Montag, 20. Juni 2016
VG Gelsenkirchen: das Lotteriemonopol ist Verfassungs– und Europarechtskonform!
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: das Lotteriemonopol nach dem GlüStV und das Glückspielkollegium sind Verfassungs– und Europarechtskonform!
In seinem jüngsten Urteil vom 17.05.2016 (Aktz. 19 K 3334/14) attestiert das VG Gelsenkirchen dem Lotteriemonopol nach den Vorschriften des GlüStV uneingeschränkte Europarechts- und Verfassungskonformität.
Gegenstand des Rechtsstreits war die Klage eines führenden gewerblichen Lotterievermittlers gegen den Erlaubnisbescheid des zuständigen Landes Niedersachsen zur gewerblichen Spielvermittlung, welcher mit einer Vielzahl von Auflagen versehen war. Die Klägerin wandte sich umfassend gegen sämtliche Auflagen des Bescheides. Sie argumentiert jedoch insbesondre auch, der Erlaubnisvorbehalt für die Vermittlungstätigkeit sei verfassungswidrig, weil er nur dazu diene, die überkommenen Monopole der Länder im Glücksspielbereich zu sichern, welche entgegen der Begründung im GlüStV allein fiskalischen Zwecken dienten. Auch sei der Erlaubnisvorbehalt für die Glücksspielvermittlung unverhältnismäßig, da nennenswerte Missstände oder Gefährdungen für die Spielteilnehmer nicht existierten. Ferner verstoße das Erlaubnissystem, insbesondere die Pflicht der gewerblichen Spielvermittler, mindestens 2/3 der vereinnahmten Beträge an den Veranstalter weiterzuleiten, gegen Unionsrecht. Schließlich sei auch die Einbindung des Glückspielkollegiums verfassungswidrig.
Das VG Gelsenkirchen hat die Klage mit Ausnahme von 2 Nebenbestimmungen vollumfänglich abgewiesen. Das Gericht legt detailliert dar, dass nach seiner Ansicht keine Bedenken gegen das Lotteriemonopol bestehen. Mit deutlichen Worten erteilt es der These von der Verfassungswidrigkeit des Glückspielkollegiums eine Abfuhr.
Im einzelnen führt das VG Gelsenkirchen wie folgt aus:
Schwere und offenkundige Missstände seien im Bereich der staatlich organisierten Lotterien nicht erkennbar. Insbesondere die Ziele des § 1 Nr. 2 und 4 GlüStV rechtfertigen „eine strikte und intensive Kontrolle des Zahlenlottos mit planmäßigen Jackpot und den damit in Rede stehenden teilweise exorbitanten Gewinnen. Nur eine durch öffentliche Kontrolle des Spielablaufs gewährleistete Transparenz der Lotteriebedingungen und die durch staatliche Stellen verantwortete oder jedenfalls maßgeblich bestimmte Trägerschaft garantieren erkennbar derzeit eine ordnungsgemäße Durchführung solcher Lotterien.“ Vor diesem Hintergrund sieht das VG Gelsenkirchen die mit der Monopolisierung der Veranstaltung von Lotterien im Sinne des § 22 Abs. 1 GlüStV verbundenen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit, des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG und auch der Art. 15 und 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als gerechtfertigt an.
Selbst dann, wenn man unterstellen wollte, die neue Regelungen des Spielhallenrechts und des Rechts der Sportwetten seien unions- oder verfassungswidrig, sei nicht erkennbar, „dass diese Defizite auf die zum Lotterierecht geltenden Regelungen derart einwirken, dass sie ebenfalls unanwendbar oder verfassungswidrig wären.“ Es sei nämlich nicht erkennbar, dass die von dieser Situation ausgehenden Einflüsse auf andere Arten des Glücksspiels in einer solchen Weise einwirken, dass sie „die Entwicklung der anderen Glücksspielarten in nicht gewollter Weise behindern oder der Zielsetzung der Regelungen zum Glücksspielwesen in anderen Bereichen des Staatsvertrages zuwiderlaufen“.
Bemerkenswert sind die Ausführungen des VG Gelsenkirchen zur Rechtmäßigkeit der Werbung zugunsten der staatlichen Zahlenlotterien. Selbst wenn man nämlich unterstellen wollte, es gebe eine überzogene Werbung für das staatliche Lotterieangebot, so wäre dies durch die Kanalisierungsfunktion, „die nach § 5 Abs. 1 GlüStV auch ein legitimes Mittel der Werbung ist,“ gerechtfertigt. Die Kammer sieht nämlich keine greifbaren Anhaltspunkte für eine Inkohärenz durch die Lotteriewerbung, weil „nicht festgestellt werden kann, dass das Spielangebot in anderen Bereichen merklich durch die Marktmacht der Veranstalter der monopolisierte Lotterien eingeschränkt oder behindert wird.“ Hiervon könne insbesondere angesichts des unstreitig rückläufigen Marktanteils der Lotterien „nicht ansatzweise die Rede sein“.
Der insbesondere vom HessVGH (Beschlüsse vom 02. und 05.11.2015, Az. 8 B 1134/15 u.a.) aufgestellten These von der Verfassungswidrigkeit des Glückspielkollegiums erteilt das VG Gelsenkirchen eine deutliche Abfuhr. So gebe es keine Regelung im GG, die es den Ländern untersage, in ihrem Kompetenzbereich dafür Sorge zu tragen, dass einzelne Sachbereiche bundeseinheitlich gehandhabt werden. Auch gebe es keine Bestimmung, die es den Ländern vorschreibe, eigenes Recht nur durch eigene Behörden zu vollziehen. Auch die Zulässigkeit von Mehrheitsentscheidungen sei dadurch gerechtfertigt, dass die Länder sich zur Sicherung einer einheitlichen Verwaltungspraxis auf gesetzlicher Grundlage durch die Zustimmungsgesetze zum Staatsvertrag mit einer solchen Entscheidungsfindung einverstanden erklärt haben. Schließlich sei die Einrichtung des Glückspielkollegiums auch mit dem Bundesstaatsprinzip vereinbar, denn es handele sich dabei nicht um eine 3. Verwaltungsebene, sondern um ein in seiner Geschäftsführung in die Landesverwaltung des Landes Hessen inkorporiertes Organ der zuständigen Behörden.
Auf Grundlage dieser allgemeinen verfassungs- und europarechtlichen Einschätzung untersucht das VG Gelsenkirchen sodann alle im einzelnen angegriffenen Auflagen. Eine detaillierte Darstellung der jeweiligen Entscheidungspunkte würde den hiesigen Rahmen sprengen. Es lohnt sich also, diese wegweisende Entscheidung sorgfältig nachzulesen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass das VG Gelsenkirchen mit diesem Urteil eine klare Stellungnahme zu grundlegenden Fragen der Verfassungs – und Europarechtskonformität des GlüStV abgegeben hat, die derzeit in der Judikatur, aber auch in der juristischen Fachliteratur mit großem Engagement und ebenso großer Verve diametral diskutiert werden.
Rechtsanwalt Dr. Manfred Hecker
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
CBH - Rechtsanwälte
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vgl. BVerwG: Erlaubnisverfahren für private Sportwettenanbieter muss transparent sein
Pressemitteilung Nr. 54/2016 vom 16.06.2016 (BVerwG 8 C 5.15)