Donnerstag, 14. Oktober 2021

LG München I und LG Duisburg: Kein Anspruch auf Rückerstattung von Spielverlusten

 

LG München I und LG Duisburg: Kein Anspruch eines Spielers auf Rückerstattung von Verlusten bei Online-Casinospielen

Ein Artikel von Prof. Dr. Marc Liesching

Mehrere deutsche Medien berichteten jüngst über ein Urteil des Landgerichts Gießen, in dem das Gericht einem Teilnehmer an Online-Casinospielen einen Anspruch auf Rückerstattung seiner Spielverluste mit der Begründung zugesprochen hat, der Spielvertrag sei aufgrund eines Verstoßes gegen das Internetverbot in § 4 Abs. 4 GlüStV nichtig gewesen (Urt. v. 21.1.2021 – 4 O 84/20). Das Urteil sendete gerade mit Blick auf die Spielsuchtprävention ein fatales Signal. Denn es nährte den Spielertraum, die eigenen Verluste bei Online-Casinospielen nachträglich wieder rückgängig machen zu können, während Gewinne natürlich willkommen blieben. Dieser Traum dürfte nun geplatzt sein: In einem aktuellen Urteil vom 13. April 2021 (Az. 8 O 16058/20) wies das Landgericht München I die Klage eines Spielers gegen einen Online-Casinoanbieter mit sorgfältiger Begründung ab. Schon Jahre zuvor hatte das Landgericht Duisburg – freilich von der aktuellen Medienberichterstattung überwiegend unerwähnt – ebenfalls einen Rückerstattungsanspruch eines Spielers klar verneint (Az. 3 O 373/14).

Die suchtfördernde Fata Morgana eines „Spiels ohne Risiko“ löst sich in der Klarheit der Urteilsbegründungen auf.

Anders als die eher knapp begründete Entscheidung des LG Gießen enthalten die nachfolgend zusammengefassten Entscheidungen der Landgerichte München I und Duisburg fundierte Ausführungen zum Kondiktionsausschluss gemäß §§ 817 S. 2 BGB und 242 BGB sowie zum Fehlen der Voraussetzungen eines Schutzgesetzes i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB und eines Vermögensschadens aufseiten der Spieler.

1. Kein bereicherungsrechtlicher Anspruch des Spielers aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB

Nach Auffassung der Landgerichte München I und Duisburg ist ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des Spielers auf Rückerstattung seiner Spielverluste gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. Eine teleologische Reduktion dieser Norm komme nicht in Betracht. Unabhängig davon verstoße die Forderung nach einer Rückerstattung der Spielverluste nach Ansicht des LG München I gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB.

a) Kondiktionsausschluss gemäß § 817 S. 2 BGB

Das Landgericht München I nahm zwar einen Verstoß des Spielvertrags gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 an. Allerdings lagen nach Überzeugung des Gerichts die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands des § 817 S. 2 BGB vor, da die bereicherungsrechtliche Rückforderung nach dem Willen des Gesetzesgebers ausgeschlossen sein soll, wenn dem Leistenden gleichermaßen ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten zur Last fällt zur Last fällt. Hierzu führt das Gericht aus:

„Durch die Teilnahme am Online-Glücksspiel liegt dem Kläger als Leistendem ebenfalls ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz zur Last, denn der Kläger hat durch seinen Vortrag nicht ausräumen können, in objektiver und subjektiver Hinsicht durch die Teilnahme an einem unerlaubten Glückspiel den Tatbestand des § 285 StGB erfüllt zu haben. (…) Unstreitig nahm der Kläger auf eigene Rechnung am Glücksspiel der Beklagten teil und unterwarf sich damit den vom Zufall abhängigen Gewinn- und Verlustaussichten (…). Zur Überzeugung des Gerichts war sich der Kläger dieses Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz auch bewusst bzw. hat sich der Einsicht in die Gesetzeswidrigkeit seines Handelns leichtfertig verschlossen (BGH, Urteil vom 22.04.1997,- XI ZR 191/96; BGH Urteil vom 23.03.2005 – VIII ZR 129/04). Denn zum einen ist aus Funk- und Fernsehen allgemein bekannt, dass Online-Glücksspiel in Deutschland mit Ausnahme von Schleswig-Holstein verboten ist. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des Gerichts lebensfremd anzunehmen, dass der gewinnspielerfahrene Kläger dies nicht gewusst haben will. Zum anderen ist der Kläger, soweit er ohne Beweisangebot vorträgt, in der Annahme gehandelt zu haben, das von der Beklagten angebotene Glücksspiel sei legal, beweisfällig geblieben.“

Ebenso entschied bereits das LG Duisburg. In seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 hob das Gericht zunächst unionsrechtliche Bedenken gegen das Internetverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 hervor. Darauf kam es aus Sicht des Gerichts jedoch im Ergebnis nicht an, da die Klage bereits aufgrund des Kondiktionsausschlusses gemäß § 817 S.2 BGB abzuweisen sei. Dabei stellte das Gericht maßgeblich auf den Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters ab:

„Würde es sich – entgegen den beklagtenseits aufgeführten, aufgrund Gemeinschaftsrechts bestehenden nicht unerheblichen Bedenken – um ein erlaubnispflichtiges Glücksspiel handeln, wobei es auf die nach maltesischem Recht für den dortigen Zuständigkeitsbereich erteilten Konzessionen nicht ankäme, stünde dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin § 817 Satz 2 BGB entgegen. (…) Der Klägerin als Leistender i.S.v. § 817 Satz 2 BGB wäre für den Fall des verbotenen Glücksspiels gleichfalls ein solcher Verstoß (gegen ein gesetzliches Verbot zur Last) zur Last gefallen, denn sie hätte sich am unerlaubten Glücksspiel beteiligt (§ 285 StGB). Der objektive Tatbestand des § 285 StGB wäre jedenfalls erfüllt. Für den im Ergebnis vergleichbaren Fall der Hingabe eines Darlehens zur Förderung eines verbotenen Glücksspiels ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Rückforderungsanspruch des Darlehensgebers an § 817 Satz 2 BGB scheitert, (OLG Nürnberg, Urteil vom 19. Januar 1978- 8 U 110/77 – Rn. 8, juris m.w.N.). Was den Vorsatz der Klägerin betrifft, hätte dieser – für den Fall des hier unterstellten verbotenen Glücksspiels- zumindest in Form des dafür ausreichenden bedingten Vorsatzes vorgelegen, denn die Klägerin hätte die Möglichkeit ihrer Beteiligung am verbotenen Glücksspiel zumindest billigend in Kauf genommen. Aufgrund der von ihr selbst als Anlage 3 vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wusste sie, dass das von der Beklagten angebotenen Glücksspiel „in manchen Rechtsprechungen teilweise oder ganz verboten sein kann und dass es „in der Verantwortung des Kunden liegt, zu wissen, ob Wette oder Glücksspiel in seinem jeweiligen Heimatland legal ist.“ Damit war der Klägerin klar, dass in Nordrhein-Westfalen ihre Teilnahme an dem Glücksspiel verboten sein kann und dass sie diese Frage vor der Teilnahme selbst klären muss.

Dies hätte sie durch Erkundigungen bei zuständigen Stellen oder Internetrecherchen unschwer bewerkstelligen können. Da es immerhin um die mögliche Begehung einer Straftat ging („kann verboten sein“), die Klägerin aber offensichtlich nichts unternommen hat, diese Frage vor ihrer Beteiligung an dem Glücksspiel verbindlich zu klären, hat sie zumindest billigend in Kauf genommen, dass ihr durch die Beteiligung an dem von der Beklagten veranstalteten Glücksspiel gleichfalls ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Last fällt i.S.v. § 817 Satz 2 BGB.“

b) Keine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB

Eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB lehnten das LG München I und das LG Duisburg ab. Insbesondere sei die Rechtsprechung des BGH zu sittenwidrigen Schneeballsystemen nicht auf Online-Glücksspiele übertragbar.

Das LG München I führte hierzu aus:

„Ein Rückforderungsausschluss gemäß § 817 S. 2 BGB verbietet sich nicht deshalb, weil der hier in Rede stehende Sanktion dem Schutz des Leistenden dient und der Schutzzweck der Nichtigkeitssanktion gegen ein Kondiktionssperre spricht. (…) Die hier in Rede stehende Teilnahme an einem Online-Glücksspiel ist letztlich auch nicht vergleichbar mit der Einzahlung von Beiträgen in ein Schneeballsystem, bei der der BGH eine schutzzweckorientierte Einschränkung des § 817 S.2 BGB deshalb bejaht hat, weil er sich – im Unterschied zum vorliegenden Fall – nicht davon überzeugen konnte, dass dem Spieler der Sittenverstoß bewusst war bzw. der Spieler sich dem verstoß leichtfertig verschlossen hätte (BGH, Urteil vom 22.04.1997 – XI ZR 191/96).“

So sah es auch das LG Duisburg:

„Soweit die Klägerin die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den sog. Schenkkreisen bemüht, betrifft diese einen anders gelagerten Sachverhalt, denn das dort zugrundeliegende Schneeballsystem kann naturgemäß nicht aufgehen.“

c) Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB

Schließlich wies das LG München darauf hin, dass ein Rückforderungsanspruch an den Grundsätzen von Treu und Glauben scheitert:

„Selbst wenn man den Ausschlusstatbestand des § 817 S. 2 BGB nicht für gegeben ansehen wollte, so verstößt die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs eines Spielers, der sehenden Auges und aus eigenem Handlungsantrieb heraus am illegalen Online-Glücksspiel teilgenommen und sodann Verluste eingespielt hat, gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und muss jedenfalls vor diesem Hintergrund ausgeschlossen sein.“

2. Kein deliktischer Schadensersatzanspruch

Das Landgericht München I stellte darüber hinaus fest, dass dem Spieler auch keine deliktischen Ansprüche zustehen, da bereits der Schutzgesetzcharakter der vom Spieler ins Feld geführten §§ 4 Abs. 4, 284 StGB zu bezweifeln sei:

„Voraussetzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist, dass die Norm den Schutz eines anderen bezweckt (Palandt, a.a.O., § 823 BGB, Rn. 58). Die Vorschrift soll zumindest auch dazu dienen, den Einzelnen oder einen einzelnen Personenkreis gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Dass die Norm daneben oder sogar in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge hat, schadet nicht (BGH, Urteil vom 18.11.2003 – VI ZR 385/02). Der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen soll allerdings nicht ausgeufert werden. Deshalb reicht es nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen.

Der Wortlaut beider Normen lässt nicht auf einen Individualrechtsschutz schließen, ebenso wenig die Stellung des § 284 StGB innerhalb des StGB, der dem Abschnitt des „strafbaren Eigennutzes“ zugeordnet ist.

Weiterhin ist aus Sicht des Gerichts in die Bewertung einzustellen, dass sich der Spieler der an einem Online-Glücksspiel teilnimmt, selbst nach § 285 StGB strafbar macht, woraus sich der gesetzgeberische Wille einer geringeren Schutzwürdigkeit des Spielers, der gleichermaßen gegen eine Verbotsnorm verstößt, ergeben könnte. (…) Es bleibt daher anzuzweifeln, ob § 4 Abs. 4 GlüStV bzw. § 284 StGB den Schutz des Vermögens des Spielers bezwecken oder vielmehr ausschließlich dessen Spielsucht vorzubeugen bzw. zu bekämpfen beabsichtigen.“

Im Ergebnis kam es aus Sicht des Gerichts darauf jedoch nicht entscheidend an. Denn es sei bereits kein Schaden aufseiten des Klägers ersichtlich:

„Letztlich kann der Schutzgesetzcharakter hier jedoch dahinstehen, da es jedenfalls am Nachweis eines auf einem haftungsbegründenden Ereignis beruhenden, kausalen Schaden fehlt. Die Darlegungs- und Beweislast oblag dem Kläger als einem für diesen günstigen, anspruchsbegründenden Umstand. Die Beklagte hat den Eintritt eines Schadens beim Kläger bestritten.

Grundsätzlich ist im Rahmen einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB der Differenzschaden in Form des negativen Interesses zu ersetzen (Palandt, a.a.O. § 823, Rn. 24; § 249, Rn. 17). Der Gläubiger ist mithin so zu stellen, wie er stünde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hätte. Das Gericht hat oben bereits dargelegt, dass der Kläger nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hat.

Vielmehr steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger jeweils unabhängig vom Vorliegen einer behördlichen Erlaubnis zur Befriedigung seiner Spielsucht am Glücksspiel der Beklagten teilnahm. Der Kläger gab den Einsatz auch freiwillig hin, ohne durch die Beklagte getäuscht worden zu sein.

c) Sollte es sich bei § 4 Abs. 4 GlüStV bzw. § 284 StGB um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handeln, wie oben unter a) offengelassen, hätte sich in dem Schadensereignis schließlich auch nicht gerade diejenige Gefahr verwirklicht, der entgegenzuwirken das Schutzgesetz bestimmt ist (Wagner in MüKo zum BGB, 8. Auflage, 2020, § 823, Rn. 620).

Denn die beiden Vorschriften bezwecken nicht allein, den Spieler vor Verlusten beim Glücksspiel zu bewahren, sondern der Spielsucht insgesamt zu begegnen. Deshalb unterliegt dem Verbot auch ein Glücksspiel, bei dem der Spieler (vorübergehend) Gewinne erzielt und auf diese Weise Anreiz für neue Einsätze bietet.

Auch insoweit ist es dem Kläger nicht gelungen, die Kausalität zwischen der Verletzung eines Schutzgesetzes durch die Beklagte und einer von ihm erlittenen Vermögenseinbuße darzulegen und unter Beweis zu stellen.“

3. Kurzbewertung

Das aktuelle Urteil des Landgerichts München I und das bereits zuvor ergangene Urteil des Landgerichts Duisburg überzeugen. Die Berichterstattung in den deutschen Medien über das Verbot von Online-Casinospielen gemäß dem GlüStV 2012 war in den vergangenen vier Jahren derart umfangreich, dass Spieler wohl nicht mit Erfolg behaupten können, die Rechtslage in Deutschland sei für sie nicht erkennbar gewesen. Überdies hat der BGH in seiner Rechtsprechung mehrfach klargestellt, dass seine Entscheidungen über die Unanwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar sind, weil sie auf den Einzelfall abstellen (BGHZ 118, 142 (150) = NJW 1992, 2021 (2022f.); Armgardt, NJW 2006, 2070). Im Rahmen der notwendigen wertenden Betrachtung sind daher die Besonderheiten von Online-Glücksspielen zu berücksichtigen. Anders als im Fall der BGH-Rechtsprechung zu sittenwidrigen Schneeballsystemen scheint eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB bei Online-Glücksspielen schon deshalb nicht angezeigt, weil den Teilnehmern an Online-Glücksspielen das Verlustrisiko bewusst sein dürfte und die Anbieter den Spielern zugleich tatsächliche Gewinnchancen einräumen, die bei Schneeballsystemen schon naturgemäß nicht gegeben sind. Des Weiteren erscheint es nicht nachvollziehbar, weshalb ein Spieler, der die Augen vor der Rechtslage verschließt und das Risiko von Spielverlusten bewusst in Kauf nimmt, im Nachhinein den Schutz der Rechtsordnung genießen soll.

Zu Recht zweifeln die Landgerichte München I und Duisburg auch den Schutzgesetzcharakter des § 4 Abs. 4 GlüStV an. Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass der GlüStV 2012 u.a. den Schutz der Spieler bezweckt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Individual-, sondern um einen Gemeinwohlzweck, der für die Anwendung des § 823 Abs. 2 BGB gerade nicht ausreicht (so auch Haertlein, Beck-Online Grosskommentar zum BGB, Stand 15. August 2020, § 762 BGB Rn. 146). Ein Verstoß der Anbieter gegen § 284 StGB dürfte zweifelhaft sein, da deutsches Strafrecht auf die überwiegend vom Ausland aus agierenden Online-Glücksspielunternehmen eher nicht anwendbar ist (siehe hierzu Kudlich/Berberich, Abstrakte Gefährdungsdelikte im Internet und die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts, NStZ 2019, S. 633). Unabhängig davon fehlt es an einem kausalen Schaden, da die Spieler ihre Spieleinsätze nicht ohne Gegenleistung hingeben, sondern im Gegenzug von den Anbietern eine Gewinnchance erhalten. Die Tatsache allein, dass der Spieler am Ende nicht gewinnt, stellt keinen Schaden im Sinne der Differenzhypothese dar.

Nicht nur angesichts der hier vorgestellten Rechtsprechung der Landgerichte München I und Duisburg steht zu erwarten, dass das Urteil des Landgerichts Gießen eher eine Einzelfallentscheidung bleiben wird. Denn das Kredo „Spielen, Verlieren, Geld zurück – Spielen, Gewinnen, Geld behalten“ unterminiert die gesamte glücksspielregulative Intention der Spielsuchtprävention. Vor diesem Hintergrund sollten z.B. der Fachverband Glücksspielsucht und pädagogische Beratungsstellen künftig noch transparenter auf die Spielverlustrisken im Lichte der hier vorgestellten Landgerichtsentscheidungen hinweisen, um präventiv spielsuchtgefährdete Personen vor Schadensvertiefungen durch irrige Rechtsvorstellungen und am Ende zu tragende, zusätzliche Zivilprozesskosten zu schützen.

Kontakt:
Prof. Dr. Marc Liesching
Professor für Medienrecht und Medientheorie
Karl-Liebknecht-Str. 132
04277 Leipzig

 

LG München I, Endurteil v. 13.04.2021 – 8 O 16058/20
Titel:

Online-Glückspiel: Kein Anspruch eines Spielers auf Rückerstattung seines Einsatzes gegen den auf Malta ansässigen Betreiber bei Teilnahme an einem Online-Casino.

Normenketten:
AEUV Art. 56
EuGVVO § 17
GlückStV § 4 Abs. 1
BGB § 134, § 762, Abs. 1 S. 2, § 812 Abs. 1 S. 1, § 817 S. 2, § 823 Abs. 2
Leitsätze:
1. Wenn ein Verbraucher deliktische Ansprüche gegen ein in  Malta ansässiges Unternehmen, das von dort über eine Homepage Online-Glücksspiele in deutscher Sprache anbietet, geltend macht, können gem. Art. 17 EuGVVO auch konkurrierende deliktische Ansprüche am Wohnsitz des Verbrauchers geltend gemacht werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 762 Abs. 1 S. 2 BGB steht einem Herausgabeanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB nicht entgegen, weil die Vorschrift einen wirksamen Spielvertrag voraussetzt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nimmt ein Spieler an einem Online-Glücksspiel teil, für das der Anbieter keine Erlaubnis hat, mit der Folge, dass dieses nach § 4 Abs. 4 GlüStV verboten ist und der Vertrag nichtig ist, fällt dem Spieler als Leistendem gleichermaßen ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten zur Last, so dass eine bereicherungsrechtliche Rückforderung ausgeschlossen ist. (Rn. 23 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
4. Selbst wenn man den Ausschlusstatbestand des § 817 S. 2 BGB nicht für gegeben ansehen wollte, so verstößt die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs eines Spielers, der sehenden Auges und aus eigenem Handlungsantrieb heraus am illegalen Online-Glücksspiel teilgenommen und sodann Verluste eingespielt hat, gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und muss jedenfalls vor diesem Hintergrund ausgeschlossen sein. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Online-Glückspiel, Casino, Dienstleistungsfreiheit, Spielvertrag, Glücksspielstaatsvertrag, Nichtigkeit, Rückforderungsausschluss, Bereicherungsrecht
Fundstelle:
BeckRS 2021, 11488

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.128,35 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über einen Rückgewähranspruch im Zusammenhang mit einem Online-Glücksspiel. Bei der Beklagten handelt es sich um ein in Malta ansässiges Unternehmen, welches von dort über die Homepage … Online-Glücksspiele in deutscher Sprache anbietet.
2
Im November 2020 spielte der Kläger über mehrere Tage über … online Glücksspiele und verlor dabei insgesamt 5.128,35 €.
3
Die Beklagte verfügt über keine Erlaubnis im Sinne des § 4 des Glücksspielstaatsvertrags (GIüStV), im Inland Glücksspiel zu betreiben.
4
Mit Anwaltsschriftsatz vom 17.11.2020 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung der Verluste aus dem Glücksspiel bis 27.11.2020 auf. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.
5
Der Kläger begehrt die Rückgewähr seiner Verluste aus dem Online-Glücksspiel nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, hilfsweise § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV mit der Begründung, das zugrundeliegende Rechtsgeschäft mit der Beklagten sei gemäß § 134 BGB nichtig, weil diese in Deutschland keine Erlaubnis zum Veranstalten von Glücksspielen besitze. Damit verstoße die Beklagte gegen das Intemetvertriebsverbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV.
6
Der Kläger trägt vor, das Glücksspiel jeweils in M. getätigt zu haben. Er sei davon ausgegangen, dass das Glücksspiel legal angeboten werde.
7
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 5.128,35 € nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
8
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
9
Aus Sicht der Beklagten seien die streitgegenständlichen Spielverträge wirksam zustande gekommen. Der Kläger habe den Reiz des zufallsabhängigen Verlustes von Einsätzen auch genossen und damit die Beklagte die geschuldete Leistung erbracht. Vor diesem Hintergrund sei dem Kläger schon kein Schaden entstanden.
10
Die Beklagte biete im Übrigen ihre Dienstleistungen auf Grundlage einer Lizenz aus M. und im Schütze des freien Dienstleistungsverkehrs legal an. Deutsche Verbotsgesetze im Glücksspielstaatsvertrag würden von Art. 56 AEUV überlagert und seien unanwendbar.
11
Selbst bei unterstellter Unionsrechtskonformität des Verbots von Online-Glücksspielen, habe der Kläger keinen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dargelegt.
12
Eine Rückerstattung von Spieleinsätzen widerspräche zudem dem in §§ 726, 763 BGB enthaltenen Rechtsgedanken, dass Spielvereinbarungen nicht rückabgewickelt werden können. § 817 Satz 2 BGB schließe im Übrigen die Rückforderung aus, wenn - wie vorliegend - auf beiden Seiten ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz stehe.
13
Zur Ergänzung des Tatbestands wird vollumfänglich auf die Schriftsätze der Parteivertreter sowie das Protokoll der Hauptverhandlung vom 30.03.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
I.
15
Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich für bereicherungsrechtliche als vertragsähnliche Ansprüche aus Art. 17 Abs. 1c EuGVVO. Danach kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz seinen Vertragspartner wegen Streitigkeiten aus einem Vertrag verklagen, wenn der Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt. Nach herrschender Meinung, der sich das Gericht anschließt, können auf Art. 17 EuGVVO, der nur Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen regelt, auch konkurrierende deliktische Ansprüche gestützt werden, wenn die deliktische Schadenshaftung eine so enge Beziehung zu dem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage, 2020, Art. 17 EuGVVO, Rn. 4). Das ist der Fall.
II.
16
Gemäß Art. 6 Abs. 1 b) Rom-I-VO kommt deutsches Recht zur Anwendung.
17
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung seiner Verluste im Rahmen der Leistungskondition, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
18
a) Ein Rückforderungsanspruch des Klägers besteht nicht, wenn § 4 Abs. 4 GlüStV, demgemäß das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten ist, entsprechend dem klägerischen Vortrag wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV, unwirksam ist. Denn in diesem Fall erfolgte die Zahlung des Klägers nicht rechtsgrundlos.
19
Europarecht findet hier Anwendung, da nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine Regelung eines Mitgliedsstaates, die es in anderen Mitgliedstaaten, im vorliegenden Fall M., niedergelassenen Anbietern untersagt, in seinem Hoheitsgebiet Glücksspielangebote über das Internet anzubieten, grundsätzlich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (EuGH, Urteil vom 8.9.2009 - C-42/07).
20
Gegen einen Unionsrechtsverstoß spricht indes die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 28.09.2011 (I ZR 92/09) für den Bereich der Sportwetten. Die durch den GlüStV und seine Ausführungsbestimmungen bewirkte Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 AEUV) diene gemäß den dortigen Feststellungen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses im Sinne des Unionsrechts. Denn die Ziele des GlüStV seien die Suchtbekämpfung, die Begrenzung des Glücksspielangebots und die Lenkung der Wettleidenschaft, der Jugend- und Spielerschutz sowie die Betrugsvorbeugung (§ 1 GlüStV). Das Intemetverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV sei, so der BGH, geeignet, diese Gemeinwohlziele zu fördern und stelle eine kohärente und systematische Beschränkung der Gelegenheit zum Glücksspiel dar.
21
b) Sollte der Glücksspielstaatsvertrag hingegen, wie im vorliegenden Fall dahinstehen kann, europarechtskonform sein und damit das zugrundliegende Rechtsgeschäft zwischen den Parteien gemäß § 134 BGB unwirksam, steht einer Rückforderung § 817 S. 2 BGB entgegen, weil dann den Kläger bei der Leistung seines Einsatzes gleichermaßen ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz trifft.
22
aa) Unstreitig ist der Beklagten der verspielte Einsatz des Klägers in Höhe von 5.128,35 € als geldwerter Vorteil zugeflossen, der ihr wirtschaftliches Vermögen vermehrt hat.
23
bb) Diesen geldwerten Vorteil erlangte die Beklagte auch rechtsgrundlos. Gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 (GlüStV) dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet grundsätzlich verboten. § 4 Abs. 5 GlüStV sieht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit für die Länder vor bestimmte Arten von Glücksspiel im Internet zu erlauben. Unstreitig verfügt die Beklagte nicht über eine entsprechende Erlaubnis.
24
Der hier vorliegende Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV führt zur Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossene Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB (Looschelders in Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil, 4. Auflage, 2021, § 134, Rn. 183; übereinstimmend Vossler in beck-online.Großkommentar, Stand: 01.03.2021, § 134 BGB, Rn. 219). § 4 Abs. 4 GlüStV stellt nach seinem eindeutigen Wortlaut ein Verbotsgesetz im Sinne der Norm dar.
25
Für die Nichtigkeit nach § 134 BGB genügt es im Übrigen, dass der Tatbestand des Verbotsgesetzes objektiv erfüllt ist (Palandt, BGB, 2019, 78. Auflage, § 134, Rn. 12a).
26
cc) § 762 Abs. 1 S. 2 BGB steht einem Herausgabeanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB nicht entgegen, weil die Vorschrift einen wirksamen Spielvertrag voraussetzt (Looschelders, a.a.O., Rn. 184; im Ergebnis ebenso Palandt, a.a.O., § 762, Rn. 9).
27
dd) Jedoch liegen zur Überzeugung des Gerichts die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes des § 817 S. 2 BGB vor, weil die bereicherungsrechtliche Rückforderung nach dem Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen sein soll, wenn dem Leistenden gleichermaßen ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten zur Last fällt. Ersteres ist hier zu bejahen.
28
(1.) Die durch den Kläger verspielte Einlage ist durch die Gutschrift als Vermögensvorteil endgültig in das Vermögen der Beklagten übergegangen.
29
(2.) Durch die Teilnahme am Online-Glücksspiel liegt dem Kläger als Leistendem ebenfalls ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz zur Last, denn der Kläger hat durch seinen Vortrag nicht ausräumen können, in objektiver und subjektiver Hinsicht durch die Teilnahme an einem unerlaubten Glückspiel den Tatbestand des § 285 StGB erfüllt zu haben.
30
Bei … handelt es sich um ein öffentliches Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB, welches - unstreitig - entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV ohne behördliche Erlaubnis öffentlich über das Internet Glücksspiel veranstaltet. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts München in seinem Beschluss vom 28.02.2020 (8 U 5467/19), denen hier gefolgt wird, ist § 284 StGB auf Veranstalter öffentlicher Glücksspiele im Ausland anwendbar, wenn sich das via Internet unterbreitete Angebot gezielt an den deutschen Markt richtet und die Beteiligung am Glücksspiel im Inland ermöglicht, da der Gefährdungserfolg des § 284 StGB im Inland eintritt (§§ 3, 9 StGB). Demzufolge stellt … ein unerlaubtes Glücksspiel im Sinne der Vorschrift dar.
31
Unstreitig nahm der Kläger auf eigene Rechnung am Glücksspiel der Beklagten teil und unterwarf sich damit den vom Zufall abhängigen Gewinn- und Verlustaussichten (Heine/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage, 2019, § 285, Rn. 2).
32
(3.) Zur Überzeugung des Gerichts war sich der Kläger dieses Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz auch bewusst bzw. hat sich der Einsicht in die Gesetzeswidrigkeit seines Handelns leichtfertig verschlossen (BGH, Urteil vom 22.04.1997 - XI ZR 191/96; BGH, Urteil vom 23.02.2005 - VIII ZR 129/04). Denn zum einen ist aus Funk- und Fernsehen allgemein bekannt, dass Online-Glücksspiel in Deutschland mit Ausnahme von Schleswig-Holstein verboten ist. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des Gerichts lebensfremd anzunehmen, dass der gewinnspielerfahrene Kläger dies nicht gewusst haben will. Zum anderen ist der Kläger, soweit er ohne Beweisangebot vorträgt, in der Annahme gehandelt zu haben, das von der Beklagten angebotene Glücksspiel sei legal, beweisfällig geblieben. Denn die Beklagte hat den Vortrag des Klägers bestritten.
33
(4.) Ein Rückforderungsausschlusses gemäß § 817 S. 2 BGB verbietet sich nicht deshalb, weil die hier in Rede stehende Sanktion dem Schutz des Leistenden dient und der Schutzzweck der Nichtigkeitssanktion gegen eine Kondiktionssperre spricht.
34
Nach § 817 S. 2 BGB darf dem Leistenden grundsätzlich nicht genommen werden, was er dem anderen auch nach den Modalitäten des gesetzeswidrigen Geschäfts nie zuwenden wollte und worauf sich die rechtliche Missbilligung gar nicht beziehen kann (Wendehorst, BeckOK, BGB, Hau/Poseck, 57. Edition, Stand: 01.02.2021, Rn. 21). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, denn der Kläger hat bewusst Geld zum Glücksspiel eingesetzt, um dieses zufallsabhängig zu vermehren oder zu reduzieren. Auch wenn es sich um ein erlaubtes Glücksspiel gehandelt hätte, hätte gleichermaßen die Möglichkeit bestanden, dass der Kläger einen entsprechenden endgültigen Verlust erleidet.
35
Die hier in Rede stehende Teilnahme an einem Online-Glücksspiel ist letztlich auch nicht vergleichbar mit der Einzahlung von Beiträgen in ein Schneeballsystem, bei der der BGH eine schutzzweckorientierte Einschränkung des § 817 S. 2 BGB deshalb bejaht hat, weil er sich - im Unterschied zum vorliegenden Fall - nicht davon überzeugen konnte, dass dem Spieler der Sittenverstoß bewusst war bzw. der Spieler sich dem Verstoß leichtfertig verschlossen hätte (BGH, Urteil vom 22.04.1997 - XI ZR 191/96).
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dd) Selbst wenn man den Ausschlusstatbestand des § 817 S. 2 BGB nicht für gegeben ansehen wollte, so verstößt die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs eines Spielers, der sehenden Auges und aus eigenem Handlungsantrieb heraus am illegalen Online-Glücksspiel teilgenommen und sodann Verluste eingespielt hat, gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und muss jedenfalls vor diesem Hintergrund ausgeschlossen sein.
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ee) Ein bereicherungsrechtlicher Rückerstattungsanspruch muss daher ausscheiden.
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2. Dem Kläger kommt gegen die Beklagte auch kein deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV bzw. § 284 StGB zu.
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a) Das Gericht hat bereits Zweifel an der Eigenschaft der Normen als Schutzgesetze zu Gunsten des Klägers.
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Voraussetzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist, dass die Norm den Schutz eines anderen bezweckt (Palandt, a.a.O., § 823 BGB, Rn. 58). Die Vorschrift soll zumindest auch dazu dienen, den Einzelnen oder einen einzelnen Personenkreis gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Dass die Norm daneben oder sogar in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge hat, schadet nicht (BGH, Urteil vom 18.11.2003 - VI ZR 385/02). Der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen soll allerdings nicht ausgeufert werden. Deshalb reicht es nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen.
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Der Wortlaut beider Normen lässt nicht auf einen Individualrechtsschutz schließen, ebenso wenig die Stellung des § 284 StGB innerhalb des StGB, der dem Abschnitt des „strafbaren Eigennutzes“ zugeordnet ist.
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Weiterhin ist aus Sicht des Gerichts in die Bewertung einzustellen, dass sich der Spieler der an einem Online-Glücksspiel teilnimmt, selbst nach § 285 StGB strafbar macht, woraus sich der gesetzgeberische Wille einer geringeren Schutzwürdigkeit des Spielers, der gleichermaßen gegen eine Verbotsnorm verstößt, ergeben könnte.
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Demgegenüber ist mit der Pönalisierung des unerlaubten Glücksspiels in § 284 StGB nach der herrschenden Meinung die angebotsbegrenzende staatliche Kanalisierung der Spielsucht der Bevölkerung bezweckt worden, wobei der Schutz des Einzelnen vor manipulativer Ausbeutung ebenfalls nicht außer Acht zulassen ist (Heine/Hecker, a.a.O., § 284, Rn. 5).
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Es bleibt daher anzuzweifeln, ob § 4 Abs. 4 GlüStV bzw. § 284 StGB den Schutz des Vermögens des Spielers bezwecken oder vielmehr ausschließlich dessen Spielsucht vorzubeugen bzw. zu bekämpfen beabsichtigen.
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b) Letztlich kann der Schutzgesetzcharakter hier jedoch dahinstehen, da es jedenfalls am Nachweis eines auf einem haftungsbegründenden Ereignis beruhenden, kausalen Schaden fehlt. Die Darlegungs- und Beweislast oblag dem Kläger als einem für diesen günstigen, anspruchsbegründenden Umstand. Die Beklagte hat den Eintritt eines Schadens beim Kläger bestritten.
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Grundsätzlich ist im Rahmen einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB der Differenzschaden in Form des negativen Interesses zu ersetzen (Palandt, a.a.O. § 823, Rn. 24; § 249, Rn. 17). Der Gläubiger ist mithin so zu stellen, wie er stünde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hätte. Das Gericht hat oben bereits dargelegt, dass der Kläger nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hat.
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Vielmehr steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger jeweils unabhängig vom Vorliegen einer behördlichen Erlaubnis zur Befriedigung seiner Spielsucht am Glücksspiel der Beklagten teilnahm. Der Kläger gab den Einsatz auch freiwillig hin, ohne durch die Beklagte getäuscht worden zu sein.
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c) Sollte es sich bei § 4 Abs. 4 GlüStV bzw. § 284 StGB um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handeln, wie oben unter a) offengelassen, hätte sich in dem Schadensereignis schließlich auch nicht gerade diejenige Gefahr verwirklicht, der entgegenzuwirken das Schutzgesetz bestimmt ist (Wagner in MüKo zum BGB, 8. Auflage, 2020, § 823, Rn. 620). Denn die beiden Vorschriften bezwecken nicht allein, den Spieler vor Verlusten beim Glücksspiel zu bewahren, sondern der Spielsucht insgesamt zu begegnen. Deshalb unterliegt dem Verbot auch ein Glücksspiel, bei dem der Spieler (vorübergehend) Gewinne erzielt und auf diese Weise Anreiz für neue Einsätze bietet.
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Auch insoweit ist es dem Kläger nicht gelungen, die Kausalität zwischen der Verletzung eines Schutzgesetzes durch die Beklagte und einer von ihm erlittenen Vermögenseinbuße darzulegen und unter Beweis zu stellen.
50
3. Nach alledem war die Klage insgesamt abzuweisen.
III.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.
IV.
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Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach Maßgabe der §§ 3, 4 ZPO.