Montag, 30. Oktober 2017

EuGH: Farrell (C-413/15) v. 10.10.2017 zur Möglichkeit, sich gegenüber einem Staat auf eine Richtlinie zu berufen


URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)


10. Oktober 2017(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Richtlinie 90/232/EWG – Art. 1 – Haftung im Fall von Personenschäden bei allen Fahrzeuginsassen mit Ausnahme des Fahrers – Pflichtversicherung – Unmittelbare Wirkung – Richtlinie 84/5/EWG – Art. 1 Abs. 4 – Stelle, die für den Ersatz von Sach- oder Personenschäden zuständig ist, die durch ein nicht ermitteltes oder nicht versichertes Fahrzeug verursacht werden – Möglichkeit, sich gegenüber einem Staat auf eine Richtlinie zu berufen – Voraussetzungen, unter denen eine privatrechtliche Stelle als eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung angesehen werden kann und ihr die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können“

In der Rechtssache C‑413/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 12. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juli 2015, in dem Verfahren

Elaine Farrell

gegen

Alan Whitty,

Minister for the Environment,

Ireland,

Attorney General,

Motor Insurers Bureau of Ireland (MIBI)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, A. Rosas und J. Malenovský, der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet (Berichterstatter) und D. Šváby, der Richterinnen M. Berger, A. Prechal und K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos und M. Vilaras,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: T. Millett, Hilfskanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Minister for the Environment, von Ireland und des Attorney General, vertreten durch E. Creedon und S. Purcell als Bevollmächtigte im Beistand von J. Connolly, SC, und C. Toland, BL,

–        des Motor Insurers Bureau of Ireland (MIBI), vertreten durch J. Walsh, Solicitor, B. Murray, Barrister, L. Reidy, SC, und B. Kennedy, SC,

–        der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas und C. David als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Krämer und K.‑Ph. Wojcik als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 22. Juni 2017

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Frage, ob einer privatrechtlichen Stelle, die ein Mitgliedstaat mit der Aufgabe nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. 1984, L 8, S. 17) in der Fassung der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 (ABl. 1990, L 129, S. 33) (im Folgenden: Zweite Richtlinie) betraut hat, die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der Richtlinie entgegengehalten werden können.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich Frau Elaine Farrell auf der einen und Herr Alan Whitty, der Minister for the Environment (Umweltminister, Irland), Ireland (Irland), der Attorney General sowie das Motor Insurers Bureau of Ireland (MIBI) auf der anderen Seite wegen des Ersatzes der Personenschäden, die Frau Farrell bei einem Verkehrsunfall erlitten hatte, im ersten Rechtszug gegenüberstanden.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht


3        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 1972, L 103, S. 1, im Folgenden: Erste Richtlinie) sieht vor:

„Jeder Mitgliedstaat trifft … alle zweckdienlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist. Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen dieser Maßnahmen bestimmt.“

4        Art. 1 der Zweiten Richtlinie bestimmt:

„(1)      Die in Artikel 3 Absatz 1 der [Ersten Richtlinie] bezeichnete Versicherung hat sowohl Sachschäden als auch Personenschäden zu umfassen.



(4)      Jeder Mitgliedstaat schafft eine Stelle oder erkennt eine Stelle an, die für Sach- oder Personenschäden, welche durch ein nicht ermitteltes oder nicht im Sinne des Absatzes 1 versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, zumindest in den Grenzen der Versicherungspflicht Ersatz zu leisten hat. Das Recht der Mitgliedstaaten, Bestimmungen zu erlassen, durch die der Einschaltung dieser Stelle subsidiärer Charakter verliehen wird oder durch die der Rückgriff dieser Stelle auf den oder die für den Unfall Verantwortlichen sowie auf andere Versicherer oder Einrichtungen der sozialen Sicherheit, die gegenüber dem Geschädigten zur Regulierung desselben Schadens verpflichtet sind, geregelt wird, bleibt unberührt. Die Mitgliedstaaten dürfen es der Stelle jedoch nicht gestatten, die Zahlung von Schadensersatz davon abhängig zu machen, dass der Geschädigte in irgendeiner Form nachweist, dass der Haftpflichtige zur Schadensersatzleistung nicht in der Lage ist oder die Zahlung verweigert.

…“

5        Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zweiten Richtlinie lautet:

„Jeder Mitgliedstaat trifft zweckdienliche Maßnahmen, damit jede Rechtsvorschrift oder Vertragsklausel in einer nach Artikel 3 Absatz 1 der [Ersten Richtlinie] ausgestellten Versicherungspolice, mit der die Nutzung oder Führung von Fahrzeugen durch

–        hierzu weder ausdrücklich noch stillschweigend ermächtigte Personen oder

–        Personen, die keinen Führerschein für das betreffende Fahrzeug besitzen, oder

–        Personen, die den gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf Zustand und Sicherheit des betreffenden Fahrzeugs nicht nachgekommen sind,

von der Versicherung ausgeschlossen werden, bei der Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der [Ersten Richtlinie] bezüglich der Ansprüche von bei Unfällen geschädigten Dritten als wirkungslos gilt.“

6        Die Erwägungsgründe 2 bis 5 der Dritten Richtlinie 90/232 (im Folgenden: Dritte Richtlinie) lauten:

„Nach Artikel 3 der [Ersten Richtlinie] hat jeder Mitgliedstaat alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist. Der Umfang der Schadensdeckung sowie die Modalitäten des Versicherungsschutzes sollten im Rahmen dieser Maßnahmen bestimmt werden.

Mit der [Zweiten Richtlinie] wurden die Unterschiede bezüglich Höhe und Inhalt der Pflichtversicherungsverträge zur Deckung der Haftpflicht in den einzelnen Mitgliedstaaten beträchtlich vermindert; erhebliche Unterschiede bestehen jedoch weiterhin hinsichtlich der Schadensdeckung durch eine solche Versicherung.

Den bei Kraftfahrzeug-Verkehrsunfällen Geschädigten sollte unabhängig davon, in welchem Land der [Union] sich der Unfall ereignet, eine vergleichbare Behandlung garantiert werden.

Lücken bestehen insbesondere in einigen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Versicherungspflicht für die Fahrzeuginsassen; sie sollten geschlossen werden, um diese besonders stark gefährdete Kategorie potenzieller Geschädigter zu schützen.“

7        Art. 1 Abs. 1 der Dritten Richtlinie lautet:

„Unbeschadet des Artikels 2 Absatz 1 Unterabsatz 2 der [Zweiten Richtlinie] deckt die in Artikel 3 Absatz 1 der [Ersten Richtlinie] genannte Versicherung die Haftpflicht für aus der Nutzung eines Fahrzeugs resultierende Personenschäden bei allen Fahrzeuginsassen mit Ausnahme des Fahrers.“

8        Gemäß Art. 6 Abs. 2 der Dritten Richtlinie verfügte Irland über eine am 31. Dezember 1998 endende Frist, um Art. 1 der Richtlinie in Bezug auf Motorrad-Soziusfahrer nachzukommen, und über eine am 31. Dezember 1995 endende Frist, um Art. 1 der Richtlinie in Bezug auf die übrigen Fahrzeuge nachzukommen.

 Irisches Recht

9        Nach Section 56 des Road Traffic Act 1961 (Straßenverkehrsgesetz von 1961) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz von 1961) hat jeder Nutzer eines Kraftfahrzeugs über eine Versicherung für Personen- und Sachschäden an Dritten auf öffentlichem Gelände zu verfügen. Diese Versicherungspflicht erstreckt sich jedoch nicht auf Schäden bei Personen, die in Fahrzeugbereichen mitfahren, die nicht für Mitfahrer ausgestattet sind.

10      Nach Section 78 des Gesetzes von 1961 sind Versicherer, die in Irland Kfz-Versicherungen anbieten, zur Mitgliedschaft im MIBI verpflichtet.

11      Das MIBI ist eine „company limited by guarantee“ (Gesellschaft mit beschränkter Nachschusspflicht ohne Kapitaleinlage), die ausschließlich durch ihre Mitglieder finanziert wird, bei denen es sich um Versicherer handelt, die auf dem irischen Kraftfahrzeugversicherungsmarkt tätig sind. Das MIBI wurde im November 1954 aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Department of Local Government (Ministerium für kommunale Verwaltung) und den in Irland tätigen Kfz-Versicherern eingerichtet.

12      Nach Ziff. 2 einer Vereinbarung von 1988 zwischen dem Umweltminister und dem MIBI kann das MIBI von jeder Person in Anspruch genommen werden, die Schadensersatz von einem nicht versicherten oder nicht ermittelten Fahrer verlangt. Ziff. 4 der Vereinbarung enthält die Entschädigungszusage des MIBI an die Opfer nicht versicherter oder nicht ermittelter Fahrer. Die Pflicht des MIBI zur Entschädigung der Opfer entsteht, wenn eine gerichtlich festgestellte Forderung nicht binnen 28 Tagen vollständig befriedigt wird, sofern diese Gerichtsentscheidung „eine Haftung für Personen- oder Sachschäden [betrifft], die von einer genehmigten Versicherungspolice nach Section 56 des [Gesetzes von 1961] gedeckt sein muss“.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

13      Frau Farrell erlitt am 26. Januar 1996 einen Straßenverkehrsunfall. Sie war in einem Lieferwagen mitgefahren, dessen Eigentümer und Fahrer, Herr Whitty, die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hatte. Zum Unfallzeitpunkt saß Frau Farrell auf dem Boden des hinteren Teils des Fahrzeugs von Herrn Whitty, das für die Beförderung von Mitfahrern im hinteren Teil weder konstruiert noch gebaut war.

14      Da Herr Whitty gegen die von Frau Farrell erlittenen Personenschäden nicht versichert war, wandte sie sich wegen der Entschädigung an das MIBI.

15      Das MIBI weigerte sich, Frau Farrell zu entschädigen, weil nach irischem Recht die Versicherungspflicht keine Haftung für die ihr entstandenen Personenschäden vorsehe.

16      Im September 1997 erhob Frau Farrell vor den irischen Gerichten Klage gegen Herrn Whitty, den Umweltminister, Irland, den Attorney General und das MIBI, mit der sie u. a. geltend machte, dass mit den zum Zeitpunkt des Unfalls geltenden nationalen Umsetzungsvorschriften die einschlägigen Vorschriften der Ersten und der Dritten Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden seien. Der High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) ersuchte daraufhin den Gerichtshof um Vorabentscheidung.

17      Im Rahmen jener Vorlage hat der Gerichtshof zum einen für Recht erkannt, dass Art. 1 der Dritten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung die Haftung für Personenschäden von Einzelpersonen nicht deckt, die in einem Teil eines Kraftfahrzeugs mitfahren, der mit Sitzgelegenheiten für Mitfahrer weder konstruiert noch gebaut ist, und zum anderen, dass dieser Artikel alle Voraussetzungen erfüllt, um unmittelbare Wirkung zu entfalten, und demzufolge Einzelpersonen Rechte verleiht, auf die sie sich vor den nationalen Gerichten berufen können. Der Gerichtshof hat allerdings festgestellt, dass es dem nationalen Gericht obliegt, zu prüfen, ob diese Vorschrift gegenüber einer Einrichtung wie dem MIBI geltend gemacht werden kann (Urteil vom 19. April 2007, Farrell, C‑356/05, EU:C:2007:229, Rn. 36 und 44).

18      In einem Urteil vom 31. Januar 2008 stellte der High Court (Hoher Gerichtshof) fest, dass das MIBI eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung sei und Frau Farrell daher bei ihm Schadensersatz verlangen könne.

19      Gegen das Urteil erhob das MIBI Klage beim vorlegenden Gericht, da es der Ansicht war, dass es keine dem Staat zuzurechnende Einrichtung sei und ihm daher die Bestimmungen einer Richtlinie, die nicht in nationales Recht umgesetzt worden seien, nicht entgegengehalten werden könnten, selbst wenn sie unmittelbare Wirkung hätten.

20      Nach Abschluss einer Vereinbarung zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens erhielt Frau Farrell eine Entschädigung für die ihr entstandenen Personenschäden. Das MIBI auf der einen und der Umweltminister, Irland und der Attorney General auf der anderen Seite sind sich jedoch uneins, wer diese Entschädigung zu leisten hat.

21      Der Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) ist der Auffassung, dass die Antwort auf diese Frage davon abhängt, ob das MIBI als eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung anzusehen ist, der die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können. Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind die in Rn. 20 des Urteils vom 12. Juli 1990, Foster u. a. (C‑188/89, EU:C:1990:313), in Bezug auf die Frage, was eine einem Mitgliedstaat zuzurechnende Einrichtung ist, dargelegten Kriterien so zu verstehen, dass sie

a)      kumulativ oder

b)      alternativ

anzuwenden sind?

2.      Soweit die unterschiedlichen Gesichtspunkte, auf die im Urteil vom 12. Juli 1990, Foster u. a. (C‑188/89, EU:C:1990:313), Bezug genommen wird, alternativ als im Rahmen einer Gesamtbeurteilung angemessen zu berücksichtigende Faktoren anzusehen sind, gibt es einen tragenden Grundsatz, der den einzelnen in dieser Entscheidung genannten Faktoren zugrunde liegt und den ein Gericht bei der Beurteilung der Frage, ob eine bestimmte Stelle eine staatliche Einrichtung ist, zu berücksichtigen hat?

3.      Reicht es für die Eigenschaft einer dem Mitgliedstaat zuzurechnenden Einrichtung aus, dass einer Stelle von einem Mitgliedstaat eine weit gefasste Verantwortlichkeit übertragen wurde, um vorgeblich unionsrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen, oder ist es außerdem erforderlich, dass eine solche Einrichtung zusätzlich a) mit besonderen Rechten ausgestattet ist oder b) unter direkter Leitung oder Aufsicht des Mitgliedstaats tätig ist?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

22      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 288 AEUV dahin auszulegen ist, dass er nicht ausschließt, dass einer Einrichtung, die nicht alle in Rn. 20 des Urteils vom 12. Juli 1990, Foster u. a. (C‑188/89, EU:C:1990:313), genannten Eigenschaften aufweist, die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können.

23      In den Rn. 3 bis 5 des Urteils hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Einrichtung, um die es in der Rechtssache Foster u. a. ging, die British Gas Corporation, „eine durch Gesetz errichtete juristische Person“ war, „mit der Aufgabe, in Form eines Monopols ein Gasversorgungssystem in Großbritannien zu errichten und zu unterhalten“, dass „[die] Mitglieder [ihrer Geschäftsleitung] vom zuständigen Minister ernannt [wurden, der] auch befugt [war], [British Gas] im Hinblick auf Angelegenheiten, die das nationale Interesse betrafen, allgemeine Richtlinien vorzugeben sowie Weisungen in Bezug auf ihre Geschäftsführung zu erteilen“, und dass British Gas befugt war, „mit Zustimmung des Ministers Gesetzesvorschläge im Parlament einzubringen“.

24      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in Rn. 18 des Urteils darauf hingewiesen, dass er „in einer Reihe von Rechtssachen anerkannt [hat], dass sich die Einzelnen auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber Organisationen oder Einrichtungen berufen können, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten“.

25      Daraus hat er in Rn. 20 des Urteils gefolgert, dass „jedenfalls eine Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über das hinausgehen, was für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gilt, zu den Rechtssubjekten [gehört], denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können“.

26      Wie die Generalanwältin in Nr. 50 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, macht die vom Gerichtshof in Rn. 20 des Urteils vom 12. Juli 1990, Foster u. a. (C‑188/89, EU:C:1990:313), gewählte Formulierung „gehört jedenfalls … zu [diesen] Rechtssubjekten“ deutlich, dass er keinen allgemeinen Test formulieren wollte, mit dem alle Fallgestaltungen erfasst werden sollen, in denen einer Einrichtung die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können, sondern dass er der Ansicht gewesen ist, dass eine Stelle wie die, um die es in der Rechtssache Foster u. a. ging, jedenfalls dann als eine solche Einrichtung anzusehen ist, wenn sie jede der in Rn. 20 des Urteils genannten Eigenschaften aufweist.

27      Rn. 20 des Urteils ist nämlich in Verbindung mit dessen Rn. 18 zu betrachten, wo der Gerichtshof hervorgehoben hat, dass eine Privatperson solche Bestimmungen gegenüber einer Organisation oder Einrichtung geltend machen kann, die dem Staat oder dessen Aufsicht untersteht oder mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten.

28      Wie die Generalanwältin in den Nrn. 53 und 77 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, können daher die Voraussetzungen, dass die betreffende Stelle dem Staat oder dessen Aufsicht untersteht und mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten, nicht kumulativ sein (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Dezember 1997, Kampelmann u. a., C‑253/96 bis C‑258/96, EU:C:1997:585, Rn. 46 und 47, sowie vom 7. September 2006, Vassallo, C‑180/04, EU:C:2006:518, Rn. 26).

29      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 288 AEUV dahin auszulegen ist, dass er als solcher nicht ausschließt, dass einer Einrichtung, die nicht alle in den Rn. 18 und 20 des Urteils vom 12. Juli 1990, Foster u. a. (C‑188/89, EU:C:1990:313), genannten Eigenschaften aufweist, die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können.

 Zur zweiten und zur dritten Frage

30      Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es einen tragenden Grundsatz gibt, von dem sich ein Gericht bei der Beurteilung der Frage leiten zu lassen hat, ob einer Stelle die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können, und insbesondere, ob einer Stelle, die ein Mitgliedstaat mit der Aufgabe nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie betraut hat, solche Bestimmungen entgegengehalten werden können.

31      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist (Urteile vom 26. Februar 1986, Marshall, 152/84, EU:C:1986:84, Rn. 48, vom 14. Juli 1994, Faccini Dori, C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 20, vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a., C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 108, und vom 19. April 2016, DI, C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 30). Würde die Möglichkeit, sich auf nicht umgesetzte Richtlinien zu berufen, auf den Bereich der Beziehungen zwischen den Einzelnen ausgedehnt, hieße das nämlich, der Union die Befugnis zuzuerkennen, mit unmittelbarer Wirkung zulasten der Einzelnen Verpflichtungen anzuordnen, obwohl sie dies nur dort darf, wo ihr die Befugnis zum Erlass von Verordnungen zugewiesen ist (Urteil vom 14. Juli 1994, Faccini Dori, C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 24).

32      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann der Einzelne, wenn er sich nicht einem Privaten, sondern dem Staat gegenüber auf eine Richtlinie berufen kann, dies jedoch unabhängig davon tun, in welcher Eigenschaft – als Arbeitgeber oder als Hoheitsträger – der Staat handelt. In dem einen wie dem anderen Fall muss nämlich verhindert werden, dass der Staat aus der Nichtbeachtung des Unionsrechts Nutzen ziehen kann (Urteile vom 26. Februar 1986, Marshall, 152/84, EU:C:1986:84, Rn. 49, vom 12. Juli 1990, Foster u. a., C‑188/89, EU:C:1990:313, Rn. 17, und vom 14. September 2000, Collino und Chiappero, C‑343/98, EU:C:2000:441 Rn. 22).

33      Auf der Grundlage dieser Erwägungen hat der Gerichtshof anerkannt, dass sich die Einzelnen auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie nicht nur gegenüber einem Mitgliedstaat und allen Trägern seiner Verwaltung wie den dezentralen Stellen berufen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 1989, Costanzo, 103/88, EU:C:1989:256, Rn. 31), sondern auch – wie im Rahmen der Antwort auf die erste Frage ausgeführt – gegenüber Organisationen oder Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (Urteile vom 12. Juli 1990, Foster u. a., C‑188/89, EU:C:1990:313, Rn. 18, und vom 4. Dezember 1997, Kampelmann u. a., C‑253/96 bis C‑258/96, EU:C:1997:585, Rn. 46).

34      Solche Organisationen oder Einrichtungen unterscheiden sich von Privatpersonen und sind dem Staat gleichzustellen, entweder weil sie juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, die zum Staat im weiteren Sinne gehören, oder weil sie einer öffentlichen Stelle oder deren Aufsicht unterstehen oder weil sie von einer solchen Stelle mit der Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut sind und hierzu mit den genannten besonderen Rechten ausgestattet wurden.

35      Daher können einer – selbst privatrechtlichen – Organisation oder Einrichtung, die von einem Mitgliedstaat mit der Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut wurde und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten, die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden.

36      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie verpflichtet waren, alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist.

37      Die Bedeutung, die der Unionsgesetzgeber dem Schutz der Geschädigten beimisst, hat ihn dazu veranlasst, dieses System zu vervollständigen, indem er durch Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichtet hat, eine Stelle einzurichten, die für Sach- oder Personenschäden, die durch ein nicht ermitteltes oder nicht im Sinne von Art. 1 Abs. 1 – der auf Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie verweist – versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, zumindest in den Grenzen des Unionsrechts Ersatz zu leisten hat (Urteil vom 11. Juli 2013, Csonka u. a., C‑409/11, EU:C:2013:512, Rn. 29).

38      Folglich ist die Aufgabe, mit deren Erfüllung ein Mitgliedstaat eine Entschädigungsstelle wie das MIBI betraut hat und die zur Erreichung des allgemeinen Ziels des Schutzes der Geschädigten beiträgt, das mit der Unionsregelung über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung verfolgt wird, als eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe anzusehen, die sich aus der Pflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie ergibt.

39      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Bezug auf Sach- oder Personenschäden, die durch ein nicht im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, entschieden hat, dass die Einschaltung dieser Stelle eine Abhilfe dafür sein soll, dass der Mitgliedstaat seine Pflicht nicht erfüllt hat, dafür zu sorgen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Csonka u. a., C‑409/11, EU:C:2013:512, Rn. 31).

40      In Bezug auf das MIBI ist hinzuzufügen, dass der irische Gesetzgeber durch Section 78 des Gesetzes von 1961 alle Versicherer, die in Irland Kfz-Versicherungen anbieten, verpflichtet hat, bei dieser Stelle Mitglied zu werden. Damit hat er das MIBI mit besonderen Rechten ausgestattet, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten, da diese private Stelle aufgrund von Section 78 von allen diesen Versicherern verlangen kann, dass sie bei ihr Mitglied werden und die Erfüllung der Aufgabe finanzieren, mit der sie vom irischen Staat betraut wurde.

41      Folglich können gegenüber einer Stelle wie dem MIBI die unbedingten und hinreichend genauen Bestimmungen einer Richtlinie geltend gemacht werden.

42      Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass einer privatrechtlichen Stelle, die ein Mitgliedstaat mit einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut hat – wie der Aufgabe, die sich aus der Pflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie ergibt – und die hierzu kraft Gesetzes mit besonderen Rechten ausgestattet ist – wie der Befugnis, die Versicherer, die im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats Kfz-Versicherungen anbieten, zu verpflichten, bei dieser Stelle Mitglied zu werden und sie zu finanzieren –, die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können.

 Kosten

43      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:


1.      Art. 288 AEUV ist dahin auszulegen, dass er als solcher nicht ausschließt, dass einer Einrichtung, die nicht alle in den Rn. 18 und 20 des Urteils vom 12. Juli 1990, Foster u. a. (C‑188/89, EU:C:1990:313), genannten Eigenschaften aufweist, die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können.

2.      Einer privatrechtlichen Stelle, die ein Mitgliedstaat mit einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut hat – wie der Aufgabe, die sich aus der Pflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der Fassung der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 ergibt – und die hierzu kraft Gesetzes mit besonderen Rechten ausgestattet ist – wie der Befugnis, die Versicherer, die im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats Kfz-Versicherungen anbieten, zu verpflichten, bei dieser Stelle Mitglied zu werden und sie zu finanzieren –, können die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden.

Unterschriften




SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 22. Juni 2017(1)


Rechtssache C‑413/15

Elaine Farrell

gegen

Alan Whitty


The Minister for the Environment, Ireland, und der Attorney General,

Motor Insurers’ Bureau of Ireland (MIBI)

(Vorabentscheidungsersuchen des Supreme Court [Oberster Gerichtshof, Irland])

„Definition des Begriffs einer dem Staat zuzurechnenden Einrichtung für die Zwecke der Feststellung der Haftung eines Mitgliedstaats wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung einer Richtlinie – Voraussetzungen, unter denen eine private Stelle als eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung angesehen werden kann“


1.        Seit der Gerichtshof die Theorie von der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien entwickelt und sie auf „vertikale“ Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Einzelnen und dem Staat für anwendbar erklärt, es aber abgelehnt hat, die Theorie „horizontal“ auszudehnen, so dass auch Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatpersonen erfasst sind, muss unbedingt erkennbar sein, wie der Begriff „Staat“ für die Zwecke der Anwendung der Theorie der vertikalen unmittelbaren Wirkung einzugrenzen ist. Mit der hier in Rede stehenden Vorlage des Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) wird diese Frage einer minutiösen Prüfung unterzogen. Handelt es sich beim Motor Insurers' Bureau of Ireland (der in Irland ausschließlich zuständigen Stelle für die Entschädigung von bei Verkehrsunfällen zu Schaden gekommenen Personen, wenn der verantwortliche Fahrer nicht versichert ist oder nicht ermittelt werden kann; im Folgenden: MIBI) um eine „dem Staat zuzurechnende Einrichtung“ im Sinne der im Urteil Foster u. a. (im Folgenden: Urteil Foster)(2) aufgestellten Voraussetzungen? Falls dies zu bejahen ist, haftet dann das MIBI anstelle der staatlichen Parteien des Ausgangsverfahrens (nämlich des Minister for the Environment [Umweltminister] [im Folgenden: Minister], Ireland und des Attorney General [Kronanwalt]) für die Entschädigung der Geschädigten eines Verkehrsunfalls, an dem ein Fahrer beteiligt war, der nach nationalem Recht erlaubterweise nicht versichert war, weil Irland die Unionsvorschriften nicht ordnungsgemäß und nicht rechtzeitig umgesetzt hatte, wonach eine vom betreffenden Fahrzeugführer abgeschlossene Versicherung alle Fahrzeuginsassen des Kraftfahrzeugs erfassen muss.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

2.        Ab 1972 sollte mit den verschiedenen Richtlinien des Rates über die Kfz-Haftpflichtversicherung sichergestellt werden, dass parallel zu einer Lockerung der Vorschriften über den Reiseverkehr bei einem Verkehrsunfall geschädigte Personen entschädigt werden. Zu diesem Zweck wurde das (recht schwerfällige) geltende System der „Grünen Karte“ schrittweise durch ein besonderes System der Union ersetzt. Wesen und Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes wurden durch aufeinanderfolgende Richtlinien allmählich erweitert(3).

3.        Nach Art. 2 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates(4) (im Folgenden: Erste Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie) hatten die Mitgliedstaaten auf systematische Kontrollen der Haftpflichtversicherung bei Fahrzeugen zu verzichten, die ihren gewöhnlichen Standort im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats haben; gleichzeitig verpflichtete Art. 3 Abs. 1 jeden Mitgliedstaat, „alle zweckdienlichen Maßnahmen [zu treffen], um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist“. Außerdem wurden nach Art. 3 Abs. 1 „[d]ie Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung … im Rahmen dieser Maßnahmen bestimmt“.

4.        Die Richtlinie 84/5/EWG des Rates(5) (im Folgenden: Zweite Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie) geht davon aus, dass nach wie vor bezüglich des Umfangs der Versicherungspflicht große Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten bestehen(6), und verweist insbesondere auf die Notwendigkeit, „eine Stelle einzurichten, die dem Geschädigten auch dann eine Entschädigung sicherstellt, wenn das verursachende Fahrzeug nicht versichert war oder nicht ermittelt wurde“(7).

5.        Nach Art. 1 Abs. 1 „[hatte d]ie in Artikel 3 Absatz 1 der [Ersten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie] bezeichnete Versicherung … sowohl Sachschäden als auch Personenschäden zu umfassen“.

6.        Art. 1 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 lautete:

„Jeder Mitgliedstaat schafft eine Stelle oder erkennt eine Stelle an, die für Sach- oder Personenschäden, welche durch ein nicht ermitteltes oder nicht im Sinne des Absatzes 1 versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, zumindest in den Grenzen der Versicherungspflicht Ersatz zu leisten hat. Das Recht der Mitgliedstaaten, Bestimmungen zu erlassen, durch die der Einschaltung dieser Stelle subsidiärer Charakter verliehen wird oder durch die der Rückgriff dieser Stelle auf den oder die für den Unfall Verantwortlichen sowie auf andere Versicherer oder Einrichtungen der sozialen Sicherheit, die gegenüber dem Geschädigten zur Regulierung desselben Schadens verpflichtet sind, geregelt wird, bleibt unberührt. Die Mitgliedstaaten dürfen es der Stelle jedoch nicht gestatten, die Zahlung von Schadensersatz davon abhängig zu machen, dass der Geschädigte in irgendeiner Form nachweist, dass der Haftpflichtige zur Schadenersatzleistung nicht in der Lage ist oder die Zahlung verweigert.

Der Geschädigte kann sich jedoch in jedem Fall unmittelbar an diese Stelle wenden, welche ihm – auf der Grundlage der auf ihr Verlangen hin vom Geschädigten mitgeteilten Informationen – eine begründete Auskunft über ihr Tätigwerden erteilen muss.

…“

7.        In der Dritten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie wird festgestellt, dass weiterhin erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Schadensdeckung durch eine solche Versicherung bestehen(8) und dass den bei Kraftfahrzeug-Verkehrsunfällen Geschädigten unabhängig davon, in welchem Land der Union sich der Unfall ereignet, eine vergleichbare Behandlung garantiert werden sollte(9). Weiter heißt es, dass „insbesondere in einigen Mitgliedstaaten [Lücken bestehen] hinsichtlich der Versicherungspflicht für die Fahrzeuginsassen; sie sollten geschlossen werden, um diese besonders stark gefährdete Kategorie potenzieller Geschädigter zu schützen“(10); zudem wurden verschiedene notwendige Verbesserungen beim Tätigwerden der Stelle benannt, die für Sach- oder Personenschäden, die durch ein nicht ermitteltes oder nicht versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, Ersatz zu leisten hat(11).

8.        Art. 1 bestimmt:

„Unbeschadet des Artikels 2 Absatz 1 Unterabsatz 2 der [Zweiten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie][(12)] deckt die in Artikel 3 Absatz 1 der [Ersten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie] genannte Versicherung die Haftpflicht für aus der Nutzung eines Fahrzeugs resultierende Personenschäden bei allen Fahrzeuginsassen mit Ausnahme des Fahrers.

…“

9.        Gemäß Art. 6 Abs. 2 der Dritten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie verfügte Irland über eine am 31. Dezember 1998 endende Frist, um Art. 1 in Bezug auf Motorrad-Soziusfahrer nachzukommen, und über eine am 31. Dezember 1995 endende Frist in Bezug auf die übrigen Fahrzeuge.

 Irisches Recht

10.      Nach Section 56 des Road Traffic Act 1961 (Straßenverkehrsgesetz von 1961, im Folgenden: Gesetz von 1961) in der zur maßgeblichen Zeit auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung hatte jeder Nutzer eines Kraftfahrzeugs über eine Versicherung gegen Personen- und Sachschäden an Dritten auf öffentlichem Gelände zu verfügen. Gemäß Section 65(1) war allerdings für „befreite Personen“ (excepted persons) kein Versicherungsschutz vorgeschrieben. So brauchten insbesondere die Fahrer von nicht mit Rücksitzen ausgestatteten Nutzfahrzeugen keine Versicherung gegen ihr eigenes fahrlässiges Führen des Fahrzeugs zu unterhalten(13).

11.      Nach Section 78 sind Versicherer, die in Irland Kfz-Versicherungen anbieten, zur Mitgliedschaft im MIBI verpflichtet. In dieser Eigenschaft sind sie in der Praxis auch an die Vereinbarungen des MIBI mit Irland gebunden(14).

 Das MIBI(15)

12.      Aufgabe des MIBI ist insbesondere die Bearbeitung von Entschädigungsansprüchen in Fällen, in denen der Fahrer eines Fahrzeugs zwar haftbar, aber weder versichert noch in der Lage ist, eine bei einem Verkehrsunfall verletzte Person aus eigenen Mitteln zu entschädigen. Das MIBI wurde im November 1954(16) aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Department of Local Government und den in Irland tätigen Kfz-Haftpflichtversicherern eingerichtet. Das MIBI ist eine nach irischem Recht rechtsfähige Einrichtung, und zwar eine „company limited by guarantee“ ohne Aktienkapital.

13.      Die Vereinbarung zwischen Irland und den Versicherern, in der der Umfang der Pflichten und Rechte des MIBI beschrieben wird, ist mehrfach verlängert worden. Im Ausgangsverfahren ist die Vereinbarung von 1988 des MIBI mit dem Umweltminister einschlägig(17). Nach Ziff. 2 dieser Vereinbarung kann das MIBI von jeder Person in Anspruch genommen werden, die Schadensersatz von einem nicht versicherten oder nicht ermittelten Fahrer verlangt. So kann das MIBI von einem verletzten Anspruchsteller darauf verklagt werden, der Vereinbarung zwischen Irland und den Versicherern Geltung zu verschaffen, obwohl er nicht Partei der Vereinbarung zwischen dem Staat und dem MIBI ist. In Ziff. 4 ist die Zahlungszusage des MIBI an die Opfer nicht versicherter oder nicht ermittelter Fahrer geregelt. Wenn außerdem eine gerichtlich festgestellte Zahlungsverpflichtung gegen einen ermittelten beklagten Fahrer nicht binnen 28 Tagen vollständig befriedigt wurde, wird das MIBI haftbar, jedoch nur, wenn sich diese Feststellung auf „eine Haftungsverpflichtung für Personen- oder Sachschäden bezieht, die von einer genehmigten Versicherungspolice nach Section 56 des [Gesetzes von 1961] gedeckt sein muss“. Ausweislich der Vorlageentscheidung gibt es kein Gesetz oder eine andere Regelung des öffentlichen Rechts, nach denen das MIBI im Namen eines nicht versicherten oder nicht ermittelten Fahrers tätig zu werden hätte. Alle insoweit bestehenden Rechte bzw. Pflichten des MIBI leiten sich aus der Vereinbarung des MIBI mit dem Minister ab.

14.      Ist ein nicht versicherter Fahrer in einen Unfall verwickelt, wird das MIBI versuchen, einem Vertrag mit ihm zu schließen, in dessen Rahmen der Fahrer dem MIBI dasselbe Mandat zur Vertretung erteilt, das der Versicherer des Fahrers erhielte, wenn dieser versichert wäre. In diesem Fall wird das MIBI ähnlich wie ein normales Versicherungsunternehmen tätig, das einen Anspruch im Namen eines versicherten Fahrers bearbeitet, d. h., das MIBI schließt entweder einen Vergleich über den Anspruch oder nimmt auf das MIBI übergegangene Rechte zur Verteidigung in einem Gerichtsprozess wahr. Weigert sich der nicht versicherte Fahrer, einen solchen Vertrag zu schließen, wird das MIBI allem Anschein nach trotzdem für ihn tätig und leitet dabei seine Befugnisse und Verpflichtungen aus der privatrechtlichen Vereinbarung des MIBI mit dem Minister her. Bei Fehlen eines Vertrags mit dem nicht versicherten Fahrer kann das MIBI nur versuchen, für den vom Büro geleisteten Schadensersatz bzw. die ihm entstandenen Kosten Regress im Wege einer Klage gegen den Fahrer wegen ungerechtfertigter Bereicherung zu nehmen. Wurde der Fahrer nicht ermittelt, handelt das MIBI kraft seiner Verpflichtungen aus der Vereinbarung mit dem Minister, es gibt jedoch keine Partei, gegen die es wegen des gezahlten Schadensersatzes oder der ihm entstandenen Kosten Regress nehmen könnte.

15.      Zusätzlich zur Vereinbarung von 1988 schlossen der Minister (als Vertreter Irlands) und die Versicherer zwei weitere Vereinbarungen vom 31. März 2004 und 29. Januar 2009. Durch diese beiden Vereinbarungen wird die Vereinbarung von 1988 geringfügig abgeändert. Nach Angaben des vorlegenden Gerichts wurde das irische Recht durch diese Vereinbarungen der Dritten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie angepasst. Insbesondere schließen die Vereinbarungen die Lücke im nationalen Recht in Bezug auf die Versicherungspflicht hinsichtlich Fahrzeuginsassen im Heck von Lieferwagen ohne Sitze (und der Haftung gegenüber Fahrzeuginsassen, die vernünftigerweise hätten wissen müssen – im Gegensatz zu solchen, die dies wussten –, dass ein Fahrzeug gestohlen war)(18).


16.      Das MIBI wird von Irland nicht finanziell unterstützt. Die Finanzierung erfolgt ausschließlich durch seine Mitglieder, d. h. die Versicherer, die in Irland Kfz-Haftpflichtversicherungen abschließen. Diese Versicherer leisten Beiträge zu einem allgemeinen Fonds in einer Höhe, die dem MIBI die Erfüllung seiner durch die Regelung tatsächlich entstehenden Verbindlichkeiten ermöglicht(19). Im Einzelfall (insbesondere wenn der nicht versicherte Fahrer zuvor bei einem ermittelbaren Versicherer versichert war, diese Versicherung jedoch auslaufen ließ) kann ein bestimmter Versicherer zu einem sogenannten „connected insurer“ werden. Dieser Versicherer übernimmt dann die Verpflichtungen des MIBI und ersetzt gegebenenfalls den Schaden und die Kosten. Dem vorlegenden Gericht zufolge umfassen die Prämien, die die Versicherer den Versicherten für eine Kfz-Versicherung berechnen, die Versicherungsprämie für den zu versichernden individuellen Fahrer sowie einen Anteil an den Kosten der voraussichtlichen Haftung als Beitrag zum MIBI. Somit finanzieren die Mitglieder des MIBI (d. h. die Versicherer) gemeinsam die Leistung von Schadensersatz an den Geschädigten sowie die Auslagen für die Anwaltskosten, die dem MIBI entstehen oder für die es haftbar wird, und kommen für die Verwaltungskosten des MIBI auf. Die Finanzierung als solche erfolgt im Wege von Mitgliedsbeiträgen, die den Versicherern anteilsmäßig nach dem Prämienaufkommen, das sie aus dem Abschluss von Kfz-Versicherungsverträgen in Irland erzielen (d. h. nach ihrem wertmäßigen Marktanteil) auferlegt werden(20).

17.      Änderungen der Gründungsurkunde und der Satzung des MIBI bedürfen der Zustimmung des zuständigen Ministers. Nach Angaben des vorlegenden Gerichts ergibt sich dies nicht aus einem besonderen Erfordernis, das auf den konkreten Aufgaben des MIBI beruht; vielmehr gilt diese Vorschrift nach Section 28 des Companies Act 1963 (Gesellschaftsgesetz von 1963) für alle Companies limited by guarantee (Gesellschaften mit beschränkter Nachschusspflicht).

18.      Gemäß Section 3 in Verbindung mit den Sections 8 und 9 des Insurance Act 1963 (Versicherungsgesetz von 1963) benötigen Versicherer zum Abschluss von Versicherungsverträgen in Irland eine Zulassung(21). Nach Section 78 des Gesetzes von 1961 gehört die Mitgliedschaft im MIBI zu den Voraussetzungen für eine solche Zulassung.

19.      Von Zeit zu Zeit sind Änderungen der Vereinbarung des MIBI mit dem Minister notwendig (z. B. zur Erweiterung der Kategorien des Kfz-Versicherungsschutzes, für den das MIBI die Haftung übernehmen muss, wenn der Fahrer nicht ermittelt oder nicht versichert ist). Das vorlegende Gericht gibt an, dass ein Versicherer, der Mitglied des MIBI sei, einer Änderung der Bedingungen der Vereinbarung des MIBI mit dem Minister aber nicht zustimmen wolle, seine Mitgliedschaft im MIBI kündigen könne. In diesem Fall würde er jedoch nicht mehr die Voraussetzungen für eine Zulassung erfüllen, und daher sei ihm der Abschluss von Kfz-Versicherungsverträgen in Irland dann nicht mehr erlaubt.

 Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

20.      Am 26. Januar 1996 fuhr Frau Farrell in einem Lieferwagen mit, dessen Eigentümer und Fahrer Herr Whitty war. Der Lieferwagen war für die Beförderung von Mitfahrern im hinteren Teil des Fahrzeugs weder konstruiert noch gebaut. Frau Farrell saß auf dem Boden des Lieferwagens, als Herr Whitty die Kontrolle über das Fahrzeug verlor. Sie erlitt Verletzungen. Herr Whitty war nicht versichert. Nach damals geltendem irischen Recht war Herr Whitty nicht verpflichtet, eine Versicherung zur Deckung der Frau Farrell durch Fahrlässigkeit entstanden Schäden zu unterhalten. Frau Farrell gehörte einem Personenkreis an, dessen Angehörige zwar von der Dritten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie erfasst waren und denen Schutzrechte aus dieser Richtlinie, nicht jedoch nach irischem Recht zustanden. Gemäß der Dritten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie war eine solche Versicherung zwar zwingend vorgeschrieben, zur maßgeblichen Zeit war dieser Aspekt der Richtlinie aber noch nicht in irisches Recht umgesetzt worden.

21.      Frau Farrell verlangte Schadensersatz vom MIBI.

22.      Das MIBI lehnte den Antrag von Frau Farrell auf Schadensersatz mit der Begründung ab, dass hinsichtlich der ihr entstandenen Personenschäden keine Haftung bestehe, für die nach nationalem Recht eine Versicherungspflicht vorgesehen sei.

23.      Frau Farrell verfolgte ihren Anspruch vor den irischen Gerichten, und der High Court (Hoher Gerichtshof) richtete ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof mit der Bitte um Hinweise betreffend die Auslegung der Dritten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie.

24.      Im Urteil Farrell(22) hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 1 der Dritten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie dahin auszulegen sei, dass er einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der die Kfz-Haftpflichtversicherung Personenschäden von Einzelpersonen nicht decke, die in einem Teil eines Kraftfahrzeugs mitführen, der mit Sitzgelegenheiten für Mitfahrer weder konstruiert noch gebaut sei. Des Weiteren hat er ausgeführt, dass die genannte Bestimmung unmittelbare Wirkung entfalte. Es obliege jedoch dem nationalen Gericht, zu prüfen, ob ein Einzelner diese Vorschrift gegenüber einer Einrichtung wie dem MIBI geltend machen könne(23).

25.      Das vorlegende Gericht legt dar, dass Frau Farrell inzwischen einen angemessenen Schadensersatzbetrag erhalten habe(24). Streitig ist jedoch weiterhin, wer für den geleisteten Schadensersatzbetrag aufzukommen hat – das MIBI oder der Minister, Ireland, und der Attorney General (Kronanwalt) (im Folgenden zusammen: Mitgliedstaat). Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hängt dies davon ab, ob das MIBI eine Irland zuzurechnende Einrichtung ist.

26.      Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Hinweise bezüglich der folgenden Fragen ersucht:

1.      Sind die im Urteil Foster (Rn. 20) in Bezug auf die Frage, was eine einem Mitgliedstaat zuzurechnende Einrichtung ist, dargelegten Kriterien so zu verstehen, dass sie

a)      kumulativ oder

b)      alternativ

anzuwenden sind?

2.      Soweit die unterschiedlichen Gesichtspunkte, auf die im Urteil Foster Bezug genommen wird, alternativ als im Rahmen einer Gesamtbeurteilung angemessen zu berücksichtigende Faktoren anzusehen sind, gibt es einen tragenden Grundsatz, der den einzelnen in dieser Entscheidung genannten Faktoren zugrunde liegt und den ein Gericht bei der Beurteilung der Frage, ob eine bestimmte Stelle eine staatliche Einrichtung ist, zu berücksichtigen hat?

3.      Reicht es für die Eigenschaft einer dem Mitgliedstaat zuzurechnenden Einrichtung aus, dass einer Stelle von einem Mitgliedstaat eine weit gefasste Verantwortlichkeit übertragen wurde, um vorgeblich unionsrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen, oder ist es außerdem erforderlich, dass eine solche Einrichtung zusätzlich a) mit besonderen Rechten ausgestattet ist oder b) unter direkter Leitung oder Aufsicht des Mitgliedstaats tätig ist?

27.      Das MIBI, der Minister, Ireland, und der Attorney General (Kronanwalt) sowie die französische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und in der Sitzung vom 5. Juli 2016 mündlich verhandelt.

 Würdigung

 Vorbemerkungen: Hintergrund der Formulierung der Kriterien im Urteil Foster

28.      Der Grundsatz, dass das Unionsrecht nicht nur bloß die Beziehungen zwischen den Staaten regelt, sondern den Einzelnen Rechte verleiht, geht zurück auf das Urteil Van Gend & Loos(25). Die Begründung für eine vertikale unmittelbare Wirkung von Richtlinien ist logisch betrachtet dieselbe. Eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung verkörpert ein Recht, das die Mitgliedstaaten durch die Bekanntmachung der Richtlinie vereinbarungsgemäß den Einzelnen verleihen müssen. Obwohl die „Wahl der Form und der Mittel“ bei der Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht dem Mitgliedstaat überlassen ist, ist die Richtlinie „für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich“ (beide Vorgaben finden sich in Art. 288 Abs. 3 AEUV). Grundsätzlich hat ein Mitgliedstaat selbstverständlich seinen Verpflichtungen nachzukommen und jede Richtlinie vollständig und korrekt innerhalb der gesetzten Frist umsetzen. Die Richtlinie wird dann gewissermaßen unsichtbar, da sich die durch sie verliehenen Rechte nunmehr in vollem Umfang im nationalen Recht manifestieren.

29.      Mitunter geschieht dies jedoch nicht, so dass die Einzelnen sich auf die Richtlinie selbst berufen müssen. Bei der Formulierung des Grundsatzes der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass ein Mitgliedstaat keinen Nutzen aus seiner eigenen Unterlassung der Umsetzung einer Richtlinie ziehen darf und dass ein Einzelner sich daher auf eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung gegenüber dem Mitgliedstaat als solchem berufen kann(26).

30.      Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, kommt es nicht darauf an, in welcher Eigenschaft genau der Mitgliedstaat handelt(27). Voraussetzung für eine vertikale unmittelbare Wirkung ist auch nicht, dass die konkrete Untergliederung „des Staates“, die im Einzelfall verklagt wird, für die Unterlassung der Umsetzung der betreffenden Richtlinie durch den Mitgliedstaat in irgendeiner Weise verantwortlich ist(28).

31.      Es verhält sich vielmehr so, dass jedermann, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie korrekt umgesetzt hätte, zur Beachtung der den Einzelnen durch die Richtlinie verliehenen Rechte verpflichtet gewesen wäre. Deshalb sollte zumindest jede staatliche Stelle verpflichtet sein, diese Rechte der Einzelnen zu wahren.

32.      Kann ein in einer Richtlinie vorgesehenes unmittelbar wirksames Recht nicht herangezogen werden (weil nicht der Staat oder eine dem Staat zuzurechnende Stelle beklagt ist), lässt sich die allgemeine Lage wie folgt beschreiben. In einer Richtlinie sind – häufig in recht abstrakten Formulierungen – die Rechte bezeichnet, die in nationales Recht umzusetzen und dort auszugestalten sind. Da Rechte aus dem Unionsrecht praktisch wirksam sein müssen, kann es keine Rechte ohne entsprechende Rechtsbehelfe geben (ubi ius, ibi remedium). Zunächst ist daher das nationale Recht daraufhin zu prüfen, welche Regelungen dort (wenn überhaupt) bestehen, die als (teilweise) Durchführung der Richtlinie dienen können(29), und gleichzeitig zu untersuchen, ob die Richtlinie selbst einen im nationalen Recht zur Verfügung zu stellenden Rechtsbehelf für den Fall der Verletzung des durch die Richtlinie verliehenen Rechts vorschreibt. Sodann sind die im nationalen Recht zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe daraufhin zu prüfen, ob sie in diesem Sinne als angemessen herangezogen werden können und gleichzeitig die Autonomie des nationalen Verfahrensrechts unter Beachtung der (nunmehr etablierten) Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität im Rahmen der übergeordneten Verpflichtung, nationale Rechtsvorschriften unionsrechtskonform auszulegen (interprétation conforme), gewahrt bleibt(30). Nur wenn dies nicht zu einem effektiven Schutz der unionsrechtlich verbürgten Rechte führt, kommt der Grundsatz der Staatshaftung zum Tragen. Die Staatshaftung für Schadensersatz ist daher ein Rechtsbehelf, der nicht in erster Linie, sondern vielmehr als letztes Mittel eingreift.

33.      Der soeben beschriebene Prüfungsprozess erweist sich häufig als kompliziert und aufwendig. Eine „interprétation conforme“ der geltenden nationalen Rechtsvorschriften ist unzulässig, wenn diese zu einer Auslegung contra legem führen würde(31). Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch gegen den Mitgliedstaat(32) ist, dass der Anspruchsteller sich entweder als weiterer Mitbeklagter neben dem Mitgliedstaat am Rechtsstreit beteiligt (mit dem damit verbundenen Risiko der Kostentragung im Verhältnis zum Mitgliedstaat, falls er gegen den Hauptbeklagten obsiegen sollte) oder dass er ein zweites Verfahren gegen den Mitgliedstaat betreibt, wenn er zuvor mit seinem Versuch, Regress beim Hauptbeklagten zu nehmen, gescheitert ist. Sofern die Klage nicht in einem Fall erhoben wird, in dem eine Richtlinie überhaupt nicht umgesetzt wurde, steht die erfolgreiche Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Mitgliedstaat keineswegs von vornherein fest(33).

34.      Enthält das nationale Recht jedoch keinerlei Vorschriften, die als Verwirklichung der durch die Richtlinie verliehenen Rechte angesehen werden können (wie dies hier der Fall ist), stehen zwei Möglichkeiten zur Wahl. Ist der Beklagte (hier das MIBI) offenkundig sachgerecht entweder als „der Staat“ oder als „dem Staat zuzurechnende Stelle“ zu charakterisieren, kann sich der Kläger direkt auf die ihm zustehenden unmittelbar wirksamen Rechte aus der Richtlinie selbst (vertikale unmittelbare Wirkung) berufen und eine Entschädigungsleistung von diesem Beklagten verlangen. Ist dies nicht der Fall, steht als Rechtsbehelf ein Schadensersatzanspruch gegen den Mitgliedstaat nach dem vom Gerichtshof im Urteil Dillenkofer(34) klar formulierten Grundsatz zur Verfügung.

 Erste Frage

35.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die im Urteil Foster dargelegten Kriterien kumulativ oder alternativ anzuwenden sind. Dies ist eine berechtigte Frage. Rn. 18 des Urteils Foster ist alternativ formuliert: „[D]er Gerichtshof [hat] in einer Reihe von Rechtssachen anerkannt, dass sich die Einzelnen auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber Organisationen oder Einrichtungen berufen können, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten“(35). Die Formulierung in Rn. 20 scheint hingegen kumulativ zu sein: „Demgemäß gehört jedenfalls eine Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über das hinausgehen, was für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gilt, zu den Rechtssubjekten, denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können“(36).

36.      Logischerweise liegt der ersten Frage die Prämisse zugrunde, dass die vom Gerichtshof im Urteil Foster bezeichneten Merkmale in einer erschöpfenden Aufzählung die Faktoren benennen, die bei der Beantwortung der folgenden Frage zu berücksichtigen sind: Handelt es sich hier bei dem Beklagten um eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung? Sind die Kriterien alternativ anzuwenden, genügt es, wenn beim zugrunde liegenden Sachverhalt A oder B oder C oder D gegeben ist. Ist eine kumulative Anwendung geboten, müssen A, B, C und D zusammen vorliegen. In jedem Fall ist jedoch das Vorhandensein (oder Fehlen) eines weiteren Faktors (etwa E oder F) ohne Bedeutung. Anders ausgedrückt: Die Prämisse lautet, dass der Gerichtshof im Urteil Foster alle Elemente bezeichnen wollte – und bezeichnet hat –, die für die Beurteilung maßgeblich sind, ob es sich bei einem bestimmten Beklagten um eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung handelt oder nicht.

37.      Meines Erachtens ergibt sich allerdings bei einer näheren Betrachtung der Begründung des Gerichtshofs im Urteil Foster, dass der Gerichtshof nicht den (gewagten) Versuch unternommen hat, alle denkbaren künftigen Fallgestaltungen vorherzusehen, bei denen sich die Frage stellt: Handelt es sich bei diesem Beklagten um eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung? Der Gerichtshof hat vielmehr aus Rechtssachen, die er bereits entschieden hat, diejenigen Feststellungen extrahiert, die notwendig waren, um dem vorlegenden Gericht in jenem konkreten Fall eine Antwort zu geben. Wenn dem so ist, dann folgt daraus logischerweise, dass die erste Frage dahin zu beantworten ist, dass die im Urteil Foster formulierten Kriterien weder alternativ noch kumulativ zur Anwendung kommen.

38.      Daher muss man den Wortlaut des Urteils Foster wie bei einer sorgfältigen archäologischen Ausgrabung untersuchen(37).

39.      Der wesentliche Sachverhalt lässt sich einfach darstellen. Fünf Arbeitnehmerinnen der British Gas Corporation (im Folgenden: BGC) wurden mit Vollendung des 60. Lebensjahrs in den Zwangsruhestand versetzt entsprechend der allgemeinen Praxis der BGC, ihre Arbeitnehmer zu pensionieren, wenn sie das staatliche Ruhestandsalter erreichen (damals mit 60 Jahren bei Frauen und 65 bei Männern). Sie wollten weiterarbeiten und machten vor einem Industrial Tribunal (Arbeitsgericht) geltend, die Praxis der BGC sei zwar nicht durch nationale Rechtsvorschriften verboten, verstoße aber gegen Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates(38). Sie vertraten die Auffassung, dass sie der BGC diese Bestimmung entgegenhalten könnten.

40.      Dem Urteil zufolge wies die BGC folgende charakteristische Eigenschaften auf(39). Gemäß dem Gas Act 1972 (Gasgesetz von 1972) des Vereinigten Königreichs, dessen Regelungen im entscheidungserheblichen Zeitraum auf die BGC anwendbar waren, war diese eine durch Gesetz errichtete juristische Person mit der Aufgabe, in Form eines Monopols ein Gasversorgungssystem in Großbritannien zu errichten und zu unterhalten. Die Mitglieder der BGC wurden vom zuständigen Minister ernannt. Dieser war auch befugt, der BGC im Hinblick auf Angelegenheiten, die das nationale Interesse betrafen, allgemeine Richtlinien vorzugeben sowie Weisungen in Bezug auf ihre Geschäftsführung zu erteilen. Die BGC war verpflichtet, dem Minister regelmäßig Berichte über die Durchführung ihrer Aufgaben, über ihre Geschäftsführung und über ihre Programme vorzulegen. Diese Berichte wurden dann beiden Häusern des Parlaments zugeleitet. Im Übrigen hatte die BGC gemäß dem Gasgesetz von 1972 die Befugnis, mit Zustimmung des Ministers Gesetzesvorschläge im Parlament einzubringen. Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen ging gemäß dem Protokoll der mündlichen Verhandlung außerdem hervor, dass es sich bei der BGC nach englischem Recht um eine „öffentliche Einrichtung“ und einen „Hoheitsträger“ für die Zwecke verschiedener innerstaatlicher Gesetze handelte.

41.      Das Industrial Tribunal (Arbeitsgericht), das Employment Appeal Tribunal (Berufungsgericht in Arbeitssachen) und der Court of Appeal (Berufungsgerichtshof) wiesen die Klage der Arbeitnehmerinnen jeweils ab. Diese legten Rechtsmittel beim House of Lords ein, das ein Vorabentscheidungsersuchen in der schließlich unter dem Aktenzeichen C‑188/89 geführten Rechtssache stellte.

42.      Nach Zurückweisung einer vorab erhobenen Einrede der Unzulässigkeit wendet sich der Gerichtshof in Rn. 16 des Urteils dem Inhalt der zu entscheidenden Frage zu.

43.      Zunächst steckt er den Rahmen ab. Er erinnert erstens daran (Rn. 16), dass die praktische Wirksamkeit von Richtlinien (die die Mitgliedstaaten zu einem bestimmten Verhalten verpflichten) beeinträchtigt würde, wenn die Einzelnen sich vor Gericht hierauf nicht berufen und die staatlichen Gerichte sie nicht berücksichtigen könnten. Dies hatte der Gerichtshof bereits im Jahr 1982 im Urteil Becker(40) ausgeführt. „Daher“ kann ein Mitgliedstaat, der eine Richtlinie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist umsetzt, dem Einzelnen nicht entgegenhalten, „dass er die aus dieser Richtlinie erwachsenen Verpflichtungen nicht erfüllt hat“. „Demnach“ (ein anderer Ausdruck für „daher“) können sich die Einzelnen auf unmittelbar wirksame Bestimmungen einer Richtlinie berufen i) „gegenüber allen innerstaatlichen, nicht richtlinienkonformen Vorschriften“ oder ii) „soweit diese Rechte festlegen, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können“.

44.      Sodann (Rn. 17) erinnert der Gerichtshof an seine frühere Entscheidung im Urteil Marshall(41), wonach es für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung unerheblich ist, in welcher Eigenschaft genau der beklagte Staat handelt (im Urteil Marshall lautete die Formulierung „unabhängig davon …, in welcher Eigenschaft – als Arbeitgeber oder als Hoheitsträger – der Staat handelt“). An dieser Stelle lässt der Gerichtshof erkennen, weshalb seiner Ansicht nach Richtlinien vertikale unmittelbare Wirkung gegenüber Mitgliedstaaten entfalten: „In dem einen wie dem anderen Fall muss nämlich verhindert werden, dass der Staat aus seiner Nichtbeachtung des [Unions]rechts Nutzen ziehen kann“(42).

45.      Im Weiteren (Rn. 18) präzisiert der Gerichtshof die Gruppe von Beklagten, denen gegenüber sich ein Einzelner auf „unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie“ berufen kann (kurz gesagt, die Gruppe derjenigen, die dem Staat zuzurechnende Einrichtungen für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung darstellen). Die einleitende Formulierung „Auf der Grundlage dieser Erwägungen hat der Gerichtshof in einer Reihe von Rechtssachen anerkannt …“ signalisiert dem Leser, dass der Gerichtshof ihm im Folgenden eine abstrakte Formel an die Hand geben wird, deren sämtliche Elemente sich aus der bisherigen Rechtsprechung herleiten lassen.

46.      Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Gerichtshof unmittelbar im Anschluss (Rn. 19) sein Diktum substantiiert, wonach sich alle seine gerade dargelegten Ausführungen aus vorhandener Rechtsprechung herleiten lassen. Die Liste der in der Randnummer genannten Rechtssachen wird eingeleitet mit der Formulierung „So hat der Gerichtshof entschieden …“. Die einzelnen angeführten Rechtssachen – Becker („Finanzbehörden“)(43), Busseni („Finanzbehörden“)(44), Costanzo („Gebietskörperschaften“)(45), Johnston („verfassungsmäßig unabhängige Hoheitsträger, die mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit betraut sind“)(46) und Marshall („mit der Verwaltung des öffentlichen Gesundheitsdienstes beauftragte Behörden“)(47) – lassen sich einem oder mehreren der Elemente zuordnen, die der Gerichtshof in seiner abstrakten Formulierung in Rn. 18 bezeichnet hat.

47.      An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass die Rn. 18 und 19 des Urteils genauso gut in umgekehrter Reihenfolge hätten verfasst werden können. Ob man nun sagt, „i) ich werde jetzt die Kriterien wie folgt in abstrakter Form darlegen, und ii) die charakteristischen Eigenschaften, die ich aufgezeigt habe, werden in den nachstehenden Rechtssachen deutlich, die der Gerichtshof bereits entschieden hat“ (tatsächliche Reihenfolge der Randnummern), oder ob man sagt „i) seht mal, es gibt verschiedene Rechtssachen, die der Gerichtshof bereits entschieden hat und in denen bestimmte charakteristische Eigenschaften aufgezeigt sind, und ii) ich werde jetzt die Kriterien wie folgt in abstrakter Form darlegen“ (umgekehrte Reihenfolge) – die Gedankenführung ist im Wesentlichen dieselbe.

48.      Der Gerichtshof hätte es an dieser Stelle bei der abstrakten Formulierung bewenden lassen können. Genau genommen war es Sache des vorlegenden Gerichts, nach dem Sachverhalt die Frage zu beantworten, ob es sich bei der BGC unter Heranziehung der Kriterien um eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung handelte(48). Das vorlegende Gericht hatte seine Frage jedoch formuliert „War die [BGC] … eine Einrichtung von solcher Art, dass die Rechtsmittelklägerinnen berechtigt sind, sich vor englischen Gerichten unmittelbar auf die [Richtlinie 76/207] für einen Schadensersatzanspruch zu berufen, der mit einem Verstoß der Ruhestandspraxis der [BGC] gegen die Richtlinie begründet wird?“, und der Gerichtshof war offenkundig der Ansicht, dass ihm hinreichende Informationen vorlagen, um eindeutige Hinweise darauf zu geben, wie die Antwort zu lauten habe(49). Die verschiedenen festgestellten konkreten Eigenschaften der BGC genügten für den Nachweis, dass die BGC tatsächlich jedes einzelne der aufgeführten Kriterien erfüllt(50). Der Gerichtshof führt daher im Folgenden (Rn. 20) aus, dass „demgemäß“ eine Einrichtung, die alle der verschiedenen in Rn. 18 genannten Eigenschaften (sowie einige zusätzliche markante Kennzeichen) aufweist, „jedenfalls … zu den Rechtssubjekten [gehört], denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können“(51).

49.      Ich halte inne, denn ich meine, dass die in Rn. 20 angesprochenen zusätzlichen markanten Kennzeichen eher mit der These in Einklang zu bringen sind, dass es in der genannten Randnummer um die Anwendung der abstrakten Formel auf die BGC geht, als mit der These, dass in der Randnummer die Kriterien selbst aufgeführt sind. Erstens ist von einer „Einrichtung … unabhängig von ihrer Rechtsform“ die Rede, wodurch (vielleicht ein wenig salopp) das zuvor aus der Rechtsprechung zu im Wesentlichen öffentlichen Einrichtungen hergeleitete Kriterium auf Einrichtungen ausgedehnt wird, deren „Rechtsform“ teils öffentlich-rechtlich und teils privatrechtlich oder sogar rein privatrechtlich statt ausschließlich öffentlich-rechtlich sein kann(52). Zweitens heißt es, dass die betreffende Einrichtung „kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat“ (in Rn. 18 wird die Erbringung „einer Dienstleistung im öffentlichen Interesse“ nicht ausdrücklich erwähnt). Drittens ist die Einrichtung mit den „besonderen Rechten“, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten, „hierzu“ – d. h. zur Erbringung einer Dienstleistung im öffentlichen Interesse – ausgestattet. Viertens sind zwar drei der Einrichtungen, die in der in Rn. 19 angeführten Rechtsprechung genannt sind, mit „besonderen Rechten“ ausgestattet, die vierte (die Gesundheitsbehörde in der Rechtssache Marshall) hingegen nicht. Damit ist fraglich, ob dieses Merkmal als zwingender Teil der Definition für eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung auszulegen ist. Allerdings war die BGC durchaus mit solchen besonderen Rechten ausgestattet(53). Diese zusätzlichen markanten Kennzeichen zeigen dem nationalen Gericht (in kaum verhüllter Formulierung), dass die Tatsachen, die der Gerichtshof dem Vorlagebeschluss betreffend die BGC entnommen hat, genügen, um die BGC als eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung einzustufen.

50.      Am vielsagendsten ist jedoch die Wendung „gehört jedenfalls“. Dies ist eine Bestätigung dafür, dass der Gerichtshof in Rn. 20 nicht irgendwelche Voraussetzungen allgemeiner Art formulieren oder sämtliche Eventualitäten für die Zukunft abdecken will. Er befasst sich mit dem konkreten Fall und sagt dem nationalen Gericht: „Welche anderen Einrichtungen dem Staat auch zuzurechnen (oder nicht zuzurechnen) sein mögen – eine Einrichtung, die alle diese charakteristischen Eigenschaften aufweist, ist eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung, und das wolltest Du ja wissen“.

51.      Für diese Lesart sprechen auch die Ausführungen von Rn. 20 bis zum Tenor des Urteils. In Rn. 21 erinnert der Gerichtshof an seine frühere Entscheidung im Urteil Marshall(54), wonach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207 die Voraussetzungen für die Entfaltung einer unmittelbaren Wirkung erfüllt. Sodann werden die Rn. 20 und 21 zusammengeführt (Rn. 22 wird als Tenor wiederholt), um auf diese Weise dem vorlegenden Gericht eine präzise Antwort auf die Vorlagefrage zu geben. Die Wendung „gehört jedenfalls“ in Rn. 20 fällt nun im Tenor als überflüssig und sogar unangemessen weg.

52.      Ich gelange zu dem Ergebnis, dass der Gerichtshof im Urteil Foster keinerlei Absicht hatte, die Bestandteile der Kriterien für die Prüfung, was eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung darstellt, erschöpfend und ein für alle Mal aufzuzählen. Er hat eine aus der vorhandenen Rechtsprechung hergeleitete abstrakte Formulierung (Rn. 18) gewählt, die er dann ergänzt durch markante Kennzeichen angewandt hat, um eine Einrichtung zu bezeichnen, die aufgrund ihrer charakteristischen Eigenschaften jedenfalls zu der Gruppe der dem Staat zuzurechnenden Einrichtungen gehört (Rn. 20). Weiter geht die Entscheidung nicht. Weder die Herleitung der konkreten Kriterien aus der vorhandenen Rechtsprechung in Rn. 18 noch die Anwendung der Kriterien in Rn. 20 wollen erschöpfend sein; sowohl Logik als auch gesunder Menschenverstand stehen einer dahin gehenden rückwirkenden Einstufung entgegen.

53.      Folglich lautet die Antwort auf die erste Frage, dass die Kriterien im Urteil Foster zur Beurteilung, was eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ist, nicht in Rn. 20, sondern in Rn. 18 des genannten Urteils zu finden sind. Die dort aufgestellten Kriterien sind weder kumulativ noch alternativ zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um eine nicht erschöpfende Aufzählung der Merkmale, die für eine solche Beurteilung von Bedeutung sein können.

54.      Ehe ich mich der zweiten Frage zuwende, möchte ich mich kurz und am Rande mit einer merkwürdigen Besonderheit der Voraussetzungen befassen, die der Gerichtshof im Rahmen der Kriterien genannt hat, nämlich mit dem Verweis auf „special powers“ („besondere Rechte“) im Englischen. In der französischen Originalfassung, in der der Urteilsentwurf verfasst und beraten wurde, wurde der Begriff „pouvoirs exorbitants“ verwendet – ein Fachterminus des französischen Verwaltungsrechts, der mit „special powers“ nicht besonders passend übersetzt ist(55). Wenn ich richtig verstehe, ist der locus classicus für das Rechtsinstitut der Dienstleistung im öffentlichen Interesse im französischen Verwaltungsrecht die Entscheidung des Tribunal des conflits vom 8. Februar 1873 in der Rechtssache Blanco(56), in der sowohl die Möglichkeit der Staatshaftung für Entschädigungsleistungen aufgrund von Handlungen des „service public“ als auch die ausschließliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (im Gegensatz zu den ordentlichen Zivilgerichten) für die Entscheidung solcher Rechtssachen anerkannt wurde(57). Das Urteil des Conseil d’État in der Rechtssache Bureau Veritas(58) liefert weitere sachdienliche Hinweise zum Begriff „l’exercise des prérogatives de puissance publique … conférées pour l’exécution de la mission de service public dont [la société en question] est investie“ im französischen Recht („die Ausübung der staatlichen Befugnisse …, die verliehen worden sind, damit [die in Rede stehende Gesellschaft] den ihr übertragenen Auftrag zur Erbringung der Dienstleistung im öffentlichen Interesse erfüllen kann“). Allerdings zielt der Wortlaut des Urteils Foster des Gerichtshofs nur insoweit darauf ab, den Begriff „besondere Rechte“ für die Zwecke des Unionsrechts zu definieren, als diese Rechte „über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten“. Ich werde hierauf insbesondere im Rahmen der dritten Vorlagefrage noch einmal zurückkommen(59).

 Zweite Frage

55.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht – in der Annahme, dass es sich bei den im Urteil Foster aufgezählten Kriterien um einen Gesamtkomplex zu berücksichtigender Faktoren (wie ich dies in meinem Vorschlag zur Beantwortung der ersten Frage darlegt habe) und nicht um restriktiv, kumulativ anzuwendende Voraussetzungen handelt – wissen, ob es einen tragenden Grundsatz gibt, der den einzelnen genannten Faktoren zugrunde liegt, die ein nationales Gericht auf den Sachverhalt der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden und anhand deren es festzustellen hat, ob ein bestimmter Beklagter eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ist.

56.      Zunächst muss man sich fragen, inwiefern sich der Rechtsprechung aus der Zeit nach Erlass des Urteils Foster dezidiert entnehmen lässt, ob sich der Gerichtshof seit dem genannten Urteil tatsächlich für eine alternative oder eine kumulative Anwendung der Kriterien entschieden hat (so dass sich die zweite Frage erübrigt) oder ob er dem einen oder anderen der im Urteil dargelegten Faktoren besonderes Gewicht beimisst.

57.      Soweit ich sehe, lautet die kurze Antwort in beiderlei Hinsicht „Nein“; der guten Ordnung halber werde ich diese Rechtsprechung nachstehend jedoch etwas eingehender untersuchen und in der chronologischen Reihenfolge des Erlasses der verschiedenen Urteile abhandeln.

58.      Die erste einschlägige Entscheidung nach dem Urteil Foster war das Urteil in der Rechtssache Kampelmann u. a.(60). Herr Kampelmann und drei Kollegen, die Kläger in den Rechtssachen C‑253/96 bis C‑256/96, waren Arbeitnehmer des Landschaftsverbands, der u. a. für Straßenbau und ‑unterhaltung in Westfalen-Lippe zuständig war und mehrere Landesstraßenbauämter unterhielt(61). Herr Schade (Rechtssache C‑257/96) und Herr Haseley (Rechtssache C‑258/96) waren Arbeitnehmer der Stadtwerke Witten bzw. der Stadtwerke Altena, bei denen es sich um öffentliche Versorgungsbetriebe dieser Städte handelte(62). Sie wollten sich im Rahmen eines Rechtsstreits über ihre Vergütungs- und Fallgruppierung gegenüber ihren jeweiligen Arbeitgebern unmittelbar auf Art. 2 Abs. 2 Buchst. c Ziff. ii der Richtlinie 91/533/EWG des Rates(63) berufen. Im Anschluss an die Feststellung, dass diese Bestimmung unmittelbare Wirkung entfalte(64), stellt der Gerichtshof eine ausführlichere Fassung der in Rn. 18 des Urteils Foster aufgeführten alternativen Liste auf(65) und beantwortet die zweite Frage des nationalen Gerichts mit einer Bekräftigung der Formel aus Rn. 18 des Urteils Foster(66).

59.      In der Rechtssache Collino und Chiappero(67) war Telecom Italia, die Rechtsnachfolgerin einer Reihe von Unternehmen, die Beklagte, der der italienische Staat die ausschließliche Konzession für öffentliche Telekommunikationsdienstleistungen erteilt hatte(68). Die Kläger wandten sich gegen die Bedingungen ihrer Übernahme von der ursprünglichen Konzessionsinhaberin durch die nächste(69). Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hatte objektiv ein Unternehmensübergang stattgefunden, es wies jedoch darauf hin, dass im italienischen Recht eine Sonderregelung eingeführt worden sei, die von dem für den Übergang von Unternehmen im Allgemeinen geltenden Recht abweiche und zu einer Abweisung der Klage führen würde. Das vorlegende Gericht wollte vom Gerichtshof wissen, ob die durch das italienische Gesetz Nr. 58/92 eingeführte abweichende Regelung mit der Richtlinie 77/187/EWG(70) vereinbar sei.

60.      Telecom Italia erhob den Einwand der Unzulässigkeit der Vorlage mit der Begründung, dass das vorlegende Gericht „die Vorschriften der Richtlinie [77/187] auf den Ausgangsrechtsstreit, in dem sich ausschließlich Privatrechtssubjekte gegenüberstünden, ohnehin nicht anwenden könne“(71). Der Gerichtshof stimmte der Beklagten darin zu, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Richtlinie keine horizontale unmittelbare Wirkung entfalten könne, erinnert im Weiteren jedoch sowohl an den Grundsatz der „interprétation conforme“ als auch daran, dass in Fällen, in denen sich der Einzelne gegenüber dem Staat auf eine Richtlinie berufen könne, er dies unabhängig davon tun könne, in welcher Eigenschaft der Staat handele, da nämlich verhindert werden müsse, dass der Staat aus der Nichtbeachtung des (damaligen) Gemeinschaftsrechts Nutzen ziehen könne. Sodann führt der Gerichtshof Rn. 20 des Urteils Foster an, überlässt dem nationalen Gericht die Entscheidung darüber, ob sich die Kläger unmittelbar auf die Richtlinie 77/187 berufen können, und wendet sich im Weiteren den vorgelegten materiell-rechtlichen Fragen zu(72).

61.      In der Rechtssache Rieser Internationale Transporte(73) verlangte das klägerische Speditionsunternehmen die Rückerstattung der seiner Ansicht nach überzahlten Mautgebühren für die Nutzung der Brennerautobahn. Die Beklagte („Asfinag“) war eine Einrichtung, die im Rahmen eines zwischen ihr und dem österreichischen Staat als Alleingesellschafter geschlossenen Lizenzvertrags verantwortlich war für Bau, Planung, Betrieb, Unterhaltung und Finanzierung der österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen, zu denen auch die Brennerautobahn gehört. Das Speditionsunternehmen (und die Kommission) waren der Auffassung, dass die einschlägigen Bestimmungen der in Rede stehenden Richtlinien einer Einrichtung wie Asfinag aufgrund der engen Beziehungen zwischen ihr und dem Staat bei der Verwaltung der österreichischen Autobahnen entgegengehalten werden könnten. Gegen diese Sichtweise wandte sich Asfinag mit der Begründung, sie sei eine Aktiengesellschaft privaten Rechts, ihr Vorstand sei nicht an Weisungen von Organen des österreichischen Staates gebunden, sie nehme keine hoheitlichen Aufgaben wahr und erhebe die Maut auf eigene Rechnung(74).

62.      Nach Darstellung der der vertikalen unmittelbaren Wirkung zugrunde liegenden Grundsätze der Urteile Becker(75), Marshall(76) und Foster(77) bezieht sich der Gerichtshof wörtlich auf die in Rn. 20 des Urteils Foster genannten und im Urteil Collino und Chiappero aufgegriffenen genannten Kriterien(78). Sodann nimmt er eine sorgfältige Würdigung der Angaben des Vorlagebeschlusses vor(79). Diesen lasse sich entnehmen, dass Asfinag eine Einrichtung sei, die kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen habe und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet sei, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgingen(80). Der Gerichtshof gelangt daher zu dem Ergebnis, dass „eine solche Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform zu den Rechtssubjekten [gehört], denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können“(81).

63.      Nach meinem Verständnis des Urteils Rieser Internationale Transporte verfährt der Gerichtshof dort in genau derselben Weise wie zuvor im Urteil Foster. Aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Informationen sah sich der Gerichtshof in der Lage, im Ergebnis festzustellen, dass Asfinag sämtliche im Urteil Foster aufgezählten Voraussetzungen erfüllte. Asfinag „gehörte“ demgemäß „jedenfalls“ zu den Rechtssubjekten, denen ein Kläger die vertikale unmittelbare Wirkung von Richtlinien entgegenhalten kann. Ich möchte hinzufügen, dass die Entscheidung in der Rechtssache Rieser Internationale Transporte jenseits aller Zweifel klarstellt, dass eine Aktiengesellschaft privaten Rechts, deren Vorstand an Weisungen des Staates nicht gebunden ist, dennoch eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung sein kann.

64.      In der Rechtssache Sozialhilfeverband Rohrbach(82) ging es um die Frage, ob Arbeitsverträge der Beschäftigten des öffentlich-rechtlichen Sozialhilfeverbands, auf zwei neue privatrechtliche Gesellschaften mit beschränkter Haftung übergingen, deren Alleingesellschafter der Sozialhilfeverband war. Über die Vorlage wurde im Wege eines mit Gründen versehenen Beschlusses gemäß (jetzt) Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entschieden. Der Gerichtshof scheint in erster Linie auf den Umstand abzustellen, dass die neuen Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom Alleingesellschafter kontrolliert wurden, bei dem es sich seinerseits um eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung handelte. Soweit ich sehe, hat der Gerichtshof eigentlich nicht geprüft, ob der Sozialhilfeverband mit besonderen Rechten ausgestattet war(83).

65.      In der Rechtssache Vassallo(84) war eine Krankenanstalt beklagt, und die Problematik, ob es sich bei dieser Anstalt um eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung handelte, stellte sich im Rahmen eines Unzulässigkeitseinwands. Die Krankenanstalt machte geltend, sie sei weder dem italienischen Staat noch einem Ministerium unterstellt. Sie sei eine selbständige Anstalt mit eigenen Führungskräften, die im Rahmen ihrer Tätigkeit verpflichtet seien, die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts anzuwenden, und diese weder in Frage stellen noch von ihnen abweichen könnten(85). Der Gerichtshof begnügt sich mit der Feststellung, dass das nationale Gericht es nach der Vorlageentscheidung für erwiesen erachtet habe, dass diese Anstalt eine Einrichtung des öffentlichen Sektors sei, die mit der öffentlichen Verwaltung verknüpft sei. Dies betrachtet der Gerichtshof (unter Heranziehung derselben ausführlichen Formulierung der Kriterien für eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung wie im Urteil Kampelmann u. a.) als hinreichend für das Ergebnis, dass der von der Krankenanstalt erhobene Einwand der Unzulässigkeit nicht durchgreife(86). Auch hier ist im Rahmen der vom Gerichtshof durchgeführten Würdigung keine Prüfung des Merkmals „besondere Rechte“ ersichtlich. Es ist auch nicht zwangsläufig wahrscheinlich (vgl. Urteil Marshall), dass eine öffentlich-rechtliche Krankenanstalt mit solchen Rechten ausgestattet ist.

66.      Im Urteil Farrell I bezieht sich der Gerichtshof auf die Kriterien in Rn. 20 des Urteils Foster (und auch auf Rn. 23 des Urteils Collino und Chiappero und Rn. 24 des Urteils Rieser Internationale Transporte), nicht aber auf Rn. 18 des Urteils Foster. Er weist jedoch unmittelbar im Anschluss ausdrücklich darauf hin, dass er nicht über genügend Informationen verfüge, um feststellen zu können, ob das MIBI eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung sei, und überließ die Entscheidung über diese Frage dem nationalen Gericht(87), was im weiteren Verlauf zu der hier in Rede stehenden Vorlage geführt hat.

67.      In der Rechtssache Dominguez(88) hat sich der Gerichtshof (Große Kammer) mit einer Klage gemäß der neugefassten Arbeitszeitrichtline (Richtlinie 2003/88/EG(89)) befasst, die eine Arbeitnehmerin gegen das Centre informatique du Centre Ouest Atlantique (Datenverarbeitungszentrum für die Region Centre Ouest Atlantique) erhoben hatte, bei dem es sich dem Gerichtshof zufolge um „eine auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit tätige Einrichtung“ handelte(90). Der Gerichtshof belässt es bei der Wiedergabe von Rn. 20 des Urteils Foster und führt aus, dass es Sache des nationalen Gerichts sei, zu prüfen, ob eine unmittelbar anwendbare Bestimmung des Unionsrechts (Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88) gegenüber der Beklagten geltend gemacht werden kann(91). Wiederum fehlt eine ausdrückliche Feststellung zu der Frage, ob die Beklagte mit besonderen Rechten ausgestattet ist.

68.      In der Rechtssache Carratù(92) hat sich der Gerichtshof mit Befristungsklauseln in Arbeitsverträgen beschäftigt. Beklagte war Poste Italiane (italienischer Postdienst). Der Gerichtshof hat sich nur knapp zum Vorbringen geäußert, dass die Beklagte eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung sei(93). Er weist auf die Tatsache hin, dass Poste Italiane eine Einrichtung sei, die durch ihren einzigen Anteilseigner, das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen, vollständig im Eigentum des italienischen Staates stehe; ferner unterliege sie der Aufsicht des Staates und der Corte dei Conti (Rechnungshof), wobei ein Mitglied des Rechnungshofs im Aufsichtsrat von Poste Italiane sitze. Angesichts dessen gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass Poste Italiane die kumulative Aufzählung der im Urteil Foster genannten Kriterien erfülle und „zu den Rechtssubjekten gehöre“, denen gegenüber man sich auf die unmittelbare Wirkung berufen könne(94).

69.      Zugegebenermaßen bin ich mir nicht so sicher, dass ich das Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) in der Rechtssache Portgás(95), das er (Dritte Kammer) am selben Tag wie das Urteil Carratù erlassen hat, voll und ganz verstehe.

70.      Zur maßgeblichen Zeit war Portgás eine Aktiengesellschaft portugiesischen Rechts, die Inhaberin einer ausschließlichen Konzession für die öffentliche Gasversorgung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 93/38/EWG des Rates(96) war. Sie erhielt im Wege der Kofinanzierung Mittel im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, die sie insbesondere zur Finanzierung der Anschaffung von Gaszählern verwendete. Nach einer Prüfung ordnete eine Untergliederung des portugiesischen Staates (der Verwalter des Programa Operacional Norte [Operationelles Programm Nord]) die Rückzahlung des Portgás gewährten finanziellen Zuschusses an, weil Portgás gegen die in der Richtlinie 93/38 enthaltenen unionsrechtlichen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßen habe. Diese Vorschriften waren noch nicht in portugiesisches Recht umgesetzt worden. Handelte es sich bei Portgás um eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien und bejahendenfalls konnte sich der portugiesische Staat selbst gegenüber Portgás auf eine nicht umgesetzte Richtlinie berufen?

71.      In seinen Schlussanträgen nimmt Generalanwalt Wahl eine Prüfung in zwei Teilen vor: i) gegenüber wem und ii) von wem können unmittelbar anwendbare Richtlinienbestimmungen „vertikal“ herangezogen werden? Er wählt Rn. 20 des Urteils Foster als Ausgangspunkt, da in der in dieser Randnummer „verwendeten“ Formulierung die vom Gerichtshof in jener Rechtssache festgelegten Kriterien verankert seien(97). Er gelangt zu dem Ergebnis, aus dem Umstand, dass es sich bei Portgás um eine Konzessionsinhaberin für eine öffentliche Dienstleistung und Vertragspartei im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 93/38 handele, folge nicht, dass sie als eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung anzusehen sei, und dass, da das vorlegende Gericht „nicht genügend Informationen zu Portgás übermittelt hat, um festzustellen, ob das genannte Unternehmen zum maßgeblichen Zeitpunkt über besondere Rechte verfügte und der Aufsicht der staatlichen Behörden unterlag, … es nach der im Urteil Foster … zum Ausdruck gebrachten Regel und nach dem vom Gerichtshof in ähnlichen Rechtssachen … herkömmlich verfolgten Ansatz“ Sache des vorlegenden Gerichts sei, zu überprüfen, ob alle diese Voraussetzungen bei Portgás zum maßgeblichen Zeitpunkt vorgelegen hätten(98). Sollte Portgás jedoch eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung sein, so sehe er – Generalanwalt Wahl – keinen Grund, weshalb sich der Staat gegenüber Portgás nicht auf unmittelbar anwendbare Bestimmung der Richtlinie berufen können sollte(99).

72.      In seinem Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 93/38 tatsächlich unbedingt und hinreichend genau sind, um unmittelbare Wirkung zu entfalten(100). Sodann gibt er Rn. 20 des Urteils Foster wieder, wie sie in den Urteilen Collino und Chiappero (Rn. 23), Rieser Internationale Transporte (Rn. 24), Farrell I (Rn. 40) und Dominguez (Rn. 39) aufgegriffen wurde(101). Dieser Rechtsprechung entnimmt der Gerichtshof den Grundsatz, dass „selbst wenn eine Privatperson in den persönlichen Anwendungsbereich einer Richtlinie fällt, [es] nicht möglich [ist], sich gegenüber dieser Person vor nationalen Gerichten auf … [diese] Richtlinie als solche zu berufen“. (Ich stimme dieser Schlussfolgerung zu, meine aber, dass sich dieser Grundsatz aus dem Urteil Faccini Dori(102) und nicht aus der angeführten Rechtsprechung herleiten lässt.)

73.      Danach geht der Gerichtshof sofort zu dem Diktum über: „Der alleinige Umstand, dass ein privates Unternehmen, das Inhaber einer ausschließlichen Konzession für eine öffentliche Dienstleistung ist, zu den ausdrücklich vom persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 93/38 erfassten Einrichtungen gehört, hat somit … nicht zur Folge, dass diesem Unternehmen die Bestimmungen dieser Richtlinie entgegengehalten werden können.“(103) Ich stimme dieser Schlussfolgerung zu, allerdings aus einem etwas anderen Grund. Meines Erachtens legt Art. 2 nur den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 93/38 fest. Er ist ersichtlich zweigeteilt: Art. 2 Abs. 1 Buchst. a (staatliche Behörden oder öffentliche Unternehmen) und Art. 2 Abs. 1 Buchst. b (Auftraggeber, die nicht staatliche Behörden oder öffentliche Unternehmen sind, aber eine der in Art. 2 Abs. 2 genannten Tätigkeiten ausüben, und zwar „auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten …, die von einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats gewährt wurden“). Ich vermag nicht zu erkennen, dass sich aus dieser Festlegung des sachlichen Geltungsbereichs (anhand deren die Frage beantwortet werden kann: „Wer muss dieser Richtlinie nach ihrer Umsetzung nachkommen?“) automatisch auch die Antwort auf andere Frage ergibt: „Wenn diese Richtlinie nicht umgesetzt wurde, können dann ihre unmittelbar anwendbaren Vorschriften allen Rechtssubjekten entgegengehalten werden, die definitionsgemäß in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen?“

74.      Als Nächstes führt der Gerichtshof aus, dass „[d]ie genannte im öffentlichen Interesse liegende Dienstleistung … unter staatlicher Aufsicht erbracht worden und das fragliche Unternehmen mit besonderen Rechten ausgestattet sein [muss], die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen“, und stützt sich dabei auf die Rn. 25 bis 27 des Urteils Rieser Internationale Transporte. Ich habe mich zu dieser Rechtssache bereits geäußert(104). In diesen drei Randnummern des Urteils Rieser Internationale Transporte ging es um die Anwendung von Rn. 20 des Urteils Foster auf den detaillierten Sachverhalt der Rechtssache Rieser Internationale Transporte, und das Ergebnis (in der im Urteil Portgás nicht angeführten Rn. 28) lautete, dass „eine solche Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform zu den Rechtssubjekten [gehört], denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können“(105). Die genannten Randnummern stützen als solche nicht die These, dass sämtliche in Rn. 20 des Urteils genannten Voraussetzungen stets erfüllt sein müssen, bevor ein Rechtssubjekt korrekterweise als dem Staat zuzurechnende Einrichtung einzustufen ist.

75.      Im Weiteren würdigt der Gerichtshof in den Rn. 27 bis 30 die ihm zur Verfügung stehenden Angaben über Portgás. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass – da er nicht über alle notwendigen Informationen für die abschließende Entscheidung verfüge, ob Portgás tatsächlich eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung darstelle – das nationale Gericht die erforderliche Prüfung vorzunehmen habe (Rn. 31, in der die Formulierung aus Rn. 20 des Urteils Foster neu gefasst wird)(106). Im zweiten Teil des Urteils befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob der Staat selbst sich gegenüber einer dem Staat zuzurechnenden Einrichtung auf eine nicht umgesetzte Richtlinie berufen könnte – eine Frage, die der Gerichtshof ebenso wie der Generalanwalt bejaht hat(107).

76.      Meiner Meinung nach hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) im Urteil Portgás die eigentlich heranzuziehenden Kriterien wohl nur unvollständig verstanden. Das Beharren darauf, dass alle in Rn. 20 des Urteils Foster dargestellten Voraussetzungen erfüllt sein müssen, scheint mir auch nicht an irgendeiner anderen Stelle in der Rechtsprechung des Gerichtshofs seit dem Urteil Foster wiederholt zu werden.

77.      Diese Analyse der Rechtsprechung nach Erlass des Urteils Foster führt mich zu der Schlussfolgerung, dass der Gerichtshof sich nicht unbedingt für eine restriktive kumulative Anwendung der Kriterien zur Beurteilung, was eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien darstellt, entschieden hat. Er neigt zwar dazu, Rn. 20 des Urteils Foster häufiger als Rn. 18 jenes Urteils anzuführen. Meines Erachtens hat der Gerichtshof jedoch, was das Ergebnis betrifft, nicht rigoros verlangt, dass sämtliche dort genannten Merkmale gegeben sein müssen. Vielmehr hat er ebenso wie im Urteil Foster in Fällen, in denen er seiner Ansicht nach insoweit über genügend Informationen verfügte, dem nationalen Gericht konkrete abschließende Hinweise gegeben (insbesondere in der Rechtssache Rieser Internationale Transporte). Ansonsten hat er es dem nationalen Gericht überlassen, zu entscheiden, ob die Voraussetzungen erfüllt sind(108).

78.      Selbst wenn ich mit dieser Einschätzung falsch liegen sollte, hat der Gerichtshof, da ihm (der Großen Kammer) die Frage vorliegt, wie eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien zu definieren ist, im gegenwärtigen Vorabentscheidungsverfahren die Gelegenheit, die notwendige Klarstellung vorzunehmen.

 Erkenntnisse aus anderen Bereichen des Unionsrechts

79.      Ich halte an dieser Stelle inne, um zu prüfen, ob drei Bereiche des Unionsrechts – Regelung der staatlichen Beihilfen, Vorschriften über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und Bestimmungen über die öffentliche Auftragsvergabe – weiteren Aufschluss geben können; dabei handelt es sich um Bereiche, in denen sich der Gerichtshof bereits mit Fragen auseinandersetzen musste, die begrifflich von der gegenwärtigen Problematik – nämlich der Präzisierung der im Urteil Foster dargelegten Kriterien zur Feststellung, was eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ist – gar nicht so weit entfernt sind. In allen diesen Bereichen findet sich das Konzept des Staates bzw. der Behörden und der entgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen; bei allen nimmt der Staat Beziehungen zu Einrichtungen oder Unternehmen verschiedener Art auf. Ich sage nicht, dass die Vorschriftenkomplexe, die in diesen Bereichen des Unionsrechts gelten, ohne Weiteres in ihrer Gesamtheit auf den hier in Rede stehenden Fall übertragen werden können. Sie können jedoch sachdienlicherweise den Blick auf die Kriterien lenken, die heranzuziehen sind, um den Begriff „Staat und die ihm zuzurechnenden Einrichtungen“ vom Begriff „Privatpartei“ abzugrenzen.

–       Staatliche Beihilfen (Art. 107 AEUV)

80.      Häufig muss beurteilt werden, ob eine konkrete Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV darstellt. Dabei wird das Kriterium, dass die Finanzierung einer bestimmten Maßnahme zugunsten eines Unternehmens „aus staatlichen Mitteln“ erfolgt, zur Entscheidung der Frage herangezogen, ob die Maßnahme als „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe“ anzusehen ist. Die Finanzierung einer Maßnahme aus staatlichen Mitteln umfasst einerseits die Zurechenbarkeit der Maßnahme an den Staat und andererseits die Verwendung staatlicher Mittel.

81.      Gewährt eine Behörde einem Begünstigten einen Vorteil, so ist diese Maßnahme definitionsgemäß dem Staat zuzurechnen, selbst wenn die betreffende Behörde rechtliche Unabhängigkeit gegenüber anderen Behörden genießt(109). Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht danach zu unterscheiden, ob die Beihilfe unmittelbar vom Staat oder von öffentlichen oder privaten Einrichtungen, die von ihm zur Durchführung der Beihilferegelung errichtet oder beauftragt wurden, gewährt wird(110). Das Gleiche gilt auch, wenn die Behörden eine private oder öffentliche Einrichtung zur Durchführung einer begünstigenden Maßnahme ernennt. Unionsrechtlich kann es nämlich nicht zulässig sein, dass die Vorschriften über staatliche Beihilfen dadurch umgangen werden, dass unabhängige Einrichtungen geschaffen werden, denen die Verteilung der Beihilfen übertragen wird(111).

82.      Wird der Vorteil auf dem Weg über ein öffentliches Unternehmen gewährt, ist es weniger offensichtlich, dass die Maßnahme dem Staat zuzurechnen ist(112). In solchen Fällen muss geprüft werden, ob die Behörden in der einen oder anderen Weise als am Erlass der Maßnahme beteiligt angesehen werden können. Die bloße Tatsache, dass eine Maßnahme von einem öffentlichen Unternehmen getroffen wird, genügt allein noch nicht, die Maßnahme dem Staat zuzurechnen(113). Es braucht jedoch nicht nachgewiesen zu werden, dass die Behörden das öffentliche Unternehmen konkret veranlasst haben, die fraglichen Maßnahmen zu treffen(114).

83.      Da der Staat und die öffentlichen Unternehmen zwangsläufig in enger Beziehung zueinander stehen, besteht die tatsächliche Gefahr, dass staatliche Beihilfen über diese Unternehmen in wenig transparenter Weise und unter Verstoß gegen die im Vertrag vorgesehene Regelung über staatliche Beihilfen gewährt werden(115). Gerade wegen der privilegierten Beziehungen zwischen dem Staat und einem öffentlichen Unternehmen wird es im Allgemeinen für einen Dritten sehr schwierig sein, in einem konkreten Fall nachzuweisen, dass Maßnahmen eines solchen Unternehmens tatsächlich auf Anweisung der Behörden erlassen wurden(116).

84.      Aus diesen Gründen kann die Zurechenbarkeit einer Maßnahme eines öffentlichen Unternehmens an den Staat aus einem Komplex von Indizien abgeleitet werden, die sich aus den Umständen des konkreten Falles und aus dem Kontext ergeben, in dem diese Maßnahme ergangen ist(117).

85.      Was die Verwendung staatlicher Mittel angeht, können im Allgemeinen nur unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährte Vorteile staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen. Die Rechtsprechung zeigt jedoch, dass Mittel privater Einrichtungen unter bestimmten Umständen ebenfalls als staatliche Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gelten können. Die Herkunft der Mittel ist unerheblich, sofern sie, bevor sie unmittelbar oder mittelbar den Begünstigten zugewiesen wurden, unter der öffentlichen Kontrolle und somit den nationalen Behörden zur Verfügung standen(118). Es ist nicht erforderlich, dass die Mittel in das Vermögen der Behörde übergehen(119).

86.      Heißt das, dass immer dann, wenn ein Unternehmen oder eine Einrichtung Finanzmittel aus dem Staatshaushalt erhält und diese Finanzierung unter als staatliche Beihilfe nach Art. 107 AEUV einzustufenden Bedingungen erfolgt, dies ausreicht, um den Begünstigten in eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien zu verwandeln? Ich meine nicht. Private Banken oder Kohlebergwerke, die Beihilfe zur Restrukturierung erhalten haben, würden meines Erachtens also nicht zu dem Staat zuzurechnenden Einrichtungen im Sinne der Rechtsprechung im Urteil Foster werden. Am anderen Ende des Spektrums kann ich mir auch nicht vorstellen, dass der bloße Umstand, dass ein Unternehmen oder eine Einrichtung aus öffentlichen Mitteln für die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen bezahlt wird, dieses Unternehmen bzw. diese Einrichtung zu einer dem Staat zuzurechnenden Einrichtung werden lässt. So würde ein Unternehmen, das im Rahmen eines nach einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren vergebenen Auftrags Büromaterial an ein Ministerium zu liefern hat, nicht von der Definition erfasst.

–       Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

87.      Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV betraut sind, gelten „die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert“(120). Sofern die Unternehmen in den Geltungsbereich dieser Bestimmung fallen, führt die Tatsache, dass sie vom Staat Mittel erhalten oder mit besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgestattet sind, nicht dazu, dass es sich bei der Regelung um (verbotene) staatliche Beihilfe handelt. Die vier Voraussetzungen, die für die Feststellung erfüllt sein müssen, dass ein bestimmtes Unternehmen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringt, wurden in dem bekannten Urteil Altmark(121) festgelegt.

88.      Gemäß der ersten im Urteil Altmark genannten Voraussetzung (der einzigen der vier Voraussetzungen, die für die gegenwärtige Erörterung relevant ist) „muss das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein, und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein“. Dem fügte das Gericht später zwei weitere Anforderungen hinzu, nämlich „das Vorliegen eines Hoheitsakts, der den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern eine Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse überträgt, und der universale und obligatorische Charakter der Aufgabe“, sowie dass „der Mitgliedstaat angeben muss, weshalb er der Auffassung ist, dass die fragliche Dienstleistung es aufgrund ihres besonderen Charakters verdient, als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse eingestuft und von anderen wirtschaftlichen Aktivitäten unterschieden zu werden“(122).

89.      Diese Rechtsprechung in Verbindung mit der Praxis der Kommission bezüglich Unternehmen, die von sich behaupten, sie erbrächten Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse(123), zeigt, dass es bei solchen Dienstleistungen um Aktivitäten geht, die im öffentlichen Aufgabenbereich des Staates liegen und mit deren Erbringung der Staat aus irgendeinem Grund einen Dritten betrauen will. Aus einem etwas anderen Blickwinkel betrachtet bedeutet dies: Die Behörden des Mitgliedstaats (auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene je nach der Befugniszuweisung nach nationalem Recht) stufen die zu erbringenden Dienstleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ein und unterwerfen sie daher spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen. Der Begriff „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ umfasst sowohl wirtschaftliche Tätigkeiten als auch nicht wirtschaftliche Leistungen(124).

90.      Wesentliche Eigenschaft eines Unternehmens, das eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringt, ist, dass es etwas leistet, das dem Allgemeinwohl dient, das aber ohne staatliche Eingriffe am freien Markt überhaupt nicht oder in Bezug auf Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung oder universaler Zugang nur zu anderen Standards durchgeführt würde (sogenannte „Voraussetzung des Marktversagens“)(125). Ein augenfälliges Beispiel wäre der Betrieb einer Apotheke in einem entlegenen ländlichen Gebiet. Daher hat der Gerichtshof festgestellt, dass Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse Dienstleistungen sind, an denen ein allgemeines wirtschaftliches Interesse besteht, das sich von dem Interesse an anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens besonders unterscheidet(126). Nach ständiger Rechtsprechung verfügen die Behörden der Mitgliedstaaten bei der Festlegung dessen, was sie als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erachten, über einen erheblichen Spielraum; die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Bestimmung solcher Dienstleistungen kann von der Kommission nur bei Vorliegen eines offensichtlichen Fehlers in Frage gestellt werden(127). Beachtenswert (wenn auch nicht verwunderlich) ist, dass hinsichtlich Umfang und Organisation von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten je nach Tradition und Üblichkeit staatlicher Eingriffe erhebliche Unterschiede bestehen. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind daher höchst vielgestaltig. Die Bedürfnisse und Präferenzen der Abnehmer werden sich je nach dem geografischen, gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld voneinander unterscheiden. Es ist daher (vernünftigerweise) Sache der Behörden jedes einzelnen Mitgliedstaats, Wesen und Umfang einer von ihnen als Dienstleistung von allgemeinem Interesse eingestuften Dienstleistung festzulegen.

91.      Bei der Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wird der Dienstleister bestimmte Einschränkungen oder bestimmte Aufgaben zu akzeptieren haben, die bei der Erbringung entsprechender Dienstleistungen auf kommerzieller Grundlage nicht gelten würden. Eine nicht erschöpfende Aufzählung dieser Einschränkungen oder Aufgaben könnte umfassen: universelle Erbringung der Dienstleistungen an alle, die sie verlangen (anstelle der Möglichkeit, sich seine Kunden frei auszuwählen); ständige Leistungsbereitschaft (statt frei wählen zu können, ob, wann und wo die Dienstleistungen erbracht werden); Verpflichtung zur Erbringung der Dienstleistung unabhängig davon, ob die Erbringung an einen bestimmten Kunden oder bei Vorliegen bestimmter Umstände unter kommerziellen Gesichtspunkten sinnvoll ist. Im Gegenzug wird das die Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringende Unternehmen in der Regel Vorteil aus der Verleihung von Ausschließlichkeitsrechten bestimmter Art ziehen und vom Staat ein Entgelt erhalten, das über den Preis hinausgeht, der unter normalen Marktbedingungen für die erbrachte Dienstleistung gezahlt würde.

92.      Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse können in einigen Fällen auch mit der Verleihung besonderer Rechte im Sinne der Ausführungen im Urteil Foster verbunden sein (z. B. das Recht zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen Einzelne), jedoch muss dies nicht zwangsläufig der Fall sein. Ich werde auf diesen wichtigen Gesichtspunkt später zurückkommen(128).

–       Öffentliche Auftragsvergabe

93.      Bei der unionsrechtlich geregelten öffentlichen Auftragsvergabe ist der Begriff „Staat“ gleichbedeutend mit dem Begriff „öffentlicher Auftraggeber“. Danach wiederum bestimmt sich, ob ein Auftrag nach den Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe erteilt werden muss oder im Rahmen eines anderen Verfahrens vergeben werden kann(129).

94.      Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU bezeichnet der Ausdruck „‚öffentliche Auftraggeber‘ den Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen“. Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 bedeutet der Ausdruck „‚Einrichtungen des öffentlichen Rechts‘ Einrichtungen mit sämtlichen der folgenden Merkmale: a) Sie wurden zu dem besonderen Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, b) sie besitzen Rechtspersönlichkeit und c) sie werden überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert oder unterstehen hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht dieser Gebietskörperschaften oder Einrichtungen, oder sie haben ein Verwaltungs-, Leitungs- beziehungsweise Aufsichtsorgan, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind“(130).

95.      Diese kumulativen Bedingungen(131) betreffen nicht nur den Rechtsstatus (Rechtspersönlichkeit) der Einrichtung und ihre organisationsrechtliche Beziehung zum Staat (durch Finanzierung oder Kontrolle), sondern auch die öffentliche Aufgabe des öffentlichen Auftraggebers (Erfüllung der im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht gewerblicher Art).

96.      Auf den ersten Blick mag diese Definition enger als die klassische Formulierung der Merkmale im Urteil Foster erscheinen. In seiner Spruchpraxis hat der Gerichtshof sie jedoch weit, flexibel und nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ausgelegt.

97.      So hat der Gerichtshof im Urteil University of Cambridge entschieden, dass „[d]ie Finanzierungsweise einer Einrichtung … zwar auf eine enge Verbindung dieser Einrichtung mit einem öffentlichen Auftraggeber hindeuten [mag], doch ist dieses Merkmal nicht schlechthin ausschlaggebend. Nicht alle Zahlungen eines öffentlichen Auftraggebers begründen oder festigen eine besondere Unterordnung oder Verbindung. Nur die Leistungen, die als Finanzhilfe ohne spezifische Gegenleistung die Tätigkeiten der betreffenden Einrichtung finanzieren oder unterstützen, können als ‚öffentliche Finanzierung‘ eingestuft werden“(132). Somit sei der Ausdruck „‚von [einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern] finanziert‘ in Artikel 1 Buchstabe b Unterabsatz 2 dritter Gedankenstrich der Richtlinien 92/50, 93/36 und 93/37 dahin auszulegen …, dass er Fördermittel oder Zuwendungen, die ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber zur Unterstützung der Forschung gewähren, und Hörgelder, die örtliche Erziehungsbehörden den Universitäten im Hinblick auf die Ausbildung namentlich benannter Studenten gewähren, umfasst. Dagegen stellen Zahlungen, die im Rahmen eines Vertrages über Dienstleistungen einschließlich Forschungsarbeiten oder als Gegenleistung für andere Dienstleistungen wie Gutachten oder die Veranstaltung von Tagungen von einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern getätigt werden, keine öffentliche Finanzierung im Sinne der genannten Richtlinien dar“(133).

98.      Im Urteil Mannesmann Anlagenbau Austria u. a. hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine Einrichtung wie die Österreichische Staatsdruckerei, deren Tätigkeit im Rotations-Heatset-Druck besteht, die aufgrund eines Gesetzes errichtet wurde und die Tätigkeiten ausübt, die von Allgemeininteresse sind, aber auch gewerblichen Charakter haben, als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts und somit als öffentlicher Auftraggeber gilt, so dass die von dieser Einrichtung vergebenen Bauaufträge unabhängig von ihrem Wesen als öffentliche Bauaufträge anzusehen sind(134). Im Wesentlichen hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Einrichtung, sobald sie einen Teil ihrer Aufgabe im Allgemeininteresse erfüllt, bei allen ihren Ausschreibungsverfahren in den Geltungsbereich der Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe fällt.

99.      Im Urteil Adolf Truley hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die Wendung „im Allgemeininteresse liegende Aufgabe“ in der gesamten Union autonom und einheitlich unter Berücksichtigung des Kontexts der Richtlinie auszulegen sei(135). Er hat seinen Standpunkt im Urteil Kommission/Spanien weiter präzisiert und ausgeführt, dass „das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe nicht gewerblicher Art unter Berücksichtigung aller erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände, u. a. der Umstände, die zur Gründung der betreffenden Einrichtung geführt haben, und der Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu würdigen ist, wobei insbesondere das Fehlen von Wettbewerb auf dem Markt, das Fehlen einer grundsätzlichen Gewinnerzielungsabsicht, das Fehlen der Übernahme der mit der Tätigkeit verbundenen Risiken und die etwaige Finanzierung der Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln zu berücksichtigen sind“(136).

100. Im Allgemeinen handelt es sich bei im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben, deren Bestimmung für die Entscheidung maßgeblich ist, ob eine Einrichtung eine öffentliche Aufgabe erfüllt, um Aufgaben, „die zum einen auf andere Art als durch das Anbieten von Waren oder Dienstleistungen auf dem Markt erfüllt werden und die der Staat zum anderen aus Gründen des Allgemeininteresses selbst erfüllen oder bei denen er einen entscheidenden Einfluss behalten möchte“(137).

101. Ich unterbreche kurz für eine Zwischenbilanz und um einige Fragen anzusprechen: Sollten alle Einrichtungen oder Unternehmen, die mit einer öffentlichen Aufgabe, die der ersten im Urteil Altmark genannten Bedingung entspricht, oder mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, als dem Staat zuzurechnende Einrichtungen angesehen werden? Falls das eine oder das andere zu bejahen ist (und wohl auch unabhängig davon, ob dies ein hinreichendes oder nur notwendiges Erfordernis zur Erfüllung der Definitionsmerkmale ist), sollte dann als weitere Bedingung hinzutreten, dass diese öffentliche Aufgabe als solche im legislativen oder regulativen Rahmen klar festgelegt ist? Eine solche zusätzliche Bedingung könnte zur Erhöhung der Rechtssicherheit beitragen, und zwar sowohl für die betreffenden Einrichtungen bzw. das betreffende Unternehmen als auch für die Einzelpersonen, die sich auf den Grundsatz der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien berufen wollen. Sollte außerdem eine Einrichtung, sobald sie eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung in Bezug auf einige der von ihr ausgeübten Tätigkeiten ist, dem Staat bezüglich aller ihrer Tätigkeiten zugerechnet werden, oder wird damit der Anwendungsbereich übermäßig ausgedehnt?

102. Zwei Fallkonstellationen mögen an dieser Stelle die praktischen Probleme verdeutlichen, die entstehen, wenn man die Kriterien aus dem Urteil Foster in ihrer gegenwärtigen Form anwendet.

103. In meinem ersten Beispiel ist X ein Unternehmen, das Sicherheitsdienstleistungen erbringt. Es hat zwei Verträge geschlossen. Einen mit einer großen privaten Anwaltskanzlei, die sicherstellen möchte, dass in ihren Büroräumlichkeiten geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Der andere Vertrag wurde mit der Staatsregierung geschlossen, die bestimmte Wachpflichten in einer Haftanstalt mit mittlerer Sicherheitsstufe „ausgelagert“ hat. Objektiv betrachtet sind die tatsächlich erbrachten Dienstleistungen in beiden Fällen nahezu identisch. Beim ersten Vertrag handelt es sich um einen normalen privatrechtlichen Vertrag zwischen zwei Privatparteien. Beim zweiten Vertrag hat X eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen, die ihr der Staat übertragen hat. X übt im Wege der Delegation die eigenen hoheitlichen Befugnisse des Staates aus und ist im Übrigen mit besonderen Rechten ausgestattet (insbesondere mit dem Recht des Freiheitsentzugs).

104. In meinem zweiten Beispiel ist Y ein Unternehmen, das Fährverkehrsleistungen erbringt. Es verkehrt auf zwei Strecken. Eine Strecke ist populär mit vielen potenziellen Kunden sowohl für den Fracht- als auch für den Passagierbetrieb. Zwei weitere Unternehmen stehen auf dieser Route im Wettbewerb mit Y, aber es gibt immer noch lukrative Möglichkeiten, so dass Y sich je nach der Nachfragesituation aussuchen kann, wie intensiv sie die Fährverkehrsdienstleistungen erbringen will. Der Betrieb der Strecke stellt ein solides kommerzielles Geschäft dar. Die andere Route verläuft zwischen dem Festland und einer kleinen abgelegenen Insel. Der Fährdienst ist die Lebensader, die die Insel mit der übrigen Welt verbindet. Der Dienst wurde früher unter direkter kommunaler Kontrolle betrieben, jedoch hat die Kommune nunmehr den Vertrag öffentlich ausgeschrieben, um einen (einzigen) Dienstleister zu beauftragen. Der Betrieb dieser Strecke ist das genaue Gegenteil eines soliden kommerziellen Geschäfts. Der öffentliche Auftraggeber hat vorgegeben, dass der Fährbetrieb das ganze Jahr hindurch bei jeder Wetterlage und unabhängig vom Passagier- oder Frachtaufkommen auf einzelnen Schiffen und einzelnen Überfahrten aufrechterhalten wird. Y bewirbt sich um den Auftrag und erhält den Zuschlag. Beim Betrieb der ersten Strecke handelt Y als normales gewerbliches Unternehmen. Beim Betrieb der zweiten Strecke erfüllt Y eine öffentliche Aufgabe. Der Fährverkehr zu der Insel fällt eindeutig in die Kategorie der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Mit den von der Kommune gestalteten Vorgaben ist der Vertrag aus rein gewerblicher Sicht eigentlich nicht sehr attraktiv. Y mag sich zwar um eine Vorzugsbehandlung oder Ausschließlichkeitsklausel bzw. um besondere Rechte irgendwelcher Art bemüht haben, jedoch sind diese Merkmale für die Erbringung der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht unbedingt erforderlich und daher möglicherweise nicht gewährt worden.

105. Anhand dieser beiden Illustrationen lässt sich erkennen, dass je nach den genauen Umständen ein und dieselbe Einrichtung in Bezug auf einige ihrer Tätigkeiten dem Staat zuzurechnen ist, in Bezug auf andere jedoch nicht. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Differenzierung nicht auf der Eigenschaft beruht, in der die Einrichtung handelt. Den Urteilen Marshall und Foster lässt sich entnehmen, dass es auf die Eigenschaft nicht ankommt, und in der Tat handeln bei den zwei Fallkonstellationen, die ich in meinen beiden Beispielen dargestellt habe, X und Y jeweils in derselben Eigenschaft. Der entscheidende Unterschied zwischen den Beispielen besteht vielmehr darin, dass in dem einen Fall die Einrichtung rein gewerblich handelt, während dieselbe Einrichtung in dem anderen Fall mit einer öffentlichen Aufgabe betraut ist. Aus den beiden Darstellungen ist zudem auch ersichtlich, dass X bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe über „besondere Rechte“ verfügt, Y hingegen nicht.

106. Vor diesem Hintergrund kehre ich jetzt wieder zu der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts zurück.

107. Erstens meine ich, dass sich das im Kern zugrunde liegende Prinzip klar aus der Rechtsprechung ergibt. Dieses lautet, dass sich ein Einzelner gegenüber dem Staat auf genaue und unbedingte Bestimmungen einer Richtlinie unabhängig davon, in welcher Eigenschaft der Staat handelt, berufen kann, weil nämlich „verhindert werden [muss], dass der Staat aus seiner Nichtbeachtung des [Unions]rechts Nutzen ziehen kann“(138).

108. Zweitens weise ich auf den (vielleicht offensichtlichen) Gesichtspunkt hin, dass die Gewährung von Rechten an die Einzelnen häufig ihren Preis hat. So hat etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, die Gewährung von Beschäftigungsschutzrechten zur Folge, dass der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen hat oder Schadensersatz wegen Verletzung des Arbeitsvertrags leisten muss.

109. Drittens muss die Zurechenbarkeit an den Staat für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung ein autonomer Begriff des Unionsrechts sein. Dieser Begriff ist direkt entscheidend dafür, wer sich auf unmittelbar wirksame Rechte, die von einer Richtlinie gewährt werden, die ein Mitgliedstaat nicht fristgerecht umgesetzt hat, berufen kann und wer nicht. Das grundlegende Erfordernis, dass das Unionsrecht in der gesamten Union einheitlich angewendet werden muss(139), steht der Festlegung einer Definition entgegen, deren Geltungsbereich je nach dem variieren kann, wie in den verschiedenen nationalen Rechtssystemen die Begriffe „öffentliche Dienstleistung“ oder „besondere Rechte“ oder das, was als „Staat“ im Sinne des nationalen Verfassungsrechts einzustufen ist, definiert sind.

110. Viertens muss die unionsrechtliche Definition dessen, was eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung darstellt, zwangsläufig gerade wegen der Vielfalt der nationalen Begrifflichkeiten und Festlegungen abstrakt formuliert sein.

111. Fünftens hat sich seit dem Erlass des Urteils Foster des Gerichtshofs im Jahr 1990 vieles verändert. Zahlreiche Mitgliedstaaten erbringen vermehrt Aufgaben nicht mehr „intern“. Die Rechtsnatur der Rechtssubjekte, die sie mit diesen Aufgaben betrauen, ist ebenfalls vielgestaltiger geworden. Der Trend zur Privatisierung staatlicher Vermögenswerte und damit einhergehend der Pflichten, die zuvor dem Staat oblagen (wie dies in der Rechtssache Marshall der Fall war), ist noch keineswegs zum Stillstand gekommen, so dass es mittlerweile ebenso häufig vorkommt, dass diese Pflichten im Wege der „Umstellung auf Verträge“ oder der Konzessionserteilung auf sogenannte „öffentlich-private Partnerschaften“ übertragen werden.

112. Vorab wollen wir klarstellen, worauf es für die Zwecke der Definition nicht ankommt.

113. Zunächst ergibt sich aus dem Urteil Foster selbst und aus der nachfolgenden Rechtsprechung (vor allem aus den Urteilen Rieser Internationale Transporte und Sozialhilfeverband Rohrbach), dass die Rechtsform des Beklagten ohne Belang ist(140).

114. Sodann steht ebenfalls fest, dass „der Staat“ nicht zur Ausübung der alltäglichen Aufsicht oder Leitung des Betriebs der betreffenden Einrichtung in der Lage sein muss(141). Insoweit bin ich der Meinung, dass der Verweis in der früheren Formulierung der Kriterien auf Einrichtungen, „die der Aufsicht des Staates unterstehen“, mittlerweile überholt ist.

115. Außerdem ist offenkundig, dass in Fällen, in denen die betreffende Einrichtung doch dem Staat oder dessen Aufsicht untersteht, diese Einrichtung als dem Staat zuzurechnende Einrichtung zu qualifizieren ist(142). Dies ist meiner Ansicht nach auch vollkommen berechtigt: Der Staat ist dann nämlich verpflichtet, für die Beachtung der Rechte zu zahlen, die durch die Richtlinie gewährt werden, die er in nationales Recht hätte umsetzen müssen.

116. Entsprechend ist jede Untergliederung des „Staatsapparats“ – etwa Gebietskörperschaften und dergleichen – nahezu selbstverständlich dem Staat zuzurechnen. Organisationsrechtlich können diese nämlich schlichtweg als Teil des Staates angesehen werden und sollten daher fraglos als ein solcher behandelt werden(143).

117. Meiner Meinung nach bedarf der Verweis in der früheren Formulierung der Kriterien auf Einrichtungen, „die dem Staat unterstehen“ an dieser Stelle ebenfalls einer näheren Erläuterung. Meiner Ansicht nach ergibt sich aus der nach dem Urteil Foster ergangenen Rechtsprechung, dass die Formulierung dahin zu verstehen ist, dass der Staat die Umstände und Regelungen geschaffen hat, in deren Rahmen die Einrichtungen handeln müssen.

118. Abschließend ist festzuhalten, dass auch die Frage der Finanzierung ohne Bedeutung ist. Eine Finanzierung durch den Staat ist nicht Voraussetzung dafür, um ihm zugerechnet werden zu können(144).

119. Die übrigen Kernmerkmale des Komplexes, die in ihrer Gesamtheit die Kriterien für die Entscheidung darstellen, ob eine konkrete Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien dem Staat zuzurechnen ist oder nicht, beinhalten einen funktionalen Lösungsansatz („Übt die betreffende Einrichtung Funktionen aus, die in gewisser Weise ‚staatsähnlich‘ sind?“)(145). Meiner Ansicht nach erfordern diese Merkmale – zumindest was die im Urteil Foster und in der nachfolgenden Rechtsprechung formulierten Kriterien angeht –, i) dass der Staat die betreffende Einrichtung mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betraut hat, die er auch selbst unmittelbar wahrnehmen könnte, und ii) dass der Staat die Einrichtung mit zusätzlichen Rechten irgendwelcher Art ausgestattet hat, die der Einrichtung die effektive Erfüllung ihrer Aufgabe ermöglichen sollen (dies ist lediglich eine andere Formulierung für „[besondere Rechte], die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten“). Das erste Merkmal erfasst viele verschiedene Formen öffentlicher Aufgaben, vom Betrieb von Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen über die Unterhaltung von Haftanstalten bis hin zur Gewährleistung wesentlicher Dienste in entlegenen Gegenden des Staatsgebiets. Das zweite Merkmal ergibt sich häufig als zwangsläufige Folge der Beauftragung einer solchen Einrichtung mit einer öffentlichen Aufgabe.

120. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die zweite Frage dahin zu beantworten, dass das nationale Gericht zur Bestimmung, ob ein bestimmter Beklagter für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien dem Staat zuzurechnen ist, folgende Kriterien zu beachten hat:

1.      Die Rechtsform der betreffenden Einrichtung ist ohne Belang.

2.      Es ist nicht erforderlich, dass der Staat zur Ausübung der alltäglichen Betriebsaufsicht über die betreffende Einrichtung oder zur Leitung des Betriebs der Einrichtung in der Lage ist.

3.      Untersteht die betreffende Einrichtung dem Staat oder dessen Aufsicht, muss diese Einrichtung als dem Staat zurechenbar angesehen werden, ohne dass es der Prüfung bedarf, ob andere Kriterien erfüllt sind.

4.      Gebietskörperschaften oder vergleichbare Einrichtungen sind automatisch als dem Staat zurechenbar anzusehen.

5.      Es ist nicht erforderlich, dass die betreffende Einrichtung vom Staat finanziert wird.

6.      Hat der Staat die betreffende Einrichtung sowohl mit der Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung betraut, die er andernfalls möglicherweise unmittelbar selbst erbringen müsste, als auch mit zusätzlichen Rechten irgendwelcher Art ausgestattet, damit sie in der Lage ist, ihre Aufgabe effektiv zu erfüllen, ist die betreffende Einrichtung in jedem Fall als dem Staat zurechenbar anzusehen.

Bei seiner Prüfung hat das nationale Gericht das zugrunde liegende tragende Prinzip zu beachten, wonach sich ein Einzelner gegenüber dem Staat auf genaue und unbedingte Bestimmungen einer Richtlinie unabhängig davon berufen kann, in welcher Eigenschaft der Staat handelt, weil nämlich verhindert werden muss, dass der Staat aus seiner Nichtbeachtung des Unionsrechts Nutzen ziehen kann.

121. Ich setze mich mit der Frage, ob in Fällen, in denen eine Einrichtung wie oben in Nr. 120 Ziff. 6 beschrieben mit der Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung betraut worden ist, die Verleihung „besonderer Rechte“ durch den Staat unabdingbare Voraussetzung ist, nachstehend in meiner Antwort auf die dritte Frage auseinander.

 Dritte Frage

122. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat einer Einrichtung (wie dem MIBI) eine weit gefasste Verantwortlichkeit übertragen hat, um vorgeblich unionsrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen, genügt, um die Einrichtung als dem Staat zurechenbar für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung einstufen zu können, oder ob es außerdem erforderlich ist, dass die Einrichtung i) mit besonderen Rechten ausgestattet ist oder ii) unter direkter Leitung oder Aufsicht des Mitgliedstaats tätig ist, bevor ein Einzelner dieser Einrichtung eine unmittelbar anwendbare Richtlinienbestimmung entgegenhalten kann?

123. Vorab weise ich darauf hin, dass Richtlinien in unterschiedlichster Form und in unterschiedlichstem Umfang erlassen werden. Einige, wie etwa verschiedene Richtlinien über Beschäftigungsverhältnisse, begründen – vorbehaltlich spezifischer Ausnahmen in begrenzten Fällen – Rechte und Pflichten generell für alle Arbeitnehmer und alle Arbeitgeber(146). Andere legen Rahmenbedingungen fest, innerhalb deren bestimmte aus dem Unionsrecht hergeleitete Rechte auszuüben sind(147) oder geben vor, wie bestimmte Wirtschaftssektoren zu regeln sind(148). Wieder andere verpflichten die Mitgliedstaaten, einer spezifischen Stelle bestimmte Aufgaben zu übertragen, die aufgrund der durch die Richtlinie begründeten Rechte und Pflichten erfüllt werden müssen.

124. So verhält es sich hier. Offenkundig ist die Verpflichtung, sicherzustellen, dass Fahrer gegen das Risiko versichert sind, das bei dem von Frau Farrell erlittenen Unfall zutage getreten ist, unmittelbar im Unionsrecht normiert, nämlich in Art. 1 der Dritten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie. Zuvor waren die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 4 Unterabs. 1 der Zweiten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie verpflichtet, einen Mechanismus zur Regelung des Eventualfalls zu schaffen, dass ein Fahrer, der gegen das von der Versicherungspflicht gedeckte Risiko nicht versichert ist, einen Unfall verursachen könnte. Gemäß diesen beiden Verpflichtungen im Verbund musste Irland gewährleisten, dass die Haftung eines Fahrers gegenüber einer Mitfahrerin in der Lage von Frau Farrell entweder vom eigenen Versicherer des Fahrers oder (falls der Fahrer nicht ermittelt oder nicht versichert ist) von der Stelle übernommen wird, die Irland mit der Regelung solcher Ansprüche beauftragt hat.

125. Als Mitgliedstaat hatte Irland die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten zur Umsetzung der letztgenannten Verpflichtung. So hätte es etwa einem Ressort der Regierung selbst (wie etwa dem Verkehrsministerium) die Verantwortung für die Erfüllung von Ansprüchen der durch nicht versicherte Fahrer Geschädigten übertragen können. Irland hätte eine neue eigenständige öffentlich-rechtliche Stelle schaffen und sie mit dieser Aufgabe betrauen können – oder Irland konnte so verfahren, wie es das tatsächlich letztlich auch getan hat, nämlich einer bestehenden privatrechtlichen Stelle mit artverwandten Aufgaben zusätzlich die neuen aus Art. 1 der Dritten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie erwachsenden Verantwortlichkeiten übertragen.

126. Zweitens handelt es sich hier – wie die Kommission zutreffend ausführt – insofern um einen ungewöhnlichen Fall, als Zweck des MIBI u. a. genau die Bearbeitung von Ansprüchen ist, die Personen, die durch nicht versicherte Fahrer geschädigt wurden, geltend machen. In diesem konkreten Kontext stellt sich die Frage, ob das MIBI auch diesen spezifischen Anspruch zu erfüllen hat, obwohl Irland zur maßgeblichen Zeit nicht alle seine unionsrechtlichen Verpflichtungen korrekt in nationales Recht umgesetzt und dem MIBI die Verantwortung für die Übernahme dieser Haftung (noch) nicht übertragen hatte. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von Sachverhalten wie dem dem Urteil Marshall zugrunde liegenden(149), bei dem der Beklagte aus anderen Gründen in einem vollkommen anderen Kontext als dem Staat zurechenbar angesehen wurde und daher verpflichtet war, den unmittelbar anwendbaren Arbeitnehmerrechten, die Frau Marshall aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207 herleiten konnte, Wirkung zu verleihen. Vorliegend gehörte das unmittelbar wirksame Recht, das Frau Farrell nach Art. 1 der Dritten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie geltend machen möchte (Schadensersatz für Verletzungen, die sie als Fahrzeuginsassin in einem Kraftfahrzeug erlitt), gerade zu der Art von Rechten, für deren Bearbeitung Irland bereits eine Auffanghaftpflicht des MIBI für Fälle vorgesehen hatte, in denen der Fahrer nicht ermittelt oder nicht versichert ist.

127. Dennoch ist die dritte Frage für die Anwendung des Unionsrechts innerhalb der gesamten Union von genereller Bedeutung. Ich möchte daher dem Gerichtshof (Große Kammer) dringend empfehlen, sie nicht in einem engen Sinne zu beantworten (indem er z. B. darauf abstellt, dass alle in Irland tätigen Kfz-Versicherungsunternehmen Mitglieder des MIBI sein müssen, was als eine Variante des Themas „besondere Rechte“ verstanden werden könnte(150)), sondern sich vielmehr mit der (wesentlichen) Grundsatzfrage des vorlegenden Gerichts auseinanderzusetzen.

128. Wie in meiner Antwort auf die zweite Frage dargelegt, genügt die Ausstattung mit besonderen Rechten oder der Umstand, dass die Einrichtung unmittelbar dem Staat oder dessen Aufsicht untersteht, um die betreffende Einrichtung dem Staat zuzurechnen. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eines dieser Merkmale ein notwendiger Faktor der zugrunde liegenden Gleichung ist. Oder genügt es, dass die Verpflichtung zur Erfüllung von Aufgaben, die andernfalls der Mitgliedstaat selbst durchführen müsste, der betreffenden Einrichtung übertragen wurde?

129. In diesem Zusammenhang gewinnt vor allem der Begriff „besondere Rechte“ Bedeutung. Um die Funktion dieses Begriffs zu verstehen, ist es sachdienlich, sich noch einmal dem Urteil Foster zuzuwenden.

130. Wie ich oben in Nr. 52 ausgeführt habe, wollte der Gerichtshof keineswegs eine erschöpfende und endgültige Liste von Kriterien festlegen. Er fasste vielmehr die bisherige Rechtsprechung in einer Formel zusammen.

131. So hat der Gerichtshof in Rn. 18 des Urteils Foster darauf hingewiesen, er habe in einer Reihe von Rechtssachen anerkannt, dass eine vertikale unmittelbare Wirkung zum Tragen kommen könne, wenn Organisationen oder Einrichtungen „dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind“(151). In Rn. 19 hat er vier Rechtssachen angeführt. Bei drei dieser Rechtssachen ging es um Einrichtungen (Finanzbehörden, Gebietskörperschaften und eine öffentlich-rechtliche Krankenanstalt), die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstanden und somit die Kriterien erfüllten. Die ersten beiden hätten die Kriterien vielleicht auch aufgrund der Rechte erfüllt, die ihnen offensichtlich zustanden, für die öffentlich-rechtliche Krankenanstalt gilt dies hingegen nicht. Die vierte Rechtssache (Johnston) betraf einen verfassungsmäßig unabhängigen Hoheitsträger, der mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit betraut ist. Zu diesem Zweck war er übrigens mit besonderen Rechten ausgestattet worden.

132. Meines Erachtens hat sich der Gerichtshof mit dem Verweis auf die Rechtssache Johnston einen Sachverhalt ausgesucht, bei dem die Kriterien erfüllt sind, die der Gerichtshof soeben dargelegt hatte, und zwar nicht (wie bei den anderen Beispielsfällen) deshalb, weil die betreffende Einrichtung „dem Staat oder dessen Aufsicht untersteht, sondern weil sie mit „besonderen Rechten“ ausgestattet ist. Dadurch hat der Gerichtshof ein wesentliches Merkmal jener Rechtssache hervorgehoben.

133. In diesem Kontext ist es interessant, dass im Urteil Johnston der Ausdruck „besondere Rechte“ tatsächlich gar nicht verwendet wird. Vielmehr wählt der Gerichtshof dort die Bezeichnung „Hoheitsträger, der vom Staat mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit betraut ist“(152). Der Gerichtshof fügt hinzu, dass ein solcher Hoheitsträger „aus der Missachtung des [Unions]rechts durch den Staat, von dem er seine Stellung herleitet, keinen Nutzen ziehen [kann]“.

134. An dieser Stelle sind einige weitere Punkte zu beachten.

135. Erstens ist im Urteil Foster (und übrigens auch in der nachfolgenden Rechtsprechung) nicht festgelegt, was der Ausdruck „besondere Rechte“ eigentlich bedeutet. Es heißt lediglich, dass solche Rechte „über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten“. Da die im Urteil Foster aufgestellten Kriterien innerhalb der gesamten Union einheitlich anzuwenden sind, muss der Begriff – wenn das Merkmal weiterhin zu den Kriterien gehören soll – eine autonome Bedeutung im Unionsrecht haben. Dennoch hat 20 Jahre nach dem Erlass des Urteils Foster ein Begriff, der einem einzigen nationalen Rechtssystem entliehen ist(153), immer noch keine klare, unionsrechtlich autonome Bedeutung erlangt.

136. Zweitens lässt meine Untersuchung der nach dem Urteil Foster ergangenen Rechtsprechung(154) keine durchgängig angewendete Methode für die Prüfung und Ermittlung der besonderen Rechte im Einzelfall erkennen. Einrichtungen, die für den Straßenbau oder die Energieversorgung verantwortlich sind(155), der alleinige Konzessionsinhaber für die Erbringung öffentlicher Telekommunikationsdienstleistungen(156), das Privatunternehmen, das ein nationales Mautsystem für Autobahnen betreibt(157), Sozialhilfeverbände(158), eine öffentlich-rechtliche Krankenanstalt(159), eine auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit tätige Einrichtung(160) und der Postdienst eines Mitgliedstaats(161) hatten allesamt öffentliche Aufgaben zu erfüllen. Den Sachverhaltsangaben in den Urteilen lässt sich wesentlich weniger eindeutig entnehmen, dass die Einrichtungen unbedingt auch mit besonderen Rechten ausgestattet waren. Im Urteil Portgás(162) hat der Gerichtshof ausdrücklich entschieden, dass die Ausstattung einer Einrichtung mit besonderen und ausschließlichen Befugnissen gemäß einem Konzessionsvertrag nicht bedeutet, dass die Einrichtung unbedingt über besondere Rechte verfügt, und hat diese konkrete Frage an das nationale Gericht zur näheren Prüfung verwiesen(163).

137. Drittens mögen zwar zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe häufig zusätzliche Befugnisse irgendwelcher Art notwendig sein, es steht jedoch nicht fest, dass sie in allen Fällen erforderlich sind. Am deutlichsten wird das Vorhandensein solcher Befugnisse vielleicht bei Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. In vielen Wirtschaftssektoren (wie z. B. in den Bereichen der Telekommunikations-, Wasser-, Gas- und Stromversorgung) kann der Staat heutzutage besondere oder ausschließliche Rechte gewähren(164).

138. Ich gelange zu dem Ergebnis, dass das Erfordernis, dass die betreffende Einrichtung auch mit „besonderen Rechten“ ausgestattet ist, um dem Staat zugerechnet zu werden, nicht erforderlich und daher ungerechtfertigt ist.

139. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass nicht jede Person oder Einrichtung, die Tätigkeiten im Allgemeininteresse ausübt, dem Staat zuzurechnen ist. Ich möchte hierzu Folgendes anmerken.

140. Erstens muss es sich um eine „Einrichtung“ handeln, worunter ich eine juristische Person verstehe. Eine natürliche Person kann niemals dem Staat zuzurechnen sein.

141. Zweitens ist in Fällen, in denen eine Einrichtung mehrere Funktionen erfüllt, von denen einige eine Aufgabe betreffen, die der Staat der Einrichtung übertragen hat, andere hingegen nicht, kann die Einrichtung nur im Hinblick auf die erstgenannte Kategorie von Funktionen dem Staat zuzurechnen sein. Insoweit befürworte ich also einen abweichenden Ansatz von dem, den der Gerichtshof in Rechtssachen betreffend die öffentliche Auftragsvergabe verfolgt hat(165). Während eine Einrichtung, die ein „öffentlicher Auftraggeber“ im Sinne der Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe ist, infolgedessen stets jenen konkreten Bereich des Unionsrechts zu beachten und einzuhalten hat(166), gibt es bei einer Einrichtung, die für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien dem Staat zuzurechnen ist, potenziell viel mehr und weniger klar umrissene unionsrechtliche Vorschriften, die ihr von einer Privatperson entgegengehalten werden können. Daher erscheint es unangebracht, in solchen Fällen nach dem Motto „einmal erfasst, immer erfasst“ zu verfahren.

142. Drittens muss die anvertraute Aufgabe die Kerntätigkeit der betreffenden Einrichtung oder gegebenenfalls ihrer betreffenden Untergliederung darstellen.

143. Viertens muss die betreffende Einrichtung eine Tätigkeit ausüben, die im Allgemeininteresse liegt. Es muss sich um eine Aufgabe handeln, die ihr vom betreffenden Mitgliedstaat anvertraut worden ist und die, wenn sie nicht von der Einrichtung erfüllt würde, stattdessen vom Staat selbst wahrgenommen würde.

144. Dabei umfasst der Begriff „Aufgabe“ Tätigkeiten, die aus anderen als rein gewerblichen Gründen ausgeübt werden. Mit anderen Worten, es muss in irgendeiner Form eine Dienstleistung im Allgemeininteresse vorliegen. So fällt etwa ein nationaler Postdienst mit der Verpflichtung, Post landesweit an jede Anschrift zuzustellen, in diese Kategorie, die Bereitstellung eines örtlichen Zustelldienstes, der ausschließlich in Gewinnerzielungsabsicht durchgeführt wird, hingegen nicht.

145. Ich möchte hinzufügen, dass die Auffassung darüber, was eine im Allgemeininteresse erfüllte Aufgabe darstellt, von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren kann(167). So mag z. B. ein Mitgliedstaat es für seine Pflicht erachten, dafür zu sorgen, dass alle seine Bürger an ein Glasfaserbreitbandnetz angeschlossen sind, während ein anderer Mitgliedstaat entscheiden mag, dass dies allein eine Sache der Marktkräfte ist. Im erstgenannten Fall dürfte eine mit dieser Aufgabe betraute Einrichtung dem Staat zuzurechnen sein. Im letztgenannten Fall wird dies auf ein Unternehmen des Privatsektors, das dieselbe Versorgungsleistung erbringt, nicht zutreffen.

146. Meiner Meinung nach muss aus Gründen der Rechtssicherheit sowohl für die betreffenden Einrichtungen als auch für die Einzelnen, die eine Klage gegen diese erheben wollen, die öffentliche Ausgabe als solche durch die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften klar definiert sein.

147. Dementsprechend schlage ich dem Gerichtshof vor, die dritte Frage dahin zu beantworten, dass die in der Antwort auf die zweite Frage dargelegten Kriterien auch dann Anwendung finden, wenn ein Mitgliedstaat einer Einrichtung eine weit gefasste Verantwortlichkeit übertragen hat, um vorgeblich unionsrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. Es ist nicht erforderlich, dass eine solche Einrichtung mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten.

 Nachtrag

148. Die Erarbeitung der vorliegenden Schlussanträge und des Vorschlags einer Antwort auf die drei Vorlagefragen erfolgte zwangsläufig vor dem Hintergrund der (verzwickten) Frage, ob der Gerichtshof im Urteil Faccini Dori(168) zu Recht eine horizontale unmittelbare Wirkung verneint hat(169), und zwar entgegen der von Generalanwalt Lenz in jener Rechtssache(170) ausgesprochenen Empfehlung und entgegen der Argumentation von zwei anderen Generalanwälten in vorausgegangenen Rechtssachen(171). Ich bin von der Arbeitshypothese ausgegangen, dass der Gerichtshof den vorliegenden Fall nicht als geeigneten Anlass zur Eröffnung einer erneuten Diskussion ansehen wird.

149. Meines Erachtens ist jedoch darauf hinzuweisen, dass, da die Rechtsform des Beklagten unerheblich ist – und zwar seit dem Urteil Foster selbst –, für die Frage, ob der Beklagte dem Staat zuzurechnen ist, der Gerichtshof bereits anerkannt hat, dass eine Einrichtung des Privatrechts verpflichtet sein kann, im Fall einer Klage einer anderen Privatperson den in einer Richtlinie vorgesehenen unmittelbar wirksamen Rechten Wirkung zu verschaffen. Damit hat der Gerichtshof in Wirklichkeit selbst bereits eine begrenzte Form von horizontaler unmittelbarer Wirkung gutgeheißen.

150. Im Wesentlichen gibt es drei Ansätze, die zur Beseitigung der durch das Fehlen einer allgemeinen horizontalen unmittelbaren Wirkung entstandenen Regelungslücke verfolgt werden können (und wurden): i) ein weiter Ansatz bei der Festlegung dessen, was eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung darstellt, ii) ein Ansatz, bei dem der Grundsatz der „interprétation conforme“ bis an die Grenzen ausgereizt wird, und iii) als Auffanglösung eine staatliche Schadensersatzpflicht. Unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes des Einzelnen ist die gegenwärtige Rechtslage alles andere als befriedigend. Sie schafft eine komplexe Situation für Kläger und Unsicherheit für Beklagte. Ich möchte mich früheren Generalanwälten anschließen und den Gerichtshof ersuchen, sich erneut mit den im Urteil Faccini Dori(172) angeführten Gründen für die Ablehnung einer horizontalen unmittelbaren Wirkung auseinanderzusetzen und diese kritisch zu überprüfen(173).

 Ergebnis

151. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Supreme Court of Ireland (Oberster Gerichtshof, Irland) aufgeworfenen Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Die Kriterien im Urteil Foster u. a.(174) zur Beurteilung der Frage, was eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ist, sind nicht in Rn. 20, sondern in Rn. 18 des genannten Urteils zu finden. Die dort aufgestellten Kriterien sind weder kumulativ noch alternativ zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um eine nicht erschöpfende Aufzählung der Merkmale, die für diese Beurteilung von Bedeutung sein können.

2.      Zur Bestimmung, ob ein bestimmter Beklagter für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien dem Staat zuzurechnen ist, hat das nationale Gericht folgende Kriterien zu beachten:

i)      Die Rechtsform der betreffenden Einrichtung ist ohne Belang.

ii)      Es ist nicht erforderlich, dass der Staat zur Ausübung der alltäglichen Betriebsaufsicht über die betreffende Einrichtung oder zur Leitung des Betriebs der Einrichtung in der Lage ist.

iii)      Untersteht die betreffende Einrichtung dem Staat oder dessen Aufsicht, muss diese Einrichtung als dem Staat zurechenbar angesehen werden, ohne dass es der Prüfung bedarf, ob andere Kriterien erfüllt sind.

iv)      Gebietskörperschaften oder vergleichbare Einrichtungen sind automatisch als dem Staat zurechenbar anzusehen.

v)      Es ist nicht erforderlich, dass die betreffende Einrichtung vom Staat finanziert wird.

vi)      Hat der Staat die betreffende Einrichtung sowohl mit der Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung betraut, die er andernfalls möglicherweise unmittelbar selbst erbringen müsste, als auch mit zusätzlichen Rechten irgendwelcher Art ausgestattet, damit sie in der Lage ist, ihre Aufgabe effektiv zu erfüllen, ist die betreffende Einrichtung in jedem Fall als dem Staat zurechenbar anzusehen.

Bei seiner Prüfung hat das nationale Gericht das zugrunde liegende tragende Prinzip zu beachten, wonach sich ein Einzelner gegenüber dem Staat auf genaue und von keiner Bedingung abhängige Bestimmungen einer Richtlinie unabhängig davon berufen kann, in welcher Eigenschaft der Staat handelt, weil verhindert werden muss, dass der Staat aus seiner Nichtbeachtung des Unionsrechts Nutzen zieht.

3.      Die in der Antwort auf die zweite Frage dargelegten Kriterien finden auch dann Anwendung, wenn ein Mitgliedstaat einer Einrichtung eine weit gefasste Verantwortlichkeit übertragen hat, um vorgeblich unionsrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. Es ist nicht erforderlich, dass eine solche Einrichtung mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über diejenigen hinausgehen, die nach den allgemeinen Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten.


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1 –      Originalsprache: Englisch.

2 –      Urteil vom 12. Juli 1990 (C‑188/89, EU:C:1990:313).

3 –      Eine Darstellung der Entwicklung der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der Union findet sich im Urteil vom 11. Juli 2013, Csonka u. a. (C‑409/11, EU:C:2013:512, Rn. 26 bis 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

4 –      Richtlinie vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 1972, L 103, S. 1) in der durch die Dritte Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (im Folgenden: Dritte Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie) (ABl. 1990, L 129, S. 33) geänderten Fassung.

5 –      Zweite Richtlinie vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. 1984, L 8, S. 17) in der später durch die Dritte Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie geänderten Fassung.

6 –      Vgl. dritter Erwägungsgrund.

7 –      Vgl. sechster Erwägungsgrund.

8 –      Dritter Erwägungsgrund.

9 –      Vierter Erwägungsgrund.

10 –      Fünfter Erwägungsgrund.

11 –      Vgl. insbesondere Erwägungsgründe 8, 9, 10 und 12.

12 –      Nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 gilt jede Rechtsvorschrift oder Vertragsklausel, mit der die Nutzung oder Führung von Fahrzeugen durch bestimmte Kategorien von Personen von der Versicherung ausgeschlossen werden, bei der Anwendung von Art. 3 Abs. 1 der Ersten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie bezüglich der Ansprüche von bei Unfällen geschädigten Dritten als wirkungslos. Gemäß Unterabs. 2 „[kann d]ie im ersten [Unterabsatz] genannte Vorschrift oder Klausel … jedoch gegenüber den Personen geltend gemacht werden, die das Fahrzeug, das den Schaden verursacht hat, freiwillig bestiegen haben, sofern der Versicherer nachweisen kann, dass sie wussten, dass das Fahrzeug gestohlen war“. Soweit mir bekannt ist, wird nicht vorgetragen, dass diese Bestimmung für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens relevant wäre.

13 –      Die Haftpflichtversicherung erstreckte sich nicht auf die Bereiche des Fahrzeugs, die nicht für Fahrzeuginsassen ausgestattet sind.

14 –      Siehe unten, Nr. 19.

15 –      Die nachfolgende Darstellung ist teilweise der Vorlageentscheidung und den schriftlichen Erklärungen der Parteien und teilweise den Antworten entnommen, die in der mündlichen Verhandlung auf Fragen des Gerichtshofs gegeben wurden.

16 –      Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung datieren die Gründungsurkunde und die Satzung vom Juni 1946. Es ist nicht klar, was zwischen diesem Zeitpunkt und der „Einrichtung“ im November 1954 geschehen ist; dies dürfte sich aber wohl kaum auf das vorliegende Verfahren auswirken. Ich weise außerdem darauf hin, dass das MIBI offenbar am 26. Oktober 1955 gegründet wurde.

17 –      In jener Vereinbarung war der Minister for Transport (Verkehrsminister) an die Stelle des Minister for Local Government als die staatliche Partei der Vereinbarung getreten. Die Vereinbarung von 1988 galt zum Zeitpunkt des Unfalls von Frau Farrell.

18 –      Soviel ich sehe, enthält der Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmung für das Ausgangsverfahren von Belang wäre.

19 –      Nach Ziff. 1 der Hauptvereinbarung vom 10. März 1955 zwischen dem Department of Local Government und den in Irland tätigen Kfz-Versicherungsunternehmen, die Kfz-Haftpflichtversicherungen anbieten, richteten diese Versicherer eine Stelle mit der Bezeichnung Motor Insurers’ Bureau of Ireland ein, deren Mitglieder sie werden und die sie mit den erforderlichen Finanzmitteln ausstatten sollten, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen können.

20 –      Regulation 16A(2) der European Communities (Non-Life Insurance) (Amendment) (No 2) Regulations 1991 in der durch Regulation 10 der European Communities (Non-Life Insurance) (Amendment) Regulations 1992 eingefügten Fassung schreibt vor, dass die Mitglieder des MIBI die Stelle und den Garantiefonds, die nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie eingerichtet wurden, anteilsmäßig gemessen an ihren Bruttoprämieneinnahmen finanzieren. Diese Bestimmungen sind jetzt im Wesentlichen in Regulation 34(2) und (3) der European Communities (Non-Life Insurance) Framework Regulations 1994 übernommen worden.

21 –      Section 78 des Gesetzes von 1961 wurde durch Regulation 9 der European Communities (Road Traffic) (Compulsory Insurance) Regulations 1992 mit Wirkung zum 20. November 1992 eingefügt. Bestimmte „befreite Personen“ (in erster Linie durch Gesetz eingerichtete Behörden) müssen ein Unternehmen angeben, das Ansprüche Dritter zu Bedingungen bearbeitet, die den zwischen dem MIBI und dem Minister vereinbarten entsprechen.

22 –      Urteil vom 19. April 2007 (C‑356/05, EU:C:2007:229; im Folgenden: Urteil Farrell I).

23 –      Urteil vom 19. April 2007 (Farrell I, C‑356/05, EU:C:2007:229, Rn. 44).

24 –      Dem vorlegenden Gericht sind keine Einzelheiten der Entschädigung vorgelegt worden, die aber für die Vorlagefragen auch ohne Belang sind.

25 –      Im Urteil vom 5. Februar 1963, Van Gend & Loos (26/62, EU:C:1963:1), heißt es, „dass die Gemeinschaft eine neue Rechtsordnung des Völkerrechts darstellt, zu deren Gunsten die Staaten, wenn auch in begrenztem Rahmen, ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben, eine Rechtsordnung, deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Einzelnen sind. Das von der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten unabhängige Gemeinschaftsrecht soll daher den Einzelnen, ebenso wie es ihnen Pflichten auferlegt, auch Rechte verleihen. Solche Rechte entstehen nicht nur, wenn der Vertrag dies ausdrücklich bestimmt, sondern auch aufgrund von eindeutigen Verpflichtungen, die der Vertrag den Einzelnen wie auch den Mitgliedstaaten und den Organen der Gemeinschaft auferlegt“ (S. 25). Der konkrete Grundsatz der unmittelbaren Wirkung, wie er vom Gerichtshof konzipiert wurde, wurde allerdings nicht allseits mit Begeisterung aufgenommen. In einem berühmten frühen Artikel („The doctrine of ‚direct effect‘:an infant disease of Community law“: Neudruck in E.L.Rev. 2015, 40[2], S. 135) vertrat Richter Pierre Pescatore die Auffassung, dass „rechtliche Regelungen von Natur aus einen praktischen Sinn [haben]. Jede rechtliche Regelung soll effektiv funktionieren (im Französischen pflegen wir insoweit vom effet utile zu sprechen). Wenn sie nicht funktioniert, ist sie auch keine rechtliche Regelung. … Das Funktionieren in der Praxis für alle Betroffenen, was nichts anderes bedeutet als ‚unmittelbare Wirkung‘, muss als übliche Voraussetzung jeder rechtlichen Regelung angesehen werden. … Mit anderen Worten, die ‚unmittelbare Wirkung‘ muss vermutet werden, sie braucht nicht a priori festgestellt zu werden“ (vgl. S. 135).

26 –      Vgl. u. a. Urteil vom 12. Juli 1990, Foster (C‑188/89, EU:C:1990:313, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27 –      Urteil vom 12. Juli 1990, Foster (C‑188/89, EU:C:1990:313, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28 –      So wurde etwa in der Rechtssache Marshall (Urteil vom 26. Februar 1986, 152/84, EU:C:1986:84) nicht behauptet, dass die Krankenhausbehörden auch nur im Entferntesten Schuld an der Nichtumsetzung der in jener Rechtssache in Rede stehenden Richtlinie hatten.

29 –      Oftmals wird ein Gesetzgebungsprozess zu einer teilweisen oder unzulänglichen Umsetzung geführt haben. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, gibt es möglicherweise Rechtsvorschriften in dem von der Richtlinie erfassten Bereich, die als im Einklang mit den Anforderungen der Richtlinie stehend ausgelegt werden können.

30 –      Der Kürze halber werde ich im Folgenden den französischen Ausdruck verwenden.

31 –      Eine Darstellung des Grundsatzes der „interprétation conforme“, die der Gerichtshof fast gleichzeitig mit dem Urteil Foster gegeben hat, findet sich im Urteil vom 13. November 1990, Marleasing (C‑106/89, EU:C:1990:395, Rn. 8 bis 14). (Das Urteil Marleasing beruht seinerseits auf dem Urteil vom 10. April 1984, Von Colson und Kamann, 14/83, EU:C:1984:153, Rn. 26). Eine sorgfältige Untersuchung des genauen Umfangs und der Grenzen dieser Verpflichtung enthält das spätere Urteil vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 107 bis 119). Im Urteil Dominguez vom 24. Januar 2012, Dominguez (C‑282/10, EU:C:2012:33, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung), hat der Gerichtshof keinen Zweifel daran gelassen, dass „die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ihre Schranken [findet] und … nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen [darf]“.

32 –      Der Grundsatz solcher Schadensersatzleistungen hat seinen Ursprung im Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428). In jener Rechtssache waren die Bestimmungen der Richtlinie 89/987/EWG hinreichend genau und unbedingt hinsichtlich der Garantie, dass das geschuldete Arbeitsentgelt gezahlt wird, nicht jedoch hinsichtlich der Identität der Person, die zur Garantie der Leistung verpflichtet ist; der Gerichtshof hat deshalb geprüft, ob eine Staatshaftung für eine Schadensersatzleistung in Frage kommen könnte. Er hat entschieden, dass grundsätzlich eine Haftungsverpflichtung gegeben sein könne, und nannte drei Voraussetzungen (Rn. 39 bis 41), die zur Begründung der Haftung erfüllt sein müssten. Im Fall des Vorliegens der dort entwickelten Kriterien schien eine zwingende Haftung impliziert zu sein. Im Urteil vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79), hat der Gerichtshof klargestellt, dass die genannten Kriterien zwar zum Tragen kämen, wenn ein Mitgliedstaat verpflichtet sei, innerhalb einer bestimmten Frist alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um das von einer Richtlinie vorgeschriebene Ergebnis zu erreichen (Rn. 46), dass es aber in Fällen, in denen der Mitgliedstaat über ein weites Ermessen verfüge, darauf ankomme, ob der Verstoß „hinreichend qualifiziert“ sei (Rn. 51), und zwar in dem Sinne, „dass ein Mitgliedstaat … die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat“ (Rn. 55).

33 –      Wie Generalanwalt Jacobs in den Nrn. 30 und 31 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Vaneetveld (C‑316/93, EU:C:1994:32) klar ausgeführt hat. „30. Die nach dem Urteil Francovich … für den einzelnen gegebene Möglichkeit, Schadensersatz von einem Mitgliedstaat zu verlangen, wenn eine Richtlinie nicht richtig umgesetzt worden ist, ist meines Erachtens kein geeigneter Ersatz für die unmittelbare Durchsetzbarkeit der Richtlinie. Sie würde den Kläger oft zwingen, zwei getrennte gerichtliche Verfahren entweder gleichzeitig oder nacheinander einzuleiten, eines gegen den privaten Beklagten und das andere gegen die staatlichen Stellen, was kaum dem Erfordernis eines wirksamen Rechtsschutzes entspräche.31. Dagegen kann meines Erachtens nicht eingewandt werden, dass die Schaffung von Verpflichtungen für den Einzelnen die Rechtssicherheit beeinträchtigen würde. Im Gegenteil, das wichtigste Merkmal der bisherigen Rechtsprechung zu diesem Punkt ist wohl, dass sie Unsicherheit hervorgerufen hat … Sie hat zunächst zu einer sehr weiten Auslegung des Begriffs Mitgliedstaat geführt, so dass Richtlinien auch gegenüber gewerblichen Unternehmen durchgesetzt werden können, an denen der Staat eine Beteiligung hält oder über die er eine Aufsicht ausübt …, selbst wenn diese Unternehmen nicht für den Fehler der Mitgliedstaaten verantwortlich sind und selbst wenn sie unmittelbar im Wettbewerb zu privaten Unternehmen stehen, gegen die dieselben Richtlinien nicht durchsetzbar wären. Ferner hat sie zu großer Unsicherheit in Bezug auf die Tragweite der nationalen Rechtsvorschriften geführt, betrachtet man die den nationalen Gerichten auferlegte Verpflichtung, die Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften bis an ihre Grenzen auszudehnen, um nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinien Wirksamkeit zu verleihen … Ferner kann in Fällen, in denen die nationalen Rechtsvorschriften extensiv ausgelegt werden, um einer Richtlinie Wirkung zu verschaffen, das Ergebnis darin bestehen, dass dem Einzelnen Verpflichtungen auferlegt werden, die er nicht hätte, wenn es die Richtlinie nicht gäbe. Daher können schon Richtlinien, die nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sind, für den einzelnen Verpflichtungen entstehen lassen. Vor diesem Hintergrund kann die Kritik keinen Bestand haben, dass es die Rechtssicherheit gefährdete, wenn Richtlinien gegenüber dem Einzelnen durchgesetzt würden. Im Gegenteil, es würde zu größerer Rechtssicherheit und zu einem geschlosseneren System führen, wenn die Bestimmungen einer Richtlinie unter geeigneten Umständen für dem Einzelnen gegenüber unmittelbar durchsetzbar erklärt würden.“

34 –      Urteil vom 8. Oktober 1996 (Dillenkofer u. a., C‑178/94, C‑179/94 und C‑188/94 bis C‑190/94, EU:C:1996:375, Rn. 16 und 19 bis 29): eine logische Folge der Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Francovich u. a. (Rn. 39 bis 41), die im Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame (Rn. 46) bestätigt wurde. Dass zwei Möglichkeiten zur Wahl stehen, mag erklären, weshalb Frau Farrell glücklicherweise bereits eine Entschädigung für ihre Verletzungen gezahlt worden ist (siehe oben, Nr. 25).

35 –      Hervorhebung nur hier.

36 –      Hervorhebung nur hier: Das Fehlen einer Konjunktion vor dem Wort „und“ zeigt an, dass die in dieser Randnummer jeweils genannten Merkmale kumulativ zu verstehen sind.

37 –      Erleichtert wird mir diese Aufgabe durch einen merkwürdigen Zufall in meinem Werdegang: Ich habe als Referentin an der Rechtssache Foster zusammen mit Sir Gordon Slynn gearbeitet, dem amtierenden Präsidenten des Gerichtshofs in jenem Fall und hauptverantwortlichen Verfasser des Urteils.

38 –      Richtlinie vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. 1976, L 39, S. 40).

39 –      Die nachstehenden Ausführungen beruhen auf dem Urteil Foster (Rn. 3 bis 7).

40 –      Urteil vom 19. Januar 1982 (8/81, EU:C:1982:7). In der Rechtssache Becker war Beklagter das Finanzamt einer kommunalen Steuerbehörde. Es war organisatorisch ein Teil des Staates, unterstand dem Staat und dessen Aufsicht und war mit besonderen Rechten ausgestattet, um Steuern im Interesse der Erleichterung vereinbarter öffentlicher Ausgaben aufzuerlegen.

41 –      Urteil vom 26. Februar 1986 (152/84, EU:C:1986:84). Beklagter in der Rechtssache war die Southampton and South-West Hampshire Health Authority (die zur maßgeblichen Zeit in dem ihr zugewiesenen geografischen Bereich für Krankenhäuser und medizinische Dienste zuständige Einrichtung). Organisatorisch war sie kein Bestandteil des Staates, sie unterstand aber dem Staat und dessen Aufsicht. Im Urteil ist nicht angegeben, ob sie mit „besonderen Rechten“ ausgestattet war, und es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie tatsächlich über solche Rechte verfügte (siehe näher hierzu unten, Nr. 49). Sie hatte eindeutig die Aufgabe, im öffentlichen Interesse eine angemessene Gesundheitsversorgung in dem ihr zugewiesenen Bereich zu erbringen. Funktional konnte sie daher als im Namen des Staates handelnd angesehen werden.

42 –      Hervorhebung nur hier.

43 –      Hervorhebung nur hier. Urteil vom 19. Januar 1982 (8/81, EU:C:1982:7).

44 –      Urteil vom 22. Februar 1990 (C‑221/88, EU:C:1990:84). In jener Rechtssache hat der Gerichtshof entschieden, dass die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) sich in Ermangelung von Umsetzungsmaßnahmen (nach Ablauf der für die Umsetzung der Maßnahmen vorgeschriebenen Frist) auf eine Empfehlung gegenüber einem Mitgliedstaat, der diese nicht umgesetzt hat, berufen kann; die Anerkennung des Vorrechts ihrer Forderungen wirkt jedoch nur gegenüber diesem Staat, und diesen Forderungen wird damit gleicher Rang mit Forderungen des Staates eingeräumt. Die Anerkennung mindert auch nicht die Rechte anderer Gläubiger als des Staates, die sich ohne die Empfehlung aus der Anwendung der nationalen Vorschriften über kollektive Vollstreckungsmaßnahmen ergäben – vgl. Rn. 30 und Nr. 1 des Tenors.

45 –      Urteil vom 22. Juni 1989 (103/88, EU:C:1989:256). Beklagter in der Rechtssache Costanzo war das städtische Exekutivorgan einer italienischen Kommune. Es war organisatorisch Teil des Staates, übte als Hoheitsträger staatliche Aufsicht aus, war mit den üblichen Rechten des Staates (wie etwa Regelungsbefugnissen) ausgestattet und wurde im öffentlichen Interesse tätig.

46 –      Urteil vom 15. Mai 1986 (222/84, EU:C:1986:206). Beklagter in der Rechtssache Johnston war der Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary, der für den Polizeidienst in Nordirland zuständige Amtsträger. Im Urteil wird der Polizeidienst (in der Person des Chief Constable) als unabhängige Behörde bezeichnet, die als Hoheitsträger staatliche Aufsicht ausübt, mit „besonderen Rechten“ ausgestattet ist (da der Staat ein Monopol für die rechtskonforme Gewaltausübung besitzt) und mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit betraut ist.

47 –      Urteil vom 26. Februar 1986 (152/84, EU:C:1986:84). Ich habe das Wesen des Beklagten in jener Rechtssache bereits beschrieben (siehe oben, Fn. 42). Zum Fehlen jeglichen Hinweises, dass der Beklagte in der Rechtssache Marshall mit „besonderen Rechten“ ausgestattet war, siehe näher hierzu unten, Nr. 49.

48 –      Tatsächlich hatte der Gerichtshof zuvor (in Rn. 15) darauf hingewiesen, dass er „befugt ist, im Wege der Vorabentscheidung festzustellen, gegenüber welchen Gruppen von Rechtssubjekten die Bestimmungen einer Richtlinie geltend gemacht werden können“, während es hingegen „Sache der nationalen Gerichte [ist], darüber zu entscheiden, ob eine Partei in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit zu einer dieser so definierten Gruppen gehört“.

49 –      Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Gerichtshof einem vorlegenden Gericht konkret das Ergebnis anzeigt, das sich bei Anwendung der vom Gerichtshof soeben gegebenen abstrakten Hinweise ergeben sollte. Ein augenfälliges Beispiel sechs Jahre nach dem Urteil Foster findet sich in der „dritten Rechtssache Factortame“ (Urteil vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame, C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79). In Rn. 51 stellt der Gerichtshof die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch gegen einen Mitgliedstaat wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht auf, und in Rn. 56 benennt er in einer allgemeinen Formulierung „[die Gesichtspunkte], die das zuständige Gericht gegebenenfalls zu berücksichtigen hat“. Sodann gibt der Gerichtshof in den Rn. 58 bis 64 den beiden vorlegenden Gerichten – dem Bundesgerichtshof bzw. dem High Court of Justice, Queen’s Bench Division, Divisional Court – Hinweise zu den voraussichtlichen Antworten („[Der Gerichtshof] hält es jedoch für zweckmäßig, auf bestimmte Umstände hinzuweisen, die die vorlegenden Gerichte in Betracht ziehen können.“) Die in den Rn. 61 bis 64 aufgezählten verschiedenen Mängel beim Erlass des Merchant Shipping Act 1988 (Seehandelsgesetz von 1988) seitens des Vereinigten Königreichs legten allesamt nahe, dass in jener Rechtssache ein Haftungsanspruch gegeben sein müsse. Nach einem von der Regierung energisch geführten Rechtsstreit nach der Zurückverweisung an die innerstaatlichen Gerichte war dies in der Tat das Ergebnis.

50 –      Der Gerichtshof stützt sein Ergebnis, dass die BGC mit besonderen Rechten ausgestattet ist, offenbar auf den Umstand, dass sie die Gasversorgung in Form eines Monopols betrieb (Rn. 3).

51 –      Hervorhebung nur hier.

52 –      Siehe näher hierzu unten, Nrn. 62, 79 bis 105, 114 und 120 Ziff. 1.

53 –      Siehe oben, Fn. 51.

54 –      Urteil vom 26. Februar 1986 (152/84, EU:C:1986:84).

55 –      Da die Vorlage von einem Gericht des Vereinigten Königreichs stammte, ist die englische Sprachfassung des Urteils der „authentische“ Text, und die vorgeschlagene Übersetzung wurde dementsprechend vom Richter aus dem Vereinigten Königreich (Sir Gordon Slynn) und seiner führenden Referentin (ich selbst) gemeinsam mit dem damaligen Leiter des englischen Übersetzungsdienstes des Gerichtshofs revidiert. Uns war bewusst, dass „special powers“ dem französischen Entwurf nicht in allen Nuancen entsprach, jedoch hatte damals niemand einen besseren Vorschlag. Ein Überblick über einige andere Sprachfassungen des Urteils zeigt, dass der Ausdruck im Spanischen mit „poderes exorbitantes“, im Deutschen mit „besondere Rechte“, im Italienischen mit „poteri“ (ohne Hinweis darauf, dass die Rechte „special“ bzw. „besonders“ seien), im Niederländischen mit „bijzondere bevoegdheden“ und im Portugiesischen mit „poderes exorbitantes“ übersetzt wurde. Dies deutet darauf hin, dass die Übersetzung in einige Sprachen erheblich einfacher als in andere zu bewerkstelligen war.

56 –      Tribunal des conflits vom 8. Februar 1873, 00012, veröffentlicht in Recueil Lebon (der französische Text ist abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/affichJuriAdmin.do?idTexte=CETATEXT000007605886).

57 –      Die Rechtssache Blanco betraf einen Entschädigungsanspruch, der namens eines Minderjährigen geltend gemacht wurde, der durch die Handlung eines bei den Tabakbehörden von Bordeaux beschäftigten Angestellten verletzt worden war. Der zentrale Teil der (kurzen) Entscheidung lautet: „Die Haftung, die dem Staat wegen Schäden obliegen kann, die Einzelnen durch die Handlungen von Personen entstehen, die der Staat im öffentlichen Interesse beschäftigt, kann nicht den Grundsätzen unterliegen, die das Zivilgesetzbuch für die Beziehungen zwischen den Einzelnen vorsieht; diese Haftung gilt weder universell noch absolut; sie folgt besonderen Regeln, die je nach den Erfordernissen des Dienstes und der Notwendigkeit, die Rechte des Staates mit privaten Rechten in Einklang zu bringen, variieren; demgemäß … ist die Verwaltungsbehörde ausschließlich für die Entscheidung zuständig“.

58 –      Urteil vom 23. März 1983, Conseil d’État, SA Bureau Véritas et autres, n° 33803, 34462. Die Rechtssache betraf eine Revision des Bureau Veritas und des französischen Staates bezüglich eines Anspruchs, den eine Fluggesellschaft gegen das Bureau Veritas in dessen Eigenschaft als Einrichtung, die zur Ausstellung von Bescheinigungen über die Flugtauglichkeit von Luftfahrzeugen befugt ist, auf Ersatz des Schadens geltend gemacht hatte, der der Fluggesellschaft aufgrund der seitens des Bureaus säumigen Ausstellung einer solchen Bescheinigung entstanden war. In dem Urteil wurde entschieden, dass das Bureau Veritas vom Staat mit der Erbringung einer Dienstleistung im öffentlichen Interesse betraut worden sei und zu diesem Zweck öffentliche Vorrechte ausgeübt habe. Damit einhergehend wurde entschieden, dass der Staat selbst nicht für den verursachten Schaden hafte.

59 –      Siehe unten, Nrn. 129 ff.

60 –      Urteil vom 4. Dezember 1997 (C‑253/96 bis C‑258/96, EU:C:1997:585).

61 –      Rn. 12 des Urteils.

62 –      Rn. 17 des Urteils.

63 –      Richtlinie vom 14. Oktober 1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (ABl. 1991, L 288, S. 32).

64 –      Rn. 45 des Urteils.

65 –      „[Eine Richtlinie] kann [dagegen] gegenüber Organisationen oder Einrichtungen geltend gemacht werden, die dem Staat oder seiner Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die sich aus den für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften ergeben. Hierzu gehören Gebietskörperschaften oder Einrichtungen, denen unabhängig von ihrer Rechtsform durch Hoheitsakt die Erbringung einer Dienstleistung im öffentlichen Interesse unter der Aufsicht des Staates übertragen worden ist“ (Rn. 46). Seltsamerweise verweist diese Randnummer des Urteils weder auf Rn. 18 noch auf Rn. 20 des Urteils Foster, sondern auf Rn. 19, und zwar neben dem Urteil Costanzo (Urteil vom 22. Juni 1989, 103/88, EU:C:1989:256, Rn. 31) („Wenn die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs einzuhaltenden Voraussetzungen dafür erfüllt sind, dass die einzelnen sich vor den nationalen Gerichten auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen können, sind folglich alle Träger der Verwaltung einschließlich der Gemeinden und der sonstigen Gebietskörperschaften verpflichtet, diese Bestimmungen anzuwenden.“).

66 –      Rn. 47 des Urteils sowie Nr. 2 des Tenors.

67 –      Urteil vom 14. September 2000 (C‑343/98, EU:C:2000:441).

68 –      Vgl. Rn. 7 bis 9 des Urteils.

69 –      Vgl. Rn. 10 bis 13 des Urteils.

70 –      Richtlinie vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. 1977, L 61, S. 26).

71 –      Rn. 19 des Urteils.

72 –      Vgl. Rn. 20 bis 25 des Urteils. Dass der Gerichtshof Rn. 20 des Urteils Foster (mit den Ausführungen, dass eine Einrichtung, die die dargelegten Kriterien erfüllt, „jedenfalls“ zu den Einrichtungen „gehört“, denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können) heranzieht, könnte als dezenter Hinweis an das nationale Gericht zu verstehen sein, dass es sich bei Telecom Italia tatsächlich um eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung für die Zwecke der vertikalen unmittelbaren Wirkung handelt.

73 –      Urteil vom 5. Februar 2004 (C‑157/02, EU:C:2004:76).

74 –      Vgl. Rn. 20 und 21 des Urteils.

75 –      Urteil vom 19. Januar 1982 (8/81, EU:C:1982:7, Rn. 23 bis 25).

76 –      Urteil vom 26. Februar 1986 (152/84, EU:C:1986:84, Rn. 49).

77 –      Urteil vom 12. Juli 1990 (C‑188/89, EU:C:1990:313, Rn. 16 und 17).

78 –      Urteil vom 14. September 2000 (C‑343/98, EU:C:2000:441, Rn. 23).

79 –      Vgl. Rn. 25 und 26 des Urteils.

80 –      Rn. 27 des Urteils. Zum Merkmal der „besonderen Rechte“ im Rahmen der Kriterien siehe jedoch näher unten, Nrn. 130 ff.

81 –      Vgl. Rn. 28 des Urteils.

82 –      Beschluss vom 26. Mai 2005, C‑297/03, EU:C:2005:315.

83 –      Der der Entscheidung des Gerichtshofs zugrunde liegende Sachverhalt ist in den Rn. 11 und 12 des mit Gründen versehenen Beschlusses dargestellt. Die kurze vom Gerichtshof vorgenommene Prüfung der ersten Frage (die für den vorliegenden Fall von Bedeutung ist) findet sich in den Rn. 27 bis 30. Von „besonderen Rechten“ ist dort nicht die Rede.

84 –      Urteil vom 7. September 2006 (C‑180/04, EU:C:2006:518).

85 –      Rn. 24 des Urteils.

86 –      Vgl. Rn. 26 und 27 des Urteils.

87 –      Urteil vom 19. April 2007 (Farrell I, C‑356/05, EU:C:2007:229, Rn. 40 und 41).

88 –      Urteil vom 24. Januar 2012 (C‑282/10, EU:C:2012:33).

89 –      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).

90 –      Rn. 36 des Urteils.

91 –      Rn. 39 und 40 des Urteils.

92 –      Urteil vom 12. Dezember 2013 (C‑361/12, EU:C:2013:830).

93 –      Sämtliche nachstehenden Ausführungen zu jener Rechtssache sind den Rn. 29 bis 31 des Urteils entnommen.

94 –      Interessanterweise verweist der Gerichtshof nicht unmittelbar auf das Urteil Foster, sondern stützt sich auf das Urteil Kuso (Urteil vom 12. September 2013, C‑614/11, EU:C:2013:544) (eine Entscheidung, die ohne Schlussanträge erlassen worden war), das sich seinerseits auf Rn. 20 des Urteils Foster bezieht. Auch in diesem Fall sind keine konkreten Feststellungen zum Merkmal „besondere Rechte“ der im Urteil Foster dargelegten Kriterien ersichtlich.

95 –      Urteil vom 12. Dezember 2013 (C‑425/12, EU:C:2013:829).

96 –      Richtlinie vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. 1993, L 199, S. 84), in der durch die Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 (ABl. 1998, L 101, S. 1) geänderten Fassung.

97 –      Vgl. Nr. 35 und Fn. 16 seiner Schlussanträge. Anhand meiner bisherigen Ausführungen dürfte klar geworden sein, dass meines Erachtens die entscheidende Randnummer des Urteils Foster nicht Rn. 20, sondern Rn. 18 ist. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass Generalanwalt Wahl in seinen Schlussanträgen (in Nr. 43) die Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven in der Rechtssache Foster (C‑188/89, EU:C:1990:188) als (einzige) Quelle für die These anführt, dass „der Umstand der Beauftragung eines Privatunternehmens als Alleinkonzessionär mit der Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Dienstleistung nicht aus[reicht], um ihm die Bestimmungen einer nicht in die interne Rechtsordnung umgesetzten Richtlinie entgegenhalten zu können. Erforderlich ist die Feststellung, dass das genannte Unternehmen über besondere Rechte verfügt und der Aufsicht der staatlichen Behörden unterliegt“. Da der Gerichtshof sich im Urteil Foster in keiner Form auf diese These gestützt hat, ist kaum ersichtlich, wie die genannte Quelle in der Sache weiterhelfen soll.

98 –      Vgl. Nr. 45 der Schlussanträge. Generalanwalt Wahl führt „u. a. Urteile Collino und Chiappero (Randnr. 24), Farrell (Randnr. 41) sowie Dominguez (Randnr. 40)“ als Beleg für den von ihm sogenannten „herkömmlich verfolgten Ansatz“ an. Möglicherweise wollte der Generalanwalt damit lediglich sagen, dass „Tatsachenfeststellungen Sache des nationalen Gerichts“ sind (ein Grundsatz, nach dem der Gerichtshof in den drei vom Generalanwalt herangezogenen Urteilen ja auch verfahren ist). Wollte der Generalanwalt jedoch sagen, dass es einen „herkömmlichen Ansatz“ gebe, wonach die kumulative Erfüllung aller in Rn. 20 des Urteils Foster genannten Voraussetzungen verlangt werde, bevor eine Stelle als eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung angesehen werden könne, so dürfte sich aus meinen obigen Ausführungen (in den Nrn. 43 bis 54) eindeutig ergeben, dass ich mich nicht der Auffassung anschließen kann, der Gerichtshof habe einen solchen Ansatz bewusst und durchgängig in seine Rechtsprechung aufgenommen.

99 –      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl (Nrn. 62 bis 66).

100 –      Vgl. Rn. 19 und 20 des Urteils.

101 –      Siehe meine eingehende Würdigung der Rechtssachen oben. Die jeweiligen Randnummern, die in Rn. 24 des Urteils Portgás angeführt sind, verweisen auf Rn. 20 des Urteils Foster (und sind alle so formuliert, dass deutlich wird, dass eine Stelle, die sämtliche dort genannten Kriterien erfüllt, zu den „dem Staat zuzurechnenden Einrichtungen“ gehört). Die zitierten Stellen stützen meines Erachtens nicht die These, dass Rn. 20 des Urteils Foster eine abschließende Definition darstellt, die sämtliche dem Staat zuzurechnende Einrichtungen umfasst.

102 –      Urteil vom 14. Juli 1994 (C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 19 bis 25, insbesondere Rn. 24 und 25).

103 –      Vgl. Rn. 25 des Urteils.

104 –      Siehe oben, Nrn. 61 und 63.

105 –      Hervorhebung nur hier.

106 –      Eine geringfügig abgewandelte Fassung dieser Neuformulierung findet sich in Nr. 2 des Tenors. Zum Merkmal „besondere Rechte“ im Rahmen der Kriterien siehe näher hierzu unten, Nrn. 129 ff.

107 –      Das Schrifttum hat seither gerätselt, ob die zuletzt genannte Problematik wirklich in keinem Zusammenhang mit der Frage der (vertikalen oder horizontalen) unmittelbaren Wirkung von Richtlinien steht, wie sowohl der Generalanwalt als auch der Gerichtshof anzunehmen scheinen (und stattdessen auf die Verpflichtung des Mitgliedstaats abstellen, die Beachtung einer Richtlinie sicherzustellen) – vgl. z. B. Albors-Llorens, A., „The direct effect of EU Directives:fresh controversy or a storm in a tea-cup? Comment on Portgás“ in (2014) EL.Rev S. 851.

108 –      Siehe oben, Nrn. 58, 60, 65, 66 und 67.

109 –      Vgl. Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden: Bekanntmachung zur Beihilfe). Die Bekanntmachung wurde zuletzt im Juni 2016 aktualisiert (ABl. 2016, C 262, S. 1).

110 –      Urteil vom 16. Mai 2002 (Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 23).

111 –      Urteile vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 20. November 2003 (GEMO, C‑126/01, EU:C:2003:622, Rn. 23). Vgl. auch Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996 (Air France/Kommission, T‑358/94, EU:T:1996:194, Rn. 62). Vgl. schließlich Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache UTECA (C‑222/07, EU:C:2008:468, Nr. 124).

112 –      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 24). Eine sachdienliche Definition des Begriffs „öffentliches Unternehmen“ findet sich in der Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen (ABl. 2006, L 318, S. 17). Nach Art. 2 Buchst. b der Richtlinie ist „‚öffentliches Unternehmen‘: jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann“.

113 –      Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 52). Vgl. auch Urteil des Gerichts vom 26. Juni 2008 (SIC/Kommission, T‑442/03, EU:T:2008:228, Rn. 93 bis 100).

114 –      Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 53). Außerdem wird nicht der Nachweis verlangt, dass sich das öffentliche Unternehmen im konkreten Fall anders verhalten hätte, wenn es selbständig gehandelt hätte – vgl. Urteil des Gerichts vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 48.

115 –      Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 53).

116 –      Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 54).

117 –      Urteil vom 16. Mai 2002 (Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 55) (Hervorhebung nur hier). Die möglichen Indizien für die Zurechenbarkeit sind in Nr. 3.1.1 der Bekanntmachung zur Beihilfe aufgelistet. Dazu gehören: die Eingliederung des öffentlichen Unternehmens in die Strukturen der öffentlichen Verwaltung; das Unternehmen, über das die Beihilfen gewährt wurde, hatte Richtlinien staatlicher Stellen zu beachten; die Art der Tätigkeit des öffentlichen Unternehmens und deren Ausübung auf dem Markt unter normalen Bedingungen im Wettbewerb mit privaten Wirtschaftsteilnehmern.

118 –      Vgl. z. B. Urteile vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:413, Rn. 70), und vom 16. Mai 2000 (Frankreich/Ladbroke Racing und Kommission, C‑83/98 P, EU:C:2000:248, Rn. 50).

119 –      Vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996, Air France/Kommission (T‑358/94, EU:T:1996:194, Rn. 65 bis 67), betreffend eine der Caisse des Dépôts et Consignations gewährte Beihilfe, die durch freiwillige Einlagen von Privatbürgern finanziert wurde, die jederzeit abgehoben werden konnten. Da die Caisse des Dépôts et Consignations die Gelder nutzen konnte, die sich aus dem Betrag ergaben, um den die Einlagen die Abhebungen übersteigen, standen ihr diese Gelder auf Dauer zur Verfügung; nach der Entscheidung des Gerichts handelte es sich bei diesen Geldern um staatliche Mittel. Vgl. auch Urteil vom 16. Mai 2000, Frankreich/Ladbroke Racing und Kommission (C‑83/98 P, EU:C:2000:248, Rn. 50).

120 –      Diese Bestimmung erfasst auch Unternehmen, „die den Charakter eines Finanzmonopols haben“. Diese letztgenannte Kategorie ist jedoch meiner Ansicht nach für die gegenwärtige Erörterung ohne Belang.

121 –      Urteil vom 24. Juli 2003 (Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, C‑280/00, EU:C:2003:415, Rn. 89 ff., im Folgenden: Urteil Altmark).

122 –      Vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Februar 2008, BUPA u. a./Kommission (T‑289/03, EU:T:2008:29, Rn. 172) (Hervorhebung nur hier). Vgl. auch Urteil vom 10. Dezember 1991, Merci convenzionali Porto di Genova (C‑179/90, EU:C:1991:464, Rn. 27).

123 –      Vgl. Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen vom 29. April 2013, „Leitfaden zur Anwendung der Vorschriften der Europäischen Union über staatliche Beihilfen, öffentliche Aufträge und den Binnenmarkt auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und insbesondere auf Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse“, (SWD[2013] 53 final/2). Vgl. auch Mitteilung der Kommission, „Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen“, (2011) (ABl. 2012, C 8, S. 15).

124 –      Mitteilung der Kommission vom 20. Dezember 2011 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, „Ein Qualitätsrahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Europa“, KOM(2011) 900 endg., S. 3.

125 –      A. a. O., S. 4. Vgl. auch Mitteilung der Kommission, „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ (ABl. 2001, C 17, S. 4), Nr. 14, wo es heißt: „Wenn … der Staat der Meinung ist, dass die Marktkräfte bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Dienstleistungen möglicherweise nur in unzureichender Weise bereitstellen, kann er konkrete Leistungsanforderungen festlegen, damit dieser Bedarf durch eine Dienstleistung mit Gemeinwohlverpflichtungen befriedigt wird.“ Vgl. im Besonderen in Bezug auf staatliche Beihilfen im Bereich der Breitbandnetze Mitteilung der Kommission, „Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau“ (ABl. 2013, C 25, S. 1), Nr. 20, wonach „die Kommission die Errichtung einer parallelen, konkurrierenden, öffentlich geförderten Breitbandinfrastruktur in Gebieten, in denen private Investoren bereits in eine Breitbandinfrastruktur investiert haben (oder ihre Netzinfrastruktur weiter ausbauen) und bereits wettbewerbsbasierte Breitbanddienste mit einer angemessenen Breitbandabdeckung anbieten, nicht als [Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse] im Sinne des Artikels 106 Absatz 2 AEUV [betrachtet]“. Vgl. auch Urteil des Gerichts vom 16. September 2013, Colt Télécommunications Frankreich/Kommission (T‑79/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:463, Rn. 154), in dem das Gericht entschieden hat, dass „ein Marktversagen eine Voraussetzung für die Einstufung einer Tätigkeit als [eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse] ist“.

126 –      Urteile vom 10. Dezember 1991, Merci convenzionali porto di Genova (C‑179/90, EU:C:1991:464, Rn. 27), vom 17. Juli 1997, GT‑Link (C‑242/95, EU:C:1997:376, Rn. 53), und vom 18. Juni 1998, Corsica Ferries France (C‑266/96, EU:C:1998:306, Rn. 45).


127 –      Vgl. z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano in der Rechtssache Ferring (C‑53/00, EU:C:2001:253, Nr. 51). Vgl. auch Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Olsen/Kommission (T‑17/02, EU:T:2005:218, Rn. 216 und die dort angeführte Rechtsprechung); vgl. näher hierzu Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (ABl. 2012, C 8, S. 4), Nr. 46.

128 –      Siehe unten, Nrn. 129 ff.

129 –      Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65). In Art. 1 Abs. 4 wird hervorgehoben, dass „[d]iese Richtlinie … nicht das Recht der Mitgliedstaaten [berührt], im Einklang mit dem Unionsrecht festzulegen, welche Leistungen sie als von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erachten, wie diese Dienstleistungen unter Beachtung der Vorschriften über staatliche Beihilfen organisiert und finanziert werden sollten und welchen spezifischen Verpflichtungen sie unterliegen sollten. Gleichermaßen berührt diese Richtlinie nicht die Entscheidung öffentlicher Stellen darüber, ob, wie und in welchem Umfang sie öffentliche Aufgaben gemäß Artikel 14 AEUV und gemäß Protokoll Nr. 26 selbst wahrnehmen wollen“.

130 –      Hervorhebung nur hier.

131 –      Der Gerichtshof hat die kumulative Geltung der drei Bedingungen im Urteil vom 15. Januar 1998, Mannesmann AnlagenbauAustria u. a. (C‑44/96, EU:C:1998:4, Rn. 21), bestätigt. Vgl. näher hierzu Urteil vom 16. Oktober 2003, Kommission/Spanien (C‑283/00, EU:C:2003:544, Rn. 69).

132 –      Urteil vom 3. Oktober 2000, University of Cambridge (C‑380/98, EU:C:2000:529, Rn. 21).

133 –      Urteil vom 3. Oktober 2000, University of Cambridge (C‑380/98, EU:C:2000:529, Rn. 26). Im Weiteren hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Einstufung einer Einrichtung wie der Universität Cambridge als „öffentlicher Auftraggeber“ auf jährlicher Basis vorzunehmen sei, und das Haushaltsjahr, in dem das Verfahren zur Vergabe eines bestimmten Auftrags ausgeschrieben werde, der für die Berechnung der Finanzierung dieser Einrichtung am besten geeignete Zeitraum sei (Rn. 40 and 41).

134 –      Urteil vom 15. Januar 1998, Mannesmann AnlagenbauAustria u. a. (C‑44/96, EU:C:1998:4, Rn. 35).

135 –      Urteil vom 27. Februar 2003, Adolf Truley (C‑373/00, EU:C:2003:110, Rn. 33 bis 40).

136 –      Urteil vom 16. Oktober 2003, Kommission/Spanien (C‑283/00, EU:C:2003:544, Rn. 81).

137 –      Urteil vom 10. Mai 2001, Agorà und Excelsior (C‑223/99 und C‑260/99, EU:C:2001:259, Rn. 37).

138 –      Vgl. u. a. Urteile vom 15. Februar 1986, Marshall (152/84, EU:C:1986:84, Rn. 49), vom 12. Juli 1990, Foster (C‑188/89, EU:C:1990:313, Rn. 17), und vom 14. September 2000, Collino und Chiappero (C‑343/98, EU:C:2000:441, Rn. 23). In seinen Schlussanträgen vom 18. September 2013 in der Rechtssache Portgás (C‑425/12, EU:C:2013:623, Nr. 30), vertritt Generalanwalt Wahl (unter Verweis auf das Urteil Marshall, Rn. 47) die Auffassung, dass „die Anerkennung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien letztlich auf zwei einander ergänzenden Zielen beruht: der Notwendigkeit, die Rechte, die Einzelne aus diesen Rechtsakten herleiten können, wirksam zu garantieren, und dem Wunsch, eine Sanktion gegen die nationalen Behörden zu verhängen, die es versäumt haben, die bindende Wirkung zu achten und ihre wirksame Anwendung sicherzustellen“. Ich stimme dem ersten Teil dieser These voll und ganz zu. Soweit jedoch nicht nur spätere Entscheidungen, sondern auch das Urteil Marshall selbst klarstellen, dass Einrichtungen, die nicht im Entferntesten etwas mit der Nichtumsetzung der Richtlinie seitens des Staates zu tun hatten (und auch keine Möglichkeit hatten, hierauf Einfluss zu nehmen), dennoch die unmittelbare Wirkung entfaltenden Bestimmungen der Richtlinie nach Maßgabe der Doktrin von der vertikalen unmittelbaren Wirkung zu beachten haben, falls sie als dem Staat zurechenbar anzusehen sind, vermag ich mich dem zweiten Teil der These leider nicht in vollem Umfang anzuschließen.

139 –      Vgl. u. a. Urteile vom 21. Mai 1985, Schul Douane-Expediteur (47/84, EU:C:1985:216, Rn. 17), vom 3. Juli 2012, UsedSoft (C‑128/11, EU:C:2012:407, Rn. 40), vom 9. November 2016, Wathelet (C‑149/15, EU:C:2016:840, Rn. 29), und vom 2. März 2017, J. D. (C‑4/16, EU:C:2017:153, Rn. 24).

140 –      Siehe insbesondere oben, Nrn. 35, 49 und 62.

141 –      Siehe oben, Nr. 65.

142 –      Siehe oben, Nr. 68.

143 –      Bereits in der im Urteil Foster (Rn. 19) angeführten Rechtsprechung, die vor dem Urteil Foster ergangen ist, war dargelegt worden, dass bestimmte Einrichtungen, die strukturell zum Staat gehören, als Staat selbst zu betrachten sind – insbesondere Finanzbehörden (Urteil vom 19. Januar 1982, Becker, 8/81, EU:C:1982:7, sowie Urteil vom 22. Februar 1990, Busseni, C‑221/88, EU:C:1990:84), und Gebietskörperschaften (Urteil vom 22. Juni 1989, Fratelli Costanzo, 103/88, EU:C:1989:256).

144 –      Siehe oben, Nrn. 61 und 62.

145 –      In Rn. 19 des Urteils Foster hat der Gerichtshof zwei Arten von Einrichtungen bezeichnet, die funktionell dem Staat zuzurechnen sind, nämlich verfassungsmäßig unabhängige Hoheitsträger, die mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit betraut sind (Urteil vom 15. Mai 1986, Johnston, 222/84, EU:C:1986:206), und mit der Verwaltung des öffentlichen Gesundheitsdienstes beauftragte Behörden (Urteil vom 26. Februar 1986, Marshall, 152/84, EU:C:1986:84).

146 –      Vgl. z. B. Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. 2002, L 269, S. 15).

147 –      Vgl. z. B. die Berufsqualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen [ABl. 2005, L 255, S. 22]) in der unlängst durch die Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mithilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („BMI-Verordnung“) (ABl. 2013, L 354, S. 13) geänderten Fassung. Allgemeine Informationen über die Durchführung des Systems der gegenseitigen Anerkennung sind unter http://ec.europa.eu/growth/single-market/services/free-movement-professionals_en abrufbar.

148 –      Vgl. z. B. Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 544/2009 und die Richtlinie 2009/140/EG geänderten Fassung.

149 –      Urteil vom 26. Februar 1986 (152/84, EU:C:1986:84).

150 –      Außerdem gilt die (etwas ungewöhnliche) Regelung, die es dem MIBI erlaubt, mit Geschädigten zu verhandeln und einen Prozess selbst dann zu führen, wenn es darüber keinen entsprechenden Vertrag geschlossen oder dem MIBI kein Mandat erteilt wurde. Zu beachten ist, dass aufgrund der Tatsache, dass sämtliche Kfz-Versicherungsunternehmen Mitglieder des MIBI sein müssen, für gleiche Wettbewerbsbedingungen gesorgt ist und somit das MIBI langfristig niemals über zu geringe Mittel verfügen wird, um zusätzliche Ansprüche erfüllen zu können, hinsichtlich deren es nicht mit einer Einstandspflicht gerechnet hat. Das MIBI passt lediglich die Beträge, die es von seinen Mitgliedern verlangt, an, und die MIBI-Mitglieder nehmen ihrerseits eine entsprechende Anpassung des Betrags vor, den sie auf die einzelnen von ihnen geschlossenen Versicherungsverträge aufschlagen, um ihre Beiträge an das MIBI zu finanzieren.

151 –      Urteil vom 12. Juli 1990 (C‑188/89, EU:C:1990:313) (Hervorhebung nur hier).

152 –      Urteil vom 15. Mai 1986 (222/84, EU:C:1986:206, Rn. 56).

153 –      Siehe oben, Nr. 54.

154 –      Siehe oben, Nrn. 58 ff.

155 –      Vgl. Urteil vom 4. Dezember 1997, Kampelmann u. a. (C‑253/96 bis C‑258/96, EU:C:1997:585), siehe auch oben, Nr. 58.

156 –      Vgl. Urteil vom 14. September 2000, Collino und Chiappero (C‑343/98, EU:C:2000:441), siehe auch oben, Nrn. 59 und 60.

157 –      Vgl. Urteil vom 5. Februar 2004, Rieser Internationale Transporte (C‑157/02, EU:C:2004:76), siehe auch oben Nrn. 61 bis 63. In Rn. 12 des Urteils ist angegeben, dass Asfinag durch den Fruchtgenussvertrag zwischen ihr und dem österreichischen Staat (in der englischen Sprachfassung verschiedentlich als „licence“ oder als „contract“ bezeichnet) ermächtigt war, „zur Deckung ihrer Kosten im eigenen Namen und für eigene Rechnung Maut- und Benutzungsgebühren einzuheben“. Der Gerichtshof hat seine weitere Prüfung auf die staatliche Kontrolle konzentriert (Rn. 25) sowie auf den Umstand, dass Asfinag „nicht befugt ist, die Höhe der einzuhebenden Mautgebühren selbst festzulegen. Sie wird durch Gesetz bestimmt“ (Rn. 26). Der Gerichtshof ist ohne Weiteres zu dem Ergebnis gelangt, dass Asfinag dem Staat zuzurechnen ist, ohne die ihr zustehenden besonderen Rechte zu benennen (Rn. 27).

158 –      Vgl. Beschluss vom 26. Mai 2005, Sozialhilfeverband Rohrbach (C‑297/03, EU:C:2005:315), siehe auch oben, Nr. 64.

159 –      Vgl. Urteil vom 7. September 2006, Vassallo (C‑180/04, EU:C:2006:518), siehe auch oben, Nr. 65.

160 –      Vgl. Urteil vom 24. Januar 2012, Dominguez (C‑282/10, EU:C:2012:33), siehe auch oben, Nr. 67.

161 –      Vgl. Urteil vom 12. Dezember 2013, Carratú (C‑361/12, EU:C:2013:830), siehe auch oben, Nr. 68.

162 –      Urteil vom 12. Dezember 2013, Portgás (C‑425/12, EU:C:2013:829). Siehe näher hierzu oben, Nrn. 69 bis 76.

163 –      Urteil vom 12. Dezember 2013, Portgás (C‑425/12, EU:C:2013:829, Rn. 30 und 31).

164 –      Siehe oben, Nr. 112.

165 –      Siehe oben, Nr. 98.

166 –      Vgl. hierzu Urteil vom 3. Oktober 2000, University of Cambridge (C‑380/98, EU:C:2000:529, Rn. 40).

167 –      Siehe oben, Nr. 90.

168 –      Urteil vom 14. Juli 1994 (C‑91/92, EU:C:1994:292).

169 –      Einige Beispiele für die zahlreichen kritischen Stimmen zu dieser Rechtsprechung sind Tridimas, T., „Black, White and Shades of Grey:Horizontality Revisited“, (2002) 21 Y.B.E.L., S. 327, Dashwood, A., „From Van Duyn to Mangold via Marshall:reducing Direct Effect to Absurdity“, (2006-7) 9 C.Y.E.L.S., S. 81, Dougan, M., „When worlds collide! Competing Visions of the Relationshipf between Direct Effect and Supremacy“, (2007) 44 C.M.L.Rev., S. 931, Craig, P., „The Legal Effects of Directives:Policy, Rules and Exceptions“, (2009) 34 E.L.Rev, S. 349, und de Moi, M., „Dominguez:A Deafening Silence“, (2012) 8 European Constitutional Law Review, S. 280.

170 –      Schlussanträge vom 9. Februar 1994 (C‑91/92, EU:C:1994:45, Nr. 47).

171 –      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts van Gerven vom 26. Januar 1993 in der Rechtssache Marshall II (C‑271/91, EU:C:1993:30, Nr. 12) und Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 27. Januar 1994 in der Rechtssache Vaneetveld (C‑316/93, EU:C:1994:32, Nr. 15 ff). In jüngerer Zeit hat sich Generalanwältin Trstenjak an verschiedenen Stellen ihrer Schlussanträge vom 8. September 2011 in der Rechtssache Dominguez (C‑282/10, EU:C:2011:559) erneut mit den grundlegenden Fragen befasst.

172 –      Urteil vom 14. Juli 1994 (C‑91/92, EU:C:1994:292).

173 –      Insoweit möchte ich mir die Gesamtheit der Ausführungen von Generalanwalt Jacobs in den Nrn. 30 und 31 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Vaneetveld (C‑316/93, EU:C:1994:32) zu eigen machen, die oben in Fn. 33 im vollen Wortlaut zitiert sind.

174 –      Urteil vom 12. Juli 1990 (C‑188/89, EU:C:1990:313).



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