an Buchmacher mit EU-Lizenz
Ein Artikel von Rechtsanwalt Dr. Thomas BartholmesDas Verwaltungsgericht Gera hat mit Urteil vom 16.6.2011 (5 K 1718/10) in einem von der Kanzlei Kuentzle Rechtsanwälte seit nunmehr zwölf Jahren betreuten Rechtsstreit das Thüringer Landesverwaltungsamt verpflichtet, einem deutschen Buchmacherunternehmen, das nicht über eine Erlaubnis aus DDR-Zeiten verfügt, eine Erlaubnis für den Betrieb eines Büros in Jena zur Annahme und Vermittlung von Sportwetten (keine Pferdewetten) mit fester Gewinnquote an ein innerhalb der Europäischen Union staatlich konzessioniertes Buchmacherunternehmen unter den Genehmigungsvoraussetzungen des GlüStV zu gestatten.
Das Urteil ist in dreierlei Hinsicht bemerkenswert:
1. Die Sportwetten dürfen an Buchmacherunternehmen vermittelt werden, die (lediglich) innerhalb der Europäischen Union, dagegen nicht notwendigerweise in Thüringen, staatlich konzessioniert sind.
2. Die Annahme von Sportwetten darf auch über das Internet erfolgen.
3. Die gerichtliche Durchsetzung von Erlaubnisansprüchen ist nicht davon abhängig, dass zuvor sonstige Erlaubnisvoraussetzungen z.B. in Vertriebs-, Werbe-, Sozial-, Fach- oder Sicherheitskonzepten nachgewiesen worden sind.
Bislang hatte das Verwaltungsgericht Gera die beiden erstgenannten Rechte lediglich der Sportwetten GmbH Gera zugebilligt und damit deren bereits aus der Erlaubnis des Magistrats der Stadt Gera vom 14.9.1990 folgenden Rechte bestätigt (um derentwillen der BGH eine Entscheidung über die Wettbewerbswidrigkeit des Internetwettangebotes der Sportwetten GmbH Gera zurückgestellt hat). Das VG Gera hat nunmehr entschieden, dass auch neue Erlaubnisse zur Internetvermittlung an Buchmacher mit EU-Lizenz erteilt werden müssen.
Das VG Gera widerspricht zunächst dem ergebnisorientierten Urteil des BVerwG in dessen Annahme, Pferdebuchmacher wie die Klägerin dürften keine Pferdewetten im Internet annehmen. Entscheidend ist, dass der Buchmacher, der über das Internet oder Fax Wetten entgegennimmt oder vermittelt, dabei nicht sein Geschäftslokal verlässt, für das die Erlaubnis gilt. Die gegenteilige Auffassung verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Seit 1922 hatten sämtliche Kommentatoren zum RWLG, und mit ihnen die Vollzugspraxis, einhellig die Auffassung vertreten, dass es nicht auf den Aufenthaltsort des Wettkunden ankommt und somit in der genehmigten Örtlichkeit auch die Entgegennahme von brieflich, telefonisch oder telegrafisch übermittelten Wettaufträgen zulässig ist (so z.B. die Kommentierung von Hellwig [1922], § 7 Anm. 4). Erstmals wurde dieser Standpunkt vor einigen Monaten von einigen Glücksspielaufsichten (nicht dagegen von den Buchmacher-Erlaubnisbehörden) in Frage gestellt, um auf diesem Wege eine kohärente Regulierung der Internet-Wetten konstruieren zu können. Das BVerwG hatte sich dem mit der These angeschlossen, dem Gesetzgeber habe als typusprägende Vorstellung der Wettabschluss unter Anwesenden vor Augen gestanden, und hat dazu kurzerhand das "Aufkommen von Telegramm und Telefon" in die Zeit nach 1922 verlegt. Immerhin mochte das BVerwG zumindest das Aufkommen des Briefverkehrs nicht auch noch in die Zeit nach 1922 verlegen, so dass dieser früher gängige Vertriebsweg für Wetten im Urteil vom 1.6.2011 (8 C 5.10) unerwähnt bleibt.
Das VG Gera lehnt es ab, die Kohärenz des Internet-Verbots für sonstige Sportwetten -mit der marginalen Bedeutung der Pferdesportwetten innerhalb des gesamten Glücksspielmarktes begründet werden, da die Umsätze bei Pferdesportwetten gegenwärtig etwa genauso hoch sind wie der - deutlich rückläufige - Gesamtumsatz des staatlichen Sportwettenmonopols. Damit widerspricht das VG Gera der Meinung des BVerwG, das es nicht für nötig erachtet hatte, auch die intrasektorale Kohärenz des Internetverbots innerhalb des Sportwettbereichs zu prüfen, sondern ausschließlich auf den gesamten Glücksspielmarkt abgestellt hat, innerhalb dessen die von deutschen Behörden zugelassenen Sportwettangebote sowohl innerhalb als auch außerhalb des Pferdesportbereichs nur geringe Bedeutung haben. Implizit widerspricht es damit auch der am selben Tag vom VG Düsseldorf (27 K 947/09) erstmals aufgestellten These, wonach bei der Prüfung der Marktbedeutung der Pferdesportwetten im Verhältnis zu sonstigen Sportwetten auch illegale Wettangebote zu berücksichtigen seien (was zur absurden Konsequenz führen würde, dass eine konsequente Durchsetzung des Internetverbots in § 4 Abs. 4 GlüStV z.B. mit Netzsperren zur Inkohärenz des Verbots führen könnte, weil dadurch die relative Marktbedeutung der Pferdewetten zunähme). Richtigerweise stellt es bei der Kohärenzprüfung lediglich auf die von deutschen Behörden zugelassenen Glücksspiele ab, insoweit konform mit dem BVerwG.
Das Urteil lässt Hoffnung aufkeimen, dass trotz der höchstrichterlichen Billigung des Internet-Verbots, freilich basierend auf historisch unhaltbaren Prämissen und ohne die nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nötige Vorabentscheidung des EuGH, noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Es sollte auch andere Gerichte ermutigen, das Internet-Verbot zu hinterfragen und endlich dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob angesichts der Zulässigkeit von Internet-Pferdesportwetten das Internetverbot im Bereich der sonstigen Sportwetten noch in kohärenter Weise zur Erreichung seiner Ziele beitragen kann.
Richtungweisend ist das Urteil aber auch insoweit, als hiernach die Behörden Erlaubnisse zur Vermittlung von Sportwetten - insoweit analog den Verhältnissen im Pferdesportbereich - nicht davon abhängig machen dürfen, dass zuvor die Buchmacherunternehmen, deren Wetten vermittelt werden sollen, selbst eine Veranstaltungserlaubnis des betreffenden Bundeslandes haben. Praktisch ist dies derzeit das Haupthindernis für die Erteilung der bereits vielfach beantragten Erlaubnisse zur Vermittlung von Sportwetten. Die Möglichkeit, isoliert die Vermittlung von Sportwetten an EU-Buchmacher zu erlauben, wurde zuvor bereits vom BVerwG im Urteil vom 1.6.2011 (8 C 4.10, Rn. 55) angedeutet, das vom Erlass von "Nebenbestimmungen" gegenüber Wettvermittlern spricht.
Zudem geht aus dem Urteil hervor, dass jedenfalls solange, wie die Behörden sich monopolbedingt generell weigern, die begehrte Erlaubnisart zu erteilen, Betroffene keine Obliegenheit trifft, über das Sozialkonzept (§ 6 GlüStV) hinausgehend der Erlaubnisbehörde vorsorglich noch weitere, gesetzlich nicht geregelte Konzepte und Erlaubnisunterlagen zu übersenden, oder auch das beabsichtigte Wettangebot nach Art und Umfang näher zu spezifizieren. Nicht einmal die Nennung eines konkreten Standortes oder eines konkreten Wettveranstalters, an den vermittelt werden soll, ist notwendig.
Zwischen der Erlaubnisantragstellung, die noch auf das Gewerbegesetz der DDR gestützt war, und dem Urteil liegt ein Zeitraum von nicht weniger als zwölf Jahren. Dem nunmehr entschiedenen Hauptsacheverfahren war im Jahre 1999 ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren voraufgegangen, in dem das VG Gera in der bundesweit ersten Gerichtsentscheidung zugunsten eines privaten Wettveranstalters ohne DDR-Erlaubnis am 5.11.1999 bereits die Erlaubnisfreiheit des Veranstaltens und Vermittelns von Sportwetten festgestellt hatte (1 E 1060/99 GE). Die Klägerin wurde bereits damals von der Kanzlei Kuentzle Rechtsanwälte vertreten. Im Hauptsacheverfahren wurde sie seit 2008 zusätzlich noch von der Kanzlei Redeker Sellner & Dahs vertreten.
Das Urteil steht zum Download bereit unter www.vewu.com/downloads/Urteile/VG_Gera16062011.pdf
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