Dienstag, 25. Oktober 2011

Experten sehen neuen Entwurf für Glücksspielstaatsvertrag vor dem Scheitern

Der Heidelberger Staatsrechtler Bernd Grzeszick hält auch den überarbeiten Entwurf der Länder zum Glücksspielstaatsvertrag nicht für vereinbar mit dem EU-Recht. Zudem sei er verfassungsrechtlich problematisch. Vieles spreche dafür, dass der Entwurf, mit dem der Markt für Online-Sportwetten teilweise liberalisiert werden soll, nicht vereinbar mit der Berufsfreiheit privater Anbieter sei. Dies geht aus einem neuen Gutachten (PDF-Datei) hervor, das der Jurist wieder für.....

Durch die von Schleswig-Holstein mit seinem eigenen Glücksspielgesetz verfolgte Linie, die privaten Veranstaltern mehr Freiraum gebe, werde zudem in Frage gestellt, ob die geplanten Regeln schlüssig sind. Insgesamt ändere der aktuelle Entwurf an den Kernkritikpunkten Brüssels nichts und sei so "zum Scheitern verurteilt".

Die Novellierung ist vor allem aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nötig. weiterlesen

Neuer Glücksspielstaatsvertrag muss rechtssicher und praxistauglich sein - Initiative Profisport macht sich für schleswig-holsteinisches Modell stark
von Ansgar Lange

Berlin/München, Oktober 2011 - Die Initiative Profisport (IPD) (http://www.profisport-deutschland.de) erhöht den Druck auf die Politik. Kurz vor Beginn der Ministerpräsidentenkonferenz (26. bis 28. Oktober 2011 in Lübeck) hat sich der Zusammenschluss der professionellen Sportveranstalter in Deutschland erneut für eine kontrollierte Öffnung des Marktes für Sportwetten ausgesprochen. Dieses Statement hat Gewicht, schließlich sind die vier größten deutschen Profi-Ligen (Basketball Bundesliga GmbH, Deutsche Eishockey Liga Betriebsgesellschaft, Deutsche Fußball Liga, Toyota Handball-Bundesliga GmbH) die Gründungsmitglieder der Initiative.

"Wir begrüßen sehr, dass sich die Ministerpräsidenten auf eine kontrollierte bundesweite Öffnung des Marktes für Sportwettanbieter verständigen wollen", so die IPD in einer Pressemitteilung. "Ob Millionen von Sportfans zukünftig bei staatlich lizenzierten Anbietern wetten, hängt allerdings wesentlich davon ab, wie deren Angebote aussehen werden. Deshalb muss eine Öffnung auch praxistauglich ausgestaltet sein, wenn sie eine wirksame Kanalisierung des vorhandenen Wettinteresses hin zu legalen und kontrollierten Angeboten sicherstellen soll. Dazu gehören eine ausreichende Anzahl von Lizenzen ebenso wie ein marktgerechter Abgabensatz und ein Gestaltungsspielraum des Angebotes, das sich am realen Interesse von Sportfans orientiert", sagt IPD-Sprecher Christian Seifert.

In diesem Zusammenhang verweist die IPD noch einmal auf das Modell aus Schleswig-Holstein, das allen Markteilnehmern gerecht würde und eine wettbewerbsfähige Abgabe für Wettanbieter vorsieht. Bei der von den anderen 15 Bundesländern bisher vorgesehene Abgabe von 16,66 Prozent und strikten Begrenzung der Lizenzen sei zu befürchten, dass Wettanbieter weiterhin ihre Wetten aus dem Ausland auf dem deutschen Markt anbieten. Zudem habe die Europäische Kommission diesen Entwurf als europarechtswidrig bewertet. "Es ist daher an der Zeit, dass die Länder einen vernünftigen, rechtssicheren und markttauglichen Ansatz verfolgen. Dazu gehört auch, dass die Inhaber einer Lizenz ihre Angebote angemessen bewerben dürfen", betont Gernot Tripcke, stellvertretender Sprecher der IPD.

"Es ist vielleicht ein gutes Zeichen, dass sich die Ministerpräsidenten Ende Oktober in Schleswig-Holstein treffen werden. Der Hinweis der IPD, ein neuer Glücksspielstaatsvertrag müsse praxistauglich, rechtssicher und markttauglich sein, trifft den Nagel auf den Kopf. Denn bisher befinden sich leider noch die meisten Bundesländer auf dem Holzweg und ignorieren das tatsächliche Spielverhalten der Nutzer. Diese fragen momentan vor allem Online-Poker und Online-Live-Wetten nach. Eine Kanalisierung des Spieltriebs ist also insbesondere in diesem Bereich - immerhin vier Millionen Spieler - durch Legalisierung und Regulierung geboten", sagt Dr. Wulf Hambach, Gründer und Managing Partner der Münchener Kanzlei Hambach & Hambach (http://www.timelaw.de).

Dass sich die IPD jetzt uneingeschränkt für das Kieler Modell zur Reform des Glücksspielstaatsvertrages ausgesprochen habe, könne von der Politik nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Schließlich steht die IPD nach eigenen Angaben für 42.000 Arbeitsplätze, macht einen Gesamtumsatz von über 2,2 Milliarden Euro pro Jahr, zahlt über 700 Millionen Euro an Steuern und Abgaben in Deutschland, investiert rund 100 Millionen Euro in Jugend- und Nachwuchsarbeit und vertritt rund 50 Millionen Fans.
Quelle: Andreas Schultheis || Text & Redaktion


Showdown in Lübeck: Ministerpräsidentenkonferenz berät zum Glücksspielrecht
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Die in den nächsten Tagen, vom 26. bis 28. Oktober 2012, auf Einladung von Schleswig-Holstein in Lübeck tagende Jahreskonferenz der Regierungschefs der Länder, die Konferenz der Ministerpräsidenten (MPK), darf sich erneut mit dem Glücksspielrecht beschäftigen. Nachdem der erste Entwurf einer Neuregelung des Glücksspielrechts unter der sperrigen Bezeichnung "Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag" als unter mehreren Gesichtspunkten europarechtswidrig durchgefallen ist, soll nur erheblich verzögert mit einer überarbeiteten Fassung Einvernehmen erreicht werden. Das Vorsitzland Schleswig-Holstein, dessen Parlament kürzlich ein eigenes, deutlich liberaleres Glücksspielgesetz verabschiedet hatte (mit einem wettbewerbsfähigen Konzessionssystem für Sportwetten), will bislang allerdings nicht einlenken. Auch zwischen denen anderen Ländern gibt es erhebliche Meinungsunterschiede und zwar nicht nur zwischen den sog. A- und B-Ländern (d.h. den SPD- bzw. CDU/CSU-geführten Bundesländern). Es bleibt daher abzuwarten, ob sich nicht wenigstens ein Formelkompromiss finden lässt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hatte im Herbst 2010 die Regelungen des deutschen Glücksspielrechts in mehreren Urteilen zu Vorlageverfahren aus Deutschland als nicht kohärent und damit europarechtlich nicht haltbar beurteilt (Urteile vom 8. September 2010 in den Rechtssachen Markus Stoß, Carmen Media und Winner Wetten). Nach den Feststellungen des EuGH ist das von den deutschen Ländern beanspruchte Monopol für Glücksspiele und Sportwetten in der derzeitigen Ausgestaltung rechtlich nicht haltbar. Insoweit bestand - unabhängig von dem zum Jahresende 2011 auslaufenden Glücksspielstaatvertrag - erheblicher Handlungsbedarf für eine umgehende Neuregelung, da die europarechtswidrigen nationalen Regelungen nicht angewandt werden dürfen.

Die nach den EuGH-Urteilen vor allem intern geführte Diskussion beschränkte sich jedoch unter der Vorgabe "Zukunftsperspektiven des Lotteriemonopols" und unter fiskalischen Gesichtspunkten (Lotto-Milliardeneinnahmen für die Länder) auf einer möglichst weitgehenden Beibehaltung des Status quo. So sprachen sich die Ministerpräsidenten im Frühjahr 2011 für eine Liberalisierung des Sportwettenmarktes im Rahmen eines sog. "Experimentierklausel" aus, während ansonsten das staatliche Monopol, insbesondere für die Lotterieprodukte, beibehalten werden sollte. Mit dem als "Experiment" vorgesehenen Konzessionssystem für Wettanbieter sollte eine Marktöffnung in der Praxis möglichst verhindert werden. So waren eine Beschränkung der Anzahl der Lizenzen auf sieben und ein im internationalen Maßstab nicht wettbewerbsfähiger Steuersatz ("Konzessionsabgabe") von 16,66% vorgesehen.

Der von den "Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien" (kurz: CdS) bei seiner vorbereitenden Konferenz am 22. und 23. September 2011 abgesegnete neue Entwurf (bei Enthaltung von Schleswig-Holstein) sieht zu diesen beiden kritischen Punkten ein sehr pragmatische Lösung vor: Sowohl bei der Anzahl der Lizenzen wie auch bei der Konzessionsabgabe steht einfach ein "X". Bei der Anzahl der Lizenzen wurden im Vorfeld Zahlen zwischen sieben und 25 kolportiert (wobei problematisch bleibt, wie eine derartige Begrenzung sachlich zu begründen ist). Bei der Konzessionsabgabe wurde gerüchteweise ein Satz von 5% bis 10% auf den Umsatz (Spieleinsatz) genannt.

Die CdS hatten bereits früher empfohlen, auf die von der Europäischen Kommission kritisierten Websperren zu verzichten. Ansonsten geht der nunmehr vorliegende Entwurf eines "Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland" (Erster GlüÄndStV) auf die schwerwiegenden Bedenken der Europäischen Kommission erstaunlicherweise nicht näher ein. Der im April 2011 der Kommission notifizierte erste Entwurf war glatt durchgefallen. Als eine Art "Pflichtenheft" hatte die Kommission in ihrer Stellungnahme insbesondere Verstöße gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit kritisiert und eine ganze Reihe kritischer Punkte aufgeführt. Beanstandet worden waren u. a. das vorgesehene Genehmigungsverfahren, Übergangsfristen zugunsten der Landeslotteriegesellschaften und die weiterhin fehlende Kohärenz und Systematik.

In seinem Gutachten vom 24. Oktober 2012 beurteilt Prof. Dr. Bernd Grzeszick daher auch den aktuellen Entwurf als europarechtswidrig. Es hält in seiner in Auftrag der Wettbörse Betfair erstellten Stellungnahme fest, dass sich "an den Kernkritikpunkten der Kommission nichts ändert". Insbesondere sei eine feste Begrenzung der Zahl der Anbieter nicht gerechtfertigt. Gleiches gelte für das Konzept einer festen Obergrenze der monatlichen Einsätze der Spielteilnehmer. Durch das europarechtskonforme Glücksspielgesetz Schleswig-Holstein seien im Übrigen die Kohärenzanforderungen gestiegen. So sei auch der neue Entwurf "zum Scheitern verurteilt".

Lediglich hinsichtlich Spielautomaten und Pferdewetten ist teilweise eine Angleichung vorgesehen. So soll das Internetverbot zukünftig auch für Pferdewetten gelten (mit der Feststellung "§ 4 Abs. 4 ist anwendbar." in § 27 Abs. 2 des Entwurfs, allerdings mit einer Erlaubnismöglichkeit). Pferdewetten dürfen nur noch dann vermittelt werden, wenn für den Abschluss oder den Betrieb eines Totalisators "im Inland" eine Erlaubnis vorliegt. Auch Spielhallen werden restriktiver geregelt und benötigen nach dem Entwurf eine Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag. Durch das Vorschreiben eines Mindestabstands sollen Mehrfachkonzessionen verboten werden (§ 25 Abs. 1).

Zeitlich ist die geplante Änderung der Glücksspielstaatsvertrags erheblich in Rückstand geraten. Bis zum Jahresende wird eine Änderung nicht mehr von den Länderparlamenten verabschiedet werden können. Auch dürfte wohl eine erneute Notifizierung der nunmehr geplanten Änderungen bei der Europäischen Kommission erforderlich sein. Daher dürfte der derzeitige Glücksspielstaatvertrag entsprechend § 28 Abs. 1 Satz 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2011 außer Kraft treten. Bis zu einer Neuregelungen gelten die Vorschriften jedoch entsprechend den jeweiligen Zustimmungsgesetzen als Landesrecht fort (wobei derzeit höchst strittig ist, welchen Regelungen angesichts des Vorrangs des Europarechts überhaupt noch anwendbar sind). Als Übergangslösung soll die Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Länder bei der Glücksspielaufsicht und die Einrichtung eines Fachbeirats bis zum 31. Dezember 2012 fortgelten.
Kontakt:
Arendts Rechtsanwälte
Rechtsanwaltskanzlei
Rechtsanwalt Martin Arendts
Perlacher Str. 68
D - 82031 Grünwald (bei München)


Neue Runde, neues Glück? Die Ministerpräsidenten beraten wieder zum Glücksspiel-Staatsvertrag
Sportwettenanbieter digibet plädiert für marktgerechte Regulierung
Berlin, 25. Oktober 2011. Am Mittwoch gehen die Beratungen der Ministerpräsidenten zur Änderung des Glücksspiel-Staatsvertrages in eine neue Runde. Das Ergebnis soll eine Einigung bei der gesetzlichen Regulierung des deutschen Glücksspielmarktes bringen. Doch worauf läuft es hinaus?

Laut letztem Stand der Debatte gehen die Pläne an den Marktbedingungen immer noch vorbei: Die angedachten überhöhten Steuersätze würden Anbieter zwingen, nur geringe Gewinne auszuschütten, um finanziell rentabel zu bleiben. Leidtragende sind somit vor allem die Spieler, die in Deutschland nur einen vergleichsweise kleinen Gewinn ausgezahlt bekommen werden. Für die Wettanbieter bedeutet der Steuersatz indes, dass sie für ihre Ehrlichkeit bestraft werden. Im Vergleich mit der Online-Konkurrenz aus dem Ausland könnten deutsche Wettanbieter auf Dauer nicht mehr mithalten und würden ihre Geschäftsgrundlage zerstören.

Zudem ist nach wie vor eine Limitierung der zugelassenen Anbieter geplant. Auch wenn es dabei nicht mehr nur um sieben Lizenzen geht, wird jede Limitierung willkürlich erscheinen. Die momentan diskutierten Änderungen beinhalten ferner eine Einschränkung des Wettangebotes, welches an den Interessen der Nutzer vorbeigeht.

Sollten die Änderungen in der aktuell geplanten Weise gesetzlich im Glücksspiel-Staatsvertrag verankert werden, würden Wettanbieter weiterhin aus dem Ausland im deutschen Markt tätig sein. So gehen dem Staat neben wertvollen Steuereinnahmen auch Arbeitsplätze verloren.

Einzig Schleswig-Holstein hat sich von diesen Bestimmungen losgelöst und eine marktgerechte Regulierung gesetzlich verankert, die ab März 2012 in Kraft tritt. Die Anzahl der Lizenzen wurde hier nicht willkürlich gesetzt und die geplanten Abgaben sind wettbewerbsfähig gestaltet.

"Wir sind gespannt auf das Ergebnis der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz", so Günter Boyks, Direktor der digibet UK Ltd. "Schleswig-Holstein hat sehr gut vorgelegt und es ist für uns als Wettanbieter wünschenswert, dass sich die anderen 15 Länder daran orientieren. Wir brauchen die richtigen Rahmenbedingungen, um in Deutschland aktiv werden zu können, wettbewerbsfähig zu sein und im Endeffekt auch neue Arbeitsplätze zu schaffen."
Quelle: markengold PR GmbH