Der Vertrag von Lissabon und die
Grundrechtecharta der Europäischen Union
Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die Grundrechtecharta der Europäischen Union, rechtskräftig (Art. 6 Abs. 1 EU-Vertrag) und bindet die Europäische
Union sowie alle Mitgliedstaaten bei der Durchführung von europäischem Recht.
Ein gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßendes nationales Recht darf im Grundsatz ex tunc nicht mehr angewendet werden. Nach Art. 4 Abs, 3 S. 3 EUV
sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das Unionsrecht, inbegriffen die Grundfreiheiten (Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV) und die Grundrechtecharta (Berufsfreiheit, die unternehmerische Freiheit und das Grundrecht auf
Eigentum, Art. 15, 16 und 17), zu wahren und bei der Auslegung des nationalen Rechts zu achten.
Die Reichweite der Grundfreiheiten ist unionsweit einheitlich zu bestimmen.
Folglich ergeben sich ihre Schranken nach Maßgabe der Unionsgrundrechte (vgl. Art. 52 GRCh) und nicht der unterschiedlich ausgestalteten nationalen
Grundrechte.
(vgl. Kokott/Sobotta Yearbook of European Law, Bd. 34, 2015, S. 60 ff)
Das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 2735/14) hat am 15.12.2015 entschieden, dass die Mitgliedstaaten, soweit diese Unionsrecht durchführen (vgl. Rn. 73), an die Gewährleistungen der Charta der Grundrechte gebunden sind (vgl. Art. 51 Abs. 1 GRCh) und die Unionsgrundrechte (vgl. Rn. 92) zu beachten haben. (vgl. Art. 51 Abs. 1 GRCh; EuGH, Urteil vom 12. November 1969, Stauder, 29/69, Slg. 1969, S. 419, Rn. 7; Urteil vom 13. Juli 1989, Wachauf, 5/88, Slg. 1989, S. 2609, Rn. 19; Urteil vom 16. Juni 2005, Pupino, C-105/03, Slg. 2005, I-5285, Rn. 58 f.). Unter der Rn. 38 wurde auf die in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Ermächtigung, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, hingewiesen und betont, der Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt grundsätzlich auch mit Blick auf entgegenstehendes nationales Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 129, 78 <100>). Auf das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Mai 1986, Johnston, C-222/84, Slg. 1986, S. 1651, Rn. 19; Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl EU Nr. C 303 vom 14. Dezember 2007, S. 17 <29>) wird unter der Rn 97 hingewiesen.29>100>
(vgl. Kokott/Sobotta Yearbook of European Law, Bd. 34, 2015, S. 60 ff)
Das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 2735/14) hat am 15.12.2015 entschieden, dass die Mitgliedstaaten, soweit diese Unionsrecht durchführen (vgl. Rn. 73), an die Gewährleistungen der Charta der Grundrechte gebunden sind (vgl. Art. 51 Abs. 1 GRCh) und die Unionsgrundrechte (vgl. Rn. 92) zu beachten haben. (vgl. Art. 51 Abs. 1 GRCh; EuGH, Urteil vom 12. November 1969, Stauder, 29/69, Slg. 1969, S. 419, Rn. 7; Urteil vom 13. Juli 1989, Wachauf, 5/88, Slg. 1989, S. 2609, Rn. 19; Urteil vom 16. Juni 2005, Pupino, C-105/03, Slg. 2005, I-5285, Rn. 58 f.). Unter der Rn. 38 wurde auf die in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Ermächtigung, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, hingewiesen und betont, der Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt grundsätzlich auch mit Blick auf entgegenstehendes nationales Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 129, 78 <100>). Auf das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Mai 1986, Johnston, C-222/84, Slg. 1986, S. 1651, Rn. 19; Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl EU Nr. C 303 vom 14. Dezember 2007, S. 17 <29>) wird unter der Rn 97 hingewiesen.29>100>
Mit dem Urteil vom 11.04.2019 (XI R 4/17) bestätigt der Bundesfinanzhof den Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht
Rn. 18: c) Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom
Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2014, 736, Rz 22; in BFHE 257, 154, Rz 29; jeweils m.w.N.). Es stellt eine unionsrechtliche, unabhängig von der Beurteilung
nach nationalem Recht zu entscheidende Frage dar, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt (vgl. EuGH-Urteil Meo - Serviços de Comunicações e Multimédia, EU:C:2018:942,
UR 2018, 944, Rz 68; BFH-Urteile in BFHE 257, 154, Rz 29; jeweils m.w.N.; in UR 2019, 413, Rz 18).
Potentielle Grundrechtseingriffe durch Steuergesetze
Steuergesetze können den Schutzbereich der Grundrechte auf Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit berühren. Das juristische Prinzip der Neutralität hat primärrechtlichen Rang, soweit es Ausprägung des Gleichheitssatzes ist.
Falls der Unternehmer aufgrund der Missachtung des Neutralitätsgrundsatzes vom Steuereinsammler zum Steuerträger wird, berührt dieser Substanzeingriff dann auch das Grundrecht auf Eigentum (Art. 17 GRCh), die Berufsfreiheit
(Art. 15 GRCh) und die unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRCh).
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
Titel
II - Freiheiten (Art. 6 - 19)
Art. 15
Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten
(1) Jede Person hat das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben.
(2) Alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die Freiheit, in jedem Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, zu arbeiten, sich niederzulassen oder Dienstleistungen
zu erbringen.
(3) Die Staatsangehörigen dritter Länder, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten arbeiten dürfen, haben Anspruch auf Arbeitsbedingungen, die denen
der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger entsprechen.
Art. 16
Unternehmerische Freiheit
Die unternehmerische Freiheit wird nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt.
Art. 17
Eigentumsrecht
(1) Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf
sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für
den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.
(2) Geistiges Eigentum wird geschützt.
Titel VI
- Justizielle Rechte (Art. 47 - 50)
Art. 47
Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht
Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen
bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.
Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und
innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.
Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.
Quelle: https://dejure.org/gesetze/GRCh
mehr:
„Verletzung von Menschenrechten“
EuGH zur Reichweite der EU-Grundrechte-Charta
Grundrechte und Grundfreiheiten
Anspruch auf rechtliches Gehör - Amtsermittlungsgrundsatz