechtskraft erlangen kann ?
s.u.a.:
Kritik am Beschluss des BVerfG vom 07.März 2017 zum Spielhallenrecht
weiterlesen
Kritik am Urteil des BVerwG vom 16.12.2016
weiterlesen
OVG Münster: Beschränkungen der Spielhallen sind am EU-Recht zu messen
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Gericht/Institution: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Erscheinungsdatum: 08.06.2017
Entscheidungsdatum: 08.06.2017
Aktenzeichen: 4 B 307/17
Betrieb von Bestandsspielhallen erfordert glücksspielrechtliche Erlaubnis
Das OVG Münster hat entschieden, dass Bestandsspielhallen, für die die fünfjährige Übergangsfrist nach dem Glücksspielstaatsvertrag gilt, für den weiteren Betrieb auch in Nordrhein-Westfalen ab dem 01.07.2017 eine glücksspielrechtliche Erlaubnis benötigen.
Diese könne grundsätzlich nur erteilt werden, wenn eine Spielhalle nicht in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht (Verbundverbot) und einen Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zu einer anderen Spielhalle nicht unterschreitet (Mindestabstandsgebot). Sofern unter diesen Umständen nicht alle bestehenden Spielhallen weiter betrieben werden könnten, müssten die Behörden ihre Auswahlentscheidung vor dem 01.07.2017 treffen und nicht erst vor dem 01.12.2017, so das Oberverwaltungsgericht.
Die Antragstellerin, eine Betreiberin zweier Bestandsspielhallen mit Sitz in Großbritannien, machte einen Verstoß der Stadt Wuppertal gegen das Transparenzgebot bezogen auf zwei Spielhallen in Wuppertal geltend.
Das OVG Münster hat entschieden, dass Bestandsspielhallen, für die die fünfjährige Übergangsfrist nach dem Glücksspielstaatsvertrag gilt, für den weiteren Betrieb auch in Nordrhein-Westfalen ab dem 01.07.2017 eine glücksspielrechtliche Erlaubnis benötigen.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgericht, das einer Entscheidung des BVerfG zur vergleichbaren Rechtslage im Saarland folgt, steht in Nordrhein-Westfalen ein verfassungsgemäßes und europarechtskonformes Auswahlverfahren zur Verfügung. Glücksspielrechtliche Erlaubnisse für den Betrieb von Spielhallen seien keine Dienstleistungskonzessionen und unterlägen nicht dem förmlichen Vergaberecht. Für das Auswahlverfahren gelte allerdings die aus dem Gleichbehandlungsgebot folgende Pflicht zur Transparenz, die nicht notwendig eine öffentliche Ausschreibung erfordere. Diesem Gebot entsprechend beruhe das gesetzlich vorgesehene Auswahlverfahren auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien. Es gebe ausreichend gesetzlich fundierte und durch Verwaltungsvorschrift näher konkretisierte Maßstäbe, durch die die Gefahr willkürlicher Entscheidungen ausgeschlossen werde.
Das Oberverwaltungsgericht hat im Streitfall angenommen, dass ein konkreter Verstoß der Stadt Wuppertal gegen das Transparenzgebot zum jetzigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden könne und der Antragstellerin deshalb zuzumuten sei, zunächst einen Erlaubnisantrag zu stellen. Da die Stadt die Betreiber von Bestandsspielhallen darauf hingewiesen habe, dass die Übergangsfrist bis zum 30.11.2017 laufe, hat das Oberverwaltungsgericht klargestellt, bei ihnen dürften für die Zeit bis dahin zur Vermeidung unbilliger Härten jedenfalls die Voraussetzungen für die Befreiung vom Mindestabstandsgebot und vom Verbundverbot gegeben sein; eine Härtefallbefreiung für einen jeweils angemessenen Zeitraum komme im Übrigen gerade bei vergleichsweise spät getroffenen behördlichen Auswahlentscheidungen in Betracht, um die nach einer etwaigen negativen Auswahlentscheidung ggf. noch vorzunehmenden Abwicklungsmaßnahmen zu ermöglichen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 08.06.2017
update:
OVG-Beschluss hat keine Auswirkungen auf Verfahrensablauf
Nach der Verwirrung um die Übergangsfrist in NRW, die ein Urteil des OVG Münster ausgelöst hatte, hat das Ministerium für Inneres den 30.11.2017 bestätigt.
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Der Stichtag 1. Dezember 2017 bleibt, schrieb der Automatenmarkt am 12.06.2017 unter Hinweis auf ein Schreiben des Landesinnenministeriums vom 6. Juni 2017, aus dem hervorgeht, dass die Übergangsfrist für Spielhallen nach § 29 Absatz 4 Satz 2 und 3 GlüStV i.V.m. §§ 16 und 18 AG GlüStV NRW in Nordrhein-Westfalen am 30.11.2017 endet. Entscheidend für die Berechnung der Übergangsfrist ist das Datum des Inkrafttretens des Ausführungsgesetzes NRW Glücksspielstaatsvertrag, also der 1. Dezember 2012.“
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Demnach müsste die Übergangsfrist in Schleswig-Holstein erst am 8.2.2018 enden.
Was gilt – das Inkrafttreten des jeweiligen Ausführungsgesetzes oder der OVG-Beschluss, der den Zeitpunkt auf den GlüStV abstellt, von dem nicht klar ist, ob dieser wegen möglicher Unionsrechtswidrigkeit in diesem Fall, gegenüber der Firma aus Großbritannien, keine Rechtskraft erlangen kann ?
s.u.a.:
Kritik am Beschluss des BVerfG vom 07.März 2017 zum Spielhallenrecht
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Kritik am Urteil des BVerwG vom 16.12.2016
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OVG Münster: Beschränkungen der Spielhallen sind am EU-Recht zu messen
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Montag, 18. Februar 2013
Transparenzvorschriften der Union
Finanzielle Transparenz zwischen den EU-Ländern, den öffentlichen Unternehmen und anderen Unternehmen
RECHTSAKT
Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen.
(Auszug)
Die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen der öffentlichen Hand und den öffentlichen Unternehmen sowie die Transparenz der Finanzstruktur und des Aufbaus bestimmter Unternehmen sind von wesentlicher Bedeutung, um eine wirkungsvolle und angemessene Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen durch die Kommission zu gewährleisten.
Den öffentlichen Unternehmen * kommt für die Volkswirtschaft der Länder der Europäischen Union (EU) eine wichtige Rolle zu. Sie unterliegen ebenso wie die mit besonderen * oder ausschließlichen * Rechten ausgestatteten Unternehmen gemäß Artikel 106 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (ex-Artikel 86 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) denselben Wettbewerbsregeln wie Privatunternehmen. Gemäß Artikel 345 AEUV (ex-Artikel 295 EGV) lässt der Vertrag die Eigentumsordnung in den EU-Ländern unberührt. Es darf also bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln keine unbegründete Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen getroffen werden.
Daher ist es notwendig, dass die Kommission über detaillierte Angaben verfügt, die es ihr ermöglichen, sich die Gewissheit zu verschaffen, dass die EU-Länder weder öffentlichen noch privaten Unternehmen Beihilfen gewähren, die nicht mit dem gemeinsamen Markt vereinbar sind.
Finanzielle Beziehungen zwischen der öffentlichen Hand und den öffentlichen Unternehmen
Die EU-Länder müssen die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen der öffentlichen Hand und den öffentlichen Unternehmen dadurch gewährleisten, dass sie die unmittelbar, aber auch mittelbar (über öffentliche Unternehmen oder Finanzinstitute) erfolgte Bereitstellung öffentlicher Mittel durch die öffentliche Hand zugunsten der öffentlichen Unternehmen sowie deren tatsächliche Verwendung offen legen.
Die finanziellen Beziehungen, deren Transparenz zu gewährleisten ist, betreffen insbesondere:
Schlüsselwörter des Rechtsakts
Mehr zum Wettbewerbs- und Kartellrecht:
Die Behinderung von Kunden und Konkurrenten ist u.a. nach 101/d und 102/c) unzulässig.
Europäisches Wettbewerbsrecht
101/d) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
Kommission will Opfern von Kartellrechtsverstößen Schadensersatzansprüche erleichtern
Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für eine Richtlinie angenommen, in der geregelt ist, wie Bürger und Unternehmen Schadensersatz verlangen können, wenn sie Opfer von Zuwiderhandlungen gegen das EU-Kartellrecht geworden sind (z.B. durch Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung oder durch Kartelle). Mit dem Vorschlag soll eine Reihe praktischer Schwierigkeiten behoben werden, mit denen Opfer häufig konfrontiert sind, wenn sie versuchen, einen angemessenen Ersatz für den erlittenen Schaden zu erhalten. Quelle: EU-Kommission PM vom 11.6.2013
Schadenersatz:
Francovich-Entscheidung: Dem einzelnen Bürger steht bei einer Verletzung des Unionsrechts durch einen Mitgliedstaat ein Anspruch auf Ersatz zu, wenn dem Einzelnen durch den staatlichen Verstoß ein Schaden entstanden ist. Quelle: wikipedia
Der EuGH hat dem Grunde nach anerkannt, dass europarechtswidrige Mitgliedstaatsurteile einen Haftungsanspruch auslösen.
Rechtsprechung zur Staatshaftung nach Unionsrecht (Auszug)
1. Leitentscheidung Francovich (1991): gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung der Mitgliedstaaten für die Nichtumsetzung von Richtlinien
2. Leitentscheidung Brasserie du Pêcheur/Factortame (1996): gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung für die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht
• Rechtfertigung der richterrechtl. Einführung der Staatshaftung aus der Aufgabe der Sicherung der "Wahrung des Rechts" nach Art. 164 (heute 220) EGV
• Bestimmung der Haftungsvoraussetzungen analog zu Art. 215 II (heute 288 II) EGV nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind
• insbes. Haftung nur bei hinreichend qualifiziertem Verstoß; dafür Haftung auch ohne Verschulden
• Haftung auch für legislatives Unrecht
• angemessener Umfang der Entschädigung (grds. auch entgangener Gewinn)
3. Weitere wichtige Entscheidungen
a) British Telecommunications (1996): Haftung auch für fehlerhafte Umsetzung von Richtlinien
b) Dillenkofer (1996): zu den Haftungsvoraussetzungen des hinreichend qualifizierten Verstoßes und der Verleihung subj. Rechte (Verb. Rs. C-178/94 u.a., Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845, Nr. 23 ff)
c) Hedley Lomas (1996): Haftung auch für gemeinschaftsrechtswidrige Verwaltungspraxis (Rs. C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553, Nr. 28)
d) Köbler (2003): Haftung auch für höchstrichterliche Entscheidungen
• typische Effet-utile-Rspr.
Quelle: DAS RECHT DER EU UND SEINE DURCHSETZUNG IN DEN MITGLIEDSTAATEN
Zum Grundsatz der Staatshaftung aus dem EuGH-Urteil
v. 30.09.2003, Rs. C-224/01 - Köbler / Österreich
30. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass der Grundsatz der Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, aus dem Wesen des EG-Vertrags folgt (Urteile vom 19. November 1991 in den Rechtssachen C-6/90 und C-9/90, Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357, Randnr. 35, Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 31, vom 26. März 1996 in der Rechtssache C-392/93, British Telecommunications, Slg. 1996, I-1631, Randnr. 38, vom 23. Mai 1996 in der Rechtssache C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553, Randnr. 24, vom 8. Oktober 1996 in den Rechtssachen C-178/94, C-179/94 und C-188/94 bis C-190/94, Dillenkofer u. a., Slg. 1996, I-4845, Randnr. 20, vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-127/95, Norbrook Laboratories, Slg. 1998, I-1531, Randnr. 106, und Haim, Randnr. 26).
31. Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass dieser Grundsatz für jeden Verstoß eines Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht unabhängig davon gilt, welches mitgliedstaatliche Organ durch sein Handeln oder Unterlassen den Verstoß begangen hat (Urteile Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 32, vom 1. Juni 1999 in der Rechtssache C-302/97, Konle, Slg. 1999, I-3099, Randnr. 62, und Haim, Randnr. 27).
32. Im Völkerrecht wird der Staat, dessen Haftung wegen Verstoßes gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung ausgelöst wird, als Einheit betrachtet, ohne dass danach unterschieden würde, ob der schadensverursachende Verstoß der Legislative, der Judikative oder der Exekutive zuzurechnen ist. Dasselbe muss erst recht in der Gemeinschaftsrechtsordnung gelten, da alle staatlichen Instanzen einschließlich der Legislative bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die vom Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Normen, die die Situation des Einzelnen unmittelbar regeln, zu beachten haben (Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 34).
33. In Anbetracht der entscheidenden Rolle, die die Judikative beim Schutz der dem Einzelnen aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen zustehenden Rechte spielt, wäre die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen beeinträchtigt und der Schutz der durch sie begründeten Rechte gemindert, wenn der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen dann keine Entschädigung erlangen könnte, wenn seine Rechte durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht verletzt werden, der einer Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts eines Mitgliedstaats zuzurechnen ist.
34. Hierbei ist von Belang, dass ein letztinstanzliches Gericht definitionsgemäß die letzte Instanz ist, vor der der Einzelne die ihm aufgrund des Gemeinschaftsrechts zustehenden Rechte geltend machen kann. Da eine durch eine rechtskräftige Entscheidung eines solchen Gerichts erfolgte Verletzung dieser Rechte regelmäßig nicht rückgängig gemacht werden kann, darf dem Einzelnen nicht die Befugnis genommen werden, den Staat haftbar zu machen, um auf diesem Wege den gerichtlichen Schutz seiner Rechte zu erlangen.
35. Im Übrigen ist ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, insbesondere deshalb nach Artikel 234 EG zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet, um zu verhindern, dass dem Einzelnen durch das Gemeinschaftsrecht verliehene Rechte verletzt werden.
36. Demnach verlangt der Schutz der Rechte des Einzelnen, der sich auf das Gemeinschaftsrecht beruft, zwingend, dass diesem das Recht zustehen muss, vor einem nationalen Gericht den Ersatz des Schadens zu verlangen, der auf die Verletzung seiner Rechte durch eine Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts zurückzuführen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 35).
37. Einige Regierungen, die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens Erklärungen eingereicht haben, haben geltend gemacht, dass der Grundsatz der Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, nicht auf Entscheidungen eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts Anwendung finden könne. Sie haben sich u. a. auf den Grundsatz der Rechtssicherheit, insbesondere die Rechtskraft, auf die richterliche Unabhängigkeit und Autorität sowie auf das Fehlen eines für die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten über die Staatshaftung aufgrund solcher Entscheidungen zuständigen Gerichts berufen.
38. Hierzu ist festzustellen, dass die Bedeutung des Grundsatzes der Rechtskraft nicht zu bestreiten ist (Urteil Eco Swiss, Randnr. 46). Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können.
39. Die Anerkennung des Grundsatzes der Staatshaftung für Entscheidungen letztinstanzlicher Gerichte stellt jedoch die Rechtskraft einer solchen Entscheidung nicht in Frage. Ein Verfahren zur Feststellung der Haftung des Staates hat nicht denselben Gegenstand und nicht zwangsläufig dieselben Parteien wie das Verfahren, das zur rechtskräftigen Entscheidung geführt hat. Obsiegt nämlich der Kläger mit einer Haftungsklage gegen den Staat, so erlangt er dessen Verurteilung zum Ersatz des entstandenen Schadens, aber nicht zwangsläufig die Aufhebung der Rechtskraft der Gerichtsentscheidung, die den Schaden verursacht hat. Jedenfalls verlangt der der Gemeinschaftsrechtsordnung innewohnende Grundsatz der Staatshaftung eine solche Entschädigung, nicht aber die Abänderung der schadensbegründenden Gerichtsentscheidung.
Anerkannt ist jedenfalls, daß derjenige, der durch pflichtwidriges Vorverhalten eine Gefahrenlage für Dritte geschaffen hat, verpflichtet ist, den dadurch drohenden Schaden abzuwenden; dies gilt mindestens dann, wenn das Vorverhalten die Gefahr des Schadenseintritts als naheliegend erscheinen läßt (Adäquanz) und die Pflichtwidrigkeit gerade in der Verletzung eines solchen Gebotes besteht, das dem Schutz des gefährdeten Rechtsguts zu dienen bestimmt ist (Pflichtwidrigkeitszusammenhang, vgl. BGHSt 34, 82; BGH NStZ 1987, 171; BGH, Urt. v. 9. Mai 1990 - 3 StR 112/90, BGH, 06.07.1990 - 2 StR 549/89
Beiträge zum Europarecht - Vertrauensschutz im europäischen Verwaltungsverfahren
......Neben der fundamentalen Bedeutung von Vertrauen als elementarer Tatbestand des sozialen Lebens erscheint der Vertrauensschutzgedanke in seiner rechtlichen Dimension als ethischer Mindestgehalt einer jeden auf die Verwirklichung materieller Gerechtigkeit ausgerichteten Rechtsordnung und wird zu Recht als ihr normatives Fundament bezeichnet....
......Zusammen mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist er Garant dafür, dass die Forderung nach eindeutigen, klaren und bestandskräftigen Hoheitsakten, auf die sich der Bürger verlassen kann, erfüllt wird.....
Quelle: Europarecht Uni-Göttingen (pdf-download)
Das Recht der EU und seine Durchsetzung in den Mitgliedstaaten (Akademie für öffentliche Verwaltung des Freistaates Sachsen)
Wichtige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes
Rechtsprechung zur europäischen Integration jura.uni-goettingen
Juristisches Internetprojekt Saarbrücken – Index
RECHTSAKT
Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen.
(Auszug)
Die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen der öffentlichen Hand und den öffentlichen Unternehmen sowie die Transparenz der Finanzstruktur und des Aufbaus bestimmter Unternehmen sind von wesentlicher Bedeutung, um eine wirkungsvolle und angemessene Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen durch die Kommission zu gewährleisten.
Den öffentlichen Unternehmen * kommt für die Volkswirtschaft der Länder der Europäischen Union (EU) eine wichtige Rolle zu. Sie unterliegen ebenso wie die mit besonderen * oder ausschließlichen * Rechten ausgestatteten Unternehmen gemäß Artikel 106 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (ex-Artikel 86 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) denselben Wettbewerbsregeln wie Privatunternehmen. Gemäß Artikel 345 AEUV (ex-Artikel 295 EGV) lässt der Vertrag die Eigentumsordnung in den EU-Ländern unberührt. Es darf also bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln keine unbegründete Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen getroffen werden.
Daher ist es notwendig, dass die Kommission über detaillierte Angaben verfügt, die es ihr ermöglichen, sich die Gewissheit zu verschaffen, dass die EU-Länder weder öffentlichen noch privaten Unternehmen Beihilfen gewähren, die nicht mit dem gemeinsamen Markt vereinbar sind.
Finanzielle Beziehungen zwischen der öffentlichen Hand und den öffentlichen Unternehmen
Die EU-Länder müssen die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen der öffentlichen Hand und den öffentlichen Unternehmen dadurch gewährleisten, dass sie die unmittelbar, aber auch mittelbar (über öffentliche Unternehmen oder Finanzinstitute) erfolgte Bereitstellung öffentlicher Mittel durch die öffentliche Hand zugunsten der öffentlichen Unternehmen sowie deren tatsächliche Verwendung offen legen.
Die finanziellen Beziehungen, deren Transparenz zu gewährleisten ist, betreffen insbesondere:
- den Ausgleich von Betriebsverlusten;
- den Verzicht auf eine normale Verzinsung der eingesetzten öffentlichen Mittel;
- Kapitaleinlagen oder Kapitalausstattungen;
- nicht rückzahlbare Zuschüsse oder Darlehen zu Vorzugsbedingungen;
- die Gewährung von finanziellen Vergünstigungen durch Verzicht auf Gewinne oder Nichteinziehung von Schuldforderungen;
- den Ausgleich von durch die öffentliche Hand auferlegten Belastungen.
Schlüsselwörter des Rechtsakts
- Öffentliches Unternehmen: Jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.
- Besondere Rechte: Rechte, die ein Mitgliedstaat einer begrenzten Zahl von Unternehmen in einem bestimmten Gebiet durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften gewährt, mit denen die Zahl der zur Erbringung einer Leistung oder zur Ausübung einer Tätigkeit berechtigten Unternehmen auf zwei oder mehrere Unternehmen begrenzt wird, ohne dass dabei objektive, angemessene und nicht diskriminierende Kriterien zugrunde gelegt werden, oder mehrere konkurrierende Unternehmen nach solchen Kriterien bestimmt werden, um eine Leistung zu erbringen oder eine Tätigkeit zu betreiben, oder einem oder mehreren Unternehmen nach solchen Kriterien rechtliche oder Regelungsvorteile eingeräumt werden, die die Fähigkeit anderer Unternehmen, in demselben Gebiet unter wesentlich gleichen Bedingungen die gleiche Leistung zu erbringen oder die gleiche Tätigkeit zu betreiben, wesentlich beeinträchtigt.
- Ausschließliche Rechte: Rechte, die ein Mitgliedstaat einem Unternehmen durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften gewährt, die ihm das Recht vorbehalten, in einem bestimmten Gebiet eine Dienstleistung zu erbringen oder eine Tätigkeit auszuüben.
Mehr zum Wettbewerbs- und Kartellrecht:
Gemäß Artikel 106 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV) (ex-Artikel 86 Absatz 1 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) unterliegen öffentliche
Unternehmen denselben Wettbewerbsregeln wie Privatunternehmen. Gemäß
Artikel 345 AEUV (ex-Artikel 295 EGV) lässt der Vertrag die
Eigentumsordnung in den EU-Ländern unberührt. Es darf also bei der
Anwendung der Wettbewerbsregeln keine unbegründete Unterscheidung
zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen getroffen werden.
Aktienpakete in Milliardenhöhe
Der Staat ist nach immer bedeutender Aktionär bei Post und Telekom.
Direkt oder indirekt hält der Staat noch rund 31,9 Prozent der Telekom- und 21 Prozent der Post-Aktien.
Der Staat ist nach immer bedeutender Aktionär bei Post und Telekom.
Direkt oder indirekt hält der Staat noch rund 31,9 Prozent der Telekom- und 21 Prozent der Post-Aktien.
Die Doppelrolle von Eigentümer und Wettbewerbshüter sieht die Monopolkommission jedoch kritisch.
Kommission rät Staat zum "T"-Rückzug - Mit einem solchen Schritt
ließen sich auch Interessenkonflikte vermeiden, die sich aus der
doppelten Rolle des Staates als Eigentümer und Wettbewerbshüter ergäben,
sagte der Vorsitzende des Beratergremiums der Bundesregierung, Daniel
Zimmer.
Eine Novelle des Postrechts müsse die Kontrolle der Post
verschärfen und es Wettbewerbern erleichtern, Missbrauchsverfahren gegen
den Marktführer auf den Weg zu bringen.
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Die Behinderung von Kunden und Konkurrenten ist u.a. nach 101/d und 102/c) unzulässig.
Europäische Union
Auf EU-Ebene ist das EU-Kartellrecht durch die Artikel 101 und 102
des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union geregelt. Der
Rat der Europäischen Union hat (gemäß Art. 103 II lit. e AEUV)
konkretisierende sekundärrechtliche Bestimmungen erlassen. Das sind
insbesondere die Verordnung (EG) 1/2003 und die
Gruppenfreistellungsverordnungen im Bereich des Kartellverbots und der
Missbrauchskontrolle. Die Fusionskontrollverordnung im Bereich der
Zusammenschlusskontrolle wurde indes gemäß der
Kompetenzergänzungsklausel des Art. 352 AEUV erlassen.
Im Verhältnis zum Kartellrecht der jeweiligen Mitgliedstaaten hat
das EU-Kartellrecht grundsätzlich (Anwendungs-)Vorrang, Art. 3 Abs. 2
Satz 1 VO 1/2003. Das nationale Kartellrecht des GWB solle fortan
ausschließlich in den Fällen anwendbar sein, welchen keine Bedeutung für
den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zukomme. Im konkreten Ablauf
soll sich das so gestalten, dass sowohl die nationalen Kartellbehörden
als auch die Europäische Kommission grundsätzlich parallel zuständig
sein sollen. Zur Sicherstellung der reibungslosen Kooperation zwischen
der Europäischen Kommission und den nationalen Behörden sowie zur
Vorbeugung gegen uneinheitliche Rechtsanwendung innerhalb der
Europäischen Union sind in Kapitel IV der VO 1/2003 etliche
Verfahrensregeln aufgenommen worden, wobei aber der Europäischen
Kommission eine federführende Funktion zugedacht wurde. Das
neueingeführte Informations- und Konsultationsverfahren sei dazu nur
beispielhaft erwähnt. In der EU sind für die Durchsetzung des
EU-Kartellrechts die dem Kommissar für Wettbewerb unterstehende Behörde
und die mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden gemeinsam berufen, für
die Durchsetzung des nationalen Kartellrechts die staatlichen
Wettbewerbsbehörden.
In Deutschland ist seit dem 1. Januar 1958 das Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die maßgebliche Kodifikation zum Erhalt
des Wettbewerbs. Sein Anwendungsbereich erstreckt sich auf sämtliche
Wettbewerbsverstöße, also die Akkumulation und den Missbrauch von
Marktmacht sowie die Begrenzung des Wettbewerbsverhaltens unabhängiger
Marktteilnehmer innerhalb des Geltungsbereichs der Bundesrepublik
Deutschland. Nach dem GWB sind grundsätzlich Kartelle verboten, jedoch
erlaubnisfähig, wenn sie bestimmte Freistellungsvoraussetzungen
erfüllen, wie beispielsweise die Mittelstandskartelle gemäß § 3 GWB.
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist die Zentralnorm des deutschen Kartell- und Wettbewerbsrechts. Quelle
Europäisches Wettbewerbsrecht
Im europarechtlichen Sprachgebrauch wird der Begriff
Wettbewerbsrecht in der Regel im weiten Sinne verstanden. Das
Europäische Wettbewerbsrecht umfasst neben dem Kartellrecht das Recht
der staatlichen Beihilfen, gelegentlich auch das Vergaberecht, und das
Recht öffentlicher Unternehmen.
Geregelt ist es in Titel VII des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, und zwar in Art. 101-105 AEUV das Kartellrecht, in Art. 106 AEUV Bestimmungen über öffentliche und monopolartige Unternehmen und in den Art. 107-109 AEUV das Beihilfenrecht. Das europäische Vergaberecht stützt sich im Wesentlichen auf Sekundärrecht (sog. Vergaberichtlinien). Bestandteil des Europäischen Wettbewerbsrechts ist zudem die präventive Kontrolle von Konzentrationsvorhaben einer bestimmten Größenordnung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt nach der sog. Fusionskontrollverordnung (Zusammenschlusskontrolle). Quelle
Geregelt ist es in Titel VII des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, und zwar in Art. 101-105 AEUV das Kartellrecht, in Art. 106 AEUV Bestimmungen über öffentliche und monopolartige Unternehmen und in den Art. 107-109 AEUV das Beihilfenrecht. Das europäische Vergaberecht stützt sich im Wesentlichen auf Sekundärrecht (sog. Vergaberichtlinien). Bestandteil des Europäischen Wettbewerbsrechts ist zudem die präventive Kontrolle von Konzentrationsvorhaben einer bestimmten Größenordnung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt nach der sog. Fusionskontrollverordnung (Zusammenschlusskontrolle). Quelle
Einzelnachweise
Berufsbegleitender Master im Wettbewerbs- und Regulierungsrecht an
der Leuphana Universität Lüneburg: Competition & Regulation LL.M.
Weblinks
omsels.info: Online-Kommentar zum Wettbewerbsrecht
omsels.info: Online-Kommentar zum Wettbewerbsrecht
Rechtsfreund.at: Österreichische Linksammlung zum Wettbewerbsrecht
ipwiki.de - Wettbewerbsrecht (Wiki zum gewerblichen Rechtsschutz)
Titel VI (Art. 90 bis Art. 100 AEUV) regelt die EU-Verkehrspolitik.
Titel VII (Art. 101 bis Art. 118 AEUV) behandelt die Wettbewerbs- sowie
die Steuerpolitik der Europäischen Union. Dies umfasst insbesondere die
Zuständigkeiten in den Bereichen Kartellverbot und Monopolkontrolle
(Art. 101 ff. AEUV), die Kontrolle staatlicher Beihilfen (Art. 107 ff.
AEUV) sowie das Verbot von binnenmarktverzerrenden Steuern (Art. 110 ff.
AEUV). Außerdem enthält Titel VII die Regelungen, nach denen die EU
Rechts- und Verwaltungsvorschriften ihrer Mitgliedstaaten harmonisieren
kann, um Verzerrungen des Europäischen Binnenmarktes zu verhindern (Art.
114 ff. AEUV). Aus bestimmten Gründen des Arbeits- oder Umweltschutzes
können die Mitgliedstaaten dabei von den EU-Regelungen abweichende
Standards aufrechterhalten, diese müssen aber von der Europäischen
Kommission genehmigt werden. Quelle
101/d) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;
102/c) der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei
gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im
Wettbewerb benachteiligt werden;
s. u.a. 101 - 109 AEUV
Kartellrecht ist ein Teil des Wirtschaftsrechts. Im engeren Sinne
besteht Kartellrecht aus den Regelungen bezüglich wirtschaftlicher
Kartelle, die zwischen Unternehmen und sonstigen Marktakteuren getroffen
werden. Im weiteren Sinne umfasst Kartellrecht darüber hinaus alle
Rechtsnormen, die auf den Erhalt eines ungehinderten und möglichst
vielgestaltigen Wettbewerbs gerichtet sind.
Rechtlich gesehen ist ein Kartell eine Vereinbarung oder eine
aufeinander abgestimmte Verhaltensweise zwischen Unternehmen, mit dem
Ziel oder der Wirkung, den Wettbewerb zu beschränken, zu verfälschen
oder zu verhindern. Flankierende Normen wenden sich gegen die Erringung
und den Missbrauch von Marktmacht sowie gegen die Koordination und
Begrenzung des Wettbewerbsverhaltens unabhängiger Marktteilnehmer.
Gegenstände des Kartellrechts sind insbesondere:
das Verbot bzw. die Überprüfung von Kartellen,
das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung,
die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Zusammenschlusskontrolle).
das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung,
die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Zusammenschlusskontrolle).
Kommission will Opfern von Kartellrechtsverstößen Schadensersatzansprüche erleichtern
Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für eine Richtlinie angenommen, in der geregelt ist, wie Bürger und Unternehmen Schadensersatz verlangen können, wenn sie Opfer von Zuwiderhandlungen gegen das EU-Kartellrecht geworden sind (z.B. durch Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung oder durch Kartelle). Mit dem Vorschlag soll eine Reihe praktischer Schwierigkeiten behoben werden, mit denen Opfer häufig konfrontiert sind, wenn sie versuchen, einen angemessenen Ersatz für den erlittenen Schaden zu erhalten. Quelle: EU-Kommission PM vom 11.6.2013
Schadenersatz:
Francovich-Entscheidung: Dem einzelnen Bürger steht bei einer Verletzung des Unionsrechts durch einen Mitgliedstaat ein Anspruch auf Ersatz zu, wenn dem Einzelnen durch den staatlichen Verstoß ein Schaden entstanden ist. Quelle: wikipedia
Der EuGH hat dem Grunde nach anerkannt, dass europarechtswidrige Mitgliedstaatsurteile einen Haftungsanspruch auslösen.
Rechtsprechung zur Staatshaftung nach Unionsrecht (Auszug)
1. Leitentscheidung Francovich (1991): gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung der Mitgliedstaaten für die Nichtumsetzung von Richtlinien
2. Leitentscheidung Brasserie du Pêcheur/Factortame (1996): gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung für die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht
• Rechtfertigung der richterrechtl. Einführung der Staatshaftung aus der Aufgabe der Sicherung der "Wahrung des Rechts" nach Art. 164 (heute 220) EGV
• Bestimmung der Haftungsvoraussetzungen analog zu Art. 215 II (heute 288 II) EGV nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind
• insbes. Haftung nur bei hinreichend qualifiziertem Verstoß; dafür Haftung auch ohne Verschulden
• Haftung auch für legislatives Unrecht
• angemessener Umfang der Entschädigung (grds. auch entgangener Gewinn)
3. Weitere wichtige Entscheidungen
a) British Telecommunications (1996): Haftung auch für fehlerhafte Umsetzung von Richtlinien
b) Dillenkofer (1996): zu den Haftungsvoraussetzungen des hinreichend qualifizierten Verstoßes und der Verleihung subj. Rechte (Verb. Rs. C-178/94 u.a., Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845, Nr. 23 ff)
c) Hedley Lomas (1996): Haftung auch für gemeinschaftsrechtswidrige Verwaltungspraxis (Rs. C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553, Nr. 28)
d) Köbler (2003): Haftung auch für höchstrichterliche Entscheidungen
• typische Effet-utile-Rspr.
Quelle: DAS RECHT DER EU UND SEINE DURCHSETZUNG IN DEN MITGLIEDSTAATEN
Zum Grundsatz der Staatshaftung aus dem EuGH-Urteil
v. 30.09.2003, Rs. C-224/01 - Köbler / Österreich
30. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass der Grundsatz der Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, aus dem Wesen des EG-Vertrags folgt (Urteile vom 19. November 1991 in den Rechtssachen C-6/90 und C-9/90, Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357, Randnr. 35, Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 31, vom 26. März 1996 in der Rechtssache C-392/93, British Telecommunications, Slg. 1996, I-1631, Randnr. 38, vom 23. Mai 1996 in der Rechtssache C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553, Randnr. 24, vom 8. Oktober 1996 in den Rechtssachen C-178/94, C-179/94 und C-188/94 bis C-190/94, Dillenkofer u. a., Slg. 1996, I-4845, Randnr. 20, vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-127/95, Norbrook Laboratories, Slg. 1998, I-1531, Randnr. 106, und Haim, Randnr. 26).
31. Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass dieser Grundsatz für jeden Verstoß eines Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht unabhängig davon gilt, welches mitgliedstaatliche Organ durch sein Handeln oder Unterlassen den Verstoß begangen hat (Urteile Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 32, vom 1. Juni 1999 in der Rechtssache C-302/97, Konle, Slg. 1999, I-3099, Randnr. 62, und Haim, Randnr. 27).
32. Im Völkerrecht wird der Staat, dessen Haftung wegen Verstoßes gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung ausgelöst wird, als Einheit betrachtet, ohne dass danach unterschieden würde, ob der schadensverursachende Verstoß der Legislative, der Judikative oder der Exekutive zuzurechnen ist. Dasselbe muss erst recht in der Gemeinschaftsrechtsordnung gelten, da alle staatlichen Instanzen einschließlich der Legislative bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die vom Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Normen, die die Situation des Einzelnen unmittelbar regeln, zu beachten haben (Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 34).
33. In Anbetracht der entscheidenden Rolle, die die Judikative beim Schutz der dem Einzelnen aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen zustehenden Rechte spielt, wäre die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen beeinträchtigt und der Schutz der durch sie begründeten Rechte gemindert, wenn der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen dann keine Entschädigung erlangen könnte, wenn seine Rechte durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht verletzt werden, der einer Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts eines Mitgliedstaats zuzurechnen ist.
34. Hierbei ist von Belang, dass ein letztinstanzliches Gericht definitionsgemäß die letzte Instanz ist, vor der der Einzelne die ihm aufgrund des Gemeinschaftsrechts zustehenden Rechte geltend machen kann. Da eine durch eine rechtskräftige Entscheidung eines solchen Gerichts erfolgte Verletzung dieser Rechte regelmäßig nicht rückgängig gemacht werden kann, darf dem Einzelnen nicht die Befugnis genommen werden, den Staat haftbar zu machen, um auf diesem Wege den gerichtlichen Schutz seiner Rechte zu erlangen.
35. Im Übrigen ist ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, insbesondere deshalb nach Artikel 234 EG zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet, um zu verhindern, dass dem Einzelnen durch das Gemeinschaftsrecht verliehene Rechte verletzt werden.
36. Demnach verlangt der Schutz der Rechte des Einzelnen, der sich auf das Gemeinschaftsrecht beruft, zwingend, dass diesem das Recht zustehen muss, vor einem nationalen Gericht den Ersatz des Schadens zu verlangen, der auf die Verletzung seiner Rechte durch eine Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts zurückzuführen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 35).
37. Einige Regierungen, die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens Erklärungen eingereicht haben, haben geltend gemacht, dass der Grundsatz der Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, nicht auf Entscheidungen eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts Anwendung finden könne. Sie haben sich u. a. auf den Grundsatz der Rechtssicherheit, insbesondere die Rechtskraft, auf die richterliche Unabhängigkeit und Autorität sowie auf das Fehlen eines für die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten über die Staatshaftung aufgrund solcher Entscheidungen zuständigen Gerichts berufen.
38. Hierzu ist festzustellen, dass die Bedeutung des Grundsatzes der Rechtskraft nicht zu bestreiten ist (Urteil Eco Swiss, Randnr. 46). Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können.
39. Die Anerkennung des Grundsatzes der Staatshaftung für Entscheidungen letztinstanzlicher Gerichte stellt jedoch die Rechtskraft einer solchen Entscheidung nicht in Frage. Ein Verfahren zur Feststellung der Haftung des Staates hat nicht denselben Gegenstand und nicht zwangsläufig dieselben Parteien wie das Verfahren, das zur rechtskräftigen Entscheidung geführt hat. Obsiegt nämlich der Kläger mit einer Haftungsklage gegen den Staat, so erlangt er dessen Verurteilung zum Ersatz des entstandenen Schadens, aber nicht zwangsläufig die Aufhebung der Rechtskraft der Gerichtsentscheidung, die den Schaden verursacht hat. Jedenfalls verlangt der der Gemeinschaftsrechtsordnung innewohnende Grundsatz der Staatshaftung eine solche Entschädigung, nicht aber die Abänderung der schadensbegründenden Gerichtsentscheidung.
Anerkannt ist jedenfalls, daß derjenige, der durch pflichtwidriges Vorverhalten eine Gefahrenlage für Dritte geschaffen hat, verpflichtet ist, den dadurch drohenden Schaden abzuwenden; dies gilt mindestens dann, wenn das Vorverhalten die Gefahr des Schadenseintritts als naheliegend erscheinen läßt (Adäquanz) und die Pflichtwidrigkeit gerade in der Verletzung eines solchen Gebotes besteht, das dem Schutz des gefährdeten Rechtsguts zu dienen bestimmt ist (Pflichtwidrigkeitszusammenhang, vgl. BGHSt 34, 82; BGH NStZ 1987, 171; BGH, Urt. v. 9. Mai 1990 - 3 StR 112/90, BGH, 06.07.1990 - 2 StR 549/89
Beiträge zum Europarecht - Vertrauensschutz im europäischen Verwaltungsverfahren
......Neben der fundamentalen Bedeutung von Vertrauen als elementarer Tatbestand des sozialen Lebens erscheint der Vertrauensschutzgedanke in seiner rechtlichen Dimension als ethischer Mindestgehalt einer jeden auf die Verwirklichung materieller Gerechtigkeit ausgerichteten Rechtsordnung und wird zu Recht als ihr normatives Fundament bezeichnet....
......Zusammen mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist er Garant dafür, dass die Forderung nach eindeutigen, klaren und bestandskräftigen Hoheitsakten, auf die sich der Bürger verlassen kann, erfüllt wird.....
Quelle: Europarecht Uni-Göttingen (pdf-download)
Das Recht der EU und seine Durchsetzung in den Mitgliedstaaten (Akademie für öffentliche Verwaltung des Freistaates Sachsen)
Rechtsprechung zur europäischen Integration jura.uni-goettingen
Juristisches Internetprojekt Saarbrücken – Index
Samstag, 24. Juni 2017
EuGH: Unibet Rs. C‑49/16 Urteil v 220617 zum Vergaberecht
Regelung zu Online-Glücksspiel in Ungarn widerspricht Dienstleistungsfreiheit
Der EuGH hat entschieden, dass die ungarische Regelung über die Erlaubnis von Online-Glücksspielen nicht mit dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist.
Diese Regelung beschränke zuerst in diskriminierender Weise und später wegen ihrer Intransparenz die Möglichkeit für in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Wirtschaftsteilnehmer, solche Spiele in Ungarn zu veranstalten, so der EuGH.
Unibet International ist eine maltesische Gesellschaft, die u.a. Online-Glücksspiele veranstaltet und hierfür von mehreren Mitgliedstaaten erteilte Erlaubnisse besitzt. Im Jahr 2014 stellten die ungarischen Behörden fest, dass Unibet über in ungarischer Sprache betriebene Websites Glücksspieldienstleistungen erbrachte, obwohl sie nicht über die in Ungarn für die Ausübung dieser Tätigkeit erforderliche Erlaubnis verfügte. Sie verfügten daher zum einen am 25.06.2014 die zeitweilige Sperrung des Zuganges zu den Websites von Unibet von Ungarn aus und verhängten zum anderen am 29.08.2014 eine Geldbuße gegen sie. Unibet focht diese beiden Entscheidungen beim Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest, Ungarn) mit der Begründung an, dass die ihnen zugrunde liegende ungarische Regelung den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit verletze. Obwohl nämlich in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Wirtschaftsteilnehmer in den Streitzeiträumen in Ungarn theoretisch eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Glücksspielen hätten erhalten können (da kein Staatsmonopol für die Erbringung solcher Dienstleistungen bestanden habe), sei es ihnen in der Praxis unmöglich gewesen, eine solche Erlaubnis zu erlangen. Ungarn habe in diesen Zeiträumen keine öffentliche Ausschreibung vorgenommen, um Konzessionsverträge zu schließen, die es ermöglicht hätten, die erforderliche Erlaubnis zu erhalten. In der Praxis sei Unibet auch von der nach ungarischem Recht vorgesehenen Möglichkeit ausgeschlossen gewesen, solche Verträge als "zuverlässiger" Glücksspielveranstalter zu schließen.
In diesem Zusammenhang möchte das ungarische Gericht vom EuGH wissen, ob die betreffende ungarische Regelung mit dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist.
Der EuGH hat entschieden, dass der Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit der ungarischen Regelung über die Erlaubnis von Online-Glücksspielen entgegensteht und keine Sanktion auf der Grundlage dieser Regelung verhängt werden darf.
Nach Auffassung des EuGH stellt die fragliche nationale Regelung, die die Veranstaltung von Glücksspielen ohne vorab erteilte behördliche Erlaubnis verbietet, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.
Nach der nationalen Regelung, auf deren Grundlage die Entscheidung vom 25.06.2014 ergangen sei, hätten "zuverlässige" Glücksspielveranstalter während eines Zeitraumes von mindestens zehn Jahren Glücksspiele in Ungarn veranstaltet haben müssen. In diesem Erfordernis sei eine Ungleichbehandlung zu sehen, denn es benachteilige die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Glücksspielveranstalter gegenüber den inländischen Veranstaltern, die diese Voraussetzung leichter erfüllen könnten. Aus diesem Grund sei die streitige Regelung diskriminierend und daher der Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit verletzt.
Zu der nationalen Regelung, die der Entscheidung vom 29.08.2014 zugrunde gelegen habe, sei festzustellen, dass die Vorgabe, wonach Unternehmen, die als "zuverlässige" Glücksspielveranstalter gelten möchten, während eines Zeitraumes von drei Jahren in einem Mitgliedstaat Glücksspiele veranstaltet haben müssten, keinen Vorteil zugunsten der im Empfangsmitgliedstaat niedergelassenen Veranstalter begründe und somit grundsätzlich durch ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel wie den Verbraucherschutz oder den Schutz der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sein könnte.
Diese Regelung genüge jedoch nicht dem Transparenzgebot, da nicht hinreichend genau bestimmt gewesen sei, welche Bedingungen für die Ausübung der Befugnisse der nationalen Behörden bei Verfahren zur Erteilung von Konzessionen an "zuverlässige" Glücksspielveranstalter gegolten hätten und welche technischen Voraussetzungen von den Veranstaltern im Zusammenhang mit der Abgabe ihres Angebotes zu erfüllen gewesen seien.
Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 68/2017 v. 22.06.2017
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
22. Juni 2017(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen – Praktische Unmöglichkeit der Erlangung einer entsprechenden Erlaubnis für in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene private Wirtschaftsteilnehmer“
22. Juni 2017(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen – Praktische Unmöglichkeit der Erlangung einer entsprechenden Erlaubnis für in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene private Wirtschaftsteilnehmer“
In der Rechtssache C‑49/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest, Ungarn) mit Entscheidung vom 9. Dezember 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Januar 2016, in dem Verfahren
Unibet International Ltd.
gegen
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Központi Hivatala
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Regan, J.-C. Bonichot, C. G. Fernlund und S. Rodin (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Unibet International Ltd., vertreten durch A. Jádi-Németh und A. Kovács, ügyvédek,
– der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und E. E. Sebestyén als Bevollmächtigte,
– der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck, R. Verbeke und J. Van den Bon, advocaten,
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und A. Silva Coelho als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und L. Havas als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. April 2017
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Unibet International Ltd. (im Folgenden: Unibet), einer maltesischen Gesellschaft, und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Központi Hivatala (Zentrale nationale Steuer- und Zollverwaltung Ungarns, im Folgenden: ungarische Steuerbehörde) über Entscheidungen Letzterer, mit denen die zeitweilige Sperrung des Zugangs zu den unter den Domain-Namen hu.unibet.com und hul.unibet.com erreichbaren Websites von Unibet angeordnet wurde.
Rechtlicher Rahmen
Ungarisches Recht
Rechtslage am 25. Juni 2014
– Gesetz über die Veranstaltung von Glücksspielen
3 § 1 des Szerencsejáték szervezéséről szóló 1991. évi XXXIV. törvény (Gesetz Nr. XXXIV von 1991 über die Veranstaltung von Glücksspielen) in der am 25. Juni 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: Glücksspielgesetz) bestimmte in seinen Abs. 3 bis 5:
„(3) Tätigkeiten der Veranstaltung von Glücksspielen im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. i des Koncesszióról szóló 1991. évi XVI. törvény (Gesetz Nr. XVI von 1991 über die Konzession; im Folgenden: Konzessionsgesetz) sind
…
e) die Veranstaltung von Online-Glücksspielen,
…
(4) Tätigkeiten der Veranstaltung von Glücksspielen, bei denen die Teilnahme von ungarischem Hoheitsgebiet aus durch Telekommunikationsmittel und ‑systeme möglich ist, dürfen nur nach Maßgabe der Vorschriften dieses Gesetzes ausgeübt werden.
(5) Für die Veröffentlichung von Angeboten zur Teilnahme an einem über Telekommunikationsmittel und ‑systeme veranstalteten Glücksspiel ist eine Erlaubnis der staatlichen Steuerbehörde erforderlich. Finanzinstitute und Erbringer von Telekommunikationsdienstleistungen dürfen weder an der Veröffentlichung oder Annahme von Angeboten zur Teilnahme an einem unerlaubten Glücksspiel mitwirken noch technische Unterstützung dafür leisten.“
4 § 2 Abs. 2a und 3 dieses Gesetzes sah vor:
„(2a) Die Erbringung von Online-Glücksspieldienstleistungen bedarf der Erlaubnis durch die staatliche Steuerbehörde. Online-Glücksspieldienstleistungen fallen in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, wenn
a) das Online-Glücksspiel im ungarischen Hoheitsgebiet veranstaltet wird oder
b) der Empfänger der Dienstleistung im ungarischen Hoheitsgebiet am Online-Glücksspiel teilnimmt oder
c) die Dienstleistung an Empfänger im ungarischen Hoheitsgebiet gerichtet ist, insbesondere, wenn die Dienstleistung auf Ungarisch zugänglich ist oder im ungarischen Hoheitsgebiet beworben wird.
(3) Die staatliche Steuerbehörde erteilt die Erlaubnis demjenigen, der die notwendigen persönlichen, sachlichen und wirtschaftlichen Anforderungen an eine sichere und sachgemäße Durchführung des Glücksspiels erfüllt.“
5 In § 3 des Gesetzes hieß es:
„(1) Die Veranstaltung von nicht liberalisierten Glücksspielen
a) kann von einer zu 100 % im Eigentum des ungarischen Staates stehenden und zur regelmäßigen Veranstaltung von Glücksspielen gegründeten Handelsgesellschaft (im Folgenden: staatlicher Spielveranstalter), von einer im ausschließlichen Eigentum des staatlichen Spielveranstalters stehenden Handelsgesellschaft oder von einem Wirtschaftsteilnehmer, an dem der Staat mehrheitlich beteiligt ist, durchgeführt werden;
b) der Staat kann das Recht zur Ausübung dieser Tätigkeit durch Konzessionsvertrag zeitweilig auf eine andere Person übertragen.
…“
6 § 4 des Glücksspielgesetzes bestimmte in seinen Abs. 1 und 6:
„(1) Der Abschluss eines Konzessionsvertrags erfolgt aufgrund öffentlicher Ausschreibung durch den Minister nach § 5 Abs. 1 des Konzessionsgesetzes.
…
(6) Gemäß § 10/C Abs. 2 des Konzessionsgesetzes kann der Minister mit einem zuverlässigen Glücksspielveranstalter im Sinne des vorliegenden Gesetzes einen Konzessionsvertrag auch ohne öffentliche Ausschreibung abschließen.“
7 § 5 Abs. 1 dieses Gesetzes sah vor:
„Bei einer öffentlichen Ausschreibung gemäß § 5 Abs. 1 des Konzessionsgesetzes kann der Minister den Konzessionsvertrag mit dem Zuschlagsempfänger abschließen.“
8 § 29/D des Gesetzes lautete:
„Die im ausschließlichen Eigentum des staatlichen Spielveranstalters stehende Handelsgesellschaft bzw. der Wirtschaftsteilnehmer, an dem der Staat mehrheitlich beteiligt ist, im Sinne von § 3 Abs. 1 Buchst. a sowie die Konzessionsgesellschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 Buchst. b müssen über ein gezeichnetes Kapital von wenigstens 200 000 000 ungarischen Forint [(HUF) (etwa 620 000 Euro)] verfügen.“
9 § 36 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes bestimmte:
„Die staatliche Steuerbehörde übt die behördliche Aufsicht über die Veranstaltung von Glücksspielen aus. Hierzu überprüft sie regelmäßig, ob die Tätigkeit unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften, der Erlaubnisse und des Spielplans erfolgt.“
10 § 36/G Abs. 1 und 2 dieses Gesetzes sah vor:
„(1) Die staatliche Steuerbehörde ordnet eine zeitweilige Zugriffssperre für über elektronische Kommunikationsnetze veröffentlichte Daten (im Folgenden im Sinne dieses Untertitels: elektronische Daten) an, deren Zugänglichmachung oder Veröffentlichung eine verbotene Veranstaltung von Glücksspielen darstellt.
(2) Die zeitweilige Zugriffssperre hindert zeitweilig am Zugang zu den elektronischen Daten. Die staatliche Steuerbehörde ordnet die zeitweilige Zugriffssperre für elektronische Daten für 90 Tage an.
…“
11 § 37 Nr. 30 des Gesetzes lautete:
„Zuverlässiger Glücksspielveranstalter ist ein Glücksspielveranstalter, der als transparente Organisation im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Nemzeti vagyonról szóló 2011. évi CXCVI. törvény (Gesetz Nr. CXCVI von 2011 über das Nationalvermögen) gilt und
a) seinen Erklärungs- und Zahlungspflichten hinsichtlich sämtlicher bei der staatlichen Steuerbehörde registrierter öffentlicher Abgaben von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] nachgekommen und mit der Erfüllung solcher Pflichten nie mehr als 90 Tage in Rückstand geraten ist,
b) über dessen Bankkonten die Steuerbehörde niemals die Beschlagnahme in Höhe eines Betrags von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] angeordnet hat und gegen den im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit nie ein Vollstreckungsverfahren über einen Betrag von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] eingeleitet wurde,
c) bei seiner Tätigkeit bzw. im Zusammenhang damit keine Rechtsverletzung begangen hat, die im Einzelfall mit einem Bußgeld von mehr als 5 000 000 [HUF (etwa 15 500 Euro)] bewehrt ist,
d) mindestens zehn Jahre in Ungarn Glücksspiele veranstaltet hat,
e) alle Regeln bezüglich der Feststellung der Identität der Spieler und der damit verbundenen Datenverwaltung beachtet hat, sofern er dazu verpflichtet war.“
– Konzessionsgesetz
12 § 4 Abs. 1 des Konzessionsgesetzes bestimmte:
„Der Staat bzw. die Kommunalverwaltung dürfen – mit Ausnahme einer Vertragsverlängerung gemäß § 12 Abs. 3 des Gesetzes Nr. CXCVI von 2011 über das Nationalvermögen sowie eines Vertragsabschlusses gemäß § 10/C des vorliegenden Gesetzes – Konzessionsverträge nur im Rahmen einer Ausschreibung schließen. Die Ausschreibung ist öffentlich, sofern nicht Interessen der Landesverteidigung oder der nationalen Sicherheit eine geschlossene Ausschreibung erforderlich machen.
…“
13 § 5 Abs. 1 dieses Gesetzes sah vor:
„Der zuständige Fachminister ist berechtigt, im Einvernehmen mit dem für die Aufsicht über das staatliche Vermögen verantwortlichen Minister den Konzessionsvertrag im Namen des Staates auszuschreiben, zu vergeben und zu schließen.
…“
14 § 10/C Abs. 1 bis 6 des Gesetzes lautete:
„(1) Ein Konzessionsvertrag kann auch nach Maßgabe dieses Paragrafen mit einem zuverlässigen Glücksspielveranstalter im Sinne des sektorspezifischen Gesetzes geschlossen werden.
(2) Der Fachminister kann von der öffentlichen Ausschreibung einer Konzession Abstand nehmen, wenn der Konzessionsvertrag auch mit einem zuverlässigen Glücksspielveranstalter geschlossen werden kann.
(3) Um die Tätigkeit der Veranstaltung von Glücksspielen ausüben zu können, unterbreitet der zuverlässige Glücksspielveranstalter ein Angebot. Darin gibt er die Standorte der von ihm geplanten Einheiten im Sinne des [Glücksspielgesetzes] an und verpflichtet sich, für jede von ihnen eine jährliche Konzessionsabgabe abzuführen, die mindestens dem Zweifachen der im jeweils geltenden Haushaltsgesetz festgelegten Konzessionsabgabe entspricht.
(4) Der Fachminister entscheidet über die Annahme des Angebots innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des schriftlichen Angebots des zuverlässigen Glücksspielveranstalters. Im Fall der Annahme des Angebots schließt er innerhalb von 30 Tagen einen Konzessionsvertrag mit dem Bieter.
(5) Der Konzessionsinhaber darf aufgrund eines nach diesem Paragrafen geschlossenen Konzessionsvertrags höchstens fünf Einheiten betreiben.
(6) Im Übrigen gelten für den Konzessionsvertrag und den Konzessionsinhaber die Bestimmungen dieses Gesetzes und des [Glücksspielgesetzes].
…“
15 § 11 Abs. 1 des Konzessionsgesetzes bestimmte:
„Erfolgt der Abschluss des Konzessionsvertrags nicht gemäß § 10/C, darf die im Namen des Staates bzw. der Kommunalverwaltung handelnde Person oder Einrichtung nur mit dem Bieter einen Vertrag schließen, dem der Zuschlag erteilt worden ist. Den Zuschlag erhält, wer gegenüber dem Staat bzw. der Kommunalverwaltung das insgesamt günstigste der Ausschreibung entsprechende Angebot abgegeben hat.
…“
16 In § 21 Abs. 1 dieses Gesetzes hieß es:
„Ist für die Ausübung einer konzessionspflichtigen Tätigkeit aufgrund einer besonderen Rechtsnorm eine behördliche Erlaubnis erforderlich, kann die Konzessionsgesellschaft ihrer Tätigkeit nur nachgehen, wenn sie eine solche Erlaubnis besitzt.
…“
–Rechtslage am 29. August 2014
Geänderte Fassung des Glücksspielgesetzes
17 § 3 des Glücksspielgesetzes in der am 29. August 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: geändertes Glücksspielgesetz) sah in seinem Abs. 3 vor:
„Zur Veranstaltung von Zahlenlotterien und von Wetten – mit Ausnahme von Pferdewetten, Online-Glücksspielen und Buchmacherwetten – ist ausschließlich der staatliche Spielveranstalter berechtigt.“
18 § 29/D Abs. 1 und 2 des geänderten Gesetzes lautete:
„(1) Die im ausschließlichen Eigentum des staatlichen Spielveranstalters stehende Handelsgesellschaft bzw. der Wirtschaftsteilnehmer, an dem der Staat mehrheitlich beteiligt ist, im Sinne von § 3 Abs. 1 Buchst. a, die Konzessionsgesellschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 Buchst. b sowie der zuverlässige Glücksspielveranstalter müssen über ein gezeichnetes Kapital von wenigstens 50 000 000 [HUF (etwa 155 000 Euro)] verfügen.
(2) Die in Abs. 1 angesprochene Konzessionsgesellschaft kann – unter Berücksichtigung von § 20 Abs. 1 des [Konzessionsgesetzes in der am 29. August 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: geändertes Konzessionsgesetz)] – auch als im Ausland niedergelassene Handelsgesellschaft tätig sein.
…“
19 § 37 Nr. 31 des geänderten Glücksspielgesetzes bestimmte:
„Für die Zwecke der Veranstaltung von Online-Glücksspielen ist zuverlässiger Glücksspielveranstalter der Glücksspielveranstalter, der als transparente Organisation im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes Nr. CXCVI von 2011 über das Nationalvermögen gilt und
a) seinen Erklärungs- und Zahlungspflichten hinsichtlich sämtlicher bei der staatlichen Steuerbehörde oder der Steuerbehörde des Staates, in dem er niedergelassen ist oder der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, registrierter öffentlicher Abgaben von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] nachgekommen und mit der Erfüllung solcher Pflichten nie mehr als 90 Tage in Rückstand geraten ist,
b) über dessen Bankkonten die Steuerbehörde des Staates, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, niemals die Beschlagnahme in Höhe eines Betrags von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] angeordnet hat und gegen den im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in dem Staat, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, nie ein Vollstreckungsverfahren über einen Betrag von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] eingeleitet wurde,
c) bei seiner Tätigkeit bzw. im Zusammenhang damit in dem Staat, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, keine Rechtsverletzung begangen hat, die im Einzelfall mit einem Bußgeld von mehr als 5 000 000 [HUF (etwa 15 500 Euro)] bewehrt ist,
d) mindestens drei Jahre in dem Staat, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, Glücksspiele veranstaltet hat,
e) alle Regeln bezüglich der Feststellung der Identität der Spieler und der damit verbundenen Datenverwaltung in dem Staat, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, beachtet hat, sofern er dazu verpflichtet war.
Besitzt oder besaß der Glücksspielveranstalter in mehreren Staaten eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen, muss die Erfüllung der in den Buchst. a bis e geregelten Voraussetzungen nur für einen Staat und nur im Hinblick auf diesen Staat nachgewiesen werden.“
– Geänderte Fassung des Konzessionsgesetzes
20 § 10/C Abs. 3a des geänderten Konzessionsgesetzes sah vor:
„Auf die Abgabe von Angeboten betreffend die Veranstaltung von Online-Glücksspielen ist Abs. 3 mit folgenden Maßgaben anzuwenden:
a) Zur Abgabe eines Angebots sind ausschließlich zuverlässige Veranstalter im Sinne von § 37 Nr. 31 des [geänderten Glücksspielgesetzes] berechtigt;
b) in dem Angebot ist für jede Glücksspielart eine jährliche Konzessionsabgabe anzugeben, die in der Höhe mindestens der im Haushaltsgesetz für die Spielart festgelegten Referenzabgabe entspricht;
c) wer ein Angebot abgibt, ohne in Ungarn niedergelassen zu sein oder eine ungarische Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen zu besitzen, fügt dem Angebot eine Bescheinigung der Behörden des Staates seiner Niederlassung oder des Staates, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, aus der hervorgeht, dass er die in § 37 Nr. 31 des [geänderten Glücksspielgesetzes] geregelten Voraussetzungen erfüllt, mit einer beglaubigten Übersetzung ins Ungarische bei.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
21 Unibet ist eine in Malta niedergelassene Gesellschaft, die u. a. Online-Glücksspiele veranstaltet. Hierfür besitzt sie von den Behörden mehrerer Mitgliedstaaten erteilte Erlaubnisse. Im Anschluss an im Sommer 2014 durchgeführte Prüfungen des Inhalts der von Unibet in ungarischer Sprache betriebenen und unter den Domain-Namen hu.unibet.com und hul.unibet.com aufrufbaren Websites stellte die ungarische Steuerbehörde fest, dass über diese Websites Inhalte zugänglich waren, die Glücksspiele im Sinne des ungarischen Glücksspielrechts darstellten, Unibet aber nicht über die in Ungarn erforderliche Erlaubnis verfügte.
22 Auf diesen Verstoß hin erließ die ungarische Steuerbehörde zwei Entscheidungen, mit denen sie zuerst die zeitweilige Sperrung des Zugangs zu den Websites von Unibet von Ungarn aus anordnete und dieser sodann eine Geldbuße auferlegte.
23 Unibet focht diese Entscheidungen beim Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest, Ungarn) an und begründete dies damit, dass die ungarische Regelung, auf deren Grundlage die Entscheidungen ergangen seien, gegen Art. 56 AEUV verstoße. In Anbetracht der in dieser Regelung festgelegten Voraussetzungen könne sie in der Praxis keine Konzession erhalten, die aber eine Vorbedingung für die Erteilung einer Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Glücksspielen darstelle. Ihr sei der Abschluss eines Konzessionsvertrags sowohl nach dem einen als auch nach dem anderen Verfahren, das in der nationalen Regelung vorgesehen sei, unmöglich gemacht worden.
24 Zum einen sei keine öffentliche Ausschreibung zur Konzessionsvergabe durch den Wirtschaftsminister erfolgt, womit ihr dieses erste Verfahren nicht offengestanden habe. Was zum anderen das zweite Verfahren betreffe, bei dem ihr die Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines Konzessionsvertrags – der „zuverlässigen“ Wirtschaftsteilnehmern im Sinne des ungarischen Rechts vorbehalten sei – beim Minister hätte möglich sein müssen, so sei sie zum Zeitpunkt des Erlasses der ersten Entscheidung zur Angebotsabgabe nicht berechtigt gewesen, da sie die gesetzlichen Kriterien nicht erfüllt habe, um als „zuverlässiger“ Glücksspielveranstalter im Sinne des innerstaatlichen Rechts zu gelten. Außerdem habe sie, als die zweite Entscheidung ergangen sei, aufgrund des Zeitpunkts, an dem die Regelung zur Änderung der Definition des „zuverlässigen“ Glücksspielveranstalters in Kraft getreten sei, noch nicht genug Zeit gehabt, um ein detailliertes Angebot zu erstellen.
25 Nach Ansicht der ungarischen Steuerbehörde verstößt die ungarische Regelung nicht gegen Art. 56 AEUV. Dass keine öffentliche Ausschreibung zur Konzessionsvergabe erfolgt sei, bedeute nicht, dass die ungarische Regelung unionsrechtswidrig sei, denn hätte eine solche öffentliche Ausschreibung stattgefunden, hätte Unibet ein Angebot abgeben können. Außerdem habe es Unibet zu dem Zeitpunkt, an dem die zweite Entscheidung ergangen sei, freigestanden, ihre Eigenschaft als „zuverlässiger“ Glücksspielveranstalter im Sinne des innerstaatlichen Rechts nachzuweisen, woraufhin sie beim Minister ein Angebot zum Abschluss eines Konzessionsvertrags hätte abgeben können. Zur Ergänzung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes hinsichtlich der Online-Spiele werde auch noch eine Ministerialverordnung erlassen.
26 Da die zu erlassende Verordnung in den Geltungsbereich der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37) falle, könne sie aber erst nach ihrer Notifizierung an die Europäische Kommission in Kraft treten. Im Übrigen könne, selbst wenn die ungarische Regelung mit dem Unionsrecht nicht vereinbar wäre, nicht angenommen werden, dass Online-Glücksspiele im ungarischen Hoheitsgebiet ohne jede Erlaubnis oder Einschränkung veranstaltet werden könnten.
27 Das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob mit Art. 56 AEUV in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung dieser Vorschrift im Glücksspielbereich eine nationale Regelung wie die ungarische in Einklang stehen kann, die auf dem Glücksspielmarkt keine Monopolsituation errichtet und den Veranstaltern die theoretische Möglichkeit des Eintritts auf den ungarischen Online-Glücksspielmarkt gewährleistet, ihnen aber, so wie sie tatsächlich gehandhabt wird, in der Praxis weiterhin die Möglichkeit vorenthält, ihre Dienstleistungen anzubieten.
28 Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts gab es für Glücksspielveranstalter zu der für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Zeit zwei Möglichkeiten, einen Konzessionsvertrag für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen zu schließen. Von der ersten Möglichkeit, d. h. der öffentlichen Ausschreibung durch den Wirtschaftsminister, habe dieser während des gesamten in Rede stehenden Zeitraums keinen Gebrauch gemacht. Was die zweite Möglichkeit angehe, nämlich die Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines Konzessionsvertrags, so sei dazu nur berechtigt gewesen, wer als „zuverlässiger Glücksspielveranstalter“ im Sinne der am 25. Juni 2014 in Kraft befindlichen Rechtsvorschriften gegolten habe. Danach seien aber zum Zeitpunkt des Erlasses der ersten Entscheidung über die Sperrung der Unibet-Websites Wirtschaftsteilnehmer, die keine zehnjährige Dienstleistungshistorie in Ungarn hätten nachweisen können, nicht unter den Begriff des zuverlässigen Glücksspielveranstalters gefallen. Daher sei Unibet vom Online-Glücksspielmarkt ausgeschlossen gewesen. Außerdem sei Unibet aufgrund der Kürze der Zeit zwischen dem 15. Juli 2014, dem Zeitpunkt, zu dem die Definition des zuverlässigen Veranstalters durch Gesetz so geändert worden sei, dass sie davon gegebenenfalls hätte erfasst werden können, und dem 29. August 2014, dem Zeitpunkt des Erlasses der zweiten Entscheidung über die Sperrung ihrer Websites, daran gehindert gewesen, ein detailliert abgefasstes Angebot abzugeben.
29 Das vorlegende Gericht möchte somit in Erfahrung bringen, ob es im Hinblick auf Art. 56 AEUV gerechtfertigt sein kann, dass Glücksspielveranstalter in Ermangelung detaillierter Vorschriften hinsichtlich der technischen Voraussetzungen für die Erteilung von Erlaubnissen zur Veranstaltung von Online-Glücksspielen in der Praxis vom Erlaubniserteilungsverfahren ausgeschlossen sind, während nach der nationalen Regelung die Erteilung von Erlaubnissen theoretisch möglich ist. Außerdem möchte es Aufschluss darüber, ob bei einem solchen Fehlen detaillierter technischer Vorschriften gleichwohl Verwaltungssanktionen gerechtfertigt sein können, die die zuständigen Behörden gegen Glücksspielveranstalter verhängen, welche die für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen erforderlichen Erlaubnisse in der Praxis nicht erhalten konnten.
30 Unter diesen Umständen hat das Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 56 AEUV dahin auszulegen, dass er einer nationalen Maßnahme in einem Kontext entgegensteht, in dem die Vorschriften eines Mitgliedstaats, wenn er die Vergabe einer Konzession ausschreibt oder ein Angebot zur Erlangung der Konzession annimmt, garantieren, dass ein Veranstalter, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt – einschließlich eines Veranstalters, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist –, theoretisch die Möglichkeit hat, die Konzession für die Erbringung von nicht liberalisierten Online-Glücksspieldienstleistungen entweder über eine öffentliche Ausschreibung oder durch die Abgabe eines Angebots zu erhalten, der in Rede stehende Mitgliedstaat aber in Wirklichkeit keine Ausschreibung zur Konzessionsvergabe vornimmt und der Dienstleistungserbringer in der Praxis auch nicht die Möglichkeit hat, ein Angebot abzugeben, und die Behörden des Mitgliedstaats dessen ungeachtet feststellen, dass der Dienstleistungserbringer gegen Rechtsvorschriften verstoßen hat, da er die Dienstleistung ohne eine konzessionsbasierte Erlaubnis erbracht hat, und gegen ihn die in den Rechtsvorschriften vorgesehene Verwaltungssanktion verhängen (zeitweilige Zugangssperre und Geldbuße bei wiederholtem Verstoß)?
2. Ist es mit Art. 56 AEUV vereinbar, dass ein Mitgliedstaat aus Sicht seines nationalen Rechts höherrangige Vorschriften einführt, die Online-Glücksspielveranstaltern die theoretische Möglichkeit bieten, grenzüberschreitend Online-Glücksspieldienstleistungen anzubieten, diese Veranstalter aber aufgrund des Fehlens nachrangiger innerstaatlicher Durchführungsbestimmungen die für die Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Erlaubnisse von den Behörden tatsächlich nicht erhalten können?
3. Soweit das Gericht, das den Ausgangsrechtsstreit entscheidet, in Anbetracht der Antworten auf die vorstehenden Fragen feststellen sollte, dass die Maßnahme des Mitgliedstaats gegen Art. 56 AEUV verstößt: Handelt dieses Gericht unionsrechtskonform, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass sowohl die Feststellung des Verstoßes gegen Rechtsvorschriften wegen Erbringung der Dienstleistung ohne Erlaubnis in den Entscheidungen der Behörden des Mitgliedstaats als auch die wegen dieses Verstoßes verhängte Verwaltungssanktion (zeitweilige Zugangssperre und Geldbuße) mit Art. 56 AEUV unvereinbar sind?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten und zur zweiten Frage
31 Mit seinen ersten beiden Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, mit der ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen errichtet wird, nach dem Wirtschaftsteilnehmer einen Konzessionsvertrag schließen und auf dessen Grundlage eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Glücksspielen erhalten können, indem sie entweder an einer Ausschreibung des Wirtschaftsministers zur Konzessionsvergabe teilnehmen oder beim Minister ein Angebot zum Abschluss eines Konzessionsvertrags abgeben, wobei die letztgenannte Möglichkeit „zuverlässigen“ Glücksspielveranstaltern im Sinne des nationalen Rechts offensteht.
32 Art. 56 AEUV verlangt die Abschaffung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus den anderen Mitgliedstaaten gelten –, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, in dem er rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Der Gerichtshof hat insoweit bereits entschieden, dass nationale Rechtsvorschriften, die die Veranstaltung von Glücksspielen ohne vorab erteilte behördliche Erlaubnis verbieten, eine Beschränkung des in Art. 56 AEUV verbürgten freien Dienstleistungsverkehrs darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a., C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 Somit ist festzustellen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit der ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Glücksspielen errichtet wird, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Art. 56 AEUV darstellt.
35 Zu prüfen ist, ob diese Beschränkung gleichwohl gerechtfertigt sein kann.
36 Zu den gegebenenfalls zulässigen Rechtfertigungen innerstaatlicher Maßnahmen, mit denen der freie Dienstleistungsverkehr eingeschränkt wird, hat der Gerichtshof wiederholt festgestellt, dass sich die Ziele, die mit den im Spiel- und Wettbereich erlassenen nationalen Rechtsvorschriften verfolgt werden, bei einer Gesamtbetrachtung meist auf den Schutz der Empfänger der betreffenden Dienstleistungen und allgemeiner der Verbraucher sowie auf den Schutz der Sozialordnung beziehen. Er hat auch hervorgehoben, dass solche Ziele zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören, die Eingriffe in den freien Dienstleistungsverkehr rechtfertigen können.
37 Ferner ist es Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten, die die Veranstaltung von Glücksspielen betreffen, vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen, wobei die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das von den betreffenden nationalen Stellen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2010, Carmen Media Group, C‑46/08, EU:C:2010:505, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen, dass sich Ungarn allgemein auf Verbraucherschutzziele sowie Gefahren für die öffentliche Ordnung und Gesundheit beruft, um die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahmen zu rechtfertigen.
39 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass diese Ziele zur Rechtfertigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten auf dem Gebiet des Glücksspiels geeignet sein können. In seiner Rechtsprechung hat er nämlich eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt wie die Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133, Rn. 46).
40 Aus einer ständigen Rechtsprechung folgt jedoch, dass von den Mitgliedstaaten auferlegte Beschränkungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen müssen und dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn die eingesetzten Mittel kohärent und systematisch sind (Urteile vom 6. März 2007, Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133, Rn. 48 und 53, sowie vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone, C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80, Rn. 63).
41 Damit eine solche Regelung gerechtfertigt sein kann, obwohl sie von einer Grundfreiheit abweicht, muss daher nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Glücksspielen auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, die im Voraus bekannt sind, so dass dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Februar 2016, Ince, C‑336/14, EU:C:2016:72, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Außerdem müssen die öffentlichen Stellen, die die Konzessionen vergeben, das Transparenzgebot beachten. Auch wenn dieses Transparenzgebot, das gilt, wenn die betreffende Dienstleistungskonzession für ein Unternehmen von Interesse sein kann, das in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig ist, in dem diese Konzession erteilt wird, nicht unbedingt eine Ausschreibung vorschreibt, verpflichtet es so doch die konzessionserteilende Stelle, zugunsten der potenziellen Bewerber einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherzustellen, der eine Öffnung der Dienstleistungskonzessionen für den Wettbewerb und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2010, Engelmann, C‑64/08, EU:C:2010:506, Rn. 49 und 50).
43 Darüber hinaus gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, von dem sich der Grundsatz des Vertrauensschutzes ableitet, u. a., dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen (Urteil vom 11. Juni 2015, Berlington Hungary u. a., C‑98/14, EU:C:2015:386, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Was nun als Erstes eine nationale Regelung wie die am 25. Juni 2014 geltende betrifft, ist festzustellen, dass in einer Vorschrift eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der zuverlässige Glücksspielveranstalter während eines Zeitraums von mindestens zehn Jahren Glücksspiele im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats veranstaltet haben müssten, insoweit eine Ungleichbehandlung liegt, als sie die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Glücksspielveranstalter gegenüber den betroffenen inländischen Veranstaltern benachteiligt, die diese Voraussetzung leichter erfüllen können.
45 Eine solche unterschiedliche Behandlung kann nicht schlicht mit der Berufung auf ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel gerechtfertigt werden. In Ermangelung eines Grundes, weshalb es zur Erreichung der geltend gemachten Ziele erforderlich wäre, eine Tätigkeit der Veranstaltung von Glücksspielen im Hoheitsgebiet des Empfangsmitgliedstaats anstatt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausgeübt zu haben, und zwar während eines Zeitraums von mindestens zehn Jahren, ist in einer solchen Vorschrift eine Diskriminierung und ein Verstoß gegen Art. 56 AEUV zu sehen.
46 Was als Zweites eine nationale Regelung wie die am 29. August 2014 geltende anbelangt, so begründet die Verpflichtung, während eines Zeitraums von drei Jahren in einem Mitgliedstaat Glücksspiele veranstaltet zu haben, keinen Vorteil zugunsten der im Empfangsmitgliedstaat niedergelassenen Veranstalter und könnte durch ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel gerechtfertigt sein. Die Anwendung der fraglichen Vorschriften muss jedoch gegenüber allen Bietern transparent sein. So ist daran zu erinnern, dass das Transparenzgebot, das mit dem Gleichheitssatz einhergeht, im Wesentlichen gewährleisten soll, dass alle interessierten Wirtschaftsteilnehmer die Entscheidung über die Teilnahme an Ausschreibungen auf der Grundlage sämtlicher einschlägiger Informationen treffen können und die Gefahr von Günstlingswirtschaft und Willkür seitens der Vergabestelle ausgeschlossen ist. Es verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar, genau und eindeutig formuliert sind, so dass zum einen alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen dem Ermessen der konzessionserteilenden Stelle Grenzen gesetzt werden und diese tatsächlich überprüfen kann, ob die Gebote der Bieter die für das betreffende Verfahren geltenden Kriterien erfüllen (Urteil vom 4. Februar 2016, Ince, C‑336/14, EU:C:2016:72, Rn. 87).
47 Dieses Erfordernis wird von einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht erfüllt, bei der nicht hinreichend genau bestimmt war, welche Bedingungen danach für die Ausübung der Befugnisse des Wirtschaftsministers anlässlich eines solchen Verfahrens galten und welche technischen Voraussetzungen von den Glücksspielveranstaltern bei Abgabe ihres Angebots zu erfüllen waren.
48 Demnach ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, mit der ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen errichtet wird, entgegensteht, wenn sie Vorschriften enthält, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Wirtschaftsteilnehmer diskriminieren, oder wenn sie Vorschriften vorsieht, die nicht diskriminierend sind, aber nicht transparent angewandt werden oder in einer Weise gehandhabt werden, die die Bewerbung bestimmter Bieter verhindert oder erschwert, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind.
Zur dritten Frage
49 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er Sanktionen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die wegen Verstoßes gegen nationale Rechtsvorschriften, mit denen ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Glücksspielen errichtet wird, verhängt werden, falls sich herausstellt, dass solche nationalen Rechtsvorschriften gegen diesen Artikel verstoßen.
50 Insoweit genügt der Hinweis, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine beschränkende Regelung im Glücksspielbereich nicht zu Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art. 56 AEUV nicht vereinbar ist (Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a., C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
51 Auf die dritte Frage ist somit zu antworten, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er Sanktionen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die wegen Verstoßes gegen nationale Rechtsvorschriften, mit denen ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Glücksspielen errichtet wird, verhängt werden, falls sich herausstellt, dass solche nationalen Rechtsvorschriften gegen diesen Artikel verstoßen.
Kosten
52 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, mit der ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen errichtet wird, entgegensteht, wenn sie Vorschriften enthält, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Wirtschaftsteilnehmer diskriminieren, oder wenn sie Vorschriften vorsieht, die nicht diskriminierend sind, aber nicht transparent angewandt werden oder in einer Weise gehandhabt werden, die die Bewerbung bestimmter Bieter verhindert oder erschwert, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind.
2. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Sanktionen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die wegen Verstoßes gegen nationale Rechtsvorschriften, mit denen ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Glücksspielen errichtet wird, verhängt werden, falls sich herausstellt, dass solche nationalen Rechtsvorschriften gegen diesen Artikel verstoßen.
Unterschriften
Quelle
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MACIEJ SZPUNAR
vom 5. April 2017(1)
Rechtssache C‑49/16
Unibet International Limited
gegen
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Központi Hivatal
(Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság [Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest, Ungarn])
„Dienstleistungsfreiheit – Art. 56 AEUV – Online-Glücksspiele – Einschränkung – Vereinbarkeit des Erfordernisses einer Erlaubnis mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz – Verwaltungssanktionen“
1. Unibet International Limited (im Folgenden: Unibet), die Klägerin des Ausgangsverfahrens, hat ihren Sitz in Malta und besitzt von den Behörden mehrerer Mitgliedstaaten erteilte Erlaubnisse für die Veranstaltung von Glücksspielen. Sie bot in Ungarn Online-Glücksspiele an, ohne die entsprechende Erlaubnis hierfür zu besitzen, weswegen gegen sie zwei Verwaltungsentscheidungen der ungarischen Behörden ergingen, aufgrund deren der Zugang zu ihren Websites in Ungarn gesperrt wurde.
2. Der Gerichtshof wird daher um Entscheidung über die Vereinbarkeit von nationalem Recht wie demjenigen, auf dessen Grundlage diese Verwaltungsentscheidungen ergangen sind, mit der in Art. 56 AEUV verankerten Dienstleistungsfreiheit ersucht. Die zentrale Frage, der sich der Gerichtshof hier gegenübersieht, ist demnach, ob ein in Malta ansässiges Unternehmen, das Online-Glücksspiele auf dem ungarischen Markt anbieten möchte, keiner Erlaubnis bedürfen sollte, wenn von Anfang an klar ist, dass die Beteiligung an einem Verfahren zur Erlangung einer solchen Erlaubnis keine Aussicht auf Erfolg hätte.
Rechtlicher Rahmen
3. Die ungarischen Rechtsvorschriften ergeben sich im vorliegenden Fall aus zwei Rechtsakten: Szerencsejáték szervezéséről szóló 1991. évi XXXIV törvény (Gesetz XXXIV von 1991 über die Veranstaltung von Glücksspielen; im Folgenden: Glücksspielgesetz) und A koncesszióról szóló 1991. évi XVI. törvény (Gesetz XVI von 1991 über die Konzession; im Folgenden: Konzessionsgesetz). Da es, wie im Folgenden näher zu sehen sein wird, zwei angefochtene Verwaltungsentscheidungen gibt, aufgrund deren der Zugang zu den Unibet-Websites in Ungarn gesperrt wurde, und diese unter verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen ergingen, muss die jeweilige Rechtslage zum Zeitpunkt dieser Entscheidungen, d. h. am 25. Juni 2014 und am 29. August 2014, dargestellt werden.
Ungarisches Recht am 25. Juni 2014
Glücksspielgesetz
4. Nach § 1 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes sind Glücksspiele solche Spiele, bei denen der Spieler gegen Zahlung von Geld oder Erbringung einer anderen Gegenleistung von wirtschaftlichem Wert beim Eintritt oder Vorliegen einer bestimmten Bedingung einen Preis in Geld oder einen anderen Preis von wirtschaftlichem Wert gewinnen kann. Das Gewinnen oder Verlieren muss ausschließlich oder vornehmlich vom Zufall abhängen. Nach § 1 Abs. 2 des Glücksspielgesetzes gelten auch Wetten als Glücksspiel und fallen auch Spielautomaten sowie Gewinnspiele in den im Gesetz besonders geregelten Fällen unter dieses Gesetz.
5. Nach § 1 Abs. 3 Buchst. e des Glücksspielgesetzes ist auch die Veranstaltung von Online-Glücksspielen eine Tätigkeit der Veranstaltung von Glücksspielen im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. i des Konzessionsgesetzes.
6. § 1 Abs. 4 und 5 des Glücksspielgesetzes bestimmt, dass die Tätigkeit der Veranstaltung von Glücksspielen, bei denen die Teilnahme vom ungarischen Hoheitsgebiet aus durch Telekommunikationsmittel oder ‑systeme möglich ist, nur nach Maßgabe der Vorschriften dieses Gesetzes ausgeübt werden darf, dass für die Veröffentlichung von Angeboten zur Teilnahme an einem über Telekommunikationsmittel oder ‑systeme veranstalteten Glücksspiel eine Erlaubnis der staatlichen Steuerbehörde erforderlich ist und dass Finanzinstitute und Erbringer von Telekommunikationsdienstleistungen weder an der Veröffentlichung oder Annahme von Angeboten zur Teilnahme an einem unerlaubten Glücksspiel mitwirken noch technische Unterstützung dafür leisten dürfen.
7. Zum Zeitpunkt der ersten Verwaltungsentscheidung war die Veranstaltung von Lotterien und Wetten mit Ausnahme von Pferderennwetten und Buchmacherwetten nach ungarischem Recht aufgrund von § 3 Abs. 1 Buchst. a und § 3 Abs. 3 des Glücksspielgesetzes ausschließlich dem staatlichen Veranstalter von Glücksspielen vorbehalten.
8. Der Staat konnte das Recht zur Veranstaltung von Glücksspielen jedoch durch Konzessionsvertrag vorübergehend auf eine andere Person übertragen.
9. Ein solcher Konzessionsvertrag konnte entweder nach öffentlicher Ausschreibung seitens des zuständigen Ministers erlangt werden (§ 4 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Konzessionsgesetzes) oder ohne Ausschreibung durch einen „zuverlässigen Glücksspielveranstalter“ (§ 4 Abs. 6 des Glücksspielgesetzes in Verbindung mit § 10/C Abs. 2 des Konzessionsgesetzes).
10. Dem vorlegenden Gericht zufolge fand eine Ausschreibung nie statt.
11. Ein „zuverlässiger Glücksspielveranstalter“ musste nach § 37 Abs. 30 Buchst. d des Glücksspielgesetzes wenigstens zehn Jahre lang in Ungarn eine Tätigkeit der Veranstaltung von Glücksspielen betrieben haben. Außerdem musste er über ein gezeichnetes Kapital von wenigstens 200 000 000 HUF verfügen (§ 29/D des Glücksspielgesetzes).
Konzessionsgesetz
12. Nach § 10/C Abs. 3 des Konzessionsgesetzes musste ein zuverlässiger Glücksspielveranstalter ein Angebot unterbreiten, in dem er die Standorte der von ihm geplanten Einheiten angeben und sich verpflichten musste, für jede von ihnen eine jährliche Konzessionsabgabe zu zahlen, die mindestens dem Zweifachen der im jeweils geltenden Haushaltsgesetz festgelegten Konzessionsabgabe entsprach.
Ungarisches Recht am 29. August 2014
Glücksspielgesetz
13. Aufgrund einer Änderung von § 3 Abs. 3 des Glücksspielgesetzes waren Online-Glücksspiele nicht länger ausschließlich dem staatlichen Glücksspielveranstalter vorbehalten.
14. Ein „zuverlässiger Glücksspielveranstalter“ musste nach § 37 Abs. 30 Buchst. d des Glücksspielgesetzes in dem Staat, der die Erlaubnis für die Tätigkeit der Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hatte, wenigstens drei Jahre lang eine Tätigkeit der Veranstaltung von Glücksspielen betrieben haben. Außerdem hatte er über ein gezeichnetes Kapital von wenigstens 50 000 000 HUF zu verfügen (§ 29/D des Glücksspielgesetzes).
15. Diese Änderungen des Glücksspielgesetzes traten am 15. Juli 2014 in Kraft.
Konzessionsgesetz
16. Nach § 10/C Abs. 3a Buchst. b des Konzessionsgesetzes musste ein zuverlässiger Glücksspielveranstalter in seinem Angebot für jede Glücksspielart die jährliche der Spielart entsprechende Konzessionsabgabe nach Maßgabe der im Haushaltsgesetz festgelegten Referenzabgabe für Konzessionen angeben.
Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen
17. Unibet, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, hat ihren Sitz in Malta und besitzt von den Behörden mehrerer Mitgliedstaaten der Europäischen Union erteilte Erlaubnisse für die Veranstaltung von Glücksspielen.
18. Im Sommer 2014 prüfte die Zentrale nationale Steuer- und Zollverwaltung Ungarns (im Folgenden: Steuerbehörde), die Beklagte des Ausgangsverfahrens, in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde für das Glücksspielwesen den Inhalt von Websites, die von Unibet betrieben wurden.
19. Infolge dieser Prüfungen stellte die Steuerbehörde fest, dass Glücksspiele im Sinne des ungarischen Glücksspielrechts zugänglich seien, Unibet aber nicht die erforderlichen Erlaubnisse besitze.
20. Am 25. April und 29. August 2014 erließ die Steuerbehörde zwei Entscheidungen gegen Unibet, mit denen sie anordnete, den Zugang zu den geprüften Websites von Ungarn aus zeitweilig zu sperren. In der Folge setzte die Steuerbehörde mit anderen Entscheidungen, die anscheinend nicht Gegenstand des konkreten Verfahrens vor dem vorlegenden Gericht sind, eine Geldbuße wegen wiederholter Verstöße gegen Rechtsvorschriften fest.
21. Unibet focht die Entscheidungen der Steuerbehörde vom 25. April und 29. August 2014 über die Anordnung der zeitweiligen Zugangssperre an und beantragte ihre Aufhebung. Sie äußerte die Ansicht, bei ihrem Erlass seien Vorschriften angewandt worden, die gegen Art. 56 AEUV verstießen. Die darin geregelten Voraussetzungen seien derart ausschließend, dass es ihr in der Praxis unmöglich gemacht werde, die Konzession zu erhalten, die die Vorbedingung für die Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Glücksspielen darstelle.
22. In Bezug auf die erste Entscheidung führte sie an, erstens sei keine Ausschreibung zur Konzessionsvergabe erfolgt und zweitens sei sie nicht berechtigt gewesen, ein Angebot abzugeben, da sie die gesetzlichen Voraussetzungen, um als zuverlässiger Glücksspielveranstalter behandelt zu werden, nicht erfüllt habe.
23. Hinsichtlich der zweiten Entscheidung brachte sie vor, dass die Änderungen des Glücksspielgesetzes gerade einmal etwa sechs Wochen vor der zweiten Verwaltungsentscheidung erfolgt seien, was zu kurz gewesen sei, als dass sie ein umfassend detailliertes Angebot hätte abgeben können.
24. Vor diesem Verfahrenshintergrund hat das Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest, Ungarn) mit Beschluss vom 9. Dezember 2015, der am 27. Januar 2016 beim Gerichtshof eingegangen ist, folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
1. Ist Art. 56 AEUV dahin auszulegen, dass er einer nationalen Maßnahme in einem Kontext entgegensteht, in dem die Vorschriften eines Mitgliedstaats, wenn er die Vergabe einer Konzession ausschreibt oder ein Angebot zur Erlangung der Konzession annimmt, garantieren, dass ein Veranstalter, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt – einschließlich eines Veranstalters, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist –, theoretisch die Möglichkeit hat, die Konzession für die Erbringung von nicht liberalisierten Online-Glücksspieldienstleistungen entweder über eine öffentliche Ausschreibung oder durch die Abgabe eines Angebots zu erhalten, der in Rede stehende Mitgliedstaat aber in Wirklichkeit keine Ausschreibung zur Konzessionsvergabe vornimmt und der Dienstleistungserbringer in der Praxis auch nicht die Möglichkeit hat, ein Angebot abzugeben, und die Behörden des Mitgliedstaats dessen ungeachtet feststellen, dass der Dienstleistungserbringer gegen Rechtsvorschriften verstoßen hat, da er die Dienstleistung ohne eine konzessionsbasierte Erlaubnis erbracht hat, und gegen ihn die in den Rechtsvorschriften vorgesehene Verwaltungssanktion verhängen (zeitweilige Zugangssperre und Geldbuße bei wiederholtem Verstoß)?
2. Ist es mit Art. 56 AEUV vereinbar, dass ein Mitgliedstaat aus Sicht seines nationalen Rechts höherrangige Vorschriften einführt, die Online-Glücksspielveranstaltern die theoretische Möglichkeit bieten, grenzüberschreitend Online-Glücksspieldienstleistungen anzubieten, diese Veranstalter aber aufgrund des Fehlens nachrangiger innerstaatlicher Durchführungsbestimmungen die für die Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Erlaubnisse von den Behörden tatsächlich nicht erhalten können?
3. Soweit das Gericht, das den Ausgangsrechtsstreit entscheidet, in Anbetracht der Antworten auf die vorstehenden Fragen feststellen sollte, dass die Maßnahme des Mitgliedstaats gegen Art. 56 AEUV verstößt: Handelt dieses Gericht unionsrechtskonform, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass sowohl die Feststellung des Verstoßes gegen Rechtsvorschriften wegen Erbringung der Dienstleistung ohne Erlaubnis in den Entscheidungen der Behörden des Mitgliedstaats als auch die wegen dieses Verstoßes verhängte Verwaltungssanktion (zeitweilige Zugangssperre und Geldbuße) mit Art. 56 AEUV unvereinbar sind?
25. Unibet, die ungarische, die belgische und die portugiesische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Alle haben in der Sitzung vom 15. Dezember 2016 mündlich verhandelt.
Würdigung
Vorbemerkungen
26. Der vorliegende Fall ist anhand der Vertragsbestimmungen zu prüfen. Die Richtlinien 2000/31/EG(2) und 2006/123/EG(3) gelten nicht für Glücksspieltätigkeiten. Da Unibet nach den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen keinen Sitz in Ungarn hat, sind die maßgeblichen Vertragsbestimmungen diejenigen über die Dienstleistungsfreiheit in den Art. 56 ff. AEUV.
27. Das vorlegende Gericht möchte Aufschluss über die Frage, wie ein Sachverhalt zu entscheiden ist, in dem ein Veranstalter von Glücksspielen mit Rechtssitz in einem anderen Mitgliedstaat und Erlaubnissen in einer Reihe von Mitgliedstaaten in Ungarn Glücksspiele anbietet, ohne über eine Erlaubnis seitens der ungarischen Behörden zu verfügen und ohne Schritte zur Erlangung einer solchen Erlaubnis unternommen zu haben.
28. Nach dem Wortlaut seiner Fragen scheint das vorlegende Gericht vom Gerichtshof nicht wirklich Aufschluss über die Vereinbarkeit der im rechtlichen Rahmen dieser Schlussanträge dargestellten nationalen Rechtsvorschriften mit Art. 56 AEUV erlangen zu wollen. Vielmehr scheint der Schwerpunkt auf den Auswirkungen eines mutmaßlichen Fehlens von Durchführungsbestimmungen zu diesen Rechtsvorschriften zu liegen.
29. Um jedoch dem vorlegenden Gericht sachdienliche Hinweise und eine aussagekräftige Antwort zu geben, sollten wir uns zuallererst auf die im rechtlichen Rahmen dargestellten nationalen Rechtsvorschriften konzentrieren. Ich werde die drei Fragen des vorlegenden Gerichts jedenfalls entsprechend behandeln. Das hat auch zur Folge, dass die dritte Frage vor der zweiten Frage beantwortet werden sollte.
30. Für die Zwecke dieser Schlussanträge werden die Ausdrücke Erlaubnis, Konzession und Genehmigung synonym verwendet.
Zur ersten Frage
31. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen Aufschluss darüber erlangen, ob es mit Art. 56 AEUV vereinbar ist, wenn nationale Rechtsvorschriften für einen Online-Glücksspielveranstalter mit Rechtssitz in einem anderen Mitgliedstaat die theoretische Möglichkeit vorsehen, eine Erlaubnis erteilt zu bekommen, während er eine solche de facto nicht erhalten konnte.
Beschränkung
32. Nach Art. 56 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, verboten. „Dienstleistungen“ sind nach Art. 57 AEUV Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.
33. Die in Malta ansässige Unibet möchte über das Internet Kunden in Ungarn eine Dienstleistung anbieten. In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass online angebotene Glücksspiele Dienstleistungen im Sinne des Art. 56 AEUV sind(4).
34. Fraglich ist, ob eine Beschränkung von Unibets Dienstleistungsfreiheit in Ungarn vorliegt. Als eine solche Beschränkung sind alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit untersagen, behindern oder weniger attraktiv machen(5). Die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV verlangt daher nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden aus Gründen der Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende und für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten(6). Außerdem kommt der freie Dienstleistungsverkehr sowohl Anbietern als auch Empfängern von Dienstleistungen zugute(7).
35. Weiter beschränken nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, nach denen Dienstleistungserbringern, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, verboten ist, in seinem Hoheitsgebiet Dienstleistungen über das Internet anzubieten, die in Art. 56 AEUV verankerte Dienstleistungsfreiheit(8). Mit einer solchen Regelung wird außerdem die Freiheit der Einwohner des betreffenden Mitgliedstaats beschränkt, über das Internet Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die in anderen Mitgliedstaaten angeboten werden(9). Dies gilt auch für solche Verbote, die gelten, wenn keine vorherige Erlaubnis durch die Verwaltungsbehörden vorliegt(10).
36. Aus der gerade angeführten ständigen Rechtsprechung folgt unzweifelhaft, dass die ungarischen Rechtsvorschriften sowohl zum Zeitpunkt der ersten als auch zum Zeitpunkt der zweiten Entscheidung eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen. Zu beiden Zeitpunkten war Unibet einem Erlaubnisverfahren unterworfen. Die Existenz eines Erlaubnisverfahrens reicht aus, um eine Beschränkung festzustellen. Alle weiteren Fragen, insbesondere jene, die sich auf die Bedingungen und Modalitäten eines Erlaubnisverfahrens beziehen, sind im Rahmen einer möglichen Rechtfertigung zu prüfen.
Rechtfertigung
37. Es bleibt die Frage, ob die ungarischen Rechtsvorschriften gerechtfertigt sein können. Hierfür müssen wir die beiden Verwaltungsentscheidungen getrennt untersuchen.
– Verwaltungsentscheidung vom 25. Juni 2014
38. Zunächst sollte daran erinnert werden, dass weder ein staatliches Monopol als solches gegen Art. 56 AEUV verstößt noch diese Vorschrift von den Mitgliedstaaten eine Liberalisierung der Glücksspielmärkte verlangt(11). Die ungarische Regierung scheint im vorliegenden Fall von einem Monopol auszugehen. Das vorlegende Gericht hingegen scheint nach meinem Verständnis der Vorlageentscheidung anzunehmen, dass kein Monopol existiert. Abgesehen davon, dass der Gerichtshof in Bezug auf die Auslegung von Bestimmungen des nationalen Rechts grundsätzlich gehalten ist, die sich aus der Vorlageentscheidung ergebenden Qualifizierungen zugrunde zu legen, und nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshof nicht befugt ist, das innerstaatliche Recht eines Mitgliedstaats auszulegen(12). gehe ich davon aus, dass es im vorliegenden Fall kein formales Monopol gibt. Meiner Ansicht nach ist die Frage, ob ein Monopol besteht oder nicht, rechtlicher und nicht tatsächlicher Natur. Und die Rechtslage im vorliegenden Fall ist klar: Nach dem Wortlaut des ungarischen Rechts könnten Veranstalter, die Online-Glücksspiele anbieten, grundsätzlich auf dem ungarischen Markt tätig werden.
39. Das Erfordernis einer mindestens zehnjährigen Tätigkeit in Ungarn ist (mittelbar) diskriminierend, da es in Ungarn ansässige Veranstalter gegenüber andernorts in der Union ansässigen Veranstaltern systematisch begünstigt. Aus dieser (mittelbaren) Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ergibt sich, dass einzig die drei ausdrücklich in Art. 52 AEUV in Verbindung mit Art. 62 AEUV genannten Rechtfertigungsgründe, also Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, herangezogen werden können(13). Eine Berufung auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt hat, wie die Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen(14), ist nicht möglich, um diskriminierende Beschränkungen zu rechtfertigen(15). Hinzu kommt, dass das Ziel, die Einnahmen der Staatskasse zu maximieren, für sich allein nie eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann(16).
40. Hinzugefügt sei, dass der Gerichtshof in Bezug auf die Beschränkung der Rechtfertigungsgründe in Diskriminierungsfällen auf die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zwar bisweilen strikt war(17), in anderen Fällen aber differenzierter vorging, weswegen die Rechtsprechung in dieser Hinsicht als „inkonsistent“ beschrieben wurde(18).
41. Dessen ungeachtet haben die ungarischen Behörden keine Rechtfertigungsgründe angeführt, geschweige denn Beweise für eine mögliche Verhältnismäßigkeit beigebracht. Vor diesem Hintergrund sehe ich nicht, wie die erste Verwaltungsentscheidung gerechtfertigt sein könnte.
– Verwaltungsentscheidung vom 29. August 2014
42. Auf der Grundlage der verfügbaren Informationen sehe ich hier keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Ungarische und ausländische Veranstalter scheinen rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise behandelt zu werden. Insbesondere scheint mir die Drei-Jahre-Regel, mit der die Zehn-Jahre-Regel verkürzt wurde und die außerdem nicht länger auf Tätigkeiten in Ungarn beschränkt ist, eine unterschiedslos auf ungarische wie auf ausländische Veranstalter anwendbare Regelung zu sein.
43. Daraus folgt, dass die eben genannten Gründe des Allgemeininteresses grundsätzlich als gültige Rechtfertigungsgründe herangezogen werden können.
44. Allerdings hat die ungarische Regierung auch hier keine Rechtfertigungsgründe vorgebracht(19).
45. Auch wenn aber die ungarischen Rechtsvorschriften dazu dienen sollten, einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses wie dem Verbraucherschutz, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen oder aber der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen gerecht zu werden, so muss ein solches System trotzdem verhältnismäßig sein.
46. Eine nationale Regelung ist also nur dann geeignet, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen(20).
47. Zur Frage der Rechtfertigung beschränkender Regelungen, die von Mitgliedstaaten im Bereich der Glücksspiele getroffen werden, und insbesondere zur Frage der Verhältnismäßigkeit existiert eine umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs. Ich werde mich auf die Darstellung dessen beschränken, was im Rahmen des vorliegenden Falles unbedingt erforderlich ist.
48. Ein System der behördlichen Genehmigung für das Anbieten von Glücksspielen ist grundsätzlich zulässig, solange es auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruht, die im Voraus bekannt sind und der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen setzen, so dass ein Ermessensmissbrauch ausgeschlossen ist. Grundsätzlich steht den Mitgliedstaaten eine Reglementierung dieses Bereichs also frei, solange sie das Unionsrecht beachten(21).
49. Somit ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den allgemeinen Grundsätzen in Erinnerung zu rufen, die von den nationalen Behörden zu beachten sind, wenn sie sich eines Systems von Dienstleistungskonzessionen oder Erlaubnissen bedienen. Diese Grundsätze ergeben sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auftragsvergabe, zu Konzessionen und zu Verfahren der vorherigen behördlichen Genehmigung. Der Gerichtshof wendet in diesen Bereichen die gleichen Grundsätze an(22).
50. Öffentliche Stellen, die Konzessionsverträge schließen, haben die Grundregeln des Vertrags einschließlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sowie das daraus folgende Transparenzgebot zu beachten(23). Dieses Transparenzgebot, das mit dem Gleichheitssatz einhergeht, soll im Wesentlichen gewährleisten, dass alle interessierten Wirtschaftsteilnehmer die Entscheidung über die Teilnahme an Ausschreibungen auf der Grundlage sämtlicher einschlägiger Informationen treffen können und die Gefahr von Günstlingswirtschaft und Willkür seitens der Vergabestelle ausgeschlossen ist(24). Es verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder im Lastenheft klar, genau und eindeutig formuliert sind, so dass erstens alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt deren genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zweitens die konzessionserteilende Stelle überprüfen kann, ob die Angebote die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen(25).
51. Hinzugefügt sei, dass es letztlich Sache des vorlegenden Gerichts ist, das für die Würdigung des Sachverhalts und die Auslegung des nationalen Rechts allein zuständig ist, im Licht dieser Grundsätze zu untersuchen, ob die von ihm angeführten Umstände, jeweils für sich oder zusammen genommen, die Vereinbarkeit eines Verfahrens zur Erteilung von Erlaubnissen für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und dem daraus folgenden Transparenzgebot in Frage stellen können(26).
52. Mir scheinen auf der Grundlage der vorliegenden Informationen die der zweiten Verwaltungsentscheidung zugrunde liegenden ungarischen Rechtsvorschriften nicht den oben dargestellten Kriterien zu genügen.
53. Die Rechtslage ist aufgrund des sich verändernden Regelungsrahmens etwas unklar. In einer solchen Lage kann von einem Unternehmen nicht vernünftigerweise erwartet werden, dass es sofort ein begründetes Angebot in Kenntnis aller Umstände erstellt und sein Vorgehen anpasst. Hinzu kommt, dass Unibet, selbst wenn sie ein Angebot abgegeben hätte, wegen des weiten Ermessens der zuständigen Behörde deren Entscheidung schwer hätte vorhersehen können. Wie sich aus dem oben dargelegten rechtlichen Rahmen ergibt, war der zuständige Minister nicht verpflichtet, eine Erlaubnis zu erteilen, sobald die maßgeblichen Bedingungen für einen „zuverlässigen Glücksspielveranstalter“ erfüllt gewesen wären. Anders gesagt ergeben sich unter mehreren Gesichtspunkten gewichtige Fragen hinsichtlich der Transparenz, was mich zu der Ansicht führt, dass das zum Zeitpunkt der zweiten Verwaltungsentscheidung geltende System nicht mit Art. 56 AEUV konform ist.
54. Ich schlage dem Gerichtshof deshalb vor, die erste Frage wie folgt zu beantworten: Mit Art. 56 AEUV ist nicht vereinbar, dass nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für einen Veranstalter von Online-Glücksspielen mit Rechtssitz in einem anderen Mitgliedstaat die theoretische Möglichkeit vorsehen, eine Erlaubnis erteilt zu bekommen, während der Veranstalter de facto daran gehindert ist, eine Erlaubnis zu erhalten, weil das System entweder diskriminierend ist oder den Ansprüchen an die Verhältnismäßigkeit oder Transparenz nicht genügt.
Dritte Frage
55. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob für den Fall, dass nationale Rechtsvorschriften wie die in Rede stehenden gegen Art. 56 AEUV verstoßen, eine gegen einen Veranstalter wegen Verstoßes gegen diese Rechtsvorschriften verhängte Geldbuße ebenfalls gegen Art. 56 AEUV verstößt.
56. Es ist ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass ein Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine restriktive Regelung im Glücksspielbereich nicht zu Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung nicht mit Art. 56 AEUV vereinbar ist(27). Entgegen der von der ungarischen Regierung geäußerten Ansicht gilt dies sowohl für strafrechtliche Sanktionen als auch, wie hier, für Verwaltungssanktionen.
57. Daher verstoßen im vorliegenden Fall auch die gegen Unibet verhängten Sanktionen gegen Art. 56 AEUV.
58. Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, die dritte Frage dahin zu beantworten, dass ein Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen ein System wie das vorliegend in Rede stehende nicht zu Sanktionen führen kann.
Zweite Frage
59. Mit seiner zweiten Frage begehrt das vorlegende Gericht im Wesentlichen Aufschluss über die rechtliche Bedeutung des Fehlens von nationalen Durchführungsbestimmungen zu den im rechtlichen Rahmen dargestellten und bei der Behandlung der ersten Frage in diesen Schlussanträgen geprüften Vorschriften.
60. Diese Frage geht von der Vereinbarkeit dieses rechtlichen Rahmens mit Art. 56 AEUV aus. Dem ist jedoch, wie gerade gesehen, nicht so.
61. Im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens ist es Sache des (nationalen) Gerichts, den rechtlichen Rahmen in der Form zu bewerten, in der er bestand. Hätte es Durchführungsbestimmungen gegeben, wäre dem oben beschriebenen Verhältnismäßigkeits- und Transparenzmangel möglicherweise abgeholfen worden. Es gab jedoch keine Durchführungsbestimmungen. Es zählt das Recht in seiner Fassung zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidungen. In diesem Zusammenhang ist auch zu betonen, dass die Frage, ob es ein laufendes Verfahren im Rahmen der Richtlinie 98/34/EG(28) gab oder nicht, hier unerheblich ist, da keine Durchführungsbestimmungen in Kraft waren.
62. Wie die Kommission richtigerweise anmerkt, kann das Fehlen von Durchführungsbestimmungen keinen Einfluss auf Rechte haben, die sich aus Art. 56 AEUV ergeben. Andernfalls würde die Inanspruchnahme dieser unmittelbar anwendbaren Bestimmung, die Unibet ein subjektives wirtschaftliches Recht verleiht, vereitelt. Mitgliedstaaten können die in Art. 56 AEUV verankerten Rechte nicht dadurch beschränken, dass sie keine Durchführungsbestimmungen erlassen.
63. Ich schlage daher vor, auf die zweite Frage zu antworten, dass das Fehlen nationaler Durchführungsbestimmungen auf die Feststellungen zur ersten Frage keinen Einfluss hat.
Ergebnis
64. Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest, Ungarn) wie folgt zu beantworten:
Mit Art. 56 AEUV ist nicht vereinbar, dass nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für einen Veranstalter von Online-Glücksspielen mit Rechtssitz in einem anderen Mitgliedstaat die theoretische Möglichkeit vorsehen, eine Erlaubnis erteilt zu bekommen, während der Veranstalter de facto daran gehindert ist, eine Erlaubnis zu erhalten, weil das System entweder diskriminierend ist oder den Ansprüchen an die Verhältnismäßigkeit oder Transparenz nicht genügt.
Ein Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen ein solches System kann nicht zu Sanktionen führen.
Das Fehlen nationaler Durchführungsbestimmungen hat auf diese Feststellungen keinen Einfluss.
1 Originalsprache: Englisch.
2 Vgl. Art. 1 Abs. 5 Buchst. d der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1).
3 Vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).
4 Vgl. Urteil vom 6. November 2003, Gambelli u. a. (C‑243/01, EU:C:2003:597, Rn. 54).
5 Vgl. z. B. Urteile vom 20. Februar 2001, Analir u. a. (C‑205/99, EU:C:2001:107, Rn. 21), vom 15. Januar 2002, Kommission/Italien (C‑439/99, EU:C:2002:14, Rn. 22), und vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 51).
6 Dies ist ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 25. Juli 1991, Säger (C‑76/90, EU:C:1991:331, Rn. 12). Vgl. außerdem Urteile vom 18. Juli 2013, Citroën Belux (C‑265/12, EU:C:2013:498, Rn. 35), und vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 51).
7 Vgl. Urteile vom 31. Januar 1984, Luisi und Carbone (C‑286/82 und 26/83, EU:C:1984:35, Rn. 16), und vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 51).
8 Vgl. Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u. a. (C‑243/01, EU:C:2003:597, Rn. 54), und vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 52).
9 Vgl. Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 53).
10 Vgl. Urteile vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133, Rn. 42), und vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 39).
11 Vgl. eingehender meine Schlussanträge in der Rechtssache Ince (C‑336/14, EU:C:2015:724, Nr. 32).
12 Vgl. z. B. Urteil vom 16. Februar 2017, Agro Foreign Trade & Agency (C‑507/15, EU:C:2017:129, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
13 Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2009, Kommission/Spanien (C‑153/08, EU:C:2009:618, Rn. 36 und 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
14 Vgl. dazu Urteil vom 8.September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 56).
15 Vgl. Urteile vom 30. November 1995, Gebhard (C‑55/94; EU:C:1995:411, Rn. 37), vom 6. November 2003, Gambelli u. a. (C‑243/01, EU:C:2003:597, Rn. 65), vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133, Rn. 49), vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 60), und vom 6. Oktober 2009, Kommission/Spanien (C‑153/08, EU:C:2009:618, Rn. 36). Vgl. ebenfalls Urteil vom 19. Juli 2012, Garkalns (C‑470/11, EU:C:2012:505, Rn. 35).
16 Vgl. Urteil vom 15. September 2011, Dickinger und Ömer (C‑347/09, EU:C:2011:582, Rn. 55).
17 Siehe Barnard, C., The substantive law of the EU. The four freedoms,Oxford University Press, 5. Aufl., 2016, S. 415.
18 Ebd.
19 Sie befasst sich nämlich in ihren Erklärungen schwerpunktmäßig mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der Rechtsvorschriften.
20 Vgl. Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 59 bis 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
21 Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Ince (C‑336/14, EU:C:2015:724, Nr. 32).
22 Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Ince (C‑336/14, EU:C:2015:724, Nr. 68).
23 Vgl. Urteile vom 4. Februar 2016, Ince (C‑336/14, EU:C:2016:72, Rn. 86), und vom 3. Juni 2010, Sporting Exchange (C‑203/08, EU:C:2010:307, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
24 Vgl. Urteil vom 4. Februar 2016, Ince (C‑336/14, EU:C:2016:72, Rn. 87).
25 Vgl. Urteile vom 4. Februar 2016, Ince (C‑336/14, EU:C:2016:72, Rn. 87), und vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone (C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
26 Vgl. insoweit Urteil vom 4. Februar 2016, Ince (C‑336/14, EU:C:2016:72, Rn. 88). Vgl. auch Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a (C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 48).
27 Vgl. Urteile vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133, Rn. 63 und 69), vom 15. September 2011, Dickinger und Ömer (C‑347/09, EU:C:2011:582, Rn. 43), und vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 64).
28 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) geänderten Fassung.
Quelle
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