Donnerstag, 9. Februar 2017

Die Bundesländer wollen die Konzessionsbeschränkung für Sportwettenanbieter aufheben


Obwohl sich die Teilnehmer des 4. Symposiums zum Glücksspielrecht vom 6. Oktober 2016 im Ausgangspunkt einig waren, dass der GlüStV in der aktuellen Fassung gescheitert ist, weil er mit zentralen Vorgaben des Verfassungs- und Unionsrechts unvereinbar ist, soll dieser mit dem Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages weitergeführt werden. 
"Das Glücksspielrecht dient allein fiskalischen Interessen der Länder, verfolgt keine konsistente Glücksspielpolitik und verstößt in allen Punkten gegen deutsches und europäisches Wettbewerbsrecht und die Verfassung."
Prof. Dr. Georg Hermes, Universität Frankfurt am Main
(An dieser Bewertung des GlüStV 2008 hat sich bis heute nichts geändert.)

Es ist zu berücksichtigen, dass die Sportwettenentscheidungen des EuGH auch für das Spielhallenrecht gelten, das wie das Internetglücksspiel ebenfalls unter die Dienstleistungsfreiheit fällt. (vgl. u.a. Admiral (C-464/15) Rn 22 ff, EuGH Berlington (C-98/14) Rn 90, Pfleger (C-390/12)
Wie aus der Landtagsdrucksache Baden-Württemberg 16 / 1534 vom 31. 01. 2017 hervorgeht, sieht der Glücksspielstaatsvertrag seit 1. Juli 2012 die beschränkte Zulassung privater Anbieter von Sportwetten vor; das staatliche Wettmonopol ist während einer
Experimentierphase von sieben Jahren suspendiert (A, I).
Ausweislich der Drucksache haben sich die Bundesländer dazu entschieden, die bisher geltende Anzahl von maximal 20 Konzessionen für Sportwettenanbieter vorläufig zu kippen, weil sich diese derzeit rechtlich nicht umsetzen lassen. 
Auch an dem verfassungswidrigen Glücksspielkollegium soll weiter festgehalten werden (§ 9a, Abs 5 Satz 2).
Aus meiner Sicht, wird auch dieser Entwurf, der das Unionsrecht nicht beachtet, den zentralen Vorgaben des Verfassungs- und Unionsrechts nicht gerecht. Die vorgesehenen staatlichen Regelungen zum Glücksspiel in Deutschland verstoßen somit auch weiterhin gegen EU-Recht und sind verfassungswidrig.

Nach wie vor, wird gegen den Vertrag von Lissabon (grundrechtsgleiche Rechte) und gegen Art. 56 AEUV (s.u.) verstoßen und werden die maßgeblichen Urteile des EuGH mißachtet.
(vgl.  u.a.  Admiral (C-464/15) Rn 22 ff, EuGH Berlington (C-98/14) Rn 90, Pfleger (C-390/12); s.a. Hakenberg, Europarecht, 6 Aufl. 2012)

Der EuGH (C-336/14) hat am 4.2.2016 in d. Rs. Sebat Ince entschieden, dass das staatliche deutsche Glücksspielmonopol trotz vergangener Regulierungsbemühungen, wie auch das behauptete vorläufige Aussetzen des Monopols (A, I), faktisch weiter bestehe.

Widerspricht eine innerstaatliche Regelung dem Unionsrecht, so hat diese nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) effektiv unangewendet zu bleiben. Dieser Grundsatz ist von jedem staatlichen Organ auf jeder Ebene des Verfahrens zu beachten.

Begründend wurde dazu – zusammengefasst – ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die unionsrechtliche Zulässigkeit des im GlüStV normierten Monopolsystems nicht allein von Zielsetzungen des Gesetzgebers, sondern auch von der tatsächlichen Wirkung der gesetzlichen Regelungen abhängig sei. Hinsichtlich der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Spielausgaben, die prinzipiell einen Rechtfertigungsgrund für einen nationalrechtlichen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit bildet, und damit im Zusammenhang stehenden zulässigen Werbemaßnahmen der Konzessionsinhaber komme der Kohärenz der im GlüStV getroffenen Regelung große Bedeutung zu: Für den Fall, dass die Eignung dieser Norm bejaht wird, beurteile der EuGH in einem zweiten Schritt deren Erforderlichkeit (Notwendigkeit) und gegebenenfalls in einem dritten Schritt die Angemessenheit der Beschränkung; eine nationale Regelung sei nach Ansicht des EuGH dann unionsrechtswidrig, wenn diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.

Glücksspielrecht seit 1999 rechtswidrig? 
 Wie mit den gescheiterten Regelungen (GlüStV 2008 und 2012) soll auch mit dem „Zweiten GlüÄndStV“ den Glücksspielanbietern weiterhin die unmittelbar aus dem Unionsrecht erwachsenen Rechte vorenthalten werden. 

Die Kommission hält die deutschen Glücksspielregelungen für Europarechtswidrig und verweist auf die Einhaltung der Vorgaben aus dem Urteil Pfleger vom 30. April 2014 (C-390/12, Randnr. 43), dass das Spielhallenrecht zum Inhalt hatte.

In der Rs. Berlington entschied der EuGH zum Automatenrecht unter der  Rn 90:
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung, die eine Beschränkung im Sinne von Art. 56 AEUV darstellt, auch das in Art. 17 der Charta verankerte Eigentumsrecht einschränken kann. Der Gerichtshof hat außerdem bereits entschieden, dass eine nicht gerechtfertigte oder unverhältnismäßige Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 56 AEUV auch nicht nach Art. 52 Abs. 1 der Charta in Bezug auf deren Art. 17 zulässig ist (Urteil Pfleger u. a., C-390/12, EU:C:2014:281, Rn. 57 und 59).
Viele vergleichbare Spiele, wie z.B. der Quotenbringer “Book of Ra” können in Spielhallen, im Spielcasinos und im Internet zu den gleichen Spielregeln gespielt werden. Während das Spiel im Internet ist völlig unreguliert stattfindet, gibt es auch für die in den Spielbanken aufgestellten Glücksspielautomaten keinerlei Begrenzungen bei Einsätzen, Höchstgewinnen, der Spielzeit oder der Geräteaufstellung.

Dies ist ein eklatanter Unterschied zu den Spielangeboten der Spielhallen die sehr streng reglementiert werden.

Die Erlaubnispflicht für Spielhallen, die Genehmigungsbeschränkung pro Gemeinde sowie die Abstandsregelungen und die sog. "Guillotine-Regelung" stellen einen schweren Eingriff in die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit dar.

Da unverhältnismäßig und nicht kohärent in Unionsrechte eingegriffen wird liegt auch eine unionsrechtswidrige Inländerdiskriminierung (bzw. „umgekehrte Diskriminierung“) vor!

Mit dem Zweiten GlüÄndStV wird die Rechtssprechung des EuGH weiterhin mißachtet und das staatliche Glücksspielangebot ganz im Sinne eines Monopolisten gefördert und weiter ausgeweitet.
Von Mäßigung i. S. einer Suchtprävention keine Spur - überall wird man von der staatlichen Glücksspielwerbung beglückt!

Laut EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston sollen die Gerichte prüfen, ob das Glücksspielgesetz verhältnismäßig ist. Was die Glücksspielwerbung betrifft, so wies die Generalanwältin darauf hin, dass Werbung, die zum Spiel anrege, mit dem Ziel eines hohen Verbraucherschutzniveaus - womit das staatliche Glücksspielmonopol begründet ist - offenkundig unvereinbar sei. Derartige Werbung würde nicht auf einen bestimmten Anbieter, sondern auf das Wachstum des gesamten Marktes abzielen und sei somit als expansionistische Geschäftspolitik zu verstehen.  (EuGH; C-390/12)

Hervorhebungen durch VS

Das Ausloten unionsrechtlicher Grenzen durch den Gesetzgeber, insbesondere der seit 1970 geltenden Verbotsnorm des Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit), ist im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Normenklarkeit unzulässig und verstößt durch unverhältnismäßige Eingriffe seit 1999 gegen Unionsrecht. Staatliche Einschränkungen sind rechtfertigungsbedürftig! (vgl. u.a. Winner Wetten, Rn 58; Pfleger; Fransson - ganz unten)
Landtagsdrucksache Baden-Württemberg 16 / 1534 vom 31. 01. 2017  
Zweiter Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages (pdf-download)