Sonntag, 18. Oktober 2015

BVerwG: Erdrosselung durch Spielgerätesteuern


Pressemitteilung
Nr. 82/2015    BVerwG 9 C 22.14     14.10.2015

Rechtmäßigkeit der Spielgerätesteuer in Ochtrup weiter offen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit der Spielgerätesteuer in Ochtrup an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zurückverwiesen.

Die Klägerin betreibt in der münsterländischen Gemeinde Ochtrup eine Spielhalle mit zwölf Geldspielgeräten. Die Vergnügungssteuersatzung der Gemeinde sah bis einschließlich 2009 auf Geldspielgeräte eine Vergnügungssteuer nach dem Stückzahlmaßstab i.H.v. 150 € monatlich je Gerät vor. Ab dem 1. Januar 2010 wurde der Steuermaßstab geändert und eine Geldspielgerätesteuer i.H.v. 20 v. H. des Einspielergebnisses erhoben. Dies führte bei der Klägerin zu mehr als einer Verdoppelung der Steuer.

Mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht hat sich die Klägerin gegen insgesamt zehn Bescheide gewandt, die auf die neue Satzung gestützt waren. Dabei hat sie im Wesentlichen eine Erdrosselungswirkung der Steuererhöhung geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Hinweis auf das positive Betriebsergebnis des Jahres 2011 abgewiesen. Auch die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Berufung blieb erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht argumentierte, eine Erdrosselungswirkung sei ausgeschlossen, da die Klägerin rechtlich nicht gehindert sei, Geräte mit einem höheren durchschnittlichen Kasseninhalt einzusetzen. Eine solche Preiserhöhung sei auch am Markt durchsetzbar. Zwar könne die Klägerin selbst die Geräte nicht umprogrammieren, da nur Geräte mit einer zuvor erteilten Bauartzulassung verwendet werden dürften. Ob solche Geräte auf dem Markt angeboten würden und ob sich ein Austausch der Geräte einfach gestalte, sei aber unerheblich. Denn es sei Sache des Unternehmers, sich auf eine etwaige Steuererhöhung vorzubereiten.

Das Bundesverwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt. Das Oberverwaltungsgericht durfte die genannten Fragen auf der Grundlage seiner Argumentation nicht offen lassen. Falls die neue Steuerlast für ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen in der Situation der Klägerin nur nach einem zeitaufwändigen und kapitalintensiven Austausch des Gerätebestandes tragbar ist, hätte die Steuer nicht ohne angemessene Übergangsfrist derart erhöht werden dürfen. Das Oberverwaltungsgericht muss daher entweder die von ihm offen gelassenen Fragen nach dem Umstellungsaufwand und der Verfügbarkeit von Austauschgeräten aufklären, oder es muss untersuchen, ob ein durchschnittlicher Spielhallenbetreiber in Ochtrup auch ohne Preiserhöhung eine Spielgerätesteuer von 20 v. H. des Einspielergebnisses verkraften kann.

BVerwG 9 C 22.14 - Urteil vom 14. Oktober 2015

Vorinstanzen:
OVG Münster 14 A 692/13 - Urteil vom 24. Juli 2014
VG Münster 9 K 2028/10 - Urteil vom 24. Januar 2013
Quelle

Dagegen entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Erhöhte Vergnügungssteuer für Gewinnspielautomaten von 15 % auf 18 % der Nettokasse ist rechtmäßig
Keine Anzeichen für unwirtschaftliche Ausübung des Berufes aufgrund der Steuererhöhung
Die Bekämpfung der Spielsucht ist das neue Lieblingsthema der Politik.
Dabei will der Staat einfach selbst abzocken.
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Das lenkungspolitische Ziel ist die Erdrosselung der Betriebe!
Wie jedoch aus den Satzungsbegründungen hervorgeht, werden mit der Spielapparatesteuer lenkungspolitische Ziele verfolgt um das Spielangebot durch private Anbieter zu verringern. Das bedeutet, dass über die Besteuerung die vorhandenen Betriebe erdrosselt werden sollen um diese vom Markt zu verdrängen.

Die bisherigen Entscheidungen der unteren Gerichte zu Fragen der Erdrosselung und der kalkulatorischen Abwälzbarkeit der Vergnügungssteuer sind kaum mehr als erträglich zu bezeichnen. Sie scheinen weniger von rechtlichen als von fiskalischen Erwägungen getragen. Da nun höchstrichterliche Rechtsprechung zu eben diesem Thema vorliegt, ist davon auszugehen, dass die Gerichte in Zukunft entweder deutlich sorgfältiger entscheiden werden oder aber den Klägern ein Revisionsgrund an die Hand gegeben wird. 
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Die Vergnügungsteuer gehört zu den althergebrachten kommunalen Aufwandsteuern und sollen die (vermeidbaren) Aufwendungen für die Teilnahme an Vergnügungen erfassen, die auf dem Gemeindegebiet veranstaltet werden. weiterlesen

Tatsächlich wird jedoch mit der neuartigen
„Spielapparatesteuer“ nicht mehr der Vergnügungsaufwand des sich Vergnügenden, sondern das Bereitstellen der Spielgeräte besteuert. Wie bereits das Wort „Spielapparatesteuer“ impliziert, sollen nunmehr die Unternehmer mit der Spielgerätesteuer belastet werden. (Spielapparatesteuer = Steuer auf Spielgeräte)

Die Kommunen argumentieren häufig: „Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Spielapparatesteuer nicht um eine Verbrauchs-, sondern um eine Aufwandssteuer handelt.“

VG Karlsruhe Urteil vom 24.4.2015, 6 K 1514/13; 6 K 1515/13; 6 K 1532/13 (Wettbürosteuer)

26 Ob eine als Vergnügungssteuer erhobene Abgabe tatsächlich eine örtliche Aufwandsteuer darstellt, bestimmt sich nicht nach ihrer Bezeichnung, sondern nach ihrem Steuertatbestand, ihrem Steuermaßstab und ihren wirtschaftlichen Auswirkungen.

Herkömmliche Vergnügungssteuertatbestände sind als örtliche Aufwandsteuern zu qualifizieren, weil sie die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf im örtlichen Bereich des Steuerpflichtigen zum Ausdruck kommende erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des sich Vergnügenden besteuern. Sie sollen regelmäßig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfassen, die sich in der Teilnahme an entgeltlichen Vergnügungsveranstaltungen äußert. Damit beruhen sie auf dem allgemeinen Gedanken, dass demjenigen, der sich ein Vergnügen leistet, auch eine zusätzliche Abgabe für die Allgemeinheit zugemutet werden kann.

Eine zusätzliche Abgabe für die Allgemeinheit entsteht gerade nicht dadurch, das man dem Unternehmer diesen Betrag wegnimmt.

27 .....Indem die Beklagte dies steuerbar stellt, auch um damit – wie sich aus der Satzungsbegründung ergibt – lenkungspolitische Ziele zu verfolgen, erfasst sie jedoch ersichtlich keinen Vergnügungsaufwand, sondern besteuert ein unternehmerisches Konzept und hierdurch allein die Gewinnchancen des Betreibers.

Damit handelt es sich aber nicht um eine Aufwandsteuer, sondern letztlich um eine besondere Unternehmensbesteuerung. Für deren Regelung fehlt der Beklagten die Kompetenz (vgl. insoweit auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.07.2012 – 9 CN 1.11, Rdnr. 14; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 08.12.2014 – 5 C 2008/13.N, Rdnr. 81 ).
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Von einer herkömmlichen Aufwandssteuer kann bei einer umsatzabhängigen Sonderabgabe in Form einer Spielapparatesteuer nicht mehr gesprochen werden.

BVerwG 9 CN 1.11
Rn 14 Davon zu unterscheiden ist ein Aufwand, der nicht der persönlichen Lebensführung in dem oben genannten Sinne, sondern der Einkommenserzielung dient. Eine Aufwandsteuer ist deshalb von einer Einkommensentstehungssteuer wie etwa der Einkommensteuer zu unterscheiden (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 a.a.O. S. 347, mit Bezug auf Schmölders, Handbuch der Finanzwissenschaft, 2. Band, 2. Aufl. 1956, S. 635 <648>; vgl. auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 8 Rn. 29). Aufwandsteuern sollen die als mehr oder weniger aufwändig angesehene Einkommensverwendung erfassen (zum Begriff Schmölders a.a.O.). In dieser Absicht des Gesetzgebers liegt das wesentliche Merkmal des Begriffs der Aufwandsteuer. Eine Aufwandsteuer kann nicht für Gegenstände oder Dienstleistungen erhoben werden, die nicht der Einkommensverwendung (privatem Aufwand), sondern allein der Einkommenserzielung dienen (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 a.a.O. S. 347; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 1979 - BVerwG 7 C 53.77 - BVerwGE 58, 230 <234 f.="">, vom 27. September 2000 - BVerwG 11 C 4.00 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 18 und vom 19. Dezember 2008 - BVerwG 9 C 16.07 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 26 Rn. 14 f.; Beschluss vom 2. November 2006 - BVerwG 10 B 4.06 - Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 11 Rn. 5). Die im Begriff der Aufwandsteuer angelegte Abgrenzung der Einkommensverwendung zur Einkommenserzielung erfordert von Verfassungs wegen eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalles (Urteil vom 10. Oktober 1995 - BVerwG 8 C 40.93 - BVerwGE 99, 303 <307>).
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Daraus folgt, dass eine fehlende tatsächliche Abwälzbarkeit zu einer unzulässigen Besteuerung der Einkünfte des Unternehmers führt, womit es sich letztlich um eine besondere Unternehmensbesteuerung handelt, zu der den Kommunen die Kompetenz fehlt.
Da sich mit der proportionalen Umsatzabschöpfung das Gesamtsteueraufkommen z. G. der Kommunen verschiebt, verstoßen diese gegen die Rechtsnormen (Zerlegungsgesetz, Finanzausgleichsgesetz) die sich mit der Verteilung des Steueraufkommens befassen.

Als weitere Einkunftsbesteuerung ist die so "genannte Vergnügungssteuer" jedoch verfassungswidrig. (u.a. Art. 105, 106 GG, Steueraufkommen und -Verteilung)  vgl. wikipedia
Grundsätze der Steuerpolitik

Ahlen wollte die Vergnügungssteuer, die für Spielstätten erhoben wird, auf Sportwetten ausdehnen.
Die Richter sprachen im Prozess von der Einführung einer neuen Steuer, die ohne Genehmigung des Innen- und des Finanzministerium nicht erhoben werden durfte.
Von einer Präzisierung einer bereits bestehenden Steuer – zum Beispiel für Spielhallen – könne keine Rede sein. Dazu seien die Unterschiede zu groß. 
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Das muß auch beim Wechsel von einer herkömmlichen Vergnügungssteuer zu einer den Umsatz proportional belastenden Spielapparatesteuer gelten.


Casinosterben in Deutschland
Erdrosselung durch die Spielbankabgabe?
Spielbankabgabe zwischen Abschöpfung und Erdrosselung

Wie in Mecklenburg-Vorpommern gingen in den vergangen Jahren auch die drei staatlichen Kasinos in Halle, Magdeburg und Wernigerode in Insolvenz.

Aus dem Urteil (3 K 273/11) geht hervor, dass eine unangemessen hohe Abgabenbelastung (Abschöpfung) zur Erdrosselung führen kann:

Rn 10
Die negative Entwicklung liege ausschließlich in der abgabenmäßigen Inanspruchnahme der Spielbanken begründet und verstoße gegen den Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen. Sie führe zu einer ernsthaften Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Klägerin und zu einem Substanzverzehr. Verstärkt werde dies durch die staatlich zugelassene Liberalisierung des gewerblichen Spiels. Aus eigenen Mitteln könnten die Spielbanken keine nennenswerten Investitionen für die Aktualisierung des Automatenbestands vornehmen. Die Kreditaufnahme sei bei den negativen Jahresergebnissen 2008 und 2009 schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Ein normal besteuertes Unternehmen hätte in den Verlustjahren 2008 und 2009 positive Ergebnisse ausgewiesen.
Quelle:
FG Mecklenburg-Vorpommern, 19.09.2012 - 3 K 273/11   
Rechtsgrundlagen:
§ 227 AO   
Art. 14 Abs. 1 GG    
Art. 20 Abs. 3 GG   

Viele staatliche Spielbanken müssen über Jahre subventioniert werden um nicht in die  Insolvenz zu rutschen.


Erdrosselungszweck der Spielgerätesteuern
von Prof. Dr. Dennis Klein

Setzt der Staat eine Steuer so hoch an, dass sie "erdrosselnde Wirkung" entfaltet, können Gerichte sie kippen.

Viele Kommunen begründen die örtliche Spielgerätesteuer damit, die Spielsucht bekämpfen zu wollen. Somit verfolgt die Steuer einen Lenkungszweck, eigentlich soll sie das Spielen so verteuern, dass die Nachfrage zurückgeht.

Nach § 3 Abs. 1 AO sind solche Lenkungszwecke zulässig, der Fiskalzweck darf neben ihnen sogar in den Hintergrund treten. Er darf aber nicht gänzlich fehlen.
Nimmt man den Gedanken der Suchtprävention aber ernst und denkt ihn konsequent zu Ende, wird die Erdrosselungswirkung geradezu zum Ziel der Spielgerätesteuer.
Bekämpfung der Spielsucht durch Beseitigung der Glückspielgelegenheiten.
Eine dergestalt auf ein Null-Aufkommen ausgerichtete Steuer bedeutet freilich einen abgabenrechtlichen Formenmissbrauch. Wenn ein bestimmtes Verhalten nicht zu akzeptieren ist, dann ist das verfassungsrechtlich zulässige Mittel das ordnungsrechtliche Gebot oder Verbot. Bei Steuern sollte sich der Staat auf den Fiskalzweck konzentrieren.
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Stadt erteilt immer mehr Erlaubnisse
Zudem wurden allein bis Juni bereits fast so viele Aufstellorte in Spielhallen und Gaststätten genehmigt wie im gesamten Jahr 2014.
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Steuer macht Satz nach oben - Haushaltsplan und Haushaltssatzung
Als Gemeinde könne Ganderkesee Spielautomaten zwar nicht verbieten, wohl aber durch eine hohe Steuer die Wirtschaftlichkeit für die Betreiber verringern.
Somit soll die Vergnügungsteuer gemäß der Gesetzesbegründung in der jetzigen Ausprägung den Unternehmer und nicht mehr den Spieler belasten. Sie ist damit keine Aufwandsteuer mehr, so dass es an der Kompetenz des Landesgesetzgebers gem. Art. 105 Abs. 2a GG und Art. 106 fehlen dürfte.
Das Bundesverfassungsgericht entschied in der Rs.: 1 BvR 1656/09:
Das wesentliche Merkmal einer Aufwandsteuer besteht darin, die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu treffen......
hier also, des sich “Vergnügenden“ zu treffen.
(vgl. Rn 2,a)   weiterlesen
Keine Berücksichtigung von "Minuskassen"
VG Saarlouis Urteil vom 25.9.2015, 3 K 527/14

Eine Abwälzung ist nicht einmal theoretisch vorgesehen!


VG Schwerin, 22.06.2015 - 6 A 1895/13 
Vergnügungssteuer für einarmige Banditen
Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben keine Verpflichtung des Satzungsgebers, die Verrechnung etwaiger negativer Bruttokassen einzelner Geräte mit der positiven Bruttokasse anderer Geräte im Erhebungszeitraum oder desselben Gerätes in einem anderen Erhebungszeitraum zuzulassen (…; VGH Mannheim, Beschl. v. 09.07.2012 - 2 S 740/12, juris Rn. 10;…; OVG Münster, Beschl. v. 06.01.2011 - 14 A 2290/10 -, juris; VGH Kassel, Beschl. v. 11.11.2010 - 5 B 1827/10 -, juris;…;…).

Der Unternehmer soll auf der Besteuerung sitzenbleiben, womit es sich nicht mehr um eine klassische Aufwandsteuer handelt, sondern um eine neuartige proportionale Unternehmensbesteuerung.

Bereits die Formulierungen der Satzungen lasse erkennen, dass nicht mehr das Vergnügen besteuert werden soll, sondern das Bereitstellen der Geräte

Die heutige Vergnügungssteuer hat somit nichts mehr mit der althergebrachten Bagatellsteuer zu tun, wie auch die Berechnungsmethode (Saldo II/Einwurf) zeigt. (vgl. VG Karlsruhe Urteil vom 24.4.2015, 6 K 1514/13; 6 K 1515/13; 6 K 1532/13) 

Die Vergnügungssteuer steigt auf 25 Prozent
Damit werde sie im kommenden Jahr etwa 1,4 Millionen Euro in die Kasse spülen. Sie sei also längst keine Bagatellsteuer mehr, sagte der OB.
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Spielautomaten in Overath Stadt will entgangene Vergnügungssteuer eintreiben
Spielautomaten müssen nach Umsatz besteuert werden.

Danach sollten künftig pro Automat ein bestimmter Prozentsatz des Einspielergebnisses besteuert werden: zwölf Prozent in Spielhallen und 20 Prozent in Kneipen.
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Für die Spielautomaten hat das Bundesverfassungsgericht aber im Februar 2009 entschieden: Eine Besteuerung bloß nach Stückzahl verletzt den Gleichheitsgrundsatz.
Besteuert werden muss der Umsatz.

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Die Kommunen haben auch keine Gesetzgebungskompetenz eine weitere Ertragsbesteuerung oder "umsatzabhängige" Sonderabgabe in Form einer Spielapparatesteuer einzuführen. (vgl.. Metropol Rs. C-440/12, 1.: ... sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.; vgl. Rs C-82/12 und Rs: C-385/12)

Eine Vergnügungssteuererhebung nach dem Einspielergebnis (Kassenbesteuerung, Saldo II) oder nach dem Spieleinsatz ist selbstverständlich umsatzabhängig und hat damit „den“ Charakter einer Umsatzsteuer, womit diese gegen die Verbrauchssteuer- sowie gegen die Mehrwertsteuerrichtlinie verstößt. (vgl. Schlussanträge in d. Rs C-82/12; Schlussanträge Rs: C-385/12, -ausführlich- Rn 90ff; )

Beim Vergnügen darf die Stadt nicht schamlos mit kassieren. Die Steuer darf, so heißt es mit Blick auf die Rechtsprechung, "keine erdrosselnde Wirkung" entfalten, so dass sie als ungebührlicher "Eingriff in freie Berufswahl" empfunden werden kann.
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Man kann das deutsche Steuerrecht nicht mehr isoliert betrachten, weil es von den europäischen Regelungen überlagert wird.

Eine erdrosselnde Besteuerung verstößt auch gegen Unionsrecht.

Wie der Europäischer Gerichtshof in der Rechtssache C-98/14 (Berlington u.a.) feststellte, muß ein zugelassener Geschäftsbetrieb auch rentabel und existenzsichernd zu betreiben sein.

Nach der Entscheidung vom 11. Juni 2015 ist eine unangemessen hohe Besteuerung (RS. C-98/14) soweit sie geeignet ist, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit in Gestalt des Betriebs von Geldspielautomaten in Spielhallen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) zu werten.

Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass dies der Fall wäre, wenn das nationale Gericht feststellen sollte, dass die Besteuerung/Steuererhöhung den rentablen Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen verhindert.

Entgegen den Vorgaben aus dem EuGH-Urteil Berlington
entschied das Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Anhebung des Vergnügungssteuersatzes in Berlin rechtmäßig
Eingriff in Berufsausübungsfreiheit im Hinblick auf das Ziel der Bekämpfung von Spielsucht gerechtfertigt

Auch das BVerfG geht in seinen Entscheidungen (1 BvL 11/10, 1 BvL 14/10, Rn 94 und 96) davon aus, dass der Unternehmer nicht nur die Steuer, die sonstigen notwendigen Unkosten für den Betrieb, sondern auch noch einen Gewinn erwirtschaften kann. (vgl. BVerfGE 31, 8 <20>; BFH, BFH/NV 2006, S. 1354 <1357>) 

Das BVerwG führt im Urteil (10 C 5/04, bb) vom 13.4.2005 weiter aus:
Wegen der hohen Steuersätze bestehen nach der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings "deutliche und von der Beklagten nicht widerlegte Anzeichen dafür", dass hier ein unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit der Automatenaufsteller vorliegt. Die Beklagte wird bei der Neufassung ihrer Vergnügungssteuer daher beachten müssen, dass die Steuerbelastung es nicht unmöglich machen darf, den gewählten Beruf des Spielautomatenbetreibers ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung zu machen (BVerfG, Beschluss vom 1. März 1997, a.a.O.; Beschluss vom 1. April 1971, a.a.O. S. 29), wobei insoweit ein durchschnittlicher Betreiber im Gemeindegebiet zum Maßstab zu nehmen ist (vgl. dazu BFH, Urteil vom 6. Dezember 2000 - II R 36/98 - BFH/NV 2001, 650), da Art. 12 GG keinen Bestandsschutz für die Fortsetzung einer unwirtschaftlichen Betriebsführung gewährleistet (vgl. BFH, Urteil vom 26. Juni 1996 - II R 47/95 - BFHE 180, 497 <503>).

Um die besonderen Verbrauchssteuern wie auch die Vergnügungssteuer dogmatisch aufrechterhalten zu können, werden zu ihrer Rechtfertigung zusätzlich zum Fiskalzweck Lenkungszwecke bemüht, die jedoch nur zulässig sind, wenn keine anderen Lenkungsmöglichkeiten bestehen.

In erster Linie diene die Steuer fiskalischen Zwecken. Soweit mit einer Steuer auch weitere Zwecke verfolgt würden, könne diesen Zwecken jedoch nicht ein Gewicht zukommen, dass sie eine nach verfassungsrechtlichen Maßstäben rechtswidrige Steuer rechtfertigten.

Die nachfolgende Aussage von Prof. Birk lässt sich auch auf die Spielapparatesteuer übertragen.
Birk: Ob dieser Lenkungszweck erreicht wird, ist sehr umstritten. Wenn überhaupt, dann ist der Effekt sehr gering. Das Problem dabei ist: Wählt man eine Steuer, die diesen Zweck erreicht, dann ist die Wette kaputt, und die Wettbüros müssten verschwinden. Das wäre verfassungsrechtlich nicht zulässig. Zudem würden die Einnahmen wegbrechen. Der Gesetzgeber ist ja selber daran interessiert, dass die Wettbüros weiter bestehen. Man sollte den Lenkungszweck also nicht überbewerten. Meistens steht die Haushaltssanierung im Vordergrund. weiterlesen

Durch den Glücksspieländerungsstaatsvertrag 2012 wurde das Spielhallenrecht in den Geltungsbereich des Staatsvertrages einbezogen und fällt dadurch unter das Glücksspielmonopol der Länder. Bisher war es ein freies Gewerbe. Durch die Neuregelung werden die Errichtung und der Betrieb von Spielhallen zahlreichen, nach geltendem Recht bislang nicht vorgesehenen Beschränkungen unterworfen (zusätzliche Erlaubnispflicht, Mindestabstände, Höchstzahlen, Sperrzeiten, Werbebeschränkungen etc.).

Da der ordnungsrechtliche Rahmen für das Betreiben  von gewerblichen Geldspielgeräten durch die Gewerbeordnung, die Spieleverordnung, die Landesspielhallengesetze, und durch den Glücksspielstaatsvertrag 2012 nebst Ausführungsgesetzen vorgegeben wird, bleibt, um sich damit nicht in Widerspruch zur Rechtsordnung im Übrigen zu setzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.4.2005, 10 C 5/04, bb), für eine weitergehende Lenkung über eine höhere Besteuerung kein Raum.

Der EuGH gibt mit der Rs Fortuna (C-213/11) vor, dass das nationale Gericht prüfen muss, ob die Verringerung der Stätten für Automatenspiele auch mit einer Begrenzung der Höchstzahl der Spielkasinos und der dort benutzbaren Spielautomaten einhergeht. (Rn 38) Nach der Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen Fortuna C-213/11, Grand C-214/11 und Forta C-217/11, ist die Anzahl der benutzbaren Spielautomaten in staatlichen Spielkasinos entsprechend zu reduzieren!

Alle unverhältnismäßigen Maßnahmen gegen Automatenaufsteller sind rechtswidrig!
(EuGH Pfleger (C-390/12) am 30. April 2014)


Wipperfürth ändert Vergnügungssteuersatzung

Die Verwaltung geht davon aus, dass die Neuregelung der Stadt rund 50 000 Euro Mehreinnahmen bringen wird.

Die Satzungsänderung basiert auf einer geänderten Rechtsprechung und einer Empfehlung des Städte- und Gemeindebundes. Ursprünglich mussten Spielhallen und Gaststätten pro Spielautomat eine Pauschale bezahlen. 2008 erfolgte die erste Umstellung, seit dieser Zeit wurde der Umsatz der Automaten besteuert.

Entscheidend ist also nicht mehr der Gewinn, den ein Automat macht, sondern die Summe, die eingeworfen wird. Mittlerweile sind alle in Wipperfürth aufgestellten Automaten so ausgerüstet, dass sie das Einwurfergebnis ausweisen.
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Eine umsatzabhängige Vergnügungssteuererhebung ist mit dem europäischen Recht nicht vereinbar - schließlich ist die Mehrwertsteuerrichtlinie immer noch geltendes Recht, auch wenn der Vollzug nicht immer beachtet wird.
Der EuGH hat bereits entschieden, dass als wesensgebendes Merkmal einer Umsatzsteuer die Bemessung nach dem Preis angesehen wird.

Künftig bemisst sich die Vergnügungssteuer in Lindlar nicht mehr nach dem Einspielergebnis sondern nach dem Spieleinsatz

Hamburg
war das erste Bundesland, das eine Einwurfsteuer erhebt: Zehn Prozent des eingesetzten Spielkapitals kassiert der Staat, bei Automaten ohne Gewinnmöglichkeit werden 50 bis 80 Euro pro Monat erhoben.

Diese Art der Besteuerung verstößt auch gegen die Verbrauchssteuer- sowie gegen die Mehrwertsteuerrichtlinie, sowie gegen die unionsrechtlichen Freiheitsgrundrechte. (vgl. EuGH Pfleger; Berlington s.o.)

Wie die MwSt ist auch die sogenannte Vergnügungssteuer eine auf Abwälzung angelegte Verbrauchssteuer die letztlich den Verbraucher belasten soll.

Durch die Harmonisierung wurden alle Umsatzsteuern in der Union abgeschafft und durch die in der unmittelbar anzuwendenden MWST-RL beschriebene Mehrwertsteuer ersetzt, der einzig zulässigen Form einer Umsatzsteuer in der Union. (vgl. Urteil vom 3. März 1988 in der Rechtssache 252/86, Bergandi, Rn 7ff)

So meinte des OVG Sachsen am 06.05.2015 (5 A 439/12) unter der Rn 52 sogar:
„Für die Vergnügungssteuer auf Spielgeräte kann der Charakter einer Umsatzsteuer zweifelsfrei verneint werden, weil sie schon strukturell nicht auf einen Vorsteuerabzug angelegt ist.....“
Gerade der fehlende Vorsteuerabzug macht ja eine Umsatzsteuer aus! 

Unter der Rn 15 der Rs. Bergandi wurde festgelegt, daß auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystems unterfällt.
s.a. Schlussanträge i.d. Rs. Bergandi vom 15.12.1987 (Mehrwertsteuer - Spielautomaten)


Bereits Generalanwalt Léger hat darauf hingewiesen, dass eine abweichende Sichtweise paradoxerweise den Mitgliedstaaten die Wiedereinführung eines kumulativen Mehrphasensystems erlauben würde, dessen Abschaffung das gemeinsame Mehrwertsteuersystem doch gerade dient.
(vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 13. März 1997, Solisnor-Estaleiros Navais, C-130/96, Slg. 1997, I-5053, Nr. 42). Die Steuern, die über die erwähnten Merkmale hinaus nicht die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs geben, erschüttern in derselben Weise die seit der Ersten Richtlinie beabsichtigte Steuerharmonisierung. (Léger  Rn. 47)

Der Art. 401 bezieht sich ausschließlich auf den (einen) Charakter von Umsatzsteuern und nicht auf die Wesensmerkmale für die Mehrwertsteuer!

Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Danach hindert die MwStSystRL die Mitgliedstaaten nicht daran, Abgaben u. a. auf Spiele sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Steuern, Abgaben und Gebühren nicht mit Formalitäten im Grenzverkehr zwischen den Mitgliedstaaten verbunden sein dürfen.

Die vier Merkmale der Mehrwertsteuer sind:
  • ihre allgemeine Geltung für alle sich auf Gegenstände oder Dienstleistungen beziehenden Geschäfte,
  • ihre proportionale Bemessung auf die für die steuerpflichtige Leistung erhaltene Gegenleistung
  • ihre Erhebung auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich des Einzelhandels
  • den Abzug der auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe eintretenden umsatzsteuerlichen Vorbelastung, so dass die Steuer nur den auf der jeweiligen Stufe geschaffenen Mehrwert erfasst und die Belastung letztlich vom Endverbraucher getragen wird
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Dagegen verfügt die unzulässige Umsatzsteuer nur über ein Wesensmerkmal, die Proportionalität zum Preis (Bemessung nach dem Preis) und kennt als Verkehrssteuer keine Vorsteuer, weshalb der gesamte Verkaufspreis auf jeder Produktions- bzw. Vertriebsstufe besteuert wird. (vgl. Wikipedia)
(vgl. u.a. Art. 401 MwStSystRL; BGŻ Leasing; C-224/11, Rn. 67; Schlussanträge; C-385/12 -ausführlich- Rn 90ff; Schlussanträge in d. Rs C-82/12)
Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Mitgliedstaaten nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie keine Steuern, Abgaben und Gebühren einführen oder beibehalten, die den Charakter von Umsatzsteuern haben (Urteil vom 24.10.2013 in der Rechtssache Rs. C-440/12, Metropol, vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-308/01, GIL Insurance u.a., Randnrn. 31, vom 3. März 1988 in der Rechtssache 252/86, Bergandi, Slg. 1988, 1343, Randnrn. 10 und 11, vom 13. Juli 1989 in den Rechtssachen 93/88 und 94/88, Wisselink u. a., Slg. 1989, 2671, Randnrn. 13 und 14, vom 31. März 1992 in der Rechtssache C-200/90, Dansk Denkavit und Poulsen Trading, Slg. 1992, I-2217, Randnr. 10, und vom 17. September 1997 in der Rechtssache C-28/96, Fricarnes, Slg. 1997, I-4939, Randnr. 36).

Eine Sonderabgabe (Vergnügungssteuer/Spielapparatesteuer) nach dem Einspielergebnis (Kassenbesteuerung, Saldo II) oder nach dem Spieleinsatz ist selbstverständlich proportional zum Preis (umsatzabhängig)  und damit unionsrechtswidrig.

Die Deutungshoheit liegt beim EuGH, worauf der Gerichtshof bereits in der Rs. Bergandi (252/86) hinwies. (Rn 13) Dieser Begriff hat nämlich Gemeinschaftscharakter, da er der Verwirklichung der Zielsetzung des Artikels 33 dient, die volle Wirksamkeit des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems sicherzustellen.

EuGH Metropol (Rs. C-440/12) Rn. 36:
"Überdies hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Proportionalität der Mehrwertsteuer zu den Preisen der betreffenden Dienstleistungen oder Gegenstände, wie aus Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie hervorgeht, eines der wesentlichen Merkmale dieser harmonisierten Steuer ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1992, Dansk Denkavit und Poulsen Trading, C-200/90, Slg. 1992, I-2217, Randnr. 11, Pelzl u. a., Randnr. 25, und vom 11. Oktober 2007, KÖGÁZ u. a., C-283/06 und C-312/06, Slg. 2007, I-8463, Randnr. 40)".

Entsprechend dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit – Art. 267 AEUV – Pflicht zur Befolgung der Vorgaben eines übergeordneten Gerichts - sind die bundesdeutschen Gerichte verpflichtet den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts zu befolgen, wodurch die in den Urteilen 385/12 und C-82/12 festgelegten Kriterien zur Umsatzabhängigkeit einer Steuer nicht mehr einer anderen Bewertung zugänglich sind. (vgl. Rs. C-581/14 und deren Verweise)

weitere verfügbare Entscheidungen zum Thema „Vergnügungssteuer“

Recht der Spielhallen (RA. Hansen)

Hamburgisches Spielhallengesetz

Mehrwertsteuerrichtlinie (MwStSystR)
mehrsprachig

s.a.:
BFH: Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer ....

Österreich :
Cineplexx-Streit geht in die nächste Runde
Der Streit zwischen der Stadt Hohenems und Cineplexx Austria über die Vergnügungssteuer geht weiter. Hintergrund des Streites ist die Entscheidung der Stadt, die Vergnügungssteuerbefreiung für das Kino nach über 15 Jahren aufzuheben. Cineplexx beharrt auf der Befreiung.
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Zusammengestellt durch
Volker Stiny

ergänzt am 08.12.2015