Bayerns größter Justizirrtum
Di, 8. Dez 2015 · 22:45-00:15 · BR
Mollath - Und plötzlich bist du verrückt
Mediathek Übersicht (Mollath)
Es war Bayerns bekanntester Justizskandal: Sechs Jahre nachdem Gustl Mollath in die Psychiatrie eingewiesen worden war, wurden Zweifel an der Rechtmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit seiner Unterbringung laut. Nach siebeneinhalb Jahren kam er schließlich als Folge des öffentlichen Drucks frei. Die Filmemacherinnen Annika Blendl und Leonie Stade begleiteten Gustl Mollath nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie und zeichnen ein intensives Porträt.
Regie: Annika Blendl
Redaktion: Natalie Lambsdorff
Gustl Mollath hat seine Haftentschädigung bis heute nicht erhalten.
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Justiz-Klatsche?
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde im „Fall Mollath“
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. (vgl. Rn 30, s.u.)
Bundesverfassungsgericht:
Die Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG).
Entzug der persönlichen Freiheit muss hinreichend geprüft und begründet werden
Richter muss Würdigung eingehend abfassen und Bewertung substantiiert offenlegen
Entlastende Umstände für Beschwerdeführer finden keine erkennbare Berücksichtigung
Beschluss vom 26. August 2013 - 2 BvR 371/12
Rn 30
1. a) Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Weder das Landgericht Bayreuth noch das Oberlandesgericht Bamberg hätten im Rahmen der angegriffenen Beschlüsse Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers verkannt. Die Gerichte hätten - nach Einholung eines externen Sachverständigengutachtens - ausgeführt, dass derzeit die Wahrscheinlichkeit, dass es zu vergleichbaren Taten wie den Anlasstaten, insbesondere massiven Körperverletzungshandlungen, komme, sehr hoch sei. Es sei daher sowohl die Art der zu erwartenden Straftaten als auch der Grad der Wahrscheinlichkeit ihres erneuten Eintritts konkretisiert worden. Darüber hinaus hätten sich die Gerichte auch mit der gestellten Diagnose auseinandergesetzt und Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung getätigt. Das eingeholte externe Sachverständigengutachten entspreche den Anforderungen, die an derartige Gutachten zu stellen seien, und die Gerichte seien ihrer richterlichen Kontrollpflicht nachgekommen, indem sie die maßgeblichen Wertungen des Gutachtens aufgrund eigener Wertungen hinterfragt hätten. Obwohl die Unterbringung des Beschwerdeführers im Jahr 2011 bereits fünf Jahre angedauert habe, könne ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht festgestellt werden, da die weiterhin zu erwartenden gefährlichen Körperverletzungshandlungen zu einer massiven Beeinträchtigung eines hochwertigen Rechtsgutes, nämlich der körperlichen Unversehrtheit, führten und der Beschwerdeführer nach wie vor keinerlei Zugang zu seiner eigenen Aggressivität gefunden habe.
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Dokumentation von Annika Blendl und Leonie Stade
Es war Bayerns bekanntester Justizskandal: Sechs Jahre nachdem Gustl Mollath in die Psychiatrie eingewiesen worden war, wurden Zweifel an der Rechtmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit seiner Unterbringung laut. Nach siebeneinhalb Jahren kam er schließlich als Folge des öffentlichen Drucks frei. Die Filmemacherinnen Annika Blendl und Leonie Stade begleiteten Gustl Mollath nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie und zeichnen ein intensives Porträt. Es ist der wohl größte Justizskandal, der Bayern in den letzten Jahren erschüttert hat: Gustl Mollath, der Betreiber einer auf die Restaurierung von Oldtimern spezialisierten Kfz-Werkstatt, wurde nach der Trennung von seiner Frau wegen angeblicher körperlicher Gewalt und Sachbeschädigung in den "psychiatrischen Maßregelvollzug" eingewiesen. Doch nach sechs Jahren in der Psychiatrie wurden nach Recherchen von Journalisten zahlreiche Zweifel an den damaligen Vorwürfen und der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens laut. Obendrein hatte Mollath vor seiner Einweisung versucht, die Schwarzgeldgeschäfte seiner Frau aufzudecken - doch weil man ihn für unzurechnungsfähig hielt, wurde den Vorwürfen nicht nachgegangen. Tatsächlich erwiesen sich diese später als wahr. Der Verdacht, man habe mit der Einweisung diese Schwarzgeldgeschäfte vertuschen wollen, machte Mollath zu einer öffentlichen Person, vom unzurechnungsfähigen Täter wurde er zum Opfer eines Justizirrtums und zum heldenhaften Märtyrer stilisiert. Sein Fall löste eine kontroverse Debatte über Schuld und Unschuld, die Staatsgewalt und die Unterbringung im psychiatrischen Maßregelvollzug aus. Die Dokumentarfilmerinnen Annika Blendl und Leonie Stade fragten sich, wer der Mensch Mollath ist und begleiteten ihn nach seiner Freilassung bis zur Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Kamera - und zeichnen ein intensives und differenziertes Porträt von ihm. "Wir wissen nicht, ob Gustl Mollath die Vergehen begangen hat, die ihm vorgeworfen wurden. Also sagen wir nichts darüber. Uns interessieren die Graustufen zwischen wahr und falsch", so die Regisseurinnen Annika Blendl und Leonie Stade. Sie begleiteten Gustl Mollath neben ihrem Studium in Dokumentarfilmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München von seiner Freilassung bis zum Beginn des Wiederaufnahmeverfahrens. Im Mittelpunkt ihrer Dokumentation stehen Mollaths erschütternde Schilderungen der Entmündigung und der Zeit in der Psychiatrie, aber auch seine mitunter skurril anmutende Weltsicht. Blendl und Stade lassen nicht nur Mollath zu Wort kommen, sondern besuchten Solidaritätskundgebungen, sprachen mit Freunden, Anwälten und Journalisten. Entstanden ist so nicht nur ein sehr facettenreiches Porträt des Menschen Gustl Mollath, sondern auch eine spannende Untersuchung der Dynamik öffentlicher Meinungsbildung.
Zusätzliche Information
"Mollath - Und plötzlich bist Du verrückt" entstand als Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk und ist an diesem Abend als deutsche Erstausstrahlung zu sehen.
Regie: Annika Blendl, Leonie Stade Kontakt Natalie Lambsdorff
Quelle