Gericht: VG Karlsruhe 6. Kammer
Entscheidungsdatum: 24.04.2015
Aktenzeichen: 6 K 1514/13, 6 K 1515/13, 6 K 1532/13
Dokumenttyp: Urteil
Normen: § 9 Abs 4 KAG BW, Art 105 Abs 2a GG
Leitsätze
Eine Vergnügungssteuer für Wettbüros, in denen Wettereignisse übertragen werden, stellt aufgrund der Unentgeltlichkeit der Mitverfolgung derselben für den Wettkunden keine örtliche Aufwandsteuer dar und unterfällt daher nicht der kommunalen Steuerhoheit.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 05.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2013 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Berufung wird zugelassen.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten um die Heranziehung der Kläger zur Entrichtung von Vergnügungssteuer für den Monat Februar 2013 in Höhe von 590,00 Euro.
2 Die Klägerin und ihr Ehemann betreiben im Stadtgebiet der Beklagten eine aus zwei durch einen Durchgang miteinander verbundenen Räumen zuzüglich Büro- und Sanitärräumen bestehende Wettannahmestelle. Der kleinere der beiden Räume mit einem Kundenbereich von 59,72 Quadratmetern, der zudem mit Bildschirmen ausgestattet ist, auf denen die Kunden Wettereignisse verfolgen können, wird von der Klägerin für die Annahme von Pferdewetten genutzt.
3 Am 19.11.2012 erließ der Gemeinderat der Beklagten eine am 01.02.2013 in Kraft getretene Neufassung seiner Vergnügungssteuersatzung, nach der das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Einrichtungen (Wettbüros), die neben der Annahme von Wettscheinen (auch an Terminals o.ä.) auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglichen, der Vergnügungssteuer als örtlicher Aufwandsteuer unterliegt. In der Begründung zur Neufassung wird unter anderem ausgeführt, mit Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrags zum 01.07.2012 regelten die beteiligten Bundesländer die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele neu. Der Staatsvertrag öffne den Glücksspielmarkt für private Sportwettenanbieter. Neben dem staatlichen Glücksspielangebot könnten nunmehr auch private Unternehmen Konzessionen zum Veranstalten von Sportwetten erhalten. Mit der Erhebung der Vergnügungssteuer werde zum Zwecke des Gemeinwohls unter anderem versucht, das Aufstellen von Glücksspielgeräten und die damit verbundenen Suchtgefahren einzudämmen. Durch die neue Glücksspielregelung müsse damit gerechnet werden, dass auch die Anzahl der Wettbüros im Stadtgebiet nach entsprechenden Konzessionsvergaben zunehme. Die Aufnahme einer Besteuerung von Wettbüros in die Vergnügungssteuersatzung diene dazu, hier gegenzusteuern und die bisherigen lenkungspolitischen Ziele konsequent weiter zu verfolgen.
4 Mit Bescheid vom 04.02.2013 setzte die Beklagte die von der Klägerin „für Januar 2013“ zu tragende Vergnügungssteuer, ausgehend von einem Steuersatz von 10,00 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche, auf 590,00 Euro fest.
5 Mit weiterem Bescheid vom 05.02.2013 nahm sie diesen Bescheid unter Hinweis auf einen technischen Fehler zurück und erließ einen Vergnügungssteuerbescheid gleichen Inhalts für den Monat Februar 2013.
6 Am 20.02.2013 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.02.2013, welchen die Beklagte als gegen den geänderten Bescheid vom 05.02.2013 gerichtet wertete. Sie trug vor, die erhobene Vergnügungssteuer sei der bundesweit erhobenen Sport- und Rennwettensteuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) gleichartig. Beide Steuern erfassten den gleichen Aufwand, nämlich das Wettvergnügen ihrer Kunden. Als örtliche Aufwandsteuer dürfe die Vergnügungssteuer nicht neben der gleichartigen bundesweit erhobenen Sport- und Rennwettensteuer erhoben werden. Die Gleichartigkeit sei auch zu prüfen, da die Vergnügungssteuer auf Wettbüros eine neue Steuer darstelle, die bisher nicht erhoben worden sei. Die Steuererhebung verstoße damit gegen Art. 105 Abs. 2a GG.
7 Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2013 gebührenpflichtig zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, den Gemeinden werde durch Art. 105 Abs. 2a GG und § 9 Abs. 4 KAG für ihren Wirkungskreis und unter dem Vorbehalt fehlender Gleichartigkeit mit bundesgesetzlich geregelten Steuern ein Steuerfindungsrecht eingeräumt. In diesem Rahmen habe sie die Erhebung der Vergnügungssteuer in ihrer Satzung geregelt. Eine Gleichartigkeit mit der bundesrechtlichen Rennwett- und Lotteriesteuer bestehe nicht, da diese ausschließlich auf die getätigten Umsätze abstelle. Ihre Besteuerung knüpfe demgegenüber – wie die Spielgerätesteuer – an den Aufwand an, den der Steuerpflichtige betreibe, um sich an einem bestimmten Ort und in einem bestimmten Rahmen zu vergnügen. Maßgeblich sei insoweit, dass in den Wettbüros nicht nur Wetten getätigt würden, sondern auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglicht werde. Im Gegensatz zur klassischen Wettannahme könne der Wetter nicht nur Wetten eingehen, sondern dabei weiteren Vergnügungen nachgehen, z.B. Gleichgesinnte treffen, das gewettete Ereignis direkt verfolgen sowie die Geselligkeit und den Service im Wettbüro genießen. Es stehe zu vermuten, dass durch die im Wettbüro eingesetzte Übertragungstechnik höhere Umsätze und Gewinne erzielt würden als bei der klassischen Wettannahme. Mit der Heranziehung der zur Verfügung gestellten Fläche werde ein wirklichkeitsnaher Besteuerungsmaßstab herangezogen. Je größer die Geschäftsfläche sei, desto mehr Personen könnten sich dort aufhalten. Es sei auch eine örtliche Radizierung gegeben, da durch den Steuertatbestand der geforderte örtliche Bezug, der in der nur vor Ort im Wettbüro vorhandenen Möglichkeit bestehe, das Wettereignis mitzuverfolgen, bestehe, hergestellt werde. Durch den örtlichen Bezug, der auf das Vergnügen vor Ort abstelle, würden die Anforderungen für eine örtliche Aufwands- und Verbrauchssteuer erfüllt. Die Besteuerung knüpfe an die Leistungsfähigkeit des Wettkunden an und sei auf diesen abwälzbar. Die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung sei insoweit ausreichend. Das mit der Steuererhebung zugleich verfolgte Lenkungsziel einer Eindämmung der besteuerten Betriebe, mit dem der Spiel- und Wettsucht entgegen gewirkt werde, sei legal und liege im Rahmen der gesetzlichen Gestaltungsfreiheit.
8 Gegen den am 07.06.2013 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 21.06.2013 Klage erhoben. Sie vertieft ihr Vorbringen, die erhobene Vergnügungssteuer sei der bundesgesetzlich geregelten Pferdewetten- und Sportwettensteuer gleichartig. Weiter trägt sie vor, die Steuererhebung verstoße gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Gebots der steuerlichen Belastungsgleichheit, weil die Steuererhebung an die Fläche des Wettbüros anknüpfe.
9 Die Gleichartigkeit müsse bei örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern geprüft werden, wenn es sich nicht um herkömmliche gemeindliche Steuern handle. Letzteres sei nicht der Fall, weil eine Vergnügungssteuer auf Pferde- oder Sportwetten bislang in keinem Bundesland und in keiner Gemeinde erhoben worden sei. Die bloße Bezeichnung als Vergnügungssteuer ändere hieran nichts. Dieser Oberbegriff werde für Steuern auf ganz unterschiedliche Formen des Vergnügens verwendet, so dass es auf den jeweiligen Steuergegenstand ankomme. Das Steuererfindungsrecht der Beklagten werde hierdurch nicht in Frage gestellt, da diese neue örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben dürfe, wenn diese bundesgesetzlich erhobenen Steuern nicht gleichartig seien. Dies sei hier aber der Fall. Der Abschluss von Pferdewetten und die Annahme von Sportwetten unterliege der Renn- und Sportwettensteuer. Gleichzeitig unterwerfe die Beklagte das Veranstalten von Pferdewetten ebenso wie das Veranstalten oder Vermitteln von Sportwetten in Wettbüros der Vergnügungssteuer. Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2 a GG verbiete aber sowohl aus kompetenzrechtlichen Gründen als auch zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung des Steuerschuldners eine Doppelbelastung derselben Steuerquelle. Insoweit müssten Steuergegenstand, Steuermaßstab, Art der Erhebungstechnik und die wirtschaftlichen Auswirkungen verglichen werden. Der kommunale Gesetzgeber habe es nicht in der Hand, durch bloße unterschiedliche Formulierung der Steuertatbestände oder durch Schaffung geringfügiger Unterschiede bei den einzelnen Besteuerungsmerkmalen die Gleichartigkeit zu vermeiden. Die Vergnügungssteuer auf Pferde- und Sportwetten in Wettbüros erfasse den Aufwand desjenigen, der Einkommen für sein Vergnügen verwende. Dies sei der Wetter, der als Kunde des Wettbüros Pferde- oder Sportwetten abschließe. Dessen Vergnügungsaufwand bestehe in dem Entgelt, welches er für die Wette zu entrichten habe. Dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit werde aber bereits von der Pferde- und durch die Sportwettensteuer erfasst, deren Bemessungsgrundlage die Wetteinsätze seien. Dass die Beklagte die Höhe der Vergnügungssteuer nicht an den Wetteinsatz, sondern an die Quadratmeterfläche des Wettbüros anknüpfe, sei ein Steuermaßstab, der im Hinblick auf den Belastungsgrund unzutreffend sei. Der Aufwand des Wetters spiegle sich in der Quadratmeterfläche des Wettbüros nicht wider. Die Wahl des falschen Steuermaßstabes verdecke lediglich, dass sowohl bei der Vergnügungssteuer als auch bei der Steuer nach dem RennwLottG die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Wetters und damit dieselbe Steuerquelle belastet werde.
10 Die Anknüpfung der Besteuerung an die Raumgröße verstoße zudem gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Belastungsgleichheit. Danach müsse sich die tatbestandliche Ausgestaltung einer Aufwandsteuer an der Leistungsfähigkeit orientieren, die in der Vermögensverwendung zum Ausdruck komme. Sachgerechter Maßstab sei der tatsächliche individuelle Vergnügungsaufwand des Spielers. Ein Ersatzmaßstab dürfe nur dann gewählt werden, wenn dieser einen bestimmten Vergnügungsaufwand wenigstens wahrscheinlich mache. Die Anknüpfung an die Quadratmeterfläche des Wettbüros steht dem Vergnügungsaufwand des Spielers aber nicht nur sehr fern, sondern bilde ihn auch nicht ansatzweise angemessen ab. Während die Größe des Wettbüros mit dem Aufwand der Wetters nichts zu tun habe, ließen sich die monatlichen Wetteinsätze anhand der Aufzeichnungen der Wettbüroinhaber problemlos ermitteln, da diese auch die Grundlage für die Abrechnung mit den Wettveranstaltern bildeten. Aufgrund der Existenz einer verlässliche Grundlage zur Erfassung des Vergnügungsaufwandes der Besucher sei kein Grund ersichtlich, der es rechtfertige, zur Steuerbemessung auf einen diesen nur mittelbar abbildenden Maßstab auszuweichen. Schließlich fehle es auch an jeglichem Bezug zwischen den Wetteinsätzen und der Größe des Wettbüros. Deren Höhe bestimme sich nicht nach der Einrichtung des Wettbüros, sondern werde einheitlich festgesetzt. Die vom Wettveranstalter eingeräumten Quoten seien bundesweit, wenn nicht europa- oder gar weltweit gleich. Es gehe auch nicht um die Erfassung des Vergnügens, das darin liege, dass die Spieler gemeinsam in einem größeren Wettbüro vor Bildschirmen die Wettereignisse verfolgen könnten. Ein gesonderter Eintritt für das Verfolgen der Wetten werde nicht erhoben, so dass der Wetter für dieses Vergnügen nichts aufwenden müsse. Dieser müsse unabhängig davon, ob er in einem Wettbüro wette, welches die gemeinsame Verfolgung der Wettereignisse mit anderen Wettern anbiete oder nicht, den gleichen Wetteinsatz leisten.
11 Schließlich sei die Veranstaltung von Sportwetten durch private Veranstalter ordnungsrechtlich nicht zulässig, da Konzessionen nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag bislang in keinem einzigen Fall erteilt worden seien. Damit kollidiere eine landesrechtliche Sachregelung, nämlich das Verbot der Veranstaltung von Sportwetten vorbehaltlich bisher nicht erteilter Erlaubnisse, mit einer landesrechtlichen Steuererhebung auf diese Sportwetten auf Grundlage des KAG. Dies sei mit dem Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nicht vereinbar. Hieran ändere sich durch § 40 AO, wonach Einkünfte aus illegalen Tätigkeiten nicht besser gestellt werden dürften als legal erwirtschaftete Einkünfte, nichts. Denn die Beklagte führe erstmals eine neue Steuerart ein, deren gesamter Anwendungsbereich eine derzeit unerlaubte Tätigkeit erfasse. Damit stelle sie einen Bereich steuerbar, den es aus Sicht des Gesetzgebers überhaupt nicht geben dürfe.
12 Die Klägerin beantragt,
13 den Bescheid der Beklagten vom 05.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2013 aufzuheben,
14 hilfsweise, die Revision zuzulassen sowie
15 die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
16 Die Beklagte beantragt,
17 die Klage abzuweisen.
18 Sie trägt vor, eine Gleichartigkeit der von ihr erhobenen Vergnügungssteuer mit der Rennwett- und Lotteriesteuer sei nicht erkennbar. Diese knüpfe ausschließlich an die getätigten Umsätze und damit die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an, während die kommunale Besteuerung ihren Anknüpfungspunkt in dem Aufwand habe, der betrieben werde, um sich an einem bestimmten Ort in einem bestimmten Rahmen zu vergnügen. Wenn dieses Wesensmerkmal in Einzelfällen auch von der Rennwett- und Lotteriesteuer tangiert werde, knüpfe hieran jedenfalls keine Leistungspflicht an. Für die Rennwett- und Lotteriesteuer sei es unerheblich, unter welchen Voraussetzungen gewettet werde. Es unterliege vielmehr jede Form des Wettgeschäfts, ob über ein Onlineportal, einen Automatenschalter, eine Wettannahmestelle ohne Aufenthaltsmöglichkeit oder eine Wettannahmestelle mit Aufenthaltsmöglichkeit, der Besteuerung. Für die Vergnügungssteuerpflicht komme es hingegen darauf an, dass in den Wettbüros nicht nur Wetten getätigt würden, sondern daneben das Mitverfolgen der Wettereignisse möglich sei, womit nicht das Wettgeschäft im herkömmlichen Sinne der Besteuerung unterliege.
19 Inwieweit in den Wettbüros Wetten getätigt würden, ohne die zur Verfügung stehenden Aufenthaltsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, lasse sich nicht wirklichkeitsgetreu abbilden. Hierüber stünden weder verlässliche Aufzeichnungen noch manipulationssichere Datenauswertungen zur Verfügung. Da jedoch von allen Wettanbietern in Rastatt solche Aufenthaltsmöglichkeiten für die Wetter vorgehalten würden, könne davon ausgegangen werden, dass das Angebot von den Wettern angenommen werde und sich rentiere. Unter diesen Voraussetzungen auf die zur Verfügung gestellte Fläche als Steuermaßstab abzuheben, sei ein wirklichkeitsnaher Maßstab.
20 Bei der Vergnügungssteuer handle es sich um eine Aufwandsteuer, die dem Charakter nach angesichts der Anknüpfung an die Leistungsfähigkeit des Wettkunden auf diesen abwälzbar sei. Hierbei genüge die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung. Die rechtliche Gewähr, dass er den von ihm entrichteten Betrag immer von demjenigen erhalte, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen solle, müsse dem Steuerschuldner nicht geboten werden. Es genüge, wenn die Möglichkeit einer Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger in der Besteuerung angelegt sei. Auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelinge, sei Träger der Steuerlast hier tatsächlich der Wettkunde.
21 Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
22 1. Die Klage ist nach ordnungsgemäß durchgeführtem Vorverfahren, in dem die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zutreffend als gegen den Bescheid vom 05.02.2013 ausgelegt hat, zulässig und begründet.
23 Der angefochtene Vergnügungssteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24 Das von der Klägerin betriebene Wettbüro unterliegt zwar nach §§ 1, 2 Abs. 2 der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten der Vergnügungssteuer. Nach §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 6 der Vergnügungssteuersatzung war die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum deswegen steuerpflichtig. Auch die Höhe der Vergnügungssteuer wurde nach dem Maßstab der §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 2 der Vergnügungssteuersatzung korrekt ermittelt.
25 Die Vergnügungssteuersatzung der Beklagten stellt jedoch keine taugliche Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf die Vermittlung oder Veranstaltung von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros (sog. Wettbürosteuer) dar, auch wenn dort neben der Wettscheinannahme das Mitverfolgen der Wettereignisse möglich ist. Denn der Beklagten fehlt es bereits an der Kompetenz zur Erhebung einer solchen Steuer. Nach § 9 Abs. 4 KAG können die Gemeinden zwar örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben, soweit Steuergesetze nicht bestehen, solange diese bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig sind und sofern die Steuern nicht vom Land erhoben werden oder den Stadt- und Landkreisen vorbehalten sind. Die Vergnügungssteuersatzung der Beklagten hält sich jedoch nicht im Rahmen dieser Ermächtigung. Denn bei der danach erhobenen Wettbürosteuer handelt es sich nicht um eine örtliche Aufwandsteuer.
26 Ob eine als Vergnügungssteuer erhobene Abgabe tatsächlich eine örtliche Aufwandsteuer darstellt, bestimmt sich nicht nach ihrer Bezeichnung, sondern nach ihrem Steuertatbestand, ihrem Steuermaßstab und ihren wirtschaftlichen Auswirkungen. Herkömmliche Vergnügungssteuertatbestände sind als örtliche Aufwandsteuern zu qualifizieren, weil sie die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf im örtlichen Bereich des Steuerpflichtigen zum Ausdruck kommende erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des sich Vergnügenden besteuern. Sie sollen regelmäßig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfassen, die sich in der Teilnahme an entgeltlichen Vergnügungsveranstaltungen äußert. Damit beruhen sie auf dem allgemeinen Gedanken, dass demjenigen, der sich ein Vergnügen leistet, auch eine zusätzliche Abgabe für die Allgemeinheit zugemutet werden kann. Hieraus ergibt sich aber im Umkehrschluss, dass Veranstaltungen, die für den Teilnehmenden unentgeltlich sind, von vornherein als vergnügungssteuerpflichtig ausscheiden müssen. Denn dort, wo für ein Vergnügen kein finanzieller Aufwand entsteht, kann ein solcher schlechterdings auch nicht Grundlage für eine Besteuerung sein (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04.02.2009 – 1 BvL 8/05, Rdnrn. 44 ff.; Beschluss vom 10.08.1989 – 2 BvR 1532/88, Rdnrn. 3 f.; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.06.2012 – 9 C 2.12, Rdnrn. 9 ff.; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 03.07.2014 – 2 S 3/14, Rdnr. 24; Urteil vom 23.02.2011 – 2 S 196/10, Rdnr. 51; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 22.09.2008 – 3 KO 274/04, Rdnr. 73; Beschluss vom 22.05.2004 – 4 ZKO 890/00, Rdnr. 7
27 Nach diesen Grundsätzen kann die von der Beklagten erhobene Wettbürosteuer nicht als örtliche Aufwandsteuer angesehen werden. Denn das Verfolgen von Wettereignissen auf den von der Klägerin aufgestellten Bildschirmen ist für die Kunden des Wettbüros kostenfrei. Es handelt sich – wie selbst die Einlassung der Beklagten, man gehe davon aus, dass sich diese Maßnahme lohne und hierdurch höhere Umsätze und Gewinne erzielt werden könnten, zeigt – im Kern um eine Werbemaßnahme. Für die Kammer ist es nachvollziehbar, dass der Einsatz von Bildübertragungen geeignet ist, Wettkunden zu einem längeren Verweilen im Wettbüro und dadurch mitunter auch zu weiteren Wetteinsätzen zu animieren. Indem die Beklagte dies steuerbar stellt, auch um damit – wie sich aus der Satzungsbegründung ergibt – lenkungspolitische Ziele zu verfolgen, erfasst sie jedoch ersichtlich keinen Vergnügungsaufwand, sondern besteuert ein unternehmerisches Konzept und hierdurch allein die Gewinnchancen des Betreibers. Damit handelt es sich aber nicht um eine Aufwandsteuer, sondern letztlich um eine besondere Unternehmensbesteuerung. Für deren Regelung fehlt der Beklagten die Kompetenz (vgl. insoweit auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.07.2012 – 9 CN 1.11, Rdnr. 14; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 08.12.2014 – 5 C 2008/13.N, Rdnr. 81
28 Da die Erhebung der Wettbürosteuer durch die Beklagte schon deswegen unzulässig ist, kommt es auf die Klärung der übrigen Einwendungen der Klägerin gegen ihre Rechtmäßigkeit, insbesondere auch die Frage eines Verstoßes gegen das in Art. 105 Abs. 2a GG verfassungsrechtlich verankerten Gleichartigkeitsverbot (vgl. hierzu verneinend Verwaltungsgericht Freiburg, Beschlüsse vom 26.03.2014 – 2 K 2389/12, 2 K 805/13 und 2 K 806/13; Meier/Wolffsohn, KStZ 2007, S. 65, 69 f.; a.A. Birk, ZfWG 2015, S. 2, 4 ff.), nicht mehr entscheidungserheblich an.
29 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
30 3. Die Berufung war zuzulassen, da der Sache kommt mit Blick auf die beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg anhängigen Normenkontroll- und Berufungsverfahren (Az. 2 S 1025/14, 2 S 1026/14, 2 S 1027/14 und 2 S 2067/14) grundlegende Bedeutung zukommt.
31 4. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war im Sinne von § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO zu bejahen, da es der Klägerin in Anbetracht ihrer persönlichen Kenntnisse und Erfahrungen und im Hinblick auf die rechtlichen und tatsächlichen Probleme des Falls nicht zuzumuten war, ihre Rechte gegenüber der Beklagten ohne einen Bevollmächtigten wahrzunehmen.
32 B E S C H L U S S
33 Der Streitwert wird unter Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 24.06.2013 gemäß § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 590,00 Euro festgesetzt.
34 Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.
Quellen:
Landesrecht BW (pdf-download) Rechtslupe
s.a:
Vergnügungssteuer für Wettbüros war rechtswidrig
BVerwG 9 B 50.12 – Beschluss 13. Juni 2013
Die Richter sprachen im Prozess von der Einführung einer neuen Steuer, die ohne Genehmigung des Innen- und des Finanzministerium nicht erhoben werden durfte.
weiterlesen
BVerwG 9 CN 1.11
Rn 14 Davon zu unterscheiden ist ein Aufwand, der nicht der persönlichen Lebensführung in dem oben genannten Sinne, sondern der Einkommenserzielung dient. Eine Aufwandsteuer ist deshalb von einer Einkommensentstehungssteuer wie etwa der Einkommensteuer zu unterscheiden (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 a.a.O. S. 347, mit Bezug auf Schmölders, Handbuch der Finanzwissenschaft, 2. Band, 2. Aufl. 1956, S. 635 <648>; vgl. auch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 8 Rn. 29). Aufwandsteuern sollen die als mehr oder weniger aufwändig angesehene Einkommensverwendung erfassen (zum Begriff Schmölders a.a.O.). In dieser Absicht des Gesetzgebers liegt das wesentliche Merkmal des Begriffs der Aufwandsteuer. Eine Aufwandsteuer kann nicht für Gegenstände oder Dienstleistungen erhoben werden, die nicht der Einkommensverwendung (privatem Aufwand), sondern allein der Einkommenserzielung dienen (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 a.a.O. S. 347; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 1979 - BVerwG 7 C 53.77 - BVerwGE 58, 230 <234 f.="">, vom 27. September 2000 - BVerwG 11 C 4.00 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 18 und vom 19. Dezember 2008 - BVerwG 9 C 16.07 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 26 Rn. 14 f.; Beschluss vom 2. November 2006 - BVerwG 10 B 4.06 - Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 11 Rn. 5). Die im Begriff der Aufwandsteuer angelegte Abgrenzung der Einkommensverwendung zur Einkommenserzielung erfordert von Verfassungs wegen eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalles (Urteil vom 10. Oktober 1995 - BVerwG 8 C 40.93 - BVerwGE 99, 303 <307>). Diesen Anforderungen wird das Normenkontrollgericht nicht in vollem Umfang gerecht.
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