Sonntag, 7. September 2014

EuGH: Rs C-204/13 - Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

13. März 2014(*)

„Steuern – Mehrwertsteuer – Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug – Auflösung einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter – Erwerb eines Teils des Mandantenstamms dieser Gesellschaft – Sacheinlage in eine andere Gesellschaft – Zahlung der Vorsteuer – Möglicher Abzug“

In der Rechtssache C-204/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 18. April 2013, in dem Verfahren

Finanzamt Saarlouis

gegen

Heinz Malburg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Borg Barthet sowie der Richter S. Rodin und F. Biltgen (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Malburg, vertreten durch Rechtsanwalt K. Koch,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay und A. Cordewener als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Saarlouis (im Folgenden: Finanzamt) und Herrn Malburg über das Recht auf Abzug der Vorsteuer, die ein Gesellschafter anlässlich der Übernahme eines Teils des Mandantenstamms bei der Realteilung einer Steuerberatungsgesellschaft gezahlt hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie lautet:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

(1) Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.

4        Art. 4 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„(1)       Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2)       Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.

…“

5        Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie lautet:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)      die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden“.

 Deutsches Recht

6        Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung von 2003 (BGBl. 2003 I S. 2645, im Folgenden: UStG) unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

7        Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG umfasst das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. „Gewerblich oder beruflich“ ist nach Satz 3 dieser Vorschrift jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

8        § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG sieht vor, dass der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen kann. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug jedoch ausgeschlossen für den Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

9        Bis zum 31. Dezember 1994 war Herr Malburg zu 60 % als Gesellschafter an der Malburg & Partner Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: Alt-Gesellschaft) beteiligt. Die beiden anderen Gesellschafter waren jeweils zu 20 % beteiligt. Zum 31. Dezember 1994 wurde die Alt-Gesellschaft in der Weise aufgelöst, dass jeder der Gesellschafter einen Teil des Mandantenstamms übernahm. Die beiden anderen Gesellschafter waren ab dem 1. Januar 1995 jeweils in Einzelkanzleien als Steuerberater freiberuflich tätig.

10      Zum 31. Dezember 1994 wurde eine neue Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet, an der Herr Malburg zu 95 % beteiligt war (im Folgenden: Neu-Gesellschaft). Nach den das vorlegende Gericht bindenden Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts überließ Herr Malburg der Neu-Gesellschaft den von ihm nach der Auflösung der Alt-Gesellschaft übernommenen Mandantenstamm unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung.

11      Mit Urteil vom 24. September 2003 stellte das erstinstanzliche Gericht fest, dass die Alt-Gesellschaft zum 31. Dezember 1994 durch Realteilung aufgelöst worden sei. Daraufhin setzte das Finanzamt gegenüber der Alt-Gesellschaft Umsatzsteuer für 1994 für die Übertragung des Mandantenstamms fest. Der Umsatzsteuerbescheid für 1994 wurde bestandskräftig und die Umsatzsteuerschuld wurde beglichen.

12      Die Alt-Gesellschaft, vertreten durch Herrn Malburg, stellte diesem am 16. August 2004 für die „Realteilung zum 31.12.1994“ eine Rechnung in Höhe von 1 548 968,53 Euro mit gesondertem Umsatzsteuerausweis aus.

13      In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für August 2004 machte Herr Malburg die ihm für den Erwerb des Mandantenstamms in Höhe von 232 345,28 Euro in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt versagte diesen Vorsteuerabzug.

14      Herr Malburg legte Einspruch gegen diese Entscheidung des Finanzamts ein und reichte eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2004 ein, in der er neben der für die Übernahme des fraglichen Mandantenstamms gezahlten Vorsteuer Umsätze aus der Geschäftsführertätigkeit für die Neu-Gesellschaft in Höhe von 44 990 Euro geltend machte. Das Finanzamt wies den Einspruch mit der Begründung zurück, dass Herr Malburg den übernommenen Mandantenstamm nicht in seinem eigenen Unternehmen genutzt habe. Das Wirtschaftsgut, das dieser Mandantenstamm darstelle, sei vielmehr von der Neu-Gesellschaft als von Herrn Malburg zu trennender Unternehmerin verwendet worden. Somit stehe diesem kein Recht auf Vorsteuerabzug zu.

15      Herr Malburg wandte sich an das Finanzgericht des Saarlandes, das seiner Klage stattgab.

16      Zur Begründung seiner hiergegen eingelegten Revision rügt das Finanzamt eine Rechtsverletzung durch das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes und macht geltend, dass die vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 1. März 2012 in der Rechtssache Polski Trawertyn (C-280/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) aufgestellten Grundsätze auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar seien, weil es hier nicht um den Vorsteuerabzug einer Offenen Handelsgesellschaft, sondern um den eines Gründungsgesellschafters gehe.

17      Der mit dem Rechtsstreit befasste XI. Senat des Bundesfinanzhofs weist darauf hin, dass er zu der Auffassung neige, dass Herrn Malburg der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstamms zustehe.

18      So könne erstens gemäß den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, wie sie durch den Gerichtshof ausgelegt würden, ein Unternehmer den Vorsteuerabzug geltend machen, wenn er Dienstleistungen für sein Unternehmen beziehe und diese für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet würden (vgl. u. a. Urteile vom 29. April 2004, Faxworld, C-137/02, Slg. 2004, I-5547, Rn. 24, vom 15. Dezember 2005, Centralan Property, C-63/04, Slg. 2005, I-11087, Rn. 52, vom 29. November 2012, Gran Via Moineşti, C-257/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 23, und vom 6. Dezember 2012, Bonik, C-285/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 29).

19      Hierzu ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die vorbereitenden Tätigkeiten bereits der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen seien (vgl. u. a. Urteile Polski Trawertyn, Rn. 28, und Gran Via Moineşti, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung), da es der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer erfordere, dass schon die ersten Investitionsausgaben, die für die Zwecke eines Unternehmens und zu dessen Verwirklichung getätigt würden, als wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen würden.

20      Hier ist das vorlegende Gericht der Auffassung – ohne zu prüfen, ob sich die Unternehmereigenschaft von Herrn Malburg gegebenenfalls auch aus der Geschäftsführerstellung bei der Neu-Gesellschaft, die er gemäß der Umsatzsteuererklärung im Streitjahr 2004 ausübte, ergeben könnte –, dass Herr Malburg beim Erwerb des Mandantenstamms, den er anschließend der Neu-Gesellschaft unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung überlassen habe, für die Neu-Gesellschaft unternehmerisch tätig gewesen sei, indem er vorbereitende Tätigkeiten ausgeübt habe.

21      Ferner sei die Übertragung des Mandantenstamms auch an Herrn Malburg als Leistungsempfänger erfolgt. Denn er habe den Mandantenstamm im eigenen Namen und für eigene Rechnung im Wege einer Realteilung erworben und erst anschließend der Neu-Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung überlassen.

22      Schließlich sei im vorliegenden Fall das Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG der gesetzlich geschuldeten Steuer für den Eingangsbezug erfüllt. Denn für die Veräußerung des Mandantenstamms an Herrn Malburg habe das Finanzamt gegenüber der Alt-Gesellschaft für das Jahr 1994 Umsatzsteuer festgesetzt, die auch bezahlt worden sei.

23      Dem stehe nicht entgegen, dass Herr Malburg als Gesellschafter der Neu-Gesellschaft den erworbenen Mandantenstamm unentgeltlich dieser Gesellschaft zur Nutzung überlassen habe und insoweit kein steuerbarer Ausgangsumsatz gegeben sei, so dass es grundsätzlich an dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Eingangsumsatz und einem steuerpflichtigen Ausgangsumsatz gefehlt habe. In seinem Urteil Polski Trawertyn habe der Gerichtshof entschieden, dass die Vorschriften über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen seien, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstünden, wonach weder die Gesellschafter einer Gesellschaft noch die Gesellschaft selbst ein Recht auf Vorsteuerabzug für Investitionskosten geltend machen dürften, die vor Gründung und Eintragung dieser Gesellschaft von den Gesellschaftern für die Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft getragen worden seien. Dieses Urteil sei auf den vorliegenden Fall entsprechend anwendbar.

24      Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass der V. Senat des Bundesfinanzhofs diese Auslegung nicht teilt und die Begründung des Gerichtshofs im Urteil Polski Trawertyn nicht für auf den vorliegenden Fall übertragbar hält. Insbesondere handele es sich bei dem streitigen Umsatz nach Auffassung des V. Senats nicht um einen „Investitionsumsatz“ wie in der Rechtssache, in der das Urteil Polski Trawertyn ergangen sei. Es gehe im vorliegenden Fall nicht um den Erwerb eines Investitionsguts durch die Neu-Gesellschaft, sondern nur um die Überlassung eines solchen Gutes an diese Gesellschaft. Überdies handele es sich bei dem von Herrn Malburg getätigten „Ausgangsumsatz“ nicht um einen steuerbaren Umsatz wie in der Rechtssache, in der das Urteil Polski Trawertyn ergangen sei, sondern um einen nicht steuerbaren Vorgang.

25      Insoweit bestehen nach Ansicht des vorlegenden Gerichts weiterhin Zweifel hinsichtlich der genauen Auslegung der Bestimmungen der Sechsten Richtlinie.

26      Unter diesen Voraussetzungen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie unter Berücksichtigung des Neutralitätsprinzips dahin gehend auszulegen, dass ein Gesellschafter einer Steuerberatungs-GbR, der von dieser GbR einen Teil des Mandantenstamms nur zu dem Zweck erwirbt, diesen unmittelbar anschließend einer unter seiner maßgeblichen Beteiligung neu gegründeten Steuerberatungs-GbR unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung zu überlassen, zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstamms berechtigt sein kann?

 Zur Vorlagefrage

27      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer dahin auszulegen sind, dass ein Gesellschafter einer Steuerberatungs-GbR, der von dieser einen Teil des Mandantenstamms nur zu dem Zweck erwirbt, diesen unmittelbar anschließend einer unter seiner maßgeblichen Beteiligung neu gegründeten Steuerberatungs-GbR unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung zu überlassen, ohne dass dieser Mandantenstamm jedoch dem Vermögen der neu gegründeten Gesellschaft zuwächst, zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstamms berechtigt sein kann.

28      Wie sich aus den Rn. 23 und 24 des vorliegenden Urteils ergibt, fragt sich das vorlegende Gericht insbesondere, ob die Begründung des Gerichtshofs für seine Auslegung im Urteil Polski Trawertyn bezüglich der Erstattung der Vorsteuer auf Umsätze, die im Hinblick auf eine künftig von einer offenen Handelsgesellschaft auszuübende wirtschaftliche Tätigkeit bewirkt wurden, deren künftige Gesellschafter die Vorsteuer entrichtet hatten, auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens entsprechend anwendbar ist.

29      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich, wie sich aus Rn. 26 des Urteils Polski Trawertyn und Nr. 63 der Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, ergibt, damals um einen sehr spezifischen Sachverhalt handelte. So waren die Gesellschafter einer künftigen Gesellschaft nach der anwendbaren nationalen Regelung nicht berechtigt, die Vorsteuer auf Investitionsausgaben abzuziehen, die sie persönlich vor Eintragung und mehrwertsteuerlicher Erfassung dieser Gesellschaft für die Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit dieses Unternehmens getragen hatten, da die Einbringung des fraglichen Investitionsguts in die Gesellschaft ein befreiter Umsatz war. Der Gerichtshof stellte in Bezug auf diesen besonderen Sachverhalt fest, dass nach der genannten nationalen Regelung in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens nicht nur die Gesellschaft kein Recht auf Abzug der auf dieses Investitionsgut entrichteten Mehrwertsteuer geltend machen kann, sondern auch den Gesellschaftern, die die Investitionsausgaben getätigt haben, die Berufung auf ein solches Recht verwehrt ist.

30      Daher hat der Gerichtshof in seinem Urteil Polski Trawertyn entschieden, dass die Art. 9, 168 und 169 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach weder die Gesellschafter einer Gesellschaft noch die Gesellschaft selbst ein Recht auf Vorsteuerabzug für Investitionskosten geltend machen dürfen, die vor Gründung und Eintragung dieser Gesellschaft von den Gesellschaftern für die Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft getragen wurden.

31      Im Licht dieser Erwägungen ist in der Folge zu prüfen, ob sich die Umstände, die den Sachverhalt kennzeichneten, der dem Urteil Polski Trawertyn zugrunde lag, auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens entsprechend übertragen lassen.

32      Zur Beantwortung der Vorlagefrage ist erstens darauf hinzuweisen, dass zum einen nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie wirtschaftliche Tätigkeiten, insbesondere Leistungen, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfassen, der Besteuerung unterliegen und gegebenenfalls zum Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie berechtigen.

33      Zum anderen ist nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie der Steuerpflichtige, der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die von ihm im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

34      Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann (vgl. Urteil vom 21. Februar 2013, Becker, C-104/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Jedoch ist festzustellen, dass in der Rechtssache, in der das Urteil Polski Trawertyn ergangen ist, der von den beiden künftigen Gesellschaftern getätigte Ausgangsumsatz, nämlich die Einbringung eines Grundstücks in die Gesellschaft als Investitionsausgabe für die Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Gesellschaft, zwar in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fiel, aber einen von dieser Steuer befreiten Umsatz darstellte. Dagegen fällt im vorliegenden Fall der Ausgangsumsatz nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, da die unentgeltliche Überlassung des Mandantenstamms an die neue Gesellschaft nicht als „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne der Sechsten Richtlinie angesehen werden kann.

36      Diese Überlassung des Mandantenstamms an die neue Gesellschaft ist nämlich „unentgeltlich“ und fällt daher weder in den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie, der nur entgeltliche Lieferungen und Dienstleistungen erfasst, noch in den von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie, der die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfasst.

37      Somit besteht im vorliegenden Fall auch kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie eröffnen.

38      Der Gerichtshof hat jedoch ein Recht auf Vorsteuerabzug zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen anerkannt, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen dieses Steuerpflichtigen gehören und − als solche − Bestandteile des Preises der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (Urteile vom 8. Juni 2000 Midland Bank, C-98/98, Slg. 2000, I-4177, Rn. 31, vom 26. Mai 2005, Kretztechnik, C-465/03, Slg. 2005, I-4357, Rn. 36, und Becker, Rn. 20). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn nachgewiesen ist, dass der Steuerpflichtige den fraglichen Mandantenstamm selbst im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer einer neu gegründeten Gesellschaft erworben hat und dass die Kosten, die sich aus diesem Erwerb ergeben, zu den allgemeinen Aufwendungen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer zu zählen sind.

39      Doch wie sich aus Rn. 20 des vorliegenden Urteils ergibt, hat das vorlegende Gericht selbst diese Hypothese aus seinen Erwägungen ausgeklammert, so dass sich der Gerichtshof hierzu nicht zu äußern hat.

40      Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht, ob das Urteil Polski Trawertyn in Anbetracht des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität auf den vorliegenden Fall nicht entsprechend anwendbar ist.

41      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, dass sich der Grundsatz der steuerlichen Neutralität in der Regelung über den Vorsteuerabzug widerspiegelt, die den Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlasten soll. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet daher eine völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. u. a. Urteile vom 14. Februar 1985, Rompelman, 268/83, Slg. 1985, 655, Rn. 19, und vom 3. März 2005, Fini H, C-32/03, Slg. 2005, I-1599, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität findet somit keine Anwendung auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens, da die unentgeltliche Überlassung des Mandantenstamms an eine Gesellschaft, wie sich aus den Rn. 35 und 36 des vorliegenden Urteils ergibt, kein vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasster Umsatz ist.

43      Im Übrigen ist, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, der Grundsatz der steuerlichen Neutralität keine Regel des Primärrechts, sondern ein Auslegungsgrundsatz, der neben dem Grundsatz anzuwenden ist, den er einschränkt (Urteil vom 19. Juli 2012, Deutsche Bank, C-44/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 45). Er erlaubt es daher nicht, den Anwendungsbereich des Vorsteuerabzugsrechts gegenüber einer eindeutigen Bestimmung der Sechsten Richtlinie auszuweiten. In der Rechtssache, in der das Urteil Polski Trawertyn ergangen ist, erlaubte es die fragliche nationale Regelung weder den künftigen Gesellschaftern der zu gründenden Gesellschaft noch der Gesellschaft, sich mit Erfolg auf den Neutralitätsgrundsatz zu berufen.

44      Drittens ist darauf hinzuweisen, dass sich der Sachverhalt des Rechtsstreits, in dem das Urteil Polski Trawertyn ergangen ist, noch in weiteren Punkten von der Situation, um die es im Ausgangsverfahren geht, unterscheidet. Im vorliegenden Fall war die neue Gesellschaft bereits gegründet worden, als Herr Malburg den Mandantenstamm übernahm, und anders als in dem Sachverhalt der Rechtssache, in der das Urteil Polski Trawertyn ergangen ist, wurde das Investitionsgut, hier: der Mandantenstamm, nicht in das Vermögen dieser Gesellschaft eingebracht. Schließlich hat nicht die neu gegründete Gesellschaft beantragt, die von einem Gesellschafter im Rahmen einer die Tätigkeit dieser Gesellschaft vorbereitenden Handlung gezahlte Mehrwertsteuer als Vorsteuer in Abzug bringen zu dürfen.

45      Somit lassen sich die Erwägungen des Gerichtshofs zu der Auslegung in seinem Urteil Polski Trawertyn nicht auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens übertragen.

46      Diese Schlussfolgerung wird dadurch gestützt, dass die unentgeltliche Überlassung des Mandantenstamms, worauf die deutsche Regierung hingewiesen hat, nicht mit anderen nach nationalem Recht in Betracht kommenden rechtlichen Lösungen gleichgestellt werden kann, die nach diesem Recht ein Abzugsrecht eröffnet hätten, die Herr Malburg aber von sich aus nicht gewählt hat. Anders als die nationalen Rechtsvorschriften, die dem Rechtsstreit zugrunde lagen, in dem das Urteil Polski Trawertyn ergangen ist, nach denen die Klägerin nicht in den Genuss der Anwendung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität kommen konnte, steht die im Ausgangsverfahren anwendbare nationale Regelung der Anwendung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität auf einen Fall wie den des Ausgangsverfahrens, in dem der Kläger auf andere Optionen hätte zurückgreifen können, offenbar nicht grundsätzlich entgegen, was aber zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

47      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer dahin auszulegen sind, dass ein Gesellschafter einer Steuerberatungs-GbR, der von dieser einen Teil des Mandantenstamms nur zu dem Zweck erwirbt, diesen unmittelbar anschließend einer unter seiner maßgeblichen Beteiligung neu gegründeten Steuerberatungs-GbR unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung zu überlassen, ohne dass dieser Mandantenstamm jedoch dem Vermögen der neu gegründeten Gesellschaft zuwächst, nicht zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstamms berechtigt ist.

 Kosten

48      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung sind unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer dahin auszulegen, dass ein Gesellschafter einer Steuerberatungs-GbR, der von dieser einen Teil des Mandantenstamms nur zu dem Zweck erwirbt, diesen unmittelbar anschließend einer unter seiner maßgeblichen Beteiligung neu gegründeten Steuerberatungs-GbR unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung zu überlassen, ohne dass dieser Mandantenstamm jedoch dem Vermögen der neu gegründeten Gesellschaft zuwächst, nicht zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstamms berechtigt ist.

Unterschriften

* Verfahrenssprache: Deutsch.

Quelle


C-104/12 – Becker
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer)
vom 21. Februar 2013

Recht auf Vorsteuerabzug


URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)


21. Februar 2013(*)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Art. 17 Abs. 2 Buchst. a – Recht auf Vorsteuerabzug – Erfordernis eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem Eingangs- und einem Ausgangsumsatz – Kriterium für die Bestimmung dieses Zusammenhangs – Anwaltsleistungen, die im Rahmen eines gegen den Geschäftsführer und Hauptgesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gerichteten persönlichen Strafverfahrens wegen Bestechung erbracht wurden“

In der Rechtssache C-104/12


betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 22. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Februar 2012, in dem Verfahren

Finanzamt Köln-Nord

gegen

Wolfram Becker

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel (Berichterstatter),

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und C. Soulay als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil


1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20. Dezember 2001 (ABl. L 15, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Köln-Nord (im Folgenden: Finanzamt) und Herrn Becker wegen dessen Recht auf Abzug der Vorsteuer, die von ihm für Anwaltsgebühren im Zusammenhang mit einem gegen ihn als Geschäftsführer und Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durchgeführten Strafverfahren entrichtet wurde.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht


3        Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie lautet in der Fassung ihres Art. 28f:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)      die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden“.

4        Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige

a)      über die nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a) abziehbare Steuer eine nach Artikel 22 Absatz 3 ausgestellte Rechnung besitzen“.

5        Nach Art. 22 Abs. 3 Buchst. b fünfter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie in der Fassung ihres Art. 28h müssen nach den Bestimmungen dieser Richtlinie ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und seines Kunden enthalten.

 Deutsches Recht

6        Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (BGBl. 2005 I S. 386, im Folgenden: UStG) kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

7        Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen


8        Zu der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Zeit war Herr Becker Einzelunternehmer und Mehrheitsgesellschafter der A-GmbH (im Folgenden: A), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts. Herr Becker und X waren Geschäftsführer von A, deren Gesellschaftszweck darin bestand, mehrwertsteuerpflichtige Bauleistungen gegen Entgelt zu erbringen. P, der Prokurist von A, wurde später ebenfalls Geschäftsführer dieser Gesellschaft.

9        Zwischen Herrn Becker und A wurde ein Organschaftsvertrag im Sinne des UStG geschlossen. Infolgedessen wurden Herr Becker und A als ein Steuerpflichtiger behandelt, wobei Herrn Becker als „Organträger“ die steuerrechtlichen Verpflichtungen des aus seinem Einzelunternehmen und A bestehenden Gesamtunternehmens trafen.

10      Nachdem A einen Bauauftrag erhalten und diesen gegen Entgelt steuerpflichtig ausgeführt hatte, eröffnete die zuständige Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Herrn Becker und P. Es bestand nämlich der Verdacht, A habe vor der Vergabe dieses Auftrags vertrauliche Informationen über die von konkurrierenden Unternehmen abgegebenen Angebote erhalten und deshalb das günstigste Angebot abgeben können. Sie soll für die Erlangung dieser Informationen Zuwendungen geleistet haben, die in Bezug auf Herrn Becker und P strafrechtlich als „Bestechung“ oder Beihilfe zu würdigen seien und für den Zuwendungsempfänger als „Bestechlichkeit“.

11      Die gegen Herrn Becker und gegen P eröffneten Strafverfahren wurden gemäß den Bestimmungen der deutschen Strafprozessordnung gegen Zahlung von Geldbeträgen eingestellt.

12      Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurden Herr Becker durch einen Rechtsanwalt und P durch eine Rechtsanwältin vertreten. Nach den mit ihnen getroffenen Honorarvereinbarungen waren Mandanten des Rechtsanwalts von Herrn Becker dieser als Beschuldigter und A, während Mandanten der Rechtsanwältin von P dieser als Beschuldigter und ebenfalls A waren. Beide Vereinbarungen wurden auf Seiten der Mandanten nur für A, vertreten durch Herrn Becker und P als Geschäftsführer, unterschrieben und mit dem Firmenstempel von A versehen.

13      Die Rechtsanwälte adressierten ihre Rechnungen an A. Aus diesen Rechnungen nahm Herr Becker – als „Organträger“ von A – im Streitjahr 2005 den Vorsteuerabzug vor.

14      Wie aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, war das Finanzamt der Ansicht, dass die fragliche Mehrwertsteuer nicht abziehbar sei, und erließ daher einen Änderungsbescheid gegen Herrn Becker. Nachdem der von Herrn Becker beim Finanzamt eingelegte Einspruch zurückgewiesen worden war, erhob er Klage beim Finanzgericht Köln, das ihr stattgab.

15      Der mit der vom Finanzamt dagegen eingelegten Revision befasste Bundesfinanzhof verweist in seiner Vorlageentscheidung darauf, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen den Eingangs- und Ausgangsumsätzen voraussetze. Das Finanzamt äußert jedoch Zweifel in Bezug auf die Frage, ob für das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs der objektive Inhalt der bezogenen Leistung oder der Entstehungsgrund für ihren Bezug maßgeblich ist.

16      Zum einen gehe nämlich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass es für das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs auf die objektiven Umstände (Urteil vom 8. Juni 2000, Midland Bank, C-98/98, Slg. 2000, I-4177, Randnr. 32) und die objektive Natur des betreffenden Umsatzes (Urteil vom 6. April 1995, BLP Group, C-4/94, Slg. 1995, I-983, Randnr. 24) ankomme. Im vorliegenden Fall sei aber, wenn man auf die objektive Natur der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anwaltsdienstleistungen abstelle, festzustellen, dass sie direkt und unmittelbar dazu dienten, die privaten Interessen der beiden Beschuldigten zu schützen. Im Übrigen hätten sich die Strafverfolgungsmaßnahmen nur gegen diese persönlich und nicht gegen A gerichtet, obwohl solche Maßnahmen auch gegen Letztere rechtlich möglich gewesen wären.

17      Zum anderen habe der Gerichtshof entschieden, dass auch zu beachten sei, ob die bezogene Leistung ihren ausschließlichen Entstehungsgrund in den der Steuer unterliegenden Tätigkeiten des Steuerpflichtigen habe (Urteil vom 8. Februar 2007, Investrand, C-435/05, Slg. 2007, I-1315, Randnr. 33). So verhalte es sich im Ausgangsverfahren, denn die beiden Rechtsanwälte hätten die in Rede stehenden Leistungen nicht erbracht, wenn A keine zu einem Umsatz führende und damit steuerpflichtige Tätigkeit ausgeübt hätte. Daher könnte angenommen werden, dass diese Leistungen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen stünden. In einer solchen Situation wäre Herr Becker als Organträger von A zum Vorsteuerabzug berechtigt.

18      Aufgrund dieser Erwägungen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Bestimmt sich der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung des Begriffs „für Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie als maßgeblich erachtete direkte und unmittelbare Zusammenhang

–        nach dem objektiven Inhalt der vom Steuerpflichtigen bezogenen Leistung (hier: Tätigkeit eines Strafverteidigers, damit eine natürliche Person nicht strafrechtlich verurteilt wird) oder

–        nach dem Entstehungsgrund der bezogenen Leistung (hier: wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen, bei der angeblich eine Straftat durch eine natürliche Person begangen wurde)?

2.      Falls es auf den Entstehungsgrund ankommt: Ist ein Steuerpflichtiger, der eine Leistung zusammen mit einem Angestellten in Auftrag gibt, gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie zum vollen oder nur zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt, und welche Anforderungen bestehen bei Bezug einer Leistung durch mehrere Empfänger an die Rechnungserteilung gemäß Art. 22 Abs. 3 Buchst. b fünfter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

19      Zur Beantwortung der ersten Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, die Berechtigung des Steuerpflichtigen zum Vorsteuerabzug grundsätzlich einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, voraussetzt, damit der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann (vgl. Urteile Midland Bank, Randnr. 24, vom 22. Februar 2001, Abbey National, C-408/98, Slg. 2001, I-1361, Randnr. 26, und Investrand, Randnr. 23). Das Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (vgl. Urteile Midland Bank, Randnr. 30, und Abbey National, Randnr. 28).

20      Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen anerkannt, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und − als solche − Bestandteile des Preises der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile Midland Bank, Randnr. 31, und vom 26. Mai 2005, Kretztechnik, C-465/03, Slg. 2005, I-4357, Randnr. 36).

21      Sodann hat der Gerichtshof zur Art des „direkten und unmittelbaren Zusammenhangs“, der zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen vorliegen muss, ausgeführt, dass der Versuch, insoweit präziser formulieren zu wollen, vergeblich ist. Angesichts der Verschiedenheit der gewerblichen und beruflichen Umsätze wäre es nämlich unmöglich, die für die Abzugsfähigkeit der Vorsteuer erforderliche Beziehung zwischen den jeweiligen Eingangs- und Ausgangsumsätzen für alle denkbaren Fälle genauer zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Midland Bank, Randnr. 25).

22      Schließlich haben nach der Rechtsprechung die Finanzverwaltungen und die nationalen Gerichte im Rahmen der ihnen obliegenden Anwendung des Kriteriums des unmittelbaren Zusammenhangs alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen die betreffenden Umsätze ausgeführt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil Midland Bank, Randnr. 25), und nur die Umsätze heranzuziehen, die objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen.

23      Die Verpflichtung, nur den objektiven Inhalt des betreffenden Umsatzes zu berücksichtigen, entspricht nämlich am besten dem mit dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem verbundenen Zweck, der darin besteht, die Rechtssicherheit zu gewährleisten und die mit der Anwendung der Mehrwertsteuer verbundenen Maßnahmen zu erleichtern (vgl. in diesem Sinne Urteile BLP Group, Randnr. 24, vom 9. Oktober 2001, Cantor Fitzgerald International, C-108/99, Slg. 2001, I-7257, Randnr. 33, und vom 29. Oktober 2009, SKF, C-29/08, Slg. 2009, I-10413, Randnr. 47).

24      Wie der Gerichtshof ferner entschieden hat, ist die Feststellung, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den verwendeten Gegenständen oder Dienstleistungen und einem Ausgangsumsatz oder ausnahmsweise einem Eingangsumsatz besteht, auch anhand ihres objektiven Inhalts zu treffen (vgl. in diesem Sinne Urteil Midland Bank, Randnr. 32, und entsprechend, in Bezug auf die Umstände, die zum Nachweis der erklärten Absicht eines Steuerpflichtigen, einen bestimmten Gegenstand für einen mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz zu verwenden, zu berücksichtigen sind, Urteil vom 14. Februar 1985, Rompelman, 268/83, Slg. 1985, 655, Randnr. 24).

25      Die Auslegung, wonach für die Feststellung, ob ein „direkter und unmittelbarer Zusammenhang“ zwischen einem bestimmten Umsatz und der gesamten steuerpflichtigen Tätigkeit im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung vorliegt, objektive Umstände bei den bezogenen Gegenständen oder Dienstleistungen zu berücksichtigen sind, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gerichtshof in den Randnrn. 33 bis 36 seines Urteils Investrand im Kern ausgeführt hat, dass dann, wenn die Verfolgung der steuerpflichtigen Tätigkeit nicht den ausschließlichen Entstehungsgrund für die Tätigung bestimmter Kosten und Ausgaben darstellt, diese nicht als in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Tätigkeit stehend angesehen werden können.

26      Wie nämlich aus den Randnrn. 25 bis 34 des genannten Urteils hervorgeht, kam der Gerichtshof dort unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen die Umsätze in der Rechtssache, die Gegenstand dieses Urteils war, getätigt worden waren, und insbesondere der sich aus den ihm vorliegenden Akten ergebenden Tatsachen zum einen zu dem Schluss, dass die Investrand BV keinen speziellen mehrwertsteuerpflichtigen Ausgangsumsatz getätigt hatte, der die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausgaben verursacht hatte. Zum anderen konnten diese Ausgaben, da die Investrand BV nicht dargetan hatte, dass sie sie nicht getätigt hätte, wenn sie keine steuerpflichtige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hätte, nach Ansicht des Gerichtshofs nicht als für die Zwecke der gesamten steuerpflichtigen Tätigkeiten entstanden betrachtet werden.

27      Nur weil der Gerichtshof im Rahmen seiner Prüfung den objektiven Inhalt der fraglichen Umsätze berücksichtigte, konnte er in Randnr. 34 des Urteils Investrand feststellen, dass die Situation der Investrand BV mit derjenigen eines privaten Anteilseigners vergleichbar war, und zu dem Ergebnis kommen, dass diese Umsätze nicht als in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie fallend betrachtet werden konnten.

28      Insoweit ist hinzuzufügen, dass der Gerichtshof in seinem Urteil Investrand nicht ausgeschlossen hat, dass die fraglichen Umsätze in Anbetracht ihres Inhalts in einem anderen Fall mit einer steuerpflichtigen Tätigkeit hätten verknüpft werden können. Der Gerichtshof hat nur, wie sich im Kern aus Randnr. 33 des genannten Urteils ergibt, festgestellt, dass die Investrand BV die fraglichen Ausgaben auch dann getätigt hätte, wenn sie keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hätte, so dass sie nicht als aufgrund der steuerpflichtigen Tätigkeiten dieses Unternehmens entstanden betrachtet werden konnten.

29      Daher schließt, wie die deutsche Regierung geltend gemacht hat, der Umstand, dass die Feststellung des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einer Dienstleistung und der gesamten steuerpflichtigen Tätigkeit anhand des objektiven Inhalts dieser Dienstleistung vorgenommen werden muss, nicht aus, dass auch der ausschließliche Entstehungsgrund des fraglichen Umsatzes berücksichtigt werden kann, da dieser als ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts anzusehen ist. Steht fest, dass ein Umsatz nicht für die Zwecke der der Steuer unterliegenden Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen getätigt wurde, kann daher nicht von einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen ihm und diesen Tätigkeiten im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgegangen werden, selbst wenn dieser Umsatz auch in Anbetracht seines objektiven Inhalts mehrwertsteuerpflichtig ist.

30      Im vorliegenden Fall dienten erstens die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anwaltsdienstleistungen nach den Angaben des vorlegenden Gerichts direkt und unmittelbar dem Schutz der privaten Interessen der beiden Beschuldigten, die wegen in ihrem persönlichen Verhalten liegender Zuwiderhandlungen strafrechtlich verfolgt wurden. Wie im Übrigen bereits in Randnr. 16 des vorliegenden Urteils klargestellt worden ist, waren die Strafverfolgungsmaßnahmen nur gegen sie persönlich und nicht gegen A gerichtet, obwohl solche Maßnahmen auch gegen Letztere rechtlich möglich gewesen wären. Das vorlegende Gericht schließt daraus zutreffend, dass die Ausgaben für diese Dienstleistungen in Anbetracht ihres objektiven Inhalts nicht als für die Zwecke der gesamten steuerpflichtigen Tätigkeiten von A getätigt betrachtet werden könnten.

31      Zweitens führt das vorlegende Gericht aus, dass ein Kausalzusammenhang zwischen den Kosten für diese Leistungen und der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit von A bestehe, da die beiden Rechtsanwälte ihre Leistungen nicht erbracht hätten, wenn A keine zu einem Umsatz führende und damit steuerpflichtige Tätigkeit ausgeübt hätte. Es ist jedoch festzustellen, dass dieser Kausalzusammenhang keinen direkten und unmittelbaren Zusammenhang im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu begründen vermag. Wie das vorlegende Gericht selbst ausführt, besteht kein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Strafverfolgung und A, so dass die Leistungen als völlig außerhalb des Kontexts der steuerpflichtigen Tätigkeiten von A erbracht anzusehen sind.

32      Insoweit ist hinzuzufügen, dass der Umstand, dass das nationale Zivilrecht ein Unternehmen wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende verpflichtet, die Kosten für die Verteidigung der Interessen seiner Organe in einem Strafverfahren zu übernehmen, für die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem unerheblich ist. Angesichts der durch dieses System eingeführten objektiven Mehrwertsteuerregelung ist nämlich allein das objektive Verhältnis zwischen den erbrachten Leistungen und der der Steuer unterliegenden wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen maßgebend (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, RBS Deutschland Holdings, C-277/09, Slg. 2010, I-13805, Randnr. 54), da sonst die einheitliche Anwendung des einschlägigen Unionsrechts ernstlich beeinträchtigt würde.

33      Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass sich für die Feststellung, ob Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie „für Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ verwendet wurden, das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem konkreten Umsatz und der gesamten Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach dem objektiven Inhalt der von ihm bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen bestimmt. Im vorliegenden Fall eröffnen die Anwaltsdienstleistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen, die Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens sind, zu vermeiden, diesem Unternehmen keinen Anspruch auf Abzug der für die erbrachten Leistungen geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer.

 Zur zweiten Frage

34      Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

35      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:


Für die Feststellung, ob Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern − Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20. Dezember 2001 geänderten Fassung „für Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ verwendet wurden, bestimmt sich das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem konkreten Umsatz und der gesamten Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach dem objektiven Inhalt der von ihm bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen.

Im vorliegenden Fall eröffnen die Anwaltsdienstleistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen, die Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens sind, zu vermeiden, diesem Unternehmen keinen Anspruch auf Abzug der für die erbrachten Leistungen geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer.


Unterschriften

* Verfahrenssprache: Deutsch.

Quelle