PRESSEMITTEILUNG Nr. 65/11
Luxemburg, den 30. Juni 2011
Urteil in der Rechtssache C-212/08 Zeturf Ltd / Premier ministre
Gefahren in kohärenter und systematischer Weise verfolgt wird
Eine französische Regelung überträgt dem Groupement d’intérêt économique Pari Mutuel Urbain (PMU) ein Monopol für die Verwaltung von Wetten außerhalb von Rennplätzen.
Im Juli 2005 beantragte die Zeturf Ltd, eine Gesellschaft maltesischen Rechts, die Pferdewetten im Internet anbietet, bei den französischen Behörden die Aufhebung dieser Regelung. Zeturf verfügt über eine Zulassung der maltesischen Regulierungsbehörde für Glücksspiele und bietet auf ihrer Website u. a. Wetten auf französische Pferderennen an.
Der mit dem Rechtsstreit befasste französische Conseil d’État fragt den Gerichtshof, ob diese Beeinträchtigung des freien Dienstleistungsverkehrs, die die französische Regelung für Pferdewetten darstellt, gerechtfertigt ist. Es geht auch um die Frage, ob die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit nur unter dem Blickwinkel der Beschränkungen der online angebotenen Pferdewetten zu beurteilen ist oder ob der gesamte Sektor der Pferdewetten in die Betrachtung einzubeziehen ist, unabhängig von der Form, in der die Wetten den Spielern angeboten werden und ihnen zugänglich sind.
Mit seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof erneut darauf hin, das es den Mitgliedstaaten grundsätzlich freisteht, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen. Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung anerkannt hat, kann ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, annehmen, dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, wirksam zu verfolgen.
In diesem Zusammenhang gibt der Gerichtshof zwei Klarstellungen in Bezug auf die Prüfung der mit der nationalen Regelung verfolgten Ziele und die Kontrolle, die die staatlichen Behörden tatsächlich über den PMU ausüben.
In Bezug auf die verfolgten Ziele führt der Gerichtshof aus, dass nach den ihm vorliegenden Informationen mit der französischen Regelung hauptsächlich zwei Ziele verfolgt werden: zum einen die Bekämpfung von Betrug und Geldwäsche im Pferdewettensektor und zum anderen der Schutz der Sozialordnung im Hinblick auf die Folgen des Glücksspiels für den Einzelnen und die Gesellschaft. Diese Ziele können grundsätzlich als Rechtfertigung von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Glücksspiele dienen. Eine so einschränkende Maßnahme wie ein Monopol kann gleichwohl nur zur Gewährleistung eines besonders hohen Schutzniveaus in Bezug auf diese Ziele gerechtfertigt sein. Das nationale Gericht wird somit zu prüfen haben, ob die nationalen Behörden zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich bestrebt waren, ein solches besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, und ob die Einführung eines Monopols im Hinblick auf dieses angestrebte Schutzniveau tatsächlich erforderlich war.
In Bezug auf die Kontrolle der Tätigkeit des PMU führt der Gerichtshof aus, dass in Frankreich offenbar ein besonders hoher Grad an staatlicher Kontrolle über die Veranstaltung von Pferdewetten besteht. Der Staat übt nämlich eine unmittelbare Kontrolle über die Funktionsweise des alleinigen Anbieters, die Organisation von Veranstaltungen, auf die Wetten abgeschlossen werden, die zulässigen Arten von Wetten und ihre Vertriebskanäle einschließlich des Verhältnisses von Gewinnen und Einsätzen sowie den Ablauf und die Überwachung der reglementierten Tätigkeiten aus.
Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels – Bekämpfung von Betrug und Kriminalität sowie Schutz der Sozialordnung – zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Das nationale Gericht hat daher insbesondere im Licht der Entwicklung des Glücksspielmarkts in Frankreich zu prüfen, ob die staatlichen Kontrollen, denen die Tätigkeit des PMU grundsätzlich unterliegt, wirksam durchgeführt und damit die Ziele in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden, die mit der Errichtung der Ausschließlichkeitsregelung zugunsten des PMU angestrebt werden.
Zur Frage, ob der Markt für online angebotene Pferdewetten vom gesamten Sektor der Pferdewetten getrennt zu betrachten ist, verweist der Gerichtshof auf seine Rechtsprechung, wonach das Internet lediglich ein Vertriebskanal für Glücksspiele ist. Der Markt für Pferdewetten sollte daher grundsätzlich in seiner Gesamtheit betrachtet werden, unabhängig davon, ob die fraglichen Wetten über die traditionellen Kanäle, d. h. physische Annahmestellen, oder über das Internet angeboten werden. Eine Beschränkung der Tätigkeit der Wettannahme sollte daher unabhängig davon geprüft werden, auf welchem Wege die Wetten abgeschlossen werden.
In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits auf gewisse Besonderheiten des Anbietens von Glücksspielen über das Internet hingewiesen. Er hat insbesondere ausgeführt, dass über das Internet angebotene Glücksspiele, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich bergen, dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden. Desgleichen stellen auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Häufigkeit eines solchen Angebots mit internationalem Charakter in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und aufgrund dessen die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können.
Folglich stellt der Gerichtshof fest, dass die nationalen Gerichte bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit durch ein System, das für die Veranstaltung von Pferdewetten eine Ausschließlichkeitsregelung vorsieht, sämtliche Vertriebskanäle für diese Wetten zu berücksichtigen haben, es sei denn, die Nutzung des Internets führt dazu, dass die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt werden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen.
Im Fall einer nationalen Regelung, wie sie zur für den Sachverhalt maßgeblichen Zeit galt, die gleichermaßen für online angebotene Wetten wie für Wetten gilt, die über traditionelle Vertriebskanäle angeboten werden, und für die der nationale Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Vertriebskanälen nicht für erforderlich gehalten hat, ist die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigungen zu beurteilen, die den gesamten Sektor der Pferdewetten treffen.
HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
www.curia.europa.eu
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Der Volltext des Urteils wird am Tag der Verkündung auf der Curia-Website veröffentlicht.
Pressekontakt: Jens Hamer
(+352) 4303 3255
www.curia.europa.eu
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union
veröffentlicht am: 30.06.2010
Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor
Parteien
In der Rechtssache C‑212/08betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Conseil d’État (Frankreich) mit Entscheidung vom 9. Mai 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Mai 2008, in dem Verfahren
Zeturf Ltd
gegen
Premier ministre
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Schiemann (Berichterstatter) sowie der Richterinnen C. Toader und A. Prechal,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Zeturf Ltd, vertreten durch O. Delgrange, avocat, und Rechtsanwalt M. Riedel,
– des Groupement d’intérêt économique Pari Mutuel Urbain, vertreten durch P. de Montalembert, P. Pagès und C.-L. Saumon, avocats,
– der französischen Regierung, vertreten durch E. Belliard, N. Rouam, G. de Bergues und B. Messmer als Bevollmächtigte,
– der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlæmminck, advocaat,
– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und B. Klein als Bevollmächtigte,
– der griechischen Regierung, vertreten durch E.‑M. Mamouna, M. Tassopoulou und G. Papadaki als Bevollmächtigte,
– der maltesischen Regierung, vertreten durch A. Buhagiar, S. Camilleri und J. Borg als Bevollmächtigte,
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und P. Mateus Calado als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Vrignon und E. Traversa als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
2. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Zeturf Ltd (im Folgenden: Zeturf), einer Gesellschaft maltesischen Rechts, und dem französischen Premierminister über dessen stillschweigende Entscheidung, die Aufhebung nationaler Maßnahmen abzulehnen, mit denen dem Groupement d’intérêt économique Pari Mutuel Urbain (im Folgenden: PMU) in Frankreich ein Monopol für die Verwaltung von Wetten außerhalb von Rennplätzen übertragen wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3. Mit der Richtlinie 90/428/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 über den Handel mit Sportpferden und zur Festlegung der Bedingungen für die Teilnahme an pferdesportlichen Veranstaltungen (ABl. L 224, S. 60) wird, wie sich aus ihrem zweiten Erwägungsgrund ergibt, der Zweck verfolgt, auf Gemeinschaftsebene Vorschriften für den innergemeinschaftlichen Handel mit Sportpferden zu erlassen.
4. Im fünften Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:
„Der Handel mit Sportpferden und die Teilnahme an pferdesportlichen Veranstaltungen können durch unterschiedliche Regelungen über die Verwendung der Einkünfte und Gewinne aus derartigen Veranstaltungen für den Schutz, die Förderung und die Verbesserung der Zucht in den einzelnen Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden. …“
5. Nach Art. 1 der Richtlinie legt diese „die Bedingungen für den Handel mit Sportpferden und für die Teilnahme dieser Pferde an pferdesportlichen Veranstaltungen fest“.
6. Nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 90/428 ist eine „Veranstaltung“ im Sinne dieser Richtlinie „jeder pferdesportliche Wettstreit“.
7. Art. 3 der Richtlinie untersagt bei den Vorschriften für Veranstaltungen Diskriminierungen zwischen den im Veranstaltermitgliedstaat eingetragenen und den in einem anderen Mitgliedstaat eingetragenen Equiden.
8. Art. 4 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Bestimmungen des Artikels 3 gelten insbesondere für
…
c) die Einkünfte oder Gewinne aus derartigen Veranstaltungen.
(2) Jedoch
…
– werden die Mitgliedstaaten ermächtigt, für jede Veranstaltung oder Art von Veranstaltung über hierfür amtlich zugelassene Stellen einen bestimmten Prozentsatz des Volumens der in Absatz 1 Buchstabe c) genannten Einkünfte oder Gewinne für den Schutz, die Förderung und die Verbesserung der Zucht einzubehalten;
…“
Nationales Recht
Veranstaltung von Pferderennen
9. Art. 1 des Gesetzes vom 2. Juni 1891 zur Regelung der Genehmigung und des Betriebs von Pferderennen (loi du 2 juin 1891 ayant pour objet de réglementer l’autorisation et le fonctionnement des courses de chevaux) ( Bulletin des lois 1891, Nr. 23707) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz von 1891) sieht vor:
„Rennplätze dürfen nicht ohne die vorherige Genehmigung des Landwirtschaftsministers eröffnet werden.“
10. Art. 2 des Gesetzes von 1891 bestimmt:
„Erlaubt sind nur Pferderennen, die ausschließlich dem Ziel der Verbesserung der Pferderassen dienen und von Vereinen veranstaltet werden, deren Satzung vom Landwirtschaftsminister nach Stellungnahme des obersten Rats der Gestüte genehmigt wurde.“
11. Art. 1 des Dekrets Nr. 97-456 vom 5. Mai 1997 betreffend Pferderennvereine und Pferdewetten (décret n° 97-456 du 5. mai 1997, relatif aux sociétés de courses de chevaux et au pari mutuel) (JORF vom 8. Mai 1997, S. 7012) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Dekret von 1997) lautet:
„Für Pferderennvereine gelten die Bestimmungen des Gesetzes vom 1. Juli 1901 über den Vereinsgründungsvertrag (loi du 1 er juillet 1901 relative au contrat d’association), soweit diese Bestimmungen nicht den Bestimmungen des Gesetzes [von 1891] und den zu seiner Umsetzung erlassenen Verordnungen zuwiderlaufen.
Zweck der Rennvereine sind die Veranstaltung von Pferderennen und Tätigkeiten, die unmittelbar mit diesem Zweck zusammenhängen oder zu denen sie gesetzlich ermächtigt sind.
Die Satzungen der Vereine werden vom Minister für Landwirtschaft genehmigt und müssen insbesondere die in diesem Titel vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen. Die Satzungen der Rennvereine … müssen den vom Minister erlassenen Mustersatzungen entsprechen.“
12. Zu der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit mussten die Rennvereine dem Landwirtschaftsminister Satzungen vorlegen, die der im Anhang des Erlasses vom 26. Dezember 1997 über die Mustersatzungen von Pferderennvereinen (arrêté du 26 décembre 1997, relatif aux statuts types des sociétés de courses de chevaux) (JORF vom 14. Februar 1998, S. 2344) enthaltenen Mustersatzung entsprachen.
13. Art. 3 des Dekrets von 1997 sieht vor:
„Die Genehmigung für die Veranstaltung von Pferderennen wird vom Landwirtschaftsminister nach Stellungnahme des Präfekten für ein Jahr erteilt; sie kann Vereinen, die gegen Gesetzes- oder Verordnungsbestimmungen verstoßen oder den Verpflichtungen aus ihrer Satzung nicht nachgekommen sind, vorzeitig entzogen werden.
Die Satzung muss vorsehen, dass ein Rennverein, dem die Genehmigung für die Veranstaltung von Pferderennen in drei aufeinander folgenden Jahren nicht erteilt wurde, rechtswirksam aufgelöst wird.“
Veranstaltung von Pferdewetten
14. Pferdewetten unterliegen einem grundsätzlichen Verbot, das sich aus Art. 4 des Gesetzes von 1891 ergibt, wonach mit einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe bestraft wird, wer, gleich an welchem Ort und in welcher Form, Wetten auf Pferderennen unmittelbar oder mittelbar anzunehmen anbietet oder annimmt.
15. Jedoch erlaubt der Staat bestimmten Pferderennvereinen die Veranstaltung von Pferdewetten. So heißt es in Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes von 1891:
„… Vereine, die die in Art. 2 vorgeschriebenen Bedingungen erfüllen und eine festgelegte Abgabe zugunsten örtlicher Wohltätigkeits- und Zuchtvereinigungen entrichten, können aufgrund einer besonderen, jederzeit widerruflichen Genehmigung des Ministers für Landwirtschaft Totalisatorwetten veranstalten; diese Genehmigung lässt jedoch die übrigen Bestimmungen des Art. 4 unberührt.“
16. Bezüglich dieser für Rennvereine bestehenden Möglichkeit, Pferdewetten zu veranstalten, begründet Art. 27 des Dekrets von 1997 zugunsten von PMU ein Monopol für die Annahme von Wetten außerhalb von Rennplätzen:
„Die Rennvereine, die befugt sind, unter den in Art. 5 des oben genannten Gesetzes [von 1891] festgelegten Bedingungen Wetten außerhalb von Rennplätzen zu veranstalten, übertragen die Verwaltung dieser Wetten für ihre Rechnung einem wirtschaftlichen Interessenverband, den sie unter den durch die oben genannte Verordnung vom 23. September 1967 festgelegten Bedingungen gemeinsam gründen. Die Satzung dieses Verbands mit der Bezeichnung Pari mutuel urbain (PMU) wird vom Landwirtschaftsminister und vom Haushaltsminister genehmigt.
Die in Art. 2 definierten Muttervereine können diesem wirtschaftlichen Interessenverband ebenfalls die Verwaltung der Wetten auf ihren Rennplätzen für ihre Rechnung übertragen.
Erlaubt dieser wirtschaftliche Interessenverband Privatpersonen, Wettannahmestellen zu betreiben, muss diese Erlaubnis nach einer Untersuchung und einer positiven Stellungnahme des Innenministers erteilt werden.“
17. Mit dem Erlass vom 13. September 1985 über Totalisatorwetten (arrêté du 13 septembre 1985 portant règlement du pari mutuel) (JORF vom 18. September 1985, S. 10714) in der durch den Erlass vom 29. August 2001 (JORF vom 28. September 2001, S. 15333) geänderten Fassung (im Folgenden: Erlass von 1985) wurde zudem der Abschluss von Wetten über das Internet ermöglicht. Die Website des PMU ist eine der fünf größten kommerziellen Websites in Frankreich.
Organisation des PMU und Eingrenzung seiner Tätigkeit
18. Art. 3 der Satzung des PMU sieht vor:
„Zweck des [PMU] ist es, allen Rennvereinen, die Mitglied des [PMU] sind, für alle oder einen Teil der von ihnen veranstalteten Zusammenkünfte die technischen, administrativen, rechtlichen, finanziellen und persönlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, die notwendig sind, um auf Dauer und ohne Unterbrechung Totalisatorwetten außerhalb der Rennplätze und auf den Rennplätzen der Muttervereine anzubieten.
Er kann die Verwaltung aller Beteiligungen an französischen oder ausländischen Vereinen, Verbänden oder Körperschaften, die in Frankreich oder im Ausland unmittelbar oder mittelbar an der Veranstaltung von Totalisatorwetten oder an mit dieser Tätigkeit verbundenen Dienstleistungen beteiligt sind, übernehmen und sicherstellen.
Er nimmt alle ergänzenden und unmittelbar der Erfüllung seines Hauptzwecks dienenden Tätigkeiten wahr.
Wie der Zweck jedes Mitgliedvereins ist auch der Zweck des [PMU] uneigennützig und nicht gewinnorientiert sowie zivilrechtlicher Natur.“
19. Art. 29 des Dekrets von 1997 bestimmt hinsichtlich der Zusammensetzung des Vorstands des PMU:
„Der [PMU] wird von einem Vorstand geleitet, der aus zehn von der Versammlung ernannten Mitgliedern besteht:
Dem von den Mitgliedvereinen aufgestellten Vorstandsvorsitzenden des [PMU], der außerhalb der Mitglieder der Versammlung bestimmt werden kann und vom Landwirtschaftsminister und vom Haushaltsminister bestätigt werden muss;
dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden, der vom Vorsitzenden vorgeschlagen wird und vom Landwirtschaftsminister und vom Haushaltsminister bestätigt werden muss;
vier Vertretern der Mitgliedvereine des [PMU];
vier Vertretern des Staates, von denen zwei vom Minister für Landwirtschaft und zwei vom Haushaltsminister vorgeschlagen werden.
Die Amtszeit des Vorstandvorsitzenden des [PMU] beträgt vier Jahre und ist erneuerbar. Die Amtszeit des Stellvertreters endet gleichzeitig mit der des Vorsitzenden, der ihn vorgeschlagen hat.
Bei den Beratungen des Vorstands verfügt jedes Mitglied über eine Stimme, die Stimme des Vorsitzenden gibt jedoch bei G leichheit der Stimmen den Ausschlag. Der staatliche Prüfer und der Regierungskommissar nehmen an den Versammlungen des Vorstands teil, ohne sich an den Abstimmungen zu beteiligen.“
20. Art. 40 des Dekrets von 1997 sieht eine Kontrolle der Pferderennen und -wetten vor:
„Die Kontrolle und die Überwachung der Pferderennen und Totalisatorwetten werden von den Bediensteten der Direktion Ländlicher Raum und Forst des Landwirtschaftsministeriums, den Beamten des für Pferderennen zuständigen Polizeidienstes des Innenministeriums und den leitenden Buchprüfern der Staatskasse oder ihren Vertretern sichergestellt.
Die für die Kontrolle und Überwachung von Pferderennen und Totalisatorwetten zuständigen Beamten können sich alle Unterlagen und Schriftstücke vorlegen lassen, die mit diesen Tätigkeiten im Zusammenhang stehen. Sie haben vor, während und nach den Rennen Zugang zu allen Räumlichkeiten und Anlagen, in denen die Annahme und die zentrale Erfassung der Wetten auf und außerhalb von Rennplätzen erfolgen …“
21. In Bezug auf die Modalitäten und Arten von Wetten, die der PMU anbieten darf, bestimmt Art. 39 des Dekrets von 1997:
„Die Regelung über die Totalisatorwette wird vom Landwirtschaftsminister und vom Haushaltsminister auf Vorschlag des [PMU] und nach Stellungnahme des Innenministers erlassen. Sie wird im Journal officiel de la République française [Amtsblatt der Französischen Republik] veröffentlicht.“
22. Art. 1 des Erlasses von 1985 lautet:
„Die Wetten, die Gegenstand des vorliegenden Erlasses sind, bestehen in der Vorhersage eines Ereignisses im Zusammenhang mit dem Ausgang eines oder mehrerer Pferderennen, die von hierzu vom Landwirtschaftsminister ermächtigten Vereinen auf Rennplätzen veranstaltet werden, deren Eröffnung genehmigt wurde, wobei der Ablauf der Prüfungen verschiedenen Regelwerken für Pferderennen unterliegt.
In einem Erlass des Landwirtschaftsministers werden für jeden Verein die Arten der zugelassenen Wetten aufgeführt.“
23. Art. 2 Abs. 1 des Erlasses von 1985 sieht vor:
„Nach dem Prinzip der Totalisatorwette werden die Einsätze, die von den Wettteilnehmern auf eine bestimmte Art von Wetten getätigt werden, nach Abzug der nach der geltenden Regelung einzubehaltenden Beträge unter den Gewinnern dieser Wettart verteilt.“
24. In Art. 8 Abs. 1 des Erlasses von 1985 wird das grundsätzliche Verbot von Pferdewetten wie folgt bestätigt:
„Es ist verboten, Wetten für Pferderennen, die in Frankreich veranstaltet werden, außerhalb der Dienstleistungen der französischen Totalisatorwette abzuschließen oder entgegenzunehmen.“
25. Die Einsätze der beim PMU abgeschlossenen Wetten werden zu etwa 74 % unter den Wettteilnehmern verteilt. Etwa 12 % werden vom Staat einbehalten, etwa 8 % kommen der Pferdebranche zugute und etwa 5 % decken die Kosten der Annahme und Bearbeitung der Wetten durch den PMU.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
26. Zeturf ist eine Gesellschaft, die Pferdewetten im Internet anbietet. Sie verfügt über eine Zulassung der maltesischen Regulierungsbehörde für Glücksspiele und bietet auf ihrer Website u. a. Wetten auf französische Pferderennen an.
27. Am 18. Juli 2005 beantragte Zeturf beim Landwirtschaftsminister die Aufhebung des Art. 27 des Dekrets von 1997, insbesondere seines Abs. 1, mit dem dem PMU ein Monopol für die Verwaltung von Pferdewetten außerhalb von Rennplätzen übertragen wird.
28. Die stillschweigende Ablehnung dieses Antrags durch Nichtbeantwortung durch den Landwirtschaftsminister wurde von Zeturf vor dem vorlegenden Gericht angefochten. Zeturf beantragte zudem, den Premierminister und den Landwirtschaftsminister unter Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 150 Euro für jeden Tag der Verzögerung ab Zustellung der Entscheidung zu verpflichten, Art. 27 Abs. 1 des Dekrets von 1997 aufzuheben.
29. Zeturf stützt die beim Conseil d’État eingereichte Klage u. a. auf einen Verstoß gegen die in Art. 49 EG gewährleistete Dienstleistungsfreiheit.
30. Hierzu stellt das vorlegende Gericht fest, dass Art. 27 Abs. 1 des Dekrets von 1997 insoweit eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstelle, als er geeignet sei, die Veranstaltung von Pferdewetten außerhalb von Rennplätzen in Frankreich für Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten als der Französischen Republik zu beschränken.
31. Eine solche Beschränkung könne jedoch aufgrund im EG-Vertrag vorgesehener Ausnahmeregelungen oder unter der Voraussetzung, dass sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei, zulässig sein, wenn sie den Anforderungen entspreche, die das Unionsrecht hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit aufstelle.
32. Vor dem vorlegenden Gericht macht Zeturf u. a. geltend, dass die zuständigen nationalen Behörden keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dargelegt hätten, der die genannte Beschränkung rechtfertige, dass diese Beschränkung, selbst wenn ein solcher Grund nachgewiesen werden könnte, in keinem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehe und dass der PMU eine expansive Geschäftspolitik verfolge, die auf dem Anreiz zum Spiel und zu Ausgaben beruhe und nicht mit den Zielen der anwendbaren nationalen Regelung übereinstimme.
33. Die genannten Behörden machen vor dem vorlegenden Gericht dagegen geltend, dass mit dem Monopol des PMU der Schutz der Sozialordnung im Hinblick auf die Folgen des Spiels für den Einzelnen und die Gesellschaft sowie der Schutz der öffentlichen Ordnung mit dem Ziel angestrebt werde, die Ausnutzung von Glücksspielen zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken zu bekämpfen, und dass dieses Monopol durch die Finanzierung der Pferdebranche zur Entwicklung des ländlichen Raums beitrage. Die vom PMU verfolgte Wachstumspolitik werde durch das Ziel gerechtfertigt, die vom Spiel ausgehende Versuchung effektiv dadurch zu bekämpfen, dass ein attraktives legales Angebot aufrechterhalten werde, das die Spieler dazu veranlassen solle, sich erlaubten und geregelten Tätigkeiten zuzuwenden.
34. Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Sind die Art. 49 EG und 50 EG dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die für Pferdewetten außerhalb der Rennplätze eine Ausschließlichkeitsregelung zugunsten eines einzigen, nicht gewinnorientierten Wirtschaftsteilnehmers vorsieht und die zwar geeignet erscheint, das Ziel der Bekämpfung von Straftaten und somit des Schutzes der öffentlichen Ordnung auf eine effizientere Weise als durch weniger einschränkende Maßnahmen zu gewährleisten, aber, um der Gefahr der Entstehung von Kreisen unerlaubter Glücksspiele entgegenzuwirken und die Spieler auf das legale Angebot zu lenken, mit einer dynamischen Geschäftspolitik des Wirtschaftsteilnehmers verbunden ist, die daher das Ziel, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, nicht vollständig erreicht?
2. Ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine nationale Bestimmung wie die in Frankreich geltende, die hinsichtlich Pferdewetten außerhalb der Rennplätze eine Ausschließlichkeitsregelung zugunsten eines einzigen, nicht gewinnorientierten Wirtschaftsteilnehmers vorsieht, gegen die Art. 49 EG und 50 EG verstößt, die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit nur unter dem Blickwinkel der Beschränkungen der online angebotenen Pferdewetten zu beurteilen, oder ist der gesamte Sektor der Pferdewetten in die Betrachtung einzubeziehen, unabhängig von der Form, in der die Wetten den Spielern angeboten werden und ihnen zugänglich sind?
Zu den Vorlagefragen
35. Wie in Randnr. 30 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hat das vorlegende Gericht festgestellt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende französische Regelung über Pferdewetten eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit darstelle. In den Vorlagefragen geht es daher nur darum, ob diese Beeinträchtigung gerechtfertigt ist oder nicht.
Zur ersten Frage
36. Zur Beantwortung der ersten Frage sind erstens die Voraussetzungen zu prüfen, unter denen Art. 49 EG die Einführung einer Ausschließlichkeitsregelung für die Veranstaltung von Pferdewetten außerhalb der Rennplätze zugunsten eines einzigen Wirtschaftsteilnehmers wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erlaubt, und zweitens, inwieweit die Verfolgung einer dynamischen Geschäftspolitik durch diesen Wirtschaftsteilnehmer, dem ein solches ausschließliches Recht zusteht, mit den Zielen übereinstimmen kann, die mit dieser Ausschließlichkeitsregelung verfolgt werden.
Voraussetzungen für die Einführung einer Ausschließlichkeitsregelung für die Veranstaltung von Pferdewetten
37. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, wie sie vom vorlegenden Gericht festgestellt wurde, im Rahmen der Ausnahmeregelungen, die in den nach Art. 55 EG auf diesem Gebiet anwendbaren Art. 45 EG und 46 EG ausdrücklich vorgesehen sind, zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann (Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, Slg. 2009, I‑7633, Randnr. 55).
38. Zu den gegebenenfalls zulässigen Rechtfertigungen hat der Gerichtshof ausgeführt, dass sich die Ziele, die mit den im Spiel- und Wettbereich erlassenen nationalen Rechtsvorschriften verfolgt werden, bei einer Gesamtbetrachtung meist auf den Schutz der Empfänger der jeweiligen Dienstleistungen und, allgemeiner, der Verbraucher sowie auf den Schutz der Sozialordnung beziehen. Er hat ferner hervorgehoben, dass solche Ziele zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören, die Eingriffe in den freien Dienstleistungsverkehr rechtfertigen können (Urteil vom 8. September 2010, Stoß u. a., C‑316/07, C‑358/07 bis C‑360/07, C‑409/07 und C‑410/07, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39. Zudem hat der Gerichtshof wiederholt darauf hingewiesen, dass die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die mit Spielen und Wetten einhergehenden sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft ein ausreichendes Ermessen der staatlichen Stellen rechtfertigen können, im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (Urteil Stoß u. a., Randnr. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40. Somit steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 59).
41. Ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, kann, wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung anerkannt hat, Grund zu der Annahme haben, dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, wirksam zu verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil Stoß u. a., Randnrn. 81 und 83).
42. Den nationalen Behörden steht es nämlich frei, den Standpunkt zu vertreten, dass der Umstand, dass sie als Kontrollinstanz der mit dem Monopol betrauten Einrichtung über zusätzliche Mittel verfügen, mit denen sie deren Verhalten außerhalb der gesetzlichen Regulierungsmechanismen und Kontrollen beeinflussen können, ihnen eine bessere Beherrschung des Glücksspielangebots und bessere Effizienzgarantien bei der Durchführung ihrer Politik zu gewährleisten vermag, als es bei der Ausübung der entsprechenden Tätigkeiten durch private Veranstalter in einer Wettbewerbssituation der Fall wäre, selbst wenn diese eine Erlaubnis benötigten und einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterlägen (Urteil Stoß u. a., Randnr. 82).
43. Gleichwohl müssen die vorgeschriebenen Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen, was von den nationalen Gerichten zu prüfen ist (Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnrn. 59 und 60, und Stoß u. a., Randnrn. 77 und 78).
44. Im Kontext des Ausgangsverfahrens und im Licht der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen sind insoweit einige Klarstellungen vorzunehmen, die sich zum einen auf die Prüfung der mit der nationalen Regelung verfolgten Ziele und zum anderen auf die Kontrolle beziehen, die die staatlichen Behörden tatsächlich über den PMU ausüben.
– Zu den mit der nationalen Regelung verfolgten Zielen
45. Aus den Akten, die das vorlegende Gericht dem Gerichtshof übermittelt hat, und aus den Erklärungen der französischen Regierung vor dem Gerichtshof geht hervor, dass mit der nationalen Regelung drei Ziele verfolgt werden, von denen die beiden wichtigsten die Bekämpfung von Betrug und Geldwäsche im Pferdewettensektor sowie der Schutz der Sozialordnung im Hinblick auf die Folgen des Glücksspiels für den Einzelnen und die Gesellschaft sind. Das dritte Ziel, das vom PMU und der französischen Regierung nur in zweiter Linie geltend gemacht wird, besteht darin, durch die Finanzierung der Pferdebranche zur Entwicklung des ländlichen Raums beizutragen.
46. Die ersten beiden dieser Ziele gehören, wie in Randnr. 38 des vorliegenden Urteils dargelegt, zu denen, die als Rechtfertigung von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit in Bereich der Glücksspiele anerkannt sind. Wie in Randnr. 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt, kann eine so einschränkende Maßnahme wie ein Monopol gleichwohl nur zur Gewährleistung eines besonders hohen Schutzniveaus in Bezug auf diese Ziele gerechtfertigt sein.
47. Das vorlegende Gericht wird somit zu prüfen haben, ob die nationalen Behörden zum für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich bestrebt waren, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, und ob die Einführung eines Monopols im Hinblick auf dieses angestrebte Schutzniveau tatsächlich als erforderlich angesehen werden konnte.
48. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die bloße Tatsache, dass die Zulassung und die Kontrolle einer gewissen Zahl privater Betreiber sich für die nationalen Behörden als kostspieliger erweisen kann als die Aufsicht über einen einzigen Betreiber, unerheblich ist. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich nämlich, dass verwaltungstechnische Nachteile die Beeinträchtigung einer durch das Unionsrecht gewährleisteten Grundfreiheit nicht rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C‑386/04, Slg. 2006, I‑8203, Randnr. 48, und vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, Slg. 2009, I‑359, Randnr. 55).
49. Hinsichtlich des Schutzniveaus, das die nationalen Behörden im Hinblick auf die geltend gemachten Ziele anstreben, macht Zeturf u. a. geltend, dass regelmäßig bedeutende Geldbeträge durch den Handel mit Gewinnscheinen des PMU gewaschen würden, was nur möglich sei, weil die Wetten beim PMU anonym abgeschlossen würden und der Wettteilnehmer daher nicht identifiziert werden könne. Diese Geldwäschetechnik sei bekannt und werde durch die Tätigkeitsberichte der französischen Antigeldwäscheeinheit „Tracfin“ bestätigt, die dem Minister für Wirtschaft, Finanzen und Beschäftigung und dem Minister für Haushalt, öffentliche Buchführung und den öffentlichen Dienst unterstehe.
50. Dem vorlegenden Gericht obliegt es, zu prüfen, inwieweit dieses Vorbringen nachgewiesen ist und ob eine etwaige Toleranz gegenüber derartigen Praktiken mit dem Streben nach einem hohen Schutzniveau vereinbar ist.
51. Was das dritte Ziel der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung betrifft, auf das sich die französische Regierung in zweiter Linie beruft, ist festzustellen, dass die von dieser Regierung angeführte Entwicklung des ländlichen Raums im Rahmen des Ausgangsverfahrens mit der Finanzierung uneigennütziger oder im Allgemeininteresse liegender Tätigkeiten gleichgestellt werden kann, um die es in dem Kontext ging, in dem das Urteil vom 24. März 1994, Schindler (C‑275/92, Slg. 1994, I‑1039), ergangen ist.
52. Der Gerichtshof hat hierzu wiederholt ausgeführt, dass es zwar nicht gleichgültig ist, dass Abgaben auf Einnahmen aus Glücksspielen in erheblichem Maße zur Finanzierung solcher Tätigkeiten beitragen können, dies jedoch nur eine erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Schindler, Randnr. 60, und vom 21. Oktober 1999, Zenatti, C‑67/98, Slg. 1999, I‑7289, Randnr. 36). Nach ständiger Rechtsprechung zählen wirtschaftliche Gründe nämlich nicht zu den in den Art. 45 EG und 46 EG angeführten Gründen und bilden keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, der zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit oder des freien Dienstleistungsverkehrs angeführt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C‑243/01, Slg. 2003, I‑13031, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 6. Oktober 2009, Kommission/Spanien, C‑153/08, Slg. 2009, I‑9735, Randnr. 43).
53. Daraus ergibt sich, dass ein solches Ziel eine so restriktive Maßnahme wie die Schaffung eines Monopols erst recht nicht rechtfertigen kann. Das in zweiter Linie verfolgte Ziel, durch die Errichtung eines Monopols im Bereich der Pferdewetten außerhalb der Rennplätze zur Entwicklung des ländlichen Raums beizutragen, kann daher die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit, die durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung begründet wird, nicht rechtfertigen.
54. Im Übrigen erlaubt Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 90/428 entgegen dem Vorbringen der französischen Regierung weder stillschweigend noch ausdrücklich, die Einnahmen aus Pferdewetten für den Schutz, die Förderung und die Verbesserung der Zucht von Equiden zu verwenden. Mit dieser Richtlinie wird nicht bezweckt, die Glücksspiele im Zusammenhang mit Pferderennen zu regeln. Es sollen lediglich Diskriminierungen von Pferden ausgeschlossen werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, in dem sie an Veranstaltungen teilnehmen, eingetragen sind oder ihren Ursprung haben. Diese Veranstaltungen sind in Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie, auf den ihre Art. 3 und 4 verweisen, definiert. Die den Mitgliedstaaten durch Art. 4 eingeräumte Möglichkeit, einen bestimmten Prozentsatz der Einkünfte oder Gewinne aus diesen Veranstaltungen einzubehalten, bezieht sich ausdrücklich auf die Bestimmungen des Art. 3. In Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie geht es somit um die Gewinne und Einkünfte, die mit diesen Pferden erzielt werden, nicht aber um die Einnahmen aus Pferdewetten, die anlässlich derartiger Veranstaltungen angeboten werden.
– Zur Kontrolle der Tätigkeit des PMU
55. Wie der PMU sowie die französische und die portugiesische Regierung geltend gemacht haben, deuten die Angaben, die das vorlegende Gericht u. a. bezüglich der Zusammensetzung des Vorstands d es PMU, bezüglich der Kontrolle und Überwachung der Pferderennen und der Totalisatorwetten durch zwei Ministerien sowie bezüglich der Modalitäten und Arten der vom PMU angebotenen Wetten gemacht hat und die in den Randnrn. 19 bis 22 des vorliegenden Urteils zusammengefasst worden sind, darauf hin, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung der Kontrolle von Wetten den Regelungen gleicht, um die es in den Rechtssachen ging, in denen die Urteile vom 21. September 1999, Läärä u. a. (C‑124/97, Slg. 1999, I‑6067), und Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International ergangen sind.
56. Wenn dies tatsächlich der Fall ist, besteht offenbar ein besonders hoher Grad an staatlicher Kontrolle über die Veranstaltung von Pferdewetten. Der Staat übt nämlich eine unmittelbare Kontrolle über die Funktionsweise des alleinigen Anbieters, die Organisation von Veranstaltungen, auf die Wetten abgeschlossen werden, die zulässigen Arten von Wetten und ihre Vertriebskanäle einschließlich des Verhältnisses von Gewinnen und Einsätzen sowie den Ablauf und die Überwachung der reglementierten Tätigkeiten aus. Das vorlegende Gericht kann daher grundsätzlich zu der Feststellung gelangen, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung geeignet ist, die Bekämpfung krimineller und betrügerischer Tätigkeiten, die mit dem Glücksspiel verbunden sind, sowie den Schutz der Sozialordnung im Hinblick auf die Folgen des Glücksspiels für die Einzelnen und die Gesellschaft zu gewährleisten.
57. Insoweit ist jedoch drauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Urteil vom 10. März 2009, Hartlauer, C‑169/07, Slg. 2009, I‑1721, Randnr. 55).
58. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, muss eine so restriktive Maßnahme wie die Schaffung eines Monopols mit der Errichtung eines normativen Rahmens einhergehen, mit dem sich gewährleisten lässt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, das festgelegte Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (Urteil Stoß u. a., Randnr. 83).
59. Bei allen Anbietern – auch denjenigen, die öffentliche oder karitative Einrichtungen sind – besteht nämlich ein gewisser Interessenkonflikt zwischen der Notwendigkeit, ihre Einnahmen zu vermehren, und dem Ziel, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern. Ein öffentlicher oder nicht gewinnorientierter Anbieter wird wie jeder private Anbieter versucht sein, seine Einnahmen zu maximieren und den Glücksspielmarkt zu entwickeln, und damit dem Ziel zuwiderhandeln, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern.
60. Dies gilt insbesondere dann, wenn die erzielten Einnahmen zur Verwirklichung von Zielen bestimmt sind, die als Gemeinwohlziele anerkannt sind, da der Anbieter ermutigt wird, die aus Glücksspielen fließenden Einnahmen zu erhöhen, um diese Ziele besser erfüllen zu können. Die Verwendung der Einnahmen für diese Ziele kann zudem zu einer Situation führen, in der es schwierig ist, auf die durch die Glücksspiele eingenommenen Beträge zu verzichten, und daher die natürliche Neigung besteht, das Angebot an Spielen zu erweitern und neue Spieler zu gewinnen.
61. Diese Erwägungen gelten umso mehr, wenn der alleinige Anbieter – wie im Ausgangsverfahren – ausschließliche Rechte sowohl an der Veranstaltung von Pferderennen als auch an den auf diese Rennen abgeschlossenen Wetten besitzt. Dieser Anbieter befindet sich in einer günstigen Lage, um die Wetttätigkeit durch die Erhöhung der Zahl von Veranstaltungen, auf die Wetten abgeschlossen werden können, gegebenenfalls zu steigern.
62. Das vorlegende Gericht hat daher insbesondere im Licht der Entwicklung des Glücksspielmarkts in Frankreich zu prüfen, ob die staatlichen Kontrollen, denen die Tätigkeit des PMU grundsätzlich unterliegt, wirksam durchgeführt und damit die Ziele in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden, die mit der Errichtung der Ausschließlichkeitsregelung zugunsten des PMU angestrebt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juni 2010, Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International, C‑258/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 37).
63. In diesem Zusammenhang ist der insbesondere im zweiten Teil der ersten Vorlagefrage hervorgehobene Gesichtspunkt, der die Geschäftspolitik des PMU betrifft, mit Sicherheit erheblich für die Beurteilung der Art und Weise, in der die genannten Ziele verfolgt werden.
Zur Verfolgung einer dynamischen Geschäftspolitik
64. Im zweiten Teil der ersten Frage geht es darum, inwieweit die Verfolgung einer dynamischen Geschäftspolitik durch einen Anbieter, dem ein ausschließliches Recht zur Veranstaltung von Glücksspielen zusteht, als mit den Anforderungen des Art. 49 EG vereinbar angesehen werden kann.
65. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen und den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen geht hervor, dass die dynamische Geschäftspolitik, auf die das vorlegende Gericht Bezug nimmt, durch mehrere Elemente gekennzeichnet ist. Es steht u. a. fest, dass der PMU seine Produkte – auch im Internet – intensiv und vermehrt bewirbt und die Zahl der Vertriebsstellen für Wetten und der den Spielern angebotenen Produkte erhöht. Er verfolgt außerdem eine Geschäftsstrategie, die darauf gerichtet ist, neue Publikumskreise für die angebotenen Spiele zu gewinnen.
66. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Behörden eines Mitgliedstaats, soweit sie die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Glücksspielen teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, sich nicht im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung berufen können, um Beeinträchtigungen der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 69).
67. Gleichwohl hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspieltätigkeiten mit dem Ziel in Einklang stehen kann, sie in kontrollierbare Bahnen zu lenken, indem Spielern, die verbotenen geheimen Spiel- oder Wetttätigkeiten nachgehen, ein Anreiz gegeben wird, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Eine derartige Politik kann nämlich sowohl mit dem Ziel, die Ausnutzung von Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken zu verhindern, als auch mit dem Ziel der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht in Einklang stehen, indem die Verbraucher zu dem Angebot des Inhabers des staatlichen Monopols gelenkt werden, bei dem davon auszugehen ist, dass es vor kriminellen Elementen geschützt und darauf ausgelegt ist, die Verbraucher besser vor übermäßigen Ausgaben und vor Spielsucht zu bewahren (Urteil Stoß u. a., Randnrn. 101 und 102).
68. Zur Erreichung dieses Ziels der Lenkung in kontrollierbare Bahnen ist es erforderlich, dass die zugelassenen Veranstalter eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zu nicht geregelten Tätigkeit bereitstellen, was als solches das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken mit sich bringen kann (vgl. Urteile vom 6. März 2007, Placanica u. a, C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, Slg. 2007, I‑1891, Randnr. 55, und Stoß u. a., Randnr. 101).
69. Konkret obliegt es dem vorlegenden Gericht, in Anbetracht der Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob die Geschäftspolitik des PMU sowohl hinsichtlich des Umfangs der Werbung als auch hinsichtlich der Schaffung neuer Spiele als Teil einer Politik der kontrollierten Expansion im Glücksspielsektor zur wirksamen Lenkung der Spiellust in rechtmäßige Bahnen angesehen werden kann (Urteil Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International, Randnr. 37).
70. Im Rahmen dieser Prüfung hat das vorlegende Gericht insbesondere zu untersuchen, ob zum einen die mit dem Spielen verbundenen kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten und zum anderen die Spielsucht zu der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit in Frankreich ein Problem darstellen konnten und ob eine Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten geeignet gewesen wäre, diesem Problem abzuhelfen (Urteil Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International, Randnr. 29). Der Gerichtshof hat u. a. hervorgehoben, dass ein Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs durch eine restriktive nationale Maßnahme rechtfertigen lässt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände vorlegen muss, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt (Urteil Stoß u. a., Randnr. 71). Hierzu hat die Kommission geltend gemacht, dass die nationalen Behörden anders als in den Rechtssachen, in denen die Urteile Placanica u. a. und Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International ergangen seien, nicht nachgewiesen hätten, dass ein Schwarzmarkt für Pferdewetten bestehe.
71. Jedenfalls muss die vom Inhaber eines staatlichen Monopols eventuell durchgeführte Werbung maßvoll und strikt auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den genehmigten Spielnetzwerken zu lenken. Hingegen darf eine solche Werbung insbesondere nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost oder ihm ein positives Image verliehen wird, das daran anknüpft, dass die Einnahmen für Aktivitäten im Allgemeininteresse verwendet werden, oder indem die Anziehungskraft des Spiels durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen (Urteil Stoß u. a., Randnr. 103).
72. Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 49 EG wie folgt auszulegen ist:
a) Ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Niveau des Verbraucherschutzes im Glücksspielsektor zu gewährleisten, kann Grund zu der Annahme haben, dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die mit diesem Sektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, wirksam zu verfolgen;
b) dem vorlegenden Gericht obliegt es, zu prüfen, ob
– die nationalen Behörden zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt wirklich beabsichtigten, ein solches besonders hohes Schutzniveau sicherzustellen und ob die Schaffung eines Monopols im Hinblick auf dieses angestrebte Schutzniveau tatsächlich als erforderlich angesehen werden konnte, und
– die staatlichen Kontrollen, denen die Tätigkeit der Einrichtung, der die ausschließlichen Rechte zustehen, grundsätzlich unterliegt, tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise durchgeführt und damit die Ziele verfolgt werden, die diese Einrichtung zu erfüllen hat;
c) um mit den Zielen der Bekämpfung der Kriminalität und der Verminderung der Gelegenheiten zum Spiel im Einklang zu stehen, muss eine nationale Regelung, mit der ein Monopol im Bereich der Glücksspiele geschaffen wird,
– auf der Feststellung beruhen, dass die mit dem Spiel verbundenen kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten und die Spielsucht in dem betroffenen Mitgliedstaat ein Problem darstellen, dem durch eine Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten abgeholfen werden könnte, und
– darf nur eine Werbung erlauben, die maßvoll und strikt auf das begrenzt ist, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den genehmigten Spielnetzwerken zu lenken.
Zur zweiten Frage
73. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, wie der Umfang der Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit durch ein System, das eine Ausschließlichkeitsregelung für die Veranstaltung von Pferdewetten zugunsten eines einzigen Betreibers aufstellt, zu beurteilen ist, und insbesondere, ob der Markt für online angebotene Pferdewetten vom gesamten Sektor der Pferdewetten getrennt zu betrachten ist.
74. Zunächst ist festzustellen, dass alle Beschränkungen, die das Glücksspielangebot im Internet betreffen, die Anbieter stärker beeinträchtigen, die außerhalb des betroffenen Mitgliedstaats, in dem die Dienstleistungsempfänger die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ansässig sind; diesen Anbietern würde so im Vergleich zu den in diesem Mitgliedstaat ansässigen Anbietern ein Vermarktungsmittel genommen, das für den unmittelbaren Zugang zu diesem Markt besonders wirksam ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband, C‑322/01, Slg. 2003, I‑14887, Randnr. 74, und vom 2. Dezember 2010, Ker‑Optika, C‑108/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 54).
75. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich im Übrigen, dass das Internet lediglich ein Vertriebskanal für Glücksspiele ist (Urteil vom 8. September 2010, Carmen Media Group, C‑46/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 100).
76. Da die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung vor allem darauf gerichtet ist, den Schutz der Teilnehmer an Glücksspielen und insbesondere den Schutz vor Betrug durch die Anbieter sowie vor Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spiel und vor Spielsucht sicherzustellen, stellt der Grad an Austauschbarkeit der verschiedenen Vertriebskanäle aus Sicht des Verbrauchers eine mit Sicherheit erhebliche Erwägung dar. Sollte etwa festgestellt werden, dass die Verbraucher den Abschluss einer bestimmten Pferdewette über Internet als Ersatz für den Abschluss dieser Wette über die traditionellen Vertriebskanäle ansehen, würde dies für eine Gesamtbeurteilung statt einer getrennten Beurteilung für jeden Vertriebskanal des Sektors sprechen.
77. Der Markt für Pferdewetten sollte daher grundsätzlich in seiner Gesamtheit betrachtet werden, unabhängig davon, ob die fraglichen Wetten über die traditionellen Kanäle, d. h. physische Annahmestellen, oder über Internet angeboten werden; eine Beschränkung der Tätigkeit der Wettannahme sollte unabhängig davon geprüft werden, auf welchem Wege die Wetten abgeschlossen werden.
78. Der Gerichtshof hat jedoch bereits auf gewisse Besonderheiten des Anbietens von Glücksspielen über das Internet hingewiesen (vgl. Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 72, und Carmen Media Group, Randnr. 101).
79. Er hat insbesondere ausgeführt, dass über das Internet angebotene Glücksspiele, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich bergen, dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden (Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 70, und Carmen Media Group, Randnr. 102).
80. Desgleichen können sich die Besonderheiten des Angebots von Glücksspielen im Internet als Quelle von, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, anders gearteten und größeren Gefahren für den Schutz der Verbraucher und insbesondere von Jugendlichen und Personen erweisen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder eine solche Neigung entwickeln könnten. Neben dem bereits erwähnten fehlenden unmittelbaren Kontakt zwischen Verbraucher und Anbieter stellen auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Häufigkeit eines solchen Angebots mit internationalem Charakter in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und aufgrund dessen die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen, die in ständiger Rechtsprechung herausgestellt worden sind, vergrößern können (Urteil Carmen Media Group, Randnr. 103).
81. Folglich sind sämtliche austauschbaren Vertriebskanäle zu berücksichtigen, es sei denn, die Nutzung des Internets führt dazu, dass die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt werden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen.
82. Im Fall einer nationalen Regelung wie derjenigen, die Anlass zu dem Vorabentscheidungsersuchen gegeben hat, die gleichermaßen für online angebotene Wetten wie für Wetten gilt, die über traditionelle Vertriebskanäle angeboten werden, und für die der nationale Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Vertriebskanälen nicht für erforderlich gehalten hat, ist die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigungen zu beurteilen, die für den gesamten in Rede stehenden Sektor treffen.
83. Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die nationalen Gerichte bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit durch ein System, das für die Veranstaltung von Pferdewetten eine Ausschließlichkeitsregelung vorsieht, sämtliche austauschbaren Vertriebskanäle für diese Wetten zu berücksichtigen haben, es sei denn, die Nutzung des Internets führt dazu, dass die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt werden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen. Im Fall einer nationalen Regelung, die gleichermaßen für online angebotene Wetten wie für Wetten gilt, die über traditionelle Vertriebskanäle angeboten werden, ist die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigungen zu beurteilen, die den gesamten in Rede stehenden Sektor treffen.
Kosten
84. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Tenor
1. Art. 49 EG ist wie folgt auszulegen:
a) Ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Niveau des Verbraucherschutzes im Glücksspielsektor zu gewährleisten, kann Grund zu der Annahme haben, dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die mit diesem Sektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, wirksam zu verfolgen;
b) dem vorlegenden Gericht obliegt es, zu prüfen, ob
– die nationalen Behörden zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt wirklich beabsichtigten, ein solches besonders hohes Schutzniveau sicherzustellen und ob die Schaffung eines Monopols im Hinblick auf dieses angestrebte Schutzniveau tatsächlich als erforderlich angesehen werden konnte, und
– die staatlichen Kontrollen, denen die Tätigkeit der Einrichtung, der die ausschließlichen Rechte zustehen, grundsätzlich unterliegt, tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise durchgeführt und damit die Ziele verfolgt werden, die diese Einrichtung zu erfüllen hat;
c) um mit den Zielen der Bekämpfung der Kriminalität und der Verminderung der Gelegenheiten zum Spiel im Einklang zu stehen, muss eine nationale Regelung, mit der ein Monopol im Bereich der Glücksspiele geschaffen wird,
– auf der Feststellung beruhen, dass die mit dem Spielen verbundenen kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten und die Spielsucht in dem betroffenen Mitgliedstaat ein Problem darstellen, dem durch eine Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten abgeholfen werden könnte, und
– darf nur eine Werbung erlauben, die maßvoll und strikt auf das begrenzt ist, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den genehmigten Spielnetzwerken zu lenken.
2. Bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit durch ein System, das für die Veranstaltung von Pferdewetten eine Ausschließlichkeitsregelung vorsieht, haben die nationalen Gerichte sämtliche austauschbaren Vertriebskanäle für diese Wetten zu berücksichtigen, es sei denn, die Nutzung des Internets führt dazu, dass die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt werden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen. Im Fall einer nationalen Regelung, die gleichermaßen für online angebotene Wetten wie für Wetten gilt, die über traditionelle Vertriebskanäle angeboten werden, ist die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigungen zu beurteilen, die den gesamten in Rede stehenden Sektor treffen.
Quelle © Europäische Union, http://eur-lex.europa.eu/
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