Freitag, 16. Juni 2017
Niedersachsen: sofortige Schließung von Spielhallen teilweise ausgesetzt
Presseinformationen
Wirtschaftsministerium setzt sofortige Schließung von Spielhallen bei echten Konkurrenzverhältnissen aus – Multikomplexe müssen zum 1.7.2017 schließen
Das niedersächsische Wirtschaftsministerium hat die Kommunen angewiesen, Spielhallen bei echten Konkurrenzverhältnissen vorerst nicht zu schließen. Diese liegen dann vor, wenn Spielhallen von unterschiedlichen Betreibern betrieben werden. Anders sieht es bei den sogenannten Multikomplexen mit bis zu 14 Spielhallen und einem Betreiber in einem Gebäude aus. Diese müssen wie geplant zum 1.7.2017 schließen bzw. die Anzahl der Spielhallen auf eine reduzieren, da diese in der Regel von ein und demselben Betreiber betrieben werden. Hier liegt keine echte Konkurrenzsituation vor. Davon sind 2/3 aller zu schließenden Spielhallen in Niedersachsen betroffen.
Anlass für die Weisung sind mehrere Gerichtsurteile, die das Losverfahren zur Reduzierung der Spielhallen betreffen. Sowohl das Verwaltungsgericht Oldenburg als auch das Verwaltungsgericht Osnabrück hatten sich mit diesem Thema befasst. Bei Multikomplexen sind beide Gerichte in der Beurteilung einig. Auseinander gehen die Meinungen beim Thema Losentscheid in dem Moment, wo echte Konkurrenzverhältnisse zwischen zwei oder mehr selbstständigen Betreibern vorliegen. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hält auch in solchen Fällen eine Reduzierung der Spielhallen per Losentscheid für rechtlich möglich. Voraussetzung wäre das Vorliegen einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage. Osnabrück dagegen ist der Auffassung, der Losentscheid sei nur als „ultima ratio" möglich. Ziel ist es jetzt, durch eine Entscheidung im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu erhalten. Bis zu einem entsprechenden Urteil, werden die Kommunen angewiesen, im Fall von echten Konkurrenzverhältnissen von Schließungen abzusehen.
Hintergrund:
Anlass für die Reduzierung der Spielhallen ist der sogenannte Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahr 2012. Der Glücksspielstaatsvertrag beinhaltet erstmalig Vorschriften zum Glücksspiel in Spielhallen. Um dem Entstehen von Spielsucht entgegen zu wirken, hatten die Länder damals vereinbart, dass die Spielhallen einen Mindestabstand zu benachbarten Spielhallen einhalten müssen. In Niedersachsen sind das 100 Meter. Damit hat Niedersachsen im Ländervergleich den geringsten Mindestabstand und damit die branchenfreundlichste Regelung. Darüber hinaus ist der Betrieb mehrerer Spielhallen in einem Gebäude (sog. Mehrfachkomplexe) verboten. Um eine Entscheidung darüber zu treffen, welche Spielhallen geschlossen werden müssen, entscheidet in Niedersachsen am Ende das Los.
In Niedersachsen müssen voraussichtlich von den rund 1.900 Spielhallen etwa 50 Prozent schließen.
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Schließung gestoppt: Aufschub für Spielhallen
Im Streit um das Schließen von Spielhallen in Niedersachsen bekommen etwa 300 Betreiber Aufschub. Das Wirtschaftsministerium hat das Losverfahren vorläufig gestoppt. Da mehrere Gerichte das Verfahren unterschiedlich bewertet haben, wolle man zunächst Rechtssicherheit, hieß es aus dem Ministerium.
Während das Verwaltungsgericht in Oldenburg die Entscheidung per Losentscheid für rechtlich möglich hält, darf sie nach Auffassung der Richter in Osnabrück nur das letzte Mittel sein. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg soll nun eine endgültige Entscheidung fällen.
Anzahl soll auf die Hälfte reduziert werden
Niedersachsen will die Anzahl der Spielhallen von rund 2.000 auf die Hälfte reduzieren. Zum 1. Juli hatte das Kabinett die Vorschriften deutlich verschärft, der Mindestabstand zwischen zwei Spielhallen liegt dann bei 100 Metern. Liegen diese näher zusammen, sollten die Kommunen per Los entscheiden, welche Spielhalle geschlossen wird. Das sorgte für Proteste: Erst im Mai hatten 1.500 Spielhallen-Beschäftigte in Hannover demonstriert.
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RA Dr. Damir Böhm, juristischer Berater des Fachverbands Spielhallen, weist auf sechs Punkte hin, die Unternehmer in Niedersachsen aktuell zwingend beachten müssten.
Das niedersächsische Wirtschaftsministerium hatte am 16. Juni seine bisherige Weisung zum Vollzug des Glücksspielstaatsvertrags in Niedersachsen abgeändert.
Seitdem gelten neue Vollzugshinweise für die niedersächsischen Erlaubnisbehörden.
RA Prof. Florian Heinze wies in einer Stellungnahme bereits darauf hin, dass eine generelle Aussetzung der Schließung von Spielhallen auch im Falle echter Konkurrenzverhältnisse mit der neuerlichen Weisung des Ministeriums nicht verbunden sei. RA Dr. Damir Böhm schließt nun konkrete Handlungshinweise für betroffene Unternehmer an:
„1. Tatsache ist, dass das Ministerium anerkennt, dass das Bundesverfassungsgericht den größtmöglichen Erhalt von Spielhallen aufgrund von Auswahlentscheidungen verlangt.
2. Da Abstandsgebote und Verbote von Mehrfachkonzessionen rechtmäßig sind, soll die Auswahl durch Losverfahren dann überprüft werden, wenn zwischen drei oder mehr Spielhallen von unterschiedlichen Betreibern gelost worden ist. Nur für diesen Fall soll nicht untersagt werden.
3. In allen anderen Fällen müssen die betroffenen Spielhallenbetreiber vor dem 30.06.2017 vorläufigen gerichtlichen Eilrechtsschutz beantragen. Dies gilt insbesondere für Standorte von Mehrfach-Spielhallen.
4. Es ist zu beantragen, dass das zuständige Verwaltungsgericht der Behörde, die den Erlaubnis- und Härtefallantrag abgelehnt hat, verbietet, bis zum Abschluss des Klageverfahrens den Betrieb zu untersagen.
5. Dabei ist auf die materielle Rechtmäßigkeit und die nicht vorhandene Gefahr durch den weiteren Betrieb sowie die schweren und irreparablen Folgen einer Schließung für den Spielhallenbetreiber abzustellen.
6. Es ist üblich, dass das Gericht bereits bei Antragstellung vor dem 30.06.2017(!) der Behörde einen Hinweis erteilt, dass bis zur Entscheidung über den Eilantrag keine Untersagung erfolgen soll. Diesem Hinweis hat die Behörde zu entsprechen.“
VG Osnabrück 1. Kammer, Urteil vom 17.05.2017, 1 A 294/16: intransparente Vergabepraxis ist rechtswidrig!
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