Mittwoch, 13. September 2017

VG Saarlouis zu Spielhallen: Auswahlverfahren geht Härtefallprüfung vor


Ein Artikel von Rechtsanwalt Dr. Thomas Bartholmes

Es gibt in Deutschland keine einheitliche Praxis zu der Frage, ob bei Bestandsspielhallen, die zueinander den Mindestabstand nicht wahren, zunächst ein Auswahlverfahren durchzuführen und sodann den Unterlegenen gegebenenfalls ein Weiterbetrieb zur Vermeidung unbilliger Härten zu ermöglichen ist, oder ob aber umgekehrt zunächst denjenigen Hallen, bei denen eine Schließung eine unbillige Härte bedeuten würde, Erlaubnisse zu erteilen sind, und andere Spielhallen, die den Mindestabstand zu diesen Hallen nicht einhalten und bei denen kein Härtefall vorliegt, zwingend geschlossen werden müssen. Die letztgenannte Praxis würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass diejenige Spielhalle, bei der am längsten ein Härtefall vorliegt, am Ende faktisch eine lokale Monopolstellung erhielte, weil sämtliche Konkurrenten zuvor hätten schließen müssen. Insbesondere in Baden-Württemberg ist diese Vorgehensweise gängige Praxis.

Auch das Landesverwaltungsamt des Saarlandes ist bislang nach dieser Maxime vorgegangen, hat vorrangig Härtefälle geprüft und keinerlei Auswahlverfahren eingeleitet. Das Verwaltungsgericht des Saarlandes in Saarlouis hat nun dieser Rechtsansicht in einem vom Verfasser geführten Eilverfahren mit Beschluss vom 4.9.2017 (1 L 1244/17) widersprochen. Selbst die – von Gesetzes wegen nicht vorgesehene – „Voraberteilung“ einer Erlaubnis an einen Mitbewerber wegen Annahme eines Härtefalls habe nicht zur Folge, dass damit die Notwendigkeit einer – an den vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss v. 7.3.2017 (1 BvR 1314/12 u.a.) genannten Kriterien ausgerichteten – Auswahl zwischen Spielhallen mit Altgenehmigung, die zueinander den Mindestabstand von 500 Metern nicht einhalten, entfiele. Das Gericht gehe davon aus, dass die Härtefallprüfung eine Auswahlentscheidung nicht zu ersetzen vermöge. Die gesetzliche Konzeption dürfte dahin zu verstehen sein, dass im Falle, dass mehrere Bestandsspielhallen, die zueinander den Mindestabstand von 500 Metern nicht einhalten, einen Antrag auf Erlaubnis zum Weiterbetrieb über den 30.6.2017 hinaus gestellt haben, eine Auswahlentscheidung der Härtefallentscheidung vorgelagert ist. Die im Rahmen der Auswahlentscheidung obsiegende Spielhalle gebe sodann den Radius für den gemäß § 3 Abs. 2 SSpielhG einzuhaltenden Mindestabstand vor. Solange noch keine Auswahlentscheidung getroffen wurde, fehle es an einer behördlich erlaubten Spielhalle, die Ausgangspunkt für eine Prüfung der Anforderungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 SSpielhG sein könne, und bedürfe es von daher auch keiner Befreiung von den darin genannten Erfordernissen. Einer Härtefallbefreiung gemäß § 12 Abs. 2 SSpielhG bedürften – bei Vorliegen der Härtefallvoraussetzungen – nur die im Auswahlverfahren unterlegenen Spielhallen.

Sinn und Zweck der Härtefallregelung sprächen für eine vorrangig zu treffende Auswahlentscheidung. Es handele sich um ein Verhältnismäßigkeitskorrektiv zu Gunsten, aber nicht zu Lasten der Spielhallenbetreiber. § 12 Abs. 2 SSpielhG erweitere die Zahl der genehmigungsfähigen Spielhallen und schränke sie nicht ein.

Das Verwaltungsgericht stützt sich auf die speziell das Saarländische Spielhallengesetz betreffenden Aussagen im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7.3.2017. Aus diesen ergebe sich nicht, dass bei Bejahung eines Härtefalls alle möglichen anderen für eine Auswahlentscheidung relevanten Kriterien automatisch zurückzutreten hätten. Als mögliche weitere Kriterien habe das BVerfG beispielhaft die mit der Neuregelung verfolgten und in § 1 Abs. 1 SSpielhG niedergelegten Ziele genannt. Weiter wurde der Gesichtspunkt der bestmöglichen Ausschöpfung der bei Beachtung der Mindestabstände verbleibenden Standortkapazität in dem relevanten Gebiet genannt. Auch Gesichtspunkte etwa des Jugend- und Spielerschutzes, aber auch einer vergleichsweise höheren Zuverlässigkeit eines Betreibers könnten bei einer Auswahlentscheidung im Vergleich zu den Härtefallkriterien vorzugswürdig sein mit der Folge, dass der vorzugswürdigen Spielhalle ungeachtet von Härtefallkriterien eine Erlaubnis zu erteilen wäre und dem Mitbewerber darüber hinaus eine befristete weitere Erlaubnis unter Befreiung vom Abstandsgebot (Härtefall). Die Härtefallregelung diene vornehmlich der Wahrung individuellen Vertrauensschutzes und allenfalls mittelbar der Lösung von Interessenkonflikten.

Das VG Saarlouis stellte zugleich auch klar, dass die Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle nicht davon abhängig gemacht werden darf, ob zu nicht erlaubten Spielhallen (einschließlich geduldeter Altspielhallen) ein Mindestabstand eingehalten wird. Auch insoweit hatte das Landesverwaltungsamt des Saarlandes den Gegenstandpunkt vertreten, was bei einer bundesweiten Betrachtung leider kein Einzelfall ist.

Ausgehend von dieser Rechtsauffassung besteht dann auch kein Anspruch von Konkurrenten, vorbeugenden Rechtsschutz gegen die Erteilung von Härtefallerlaubnissen zu begehren, da diese gerade nicht bewirken, dass um diese Spielhallen, analog zu einer „regulären“ Erlaubnis, ein „Bannkreis“ für andere Altspielhallen zu ziehen wäre, der nur in Härtefällen durchbrochen werden könnte.

Weniger erfreulich ist allerdings, dass das VG Saarlouis den Betreibern zumutet, bis zum Abschluss des bislang rechtswidrig unterbliebenen Auswahlverfahrens zwar geduldet, aber ohne Erlaubnis zu arbeiten. Die Grenzen zwischen legalen und illegalen Spielangeboten verwischen so zusehends, was den Zielen des § 1 GlüStV nicht gerade förderlich ist. Mangels rechtzeitiger Auswahlentscheidungen des Landesverwaltungsamtes werde zur Zeit die weit überwiegende Mehrheit der Spielhallen im Saarland ohne förmliche Erlaubnis betrieben.

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht sich mit der Thematik der Auswahlverfahren in seinem Beschluss vom 7.3.2017 nur zum saarländischen Recht befasst hat, lassen sich seine Ausführungen – und damit auch die daraus basierende Gesetzesauslegung durch das VG Saarlouis – auf andere Bundesländer mit vergleichbaren Regelungen übertragen. Damit gibt es wieder Hoffnung für all diejenigen Spielhallen, die weder den Mindestabstand zu anderen Spielhallen einhalten noch die Voraussetzungen für eine Härtefallerlaubnis erfüllen. Umgekehrt brauchen Spielhallen, denen eine Härtefallerlaubnis erteilt wurde, etwas weniger Sorgen haben, dass Mitbewerber mit Aussicht auf Erfolg ihre Erlaubnisse angreifen.

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