Donnerstag, 7. Dezember 2017
VG Aachen: Spielhallen müssen vorläufig geduldet werden
Gericht/Institution: VG Aachen
Erscheinungsdatum: 06.12.2017
Entscheidungsdatum: 06.12.2017
Aktenzeichen: 3 L 1932/17
Normen: Art 19 GG, Art 12 GG, § 284 StGB
Spielhallen müssen vorläufig geduldet werden
Das VG Aachen hat entschieden, dass zwei Spielhallen in Stolberg für die Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens weiterbetrieben werden dürfen.
Die Antragstellerin betreibt zwei Spielhallen. Ab dem 01.12.2017 ist hierfür nach dem Glücksspielstaatsvertrag eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erforderlich. Den entsprechenden Antrag lehnte die Stadt Stolberg ab. Zugleich drohte sie damit, die Spielhallen zu schließen, wenn sie über den 30.11.2017 hinaus weiterbetrieben würden. Die Antragstellerin stellte einen Eilantrag auf vorläufige Duldung der Spielhallen.
Das VG Aachen hat dem Eilantrag stattgegeben.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Versagung der Erlaubnis verfassungsrechtlich bedenklich. Sie dürfte sich weder mit dem Grundrecht auf Gewährung effektiven (Eil-) Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) noch mit der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) bzw. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbaren lassen. Die Antragstellerin habe im Oktober 2016 eine glücksspielrechtliche Erlaubnis beantragt. Mit zwei Bescheiden vom 27.11.2017 habe die Stadt diesen Antrag abgelehnt. Am 30.11.2017 habe die Antragstellerin Klage erhoben und einen Eilantrag gestellt. Seit dem 01.12.2017 sei die Fortsetzung des Spielhallenbetriebes wegen Ablaufes der bisherigen Erlaubnis bzw. Duldung formell illegal und damit strafbar. Bereits dieser zeitliche Ablauf rechtfertige die gerichtliche Anordnung. Die Versagung der Erlaubnis nur wenige Tage vor Ablauf der bisherigen Erlaubnis bzw. Duldung und dem Eintritt der Strafbarkeit des Spielbetriebes führe schon für sich genommen dazu, dass der Spielhallenbetrieb einstweilen zu dulden sei, um der Antragstellerin das verfassungsrechtliche Recht auf effektiven (Eil-)Rechtsschutz gegen die Versagungsentscheidung zu gewähren. Mit dem Recht auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle sei es unvereinbar, wenn der Bürger schon bei Einleitung des gerichtlichen (Eil-)Verfahrens unter dem "Damoklesschwert" der Strafbarkeit stehe, und zwar aufgrund einer behördlichen Entscheidung, deren Überprüfung gerade den Gegenstand des angestrengten (Eil-)Rechtsschutzverfahrens vor dem VG Aachen bilde.
Es bestünden auch Bedenken an der Argumentation der Stadt, die auf das Fehlen eines plausiblen Sozialkonzeptes abgestellt habe. Nach dem Glücksspielstaatsvertrag seien die Veranstalter und Vermittler von öffentlichen Glücksspielen verpflichtet, die Spieler zu verantwortungsbewusstem Spiel anzuhalten und der Entstehung von Glückspielsucht vorzubeugen. Zu diesem Zweck hätten sie u.a. Sozialkonzepte zu entwickeln, mit welchen Maßnahmen den sozialschädlichen Auswirkungen des Glückspieles vorgebeugt werden solle und wie diese behoben werden sollten. Die Stadt habe bemängelt, dass das zunächst vorgelegte Konzept der Antragstellerin ein allgemeines Konzept sei, das für alle Spielhallen dieser Unternehmensgruppe gelte; die Antragstellerin habe auch nicht dargelegt, dass sie alle Bestandteile ihres zuletzt vorgelegten Sozialkonzeptes auch exakt umsetze. Damit aber dürfte die Stadt unter Verstoß gegen die Berufsfreiheit die Anforderungen an die Qualität eines Sozialkonzeptes überspannt haben. Auch wenn die Antragstellerin in der Vergangenheit hinter ihrem im Sozialkonzept formulierten Anspruch zurückgeblieben sei, erscheine es dennoch zweifelhaft, ob deswegen die Erlaubnis habe versagt werden dürfen oder ob es als milderes Mittel nicht ausreichend gewesen wäre, die Erfüllung der Angaben im Sozialkonzept für die Zeit ab Erlaubniserteilung im Wege einer Auflage sicherzustellen. Ob diese Annahme zutreffe, müsse im Klageverfahren geklärt werden. Offenbar hätten auch andere Bewerber um eine Spielhallenerlaubnis die von der Stadt gestellten hohen Anforderungen an ein Sozialkonzept nicht erfüllen können.
Die Fortsetzung des Spielhallenbetriebes ab dem 01.12.2017 könne damit für die Dauer des Klageverfahrens nicht mehr als (formell) illegales Glücksspiel i.S.d. § 284 StGB angesehen werden.
Gegen den Beschluss kann die Antragsgegnerin Beschwerde einlegen, über die das OVG Münster entscheidet.
Quelle: Pressemitteilung des VG Aachen v. 06.12.2017