Was nun? VG Darmstadt und die Folgen – Ein nachösterliches Plädoyer für eine schnelle Sportwettregulierung
Rechtsanwalt Dr. Ronald Reichert
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Sozietät Redeker Sellner Dahs
Willy-Brandt-Allee 11
D - 53113 Bonn
Warum der Beschluss des VG Darmstadt wenig überrascht
Der Schock des VG Darmstadt-Beschlusses sitzt vielen in den Knochen.
Die verbreitete Überraschung ist dabei deutlich größer, als sie sein müsste. Inhaltlich war vieles, was das VG Darmstadt entschieden hat, vorhersehbar. Denn dass das Verfahren transparent und diskriminierungsfrei gestaltet sein muss, steht schon im Gesetz (§ 4 b Abs. 1 GlüStV). Europarechtlich ist es eine Binsenweisheit, welche die Länder nach dem EuGH-Urteil Carmen-Media und Markus Stoß vorsorglich zusätzlich in den Staatsvertrag integriert haben. Und dass diesem Erfordernis nicht entsprochen wird, wenn die Teilnehmer des früheren Konzessionsverfahrens bereits ein halbes Jahr früher als der Rest des Marktes über die Inhalte des Verfahrens unterrichtet werden, dürfte auf der Hand liegen. Dass die Länder diesen Weg überhaupt beschritten haben, war nicht glücklich und dürfte dem politischen Zeitdruck geschuldet sein, der seinerzeit auf dem Verfahren lastete.
Über eine Stichtagslösung hätte man dies heilen können. Das scheint nicht gewollt gewesen zu sein. Das rächt sich jetzt. Denn die Aussagen des Verwaltungsgerichts zur Rolle des Glücksspielkollegiums dürften den Beschluss für die Länder schwer verdaulich machen. Auch sie sind freilich wenig überraschend. Schließlich macht sich das VG Darmstadt mit den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rolle des Glückspielkollegiums im Verfahren nur zu eigen, was das VG Wiesbaden 2014 (B.v. 5.5.2015 – 5 L 1453/14.WI) und später der Hessische Verwaltungsgerichtshof 2015 (B.v. 16.10.2015 – 8 B 1028/15) schon entschieden haben. Und beide beschritten hier keinen hessischen Sonderweg, sondern folgten nur der Mehrheitsmeinung der Staatsrechtslehrer. Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat diese verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rolle des Glücksspielkollegiums für die Werberegulierung bestätigt, und nur im Übrigen nicht geteilt (Entscheidung v. 25.9.2015).
Warum der Beschluss des VG Darmstadt brisant ist
Die Brisanz der Wiederbelebung dieser Bedenken liegt in ihrer Aktualität und Tragweite. Sie rückt wieder ins Bewusstsein, was manchen vielleicht als behoben galt. Denn jedenfalls bis Ende 2022 bleibt die problematische Rolle des Glücksspielkollegiums auch in der künftigen Regulierung des GlüNeuRStV erhalten (§ 27p Abs.6). Erst danach tritt die künftige Anstalt öffentlichen Rechts endgültig an die Stelle des Glückspielkollegiums. Ob es mit ihrer Einrichtung den Länder tatsächlich gelingt, die verfassungsrechtlichen Bedenken der demokratischen Legitimation und zwischenstaatlichen Verwaltung auszuräumen, werden die Gerichte dann zu klären haben. Einstweilen besteht das Problem aber fort.
Dies zwingt die Länder bis auf weiteres in die Einstimmigkeit.
Brisant und überraschend ist der Beschluss dabei besonders deshalb, als er in diesem Zusammenhang – völlig zurecht – auch die Transparenz der Entscheidungsfindung im Glücksspielkollegium zum Thema macht. Denn die diesbezüglichen Bedenken sind nachvollziehbar und drängen sich auf. Das Verhältnis der Verantwortung zwischen verfahrensführender Behörde und Glückspielkollegium ist gesetzlich und gerichtlich ungeklärt. Die Aufsicht liegt nach dem Gesetz bei der von § 9a Abs. 1-3 GlüStV benannten Aufsichtsbehörde. „Zur Erfüllung“ ihrer Aufgaben besteht das Glückspielkollegium (Abs.5 Satz 1). Es „dient“ „zur Umsetzung“ dieser Aufsichtsaufgabe (Abs. 5 Satz 2). Das klingt nach einer bloß dienenden Funktion, bei der die Glückspielaufsichtsbehörde entscheidet, wann sie das Glücksspielkollegium einschaltet. Andererseits bindet das Glückspielkollegium mit seinen Entscheidungen aber die Behörde, soweit es Beschlüsse fasst (Abs. 8 Satz 1). Das wiederum klingt nach einem Subordinationsverhältnis. Für die Frage, mit welchen Entscheidungen der Behörde sich das Glückspielkollegium befassen will oder soll, trifft das Gesetz keine Regelung.
Damit ist für Rechtsanwender und die Adressaten völlig offen, welche Entscheidungen nun die Glückspielaufsichtsbehörde verantwortet und welche das Glücksspielkollegium.
Ungeachtet dieser Regelungslücke haben Beschlussfassung und Entscheidungsvorbereitung des Glückspielkollegiums aber bislang keinerlei Publizität. So kann es dann geschehen, dass eine Entscheidung des Glückspielkollegiums von einer Behörde als angeblich allgemein gültig bekannt gegeben wird, die gar keine Zuständigkeit hierfür hat, während die hierfür zuständige Behörde zuvor eine andere Entscheidung kommuniziert hatte und über die neue nichts berichtet, ja von dieser noch nicht einmal weiß. Oder es wird über eine vom Glückspielkollegium getroffene Entscheidung von Landesbehörden mitgeteilt, dass diese ihr unbekannt seien oder dass sie für sie nicht verbindlich sei. All dies ist keine Theorie. Es beschreibt Erfahrungen des Unterzeichners aus den letzten Jahren.
Ebenso problematisch und ungeklärt ist der Umgang mit dem Anhörungsrecht der Betroffenen. Denn die Anhörung findet vor der Glücksspielaufsichtsbehörde statt. Es ist aber nicht gesichert, was dort geäußert wird, zur Kenntnis des Gremiums gelangt und für dessen Beschlussfassung eine Rolle spielt. Hat dieses aber einmal entschieden, vermag eine spätere Anhörung des Betroffenen kein rechtliches Gehör derjenigen mehr zu gewährleisten, welche die Entscheidung treffen, weil diejenigen, die den Beschluss gefasst haben, die Stellungnahme des Betroffenen gar nicht zur Kenntnis nehmen konnten.
Die Transparenz der Entscheidungsfindung dürfte in dem Beschluss daher völlig zu recht angesprochen werden.
Warum der Beschluss misslich ist für die Regulierungswilligen
Das alles mag diejenigen aufatmen und frohlocken lassen, die insgeheim gehofft haben, die Regulierung werde auf den letzten Metern vielleicht doch noch scheitern. Für diejenigen hingegen, die es ernst meinen mit den Zielen des Staatsvertrages und dem Anliegen einer Regulierung des Glücksspielmarktes, wirkt die Entscheidung wie ein Schlag ins Gesicht oder wie der Stolperstein des Langstreckenläufers auf der Zielgeraden. Sie ist nicht nur für das Glückspielkollegium blamabel, das den Prozess verantwortet, und wirkt wie ein deja vu des Wechsels von Siegesgewissheit und Niederlage, das die letzten zwanzig Jahre im Bereich der Sportwette kennzeichnet. Sie ist geradezu ein Gau für die regulierungswilligen Teile des Marktes, die sich vor ihren Anteilseignern rechtfertigen müssen. Das Wechselbad der Gefühle ist hier ganz beiderseits.
Aber selbst für den fragilen Anlauf der Länder in die künftige Regulierung des GlüNeuRStV ist das Ganze nicht ungefährlich. Sollte sich im Beschwerdeverfahren herausstellen, dass Sportwettkonzessionen bis Ende 2022 vom Glückspielkollegium gar nicht mehr ausgegeben werden können, klafft eine riesige regulatorische Regelungslücke im künftigen Staatsvertrag. Diese wird man nicht einfach ignorieren können. Es müsste dann an den GlüNeuRStV erneut Hand angelegt werden.
Irrwege und Auswege
Vor diesem Hintergrund lohnt die Frage nach einem leiseren Ausweg aus der Krise. Derzeit suchen die Länder die Lösung noch im Beschwerdewege beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Doch das birgt erhebliche Risiken, die bedacht werden sollten, – zeitlich wie inhaltlich.
Zeitlich besteht die Gefahr, dass eine Entscheidung im Beschwerdeverfahren so spät getroffen wird, dass sie im Ratifizierungsprozess des künftigen Rechts nicht berücksichtigt werden kann und / oder die Konzessionsausgabe in die künftige Regulierung hineinträgt.
Und inhaltlich können die Länder kaum darauf hoffen, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof von seinem Standpunkt zur Verfassungswidrigkeit der Bindungswirkung von Entscheidungen des Glücksspielkollegiums abrückt. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass er es als diskriminierungsfrei beurteilt, wenn im Konzessionsverfahren all diejenigen, die nach 2012 den Zugang auf dem deutschen Sportwettmarkt gesucht haben, ein halbes Jahr früher über Verfahrensinhalte unterrichtet werden als der Rest. Zu erwarten ist auch nicht, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof den gleichzeitigen Marktzugang, den er in Beschlüssen der Vergangenheit hochgehalten hat, nun plötzlich für belanglos hält.
Die einzige wirkliche Hoffnung im Beschwerdeverfahrens dürfte deshalb darin bestehen, dass der VGH den Eilantrag als unzulässig ansieht, weil der Antragsteller sich am Verfahren nicht beteiligt hat.
Dieser prozessuale Ausgang wäre aber zweischneidig. Er kann sich als Bumerang erweisen. Denn wer will sicher sein ob nicht ein weiterer eher unbekannter Bewerber aus der Versenkung auftaucht, der einen Konzessionsantrag einreicht oder eingereicht hat und das Verfahren in einem erneuten Anlauf zu stoppen versucht. Die Auseinandersetzung um die Konzessionserteilung würde sich dann entweder nur noch mehr verlängern oder es drohen eben jene Aussagen des VGH, die eine Konzessionsausgabe dauerhaft verhindern und den ungeregelten Markt durch den Rest der Laufzeit des Glücksspielstaatsvertrages und weit hinein in die Zeit des GlüNeuRStV hineintragen, so wie das zuvor das Konzessionsverfahren des 1.GlüÄndStV über viele Jahre hinweg getan hat.
Das alles sind Überlegungen, die erwogen werden sollten. Der Begriff alternativlos ist allzu schnell bei der Hand und ein gern geübtes Mittel, um den Blick auf Alternativen zu verstellen. Jedenfalls dann, wenn die Glücksspielreferenten der Bundesländer an einem baldigen Eintritt eines regulierten Zustands auf dem deutschen Sportwettmarkt interessiert sind, sollte man daher ernsthaft der Frage nachgehen, ob es nicht klüger wäre, die Beschwerde zurückzunehmen und genau das zu tun, was das Verwaltungsgericht den Ländern aufgegeben hat, nämlich die Mängel der Transparenz und Diskriminierungsfreiheit kurzfristig zu reparieren. Das gilt jedenfalls dann, wenn auf diese Weise ein nachhaltig regulierter Sportwettmarkt in greifbarer Zukunft möglich würde. Wenn sich auf diese Weise Recht und Ordnung schaffen ließe, könnte du dürfte dies für die Ziele des Staatsvertrages bedeutsamer sein, als noch einmal klären zu können, wer Recht hatte.
Heilung des Verfahrens als Option
Was also wäre zu tun, wenn man dem Verwaltungsgericht Darmstadt anstelle der Beschwerde einfach folgen würde und welche Konsequenzen hätte dies für den weiteren Prozess im Konzessionsverfahren? Sollte eine Konzessionsausgabe dann vielleicht noch eher möglich und ein endgültiger Stopp der Konzessionausgabe sich vermeiden lassen ? Die Frage, ob dieser Weg eine realistische regulatorische Alternative eröffnet, soll nachstehend untersucht werden.
Auffällig ist zunächst, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren nicht schlechthin gestoppt hat. Es hat dem Regierungspräsidium Darmstadt nur aufgegeben, Konzessionen erst dann auszugeben, wenn ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren „nachgeholt“ wurde.
Das Verwaltungsgericht unterstellt damit, dass eine Heilung möglich ist. Es verlangt nicht, dass die Bewerbungen, die schon eingereicht wurden, neu eingereicht werden müssen. Das scheint für die Kammer vielmehr nur eine Frage der Gestaltung dieses Prozesses.
Tatsächlich wäre dem Mangel der Diskriminierung, den das Verwaltungsgericht festgestellt hat, abgeholfen, wenn eine gleichzeitige Ausgabe von Konzessionen gewährleistet wäre. Hierfür genügt es die Ausgabe an die vorhandenen Bewerber zurückzustellen und nachkommenden Konzessionsbewerbern Gelegenheit zu geben, ihre Bewerbung nachzuholen.
Mittels Bekanntmachung könnte zu diesem Zweck im Amtsblatt der EU eine Frist zur Einreichung ihres Konzessionsantrages mit der Aufforderung zur Bewerbung gesetzt werden, die es erlaubt, alle Unterlagen bescheidungsfähig zusammenzustellen.
Ob es hierfür einer Frist von fünf Monaten bedarf, wie die Antragstellerin in dem Verfahren des VG Darmstadt geltend gemacht hat, darf bezweifelt werden. Vieles spricht dafür, dass eine Frist genügt, die es erlaubt, die Antragsunterlagen zu erstellen. Drei Monate sollten dafür ausreichend. Zwar hatten die Teilnehmer der Informationsveranstaltung vom Juli vergangenen Jahres einen längeren Vorlauf . Sie waren aber nicht zur sofortigen Bewerbung aufgefordert, mussten jederzeit mit Änderungen rechnen und es wurde ihnen eine Bearbeitung erst ab Januar in Aussicht gestellt. Sie hatten überdies erst Veranlassung, die Vorbereitung der Einreichung des Konzessionsantrags mit Nachdruck zu betreiben, als sich abzeichnete, dass der Dritte Glücksspielstaatsvertrag auch zustande kommen würde. Er hätte wie der Zweite auf den letzten Metern scheitern können. Davon konnte man frühestens im Oktober ausgehen, wenn nicht sogar erst im Dezember nach der letzten Ratifizierung. Von daher wundert es auch nicht, dass viele Bewerber erst im Februar eingereicht haben, obwohl sie an der Informationsveranstaltung teilnahmen.
Aber selbst wenn man jegliches Risiko ausschließen wollte und auf fünf Monate einließe, hielte sich die Verzögerung in Grenzen. Von einer Neubekanntmachung am 1. Mai ausgehend, wäre der Fristablauf auf den 1. Oktober vorzusehen. Die Ausgabe von Sportwettkonzessionen wäre dann jedenfalls im November gewährleistet. Dass überhaupt noch viele Bewerbungen überhaupt eingereicht werden, ist unwahrscheinlich. Und sollte von dem Angebot keiner Gebrauch machen, was sich nicht ausschließen lässt, könnte die Konzessionsausgabe schon sehr viel früher erfolgen.
Die Verzögerung für den Eintritt eines regulierten Marktes beliefe sich damit auf deutlich weniger als drei Monate. Und der verbliebene Konzessionszeitraum läge im Falle des Inkrafttretens des künftigen Staatsvertrags dann immer noch auf volle zwei Jahre.
Zur künftigen Rolle des Glücksspielkollegiums
Mit der Neubekanntmachung wären zugleich Transparenzbedenken des Verwaltungsgerichts ausgeräumt, wenngleich nicht insgesamt erschöpft. Eine Antwort müssten die Länder nämlich auch auf die Bedenken hinsichtlich der Rolle des Glücksspielkollegiums finden. Das betrifft vor allem die Bindungswirkung. Sie haben sich hier in der Vergangenheit schon nicht ungeschickt damit beholfen, Entscheidungen einstimmig oder mit Enthaltungen anstatt mit Gegenstimmen zu treffen und vor allem nicht gegen die Stimmung des Landes, das die verfahrensführende Behörde innehat.
Diese Handhabung ließe sich auch für das Sportwettkonzessionsverfahren anwenden. Im Falle streitiger Entscheidungen würde die unterlegene Minderheit durch Stimmenthaltung einlenken. Beispiele hierfür gibt es aus dem Bereich der gewerblichen Spielvermittlung und der Lotterieveranstaltungsgenehmigungen. Sowohl das Entscheidungsquorum im Glücksspielkollegium als auch die Bindungswirkung der Entscheidung für die verfahrensführende Behörde würden dann keine verfassungsrechtlichen Probleme mehr aufwerfen, die bei der konkreten Entscheidung durchschlagen.
Den Beanstandungen des transparenten Entscheidungsprozesses innerhalb des Glücksspielkollegiums trägt die Geschäftsordnung bereits großenteils Rechnung, die das Glücksspielkollegium sich vor langer Zeit gegeben hat. Zum Teil kann ihnen noch Rechnung getragen werden, wenn man dies will. Beanstandungen durch einzelne Bundesländer müssten vorab mitgeteilt und mit einer Vorlage für die übrigen Bundesländer überprüfbar gestaltet werden. Soweit Gegenstand der Erörterung ein Erlaubnisantrag oder ein Vorgehen gegenüber Glückspielanbietern ist, müsste diesen Gelegenheit zur Stellungnahme gegenüber dem Glückspielkollegium in einer Weise gegeben werden, die das Recht auf rechtliches Gehör gewährleistet (s.o.).
Hier werden sich die Geister scheiden. Viele werden dies als rechtsstaatliche Selbstverständlichkeiten des Verfahrens ansehen. Manchem wird solche Transparenz hingegen nicht schmecken Da es dahin aber ohnehin kommen wird – spätestens wenn die Anstalt eingerichtet ist, bedarf es hier klarer Vorgaben, soweit sie im GlüNeuRStV nicht schon enthalten sind – sollte dies aber insgesamt hinnehmbar sein.
Fortführung des Verfahrens im Vergleich
Die Ausgabe von Sportwettkonzessionen wäre im Falle eines Einlenkens der Länder durch Rücknahme der Beschwerde wie aufgezeigt binnen weniger Monate möglich, – ohne dass alle diejenigen, die Konzessionsunterlagen eingereicht haben, diese wieder neu einreichen müssten. Die Zwischenzeit könnte genutzt werden, um alle eingereichten Bewerbungen beschlussreif vorzubereiten und Beschlüsse über die jeweiligen Konzessionsanträge bereits zu treffen. Nur die Ausgabe würde einheitlich erfolgen.
Auf dem bislang eingeschlagenen Weg der Beschwerde droht dagegen viel schlimmeres. Im Beschwerdeverfahren ist eine Entscheidung bestenfalls im Juli möglich, ohne rechtliches Gehör ungebührlich einzuschränken (Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist 3.Mai; Erwiderungsfrist Anfang Juni; Replik Mitte / Ende Juni). Der VGH kann aber je nach Verlauf des Verfahrens ebenso gut erst nächstes Jahr entscheiden. Wenn man die Belastung des Senates mit ausländerrechtlichen Verfahren berücksichtigt und die Laufzeiten früherer Beschwerdeverfahren zur Sportwette betrachtet, ist dies auch keineswegs ausgeschlossen.
Und der Ausgang ist ungewiss. Lehnt der VGH den Antrag als unzulässig ab, weil die Antragstellerin keine Konzessionsbewerbung abgegeben hat, droht die Gefahr einer Neuauflage. Dazu kann schon ein Nachahmereffekt auf Nachzügler im Konzessionsverfahren führen oder ein Antrag der Antragstellerin, die eine Konzessionsbewerbung aus dem Hut zaubert, wenn sie diese nicht schon vorbereitet. Und schon könnte die Konzessionsausgabe erneut gestoppt werden. Konzessionen würden dann vielleicht erst in der künftigen Regulierung nach Juli 2021 ausgegeben werden.
Und befasst der VGH sich mit der Sache und entscheidet materiellrechtlich, droht noch schlimmeres. Denn es ist alles andere als fernliegend, dass er die Konzessionsausgabe schlechthin verwirft, wie er das früher getan hat. Er hat keine Veranlassung, von seinen damaligen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bindungswirkung von Entscheidungen des Glückspielkollegiums abzurücken. Die Aufhebung der Deckelung macht diese nicht einfach unbeachtlich. Darauf zu vertrauen, wäre russisches Roulette: Ein entsprechender Beschluss könnte der Schuss sein, der dem ganzen Verfahren den Garaus macht, und dann auf Jahre.
Die Folgen dessen könnten auch für den künftigen Staatsvertrag fatal sein. Der regulierte Sportwettmarkt wäre bis mindestens 2023 torpediert, – vorausgesetzt die Anstalt öffentlichen Rechts ist bis dahin errichtet.
Aber selbst wenn der VGH sich damit begnügt, die vom VG Darmstadt festgestellte Diskriminierung zu bestätigen, wäre nichts gewonnen, sondern mindestens ein weiteres halbes Jahr verloren. Und die Wahrscheinlichkeit, dass der VGH zumindest diese Diskriminierung für einen Marktteilnehmer bestätigt, die erst durch die Neubekanntmachung vom 31.12.2019 vom Verfahren erfahren haben, wird man ebenfalls als hoch einstufen können.
Lenken die Länder dagegen jetzt ein, ließe sich dies alles noch vermeiden. Denn wenn gewährleistet ist, dass alle zugleich Konzessionen erhalten, wie der VG Darmstadt-Beschluss dies verlangt, dürfte niemand noch ein Recht geltend machen können, diese nicht auszugeben.
Der Beschluss des VG Darmstadt könnte deshalb doch eines bewirken: ein heilsames Aufwachen. Er kann recht verstanden immer noch in einen regulierten Sportwettmarkt und ein transparentes Verfahren bei denen führen, die entscheiden. Er führt falsch verstanden in ein Desaster, das den Grundkonsens des Glückspielneuregulierungsstaatsvertrages berührt. Denn man wird den Ministerpräsidenten kaum unterstellen wollen, dass sie einen Staatsvertrag unterschreiben wollten, der den unregulierten Sportwett- und Onlineglückspielmarkt noch auf weitere Jahre perpetuiert, bis eine Anstalt öffentlichen Rechts endlich eingerichtet ist. Schließlich kann das – schaut man auf frühere Erfahrungen der Länder mit einer solchen Anstalt – auch noch deutlich länger als drei Jahre dauern.
Vor diesem Hintergrund gäbe es durchaus gute Gründe, sich zu fragen, ob es nicht viel wichtiger ist sicherzustellen, dass mit der Ausgabe von Konzessionen im Bereich der Sportwette endlich Recht vollzogen wird, anstatt mit der Beschwerde zu versuchen, recht zu haben.
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