Mittwoch, 30. September 2015
A: Konzessionsvergabe ist unionsrechtswidrig
Im Namen der Republik: Die Konzessionsvergabe ist unionsrechtswidrig – Zu BVwG (Österreich) W139 2010500-1/81E
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein/Hamburg
Rechtsstreitigkeiten um die Vergabe oder – in aller Regel – Nichtvergabe von Genehmigungen in einem geschlossenen Genehmigungssystem für Glücksspiele oder Sportwetten beschränken sich nicht auf Deutschland. Während „hier“ im Genehmigungsverfahren für die Veranstaltung von Sportwetten von mehreren Verwaltungsgerichten effektiver Rechtsschutz gewährleistet wird und der VGH Kassel – zu Recht – in mehreren Beschwerdeverfahren „zumindest“ die Schlussanträge des polnischen Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache C-336/14 (Amtsgericht Sonthofen) abwartet, wurde letztes Jahr in Liechtenstein die Genehmigungsvergabe für ein Spielcasino endgültig unsanft richterlich gestoppt (VGH Liechtenstein v. 18.2.2013, EFTA-Gerichtshof v. 29.8.2014 und StGH Liechtenstein v. 16.12.2014). Die italienischen Schwierigkeiten bei der Vergabe bzw. Nichtvergabe von Genehmigungen sind durch die Gambelli-, Placanica- und Costa Cifone-Entscheidungen des EuGH hinlänglich bekannt.
Nun hat der freie Dienstleistungsverkehr eine weitere südliche Nachbarrepublik kalt erwischt. Das österreichische Bundesverwaltungsgericht („BVwG“), gegen dessen Erkenntnisse – bei Zulassung – die Revision zum Verwaltungsgerichtshof möglich ist, hat die Entscheidungen des Finanzministeriums über die Erteilung von Casino-Lizenzen aufgehoben. ISA-Law berichtete. Die Pressemitteilung fasst zusammen, dass wesentliche Details der Bewertungskriterien den Interessenten nicht im Voraus bekannt gegeben wurden. Damit sei das Transparenzgebot verletzt.
Die Kürze der Pressemitteilung wird der hervorragend begründeten Entscheidung nicht ganz gerecht. Die Entscheidung enthält intelligente und tiefschürfende Überlegungen, die sich auch auf das deutsche Konzessionsverfahren erstrecken lassen. Zwar sind die Eil-Entscheidungen zum Konzessionsverfahren aus Wiesbaden, Frankfurt, Kassel und Hamburg wahrlich mit ausreichend Überzeugungskraft, Tiefgang und Seriosität versehen. Weil aufrechten Juristen und den um rechtmäßiges Verwaltungshandeln bemühten Amtswaltern aber stets an zusätzlichen Erkenntnissen gelegen ist, sei vertieft auf die österreichische Entscheidung eingegangen:
Das BVwG rügt primär und sehr ausführlich, dass in den Teilnahmeunterlagen zwar der Inhalt der Kriterien für eine Auswahlentscheidung dargelegt wurde, nicht aber die so genannten „Subkriterien“. Aus den Ausschreibungsunterlagen gehe nicht einmal hervor, dass die Kriterien für eine fachliche Qualifikation später eine weitere Untergliederung in Subkriterien erfahren würden. Hingegen erfordere der Transparenzgrundsatz, dass potentiellen Interessenten „zum Zeitpunkt der Vorbereitung ihrer Angebote alle Kriterien, die vom öffentlichen Auftraggeber bei der Bestimmung des wirtschaftlich günstigen Angebots berücksichtigt werden, und, wenn möglich, deren relative Bedeutung, bekannt“ sind. „Die potentiellen Bieter müssen nämlich in die Lage versetzt werden, bei der Vorbereitung ihrer Angebote vom Bestehen und von der Tragweite dieser Kriterien Kenntnis zu nehmen. (…) Demnach darf ein öffentlicher Auftraggeber keine Gewichtungsregeln oder unter Kriterien für die Zuschlagskriterien anwenden, die er den Bietern nicht vorher zur Kenntnis gebracht hat.“ Diese EuGH-Rechtsprechung zur Vergabe öffentlicher Aufträge sei sinngemäß auf die Genehmigungsvergabe im Bereich des Glücksspiels anzuwenden, auch wenn es nicht auf die wirtschaftlich günstigste Entscheidung ankomme.
Die Sicht des BVwG ist sehr richtig. Im Bereich der Grundfreiheiten gilt sogar ein „strengerer“ Transparenzgrundsatz als im Vergaberecht. Sportwettveranstalter oder Glücksspielanbieter, die eine weitere Genehmigung außerhalb ihres Sitzlandes haben möchten, kommen nicht – wie Dienstleistungserbringer, die um einen öffentlichen Auftrag buhlen – als Bittsteller zu der ausländischen Genehmigungsstelle. Sie kommen als Träger des Rechts auf freien – sprich unbehinderten – Dienstleistungsverkehr. Wettveranstalter oder Casinobetreiber sind in aller Regel verantwortungs- und pflichtbewusst, sie möchten aber – wie jeder andere Gewerbetreibende auch – möglichst wenige staatliche Beschränkungen. Dies ist in einer freiheitlichen Demokratie entsprechend § 1 der Gewerbeordnung („Grundsatz der Gewerbefreiheit“) auch in der deutschen Rechtsordnung das oberste Prinzip. Wett- oder Glücksspielanbieter haben daher durch Artikel 56 AEUV das Recht, grundsätzlich von staatlichen Eingriffen, so auch von einem Genehmigungsvorbehalt und einem Genehmigungsverfahren verschont zu bleiben (vgl. Karpenstein http://www.isa-guide.de/isa-law/articles/87851.html).
Wie in dem österreichischen Fall wurden auch im deutschen Konzessionsverfahren die Auswahlkriterien unter Verletzung des Transparenzgebotes nicht „im Voraus bekannt“ gegeben. Bezogen auf die sog. Mindestanforderungen als Auswahlkriterien wurde diese insoweit fehlende Transparenz durch die Verwaltungsgerichte aus Wiesbaden und Frankfurt schon bestätigt – und sie liegt offen auf der Hand. Die deutsche „Auftragsbekanntmachung“ vom 8.8.2012 selbst verweist darauf, dass die Anforderungen für eine Genehmigung geheim sind und nach Ende der Bewerbungsfrist mit der Pflicht zur Geheimhaltung nur denjenigen zugesandt werden, die aus Sicht der deutschen Stellen die so genannte zweite Stufe erreicht haben. „Im Voraus“ kann jedoch nur bedeuten, vor Ende der Bewerbungsfrist. Und „bekannt“ dürfte das Gegenteil von „geheim“ bedeuten. Das unionsrechtliche Kriterium „im Voraus bekannt“ wurde also anscheinend absichtlich in jeder Hinsicht nicht erfüllt. Auch die Antworten auf Fragen der auf der zweiten Stufe verbliebenen Bewerber wurden streng geheim gehalten und waren nicht einmal für die Sportwettenverbände zugänglich. Aufgrund dieses befremdlichen Vorgehens sind dem Großteil der am Deutschen Sportwettenmarkt interessierten Wettunternehmen bis heute die Voraussetzungen für eine Konzession ebenso unbekannt wie den Glücksspielaufsichtsbehörden und den deutschen Gerichten. Sogar der Europäischen Kommission hatten die deutschen Stellen die Bekanntgabe der Genehmigungsanforderungen konsequent verweigert.
Die Parallelen zu dem österreichischen Fall sind aber noch viel enger. Auch bezüglich der Auswahlkriterien, die bei denjenigen Interessenten zur Anwendung gelangen, die aus Sicht der Genehmigungsstelle alle Mindestanforderungen erfüllt haben sollen (so genannte K-Kriterien) ist nämlich unter den – zutreffenden – unionsrechtlichen Maßstäben des BVwG von einem Transparenzverstoß auszugehen. Wie das BVwG zu Recht erkennt, müssen Bewerber vorweg erkennen können, worauf es dem Genehmigungsgeber ankommt. Dies war bei den deutschen Kriterien K 1 bis K 12 nicht der Fall. Nur bei den Kriterien K 13 bis K 16 ließ sich der Bewertungsmatrix (sog. Anlage 04, „Auswahlverfahren“ bzw. „Auswahlverfahren überarbeitet“) entnehmen, was genau bewertet werden würde bzw. bewertet werden soll. So stand z. B. bei dem Kriterium K 13.1 („II weitgehende Informations-, Einwirkungs- und Kontrollbefugnisse der zuständigen Behörden sicherzustellen – Beschreiben Sie Ihr Angebot/Ihre Vorstellungen hierzu. Berücksichtigen Sie, dass Ergebnisse der Abfragen visualisiert werden und zusätzlich in einem definierten, trennzeichengetrennten Textformat exportierbar sein sollen.“), genau, was eigentlich woran gemessen bewertet wird. Es heißt: „Bewertet wird die Qualität der von Ihnen zu Gunsten der Glücksspielaufsichtsbehörden zu realisierenden online-Webanbindung“. Bei dem Kriterium 13.2 stand, dass „die Qualität der revisionssicheren Protokollierung (vgl. Sicherheitskonzept-Anforderung Si12) im Hinblick auf die Speicherung und den Schutz der protokollierten Daten vor nachträglicher Veränderung“ bewertet werden würde. Zwar ist auch das Bewertungskriterium „Qualität“ denkbar unbestimmt und lässt der Behörde einen inakzeptablen Ermessensspielraum. Immerhin aber hatten die Bewerber bei den Kriterien K 13 – K 16 überhaupt einen Anhaltspunkt, was bei den einzelnen K-Kriterien die Genehmigungsstellen als Maßstab für Ihre Punkte-Vergabe nehmen würden.
Bei den vorherigen Kriterien K 1 bis K 12 indessen wusste niemand, was eigentlich bewertet werden würde. Angaben, ob auch hier die Qualität (wie bei K 13) oder die Darlegung und die Nachweise (wie bei K 14), oder die Ausführlichkeit, Nachvollziehbarkeit, Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit im Vergleich der Antragsteller untereinander (wie bei K 15 und K 16) bewertet werden würde, fanden sich nirgends. Bei den Kriterien K 1 bis K 12 haben die Prüfer auf Seiten des hessischen Ministeriums und seiner Verwaltungshelfer also mit „Subkriterien“ und Maßstäben gearbeitet, die vermutlich erst viel später – wenn überhaupt – entwickelt worden sind und bis heute geheim gehalten werden. Bei genauer Betrachtung ist das deutsche Konzessionsverfahren also weit weniger transparent, als das vom BVwG beendete österreichische Genehmigungsverfahren für Casinos. Als prägnantes Beispiel mag das Auswahlkriterium K 5 („benennen Sie die Attraktivität Ihres Wettangebots im Hinblick auf:“) herhalten. In Ermangelung konkreter Anhaltspunkte, was die Behörde eigentlich bewerten würde, gingen anscheinend viele Bewerber davon aus, dass eine Punktevergabe danach erfolgt, wie attraktiv das dem Antrag zugrunde liegende Wettangebot oder das aktuelle Wettangebot bei objektiver Herangehensweise aus Sicht der Marktteilnehmer ist. Diese Interpretation lag angesichts der Verwendung des Begriffs „Attraktivität“ nahe. Anders allerdings die Bundesländer und das hessische Ministerium des Innern und für Sport. Man stellte nicht auf die Attraktivität des Wettangebotes ab, sondern zog (vermutlich) die Subkriterien in einer freien Analogie heran, die in K 13 bis K 16 benannt worden waren. Bewertet wurde dann überraschend nicht die objektive Attraktivität des Wettangebotes, sondern die Begründung der Darlegung der Attraktivität.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass das deutsche Konzessionsverfahren über die zutreffenden Ausführungen des VG Wiesbaden hinausgehend auch deshalb unionsrechtswidrig ist, weil die „Subkriterien“ – genau genommen die „Bewertungsmaßstäbe“, also worauf es ankommt – für einen Großteil der in dem Formular „Auswahlverfahren“ bzw. „Auswahlverfahren überarbeitet“ benannten Auswahlkriterien nicht im Voraus bekannt gegeben wurden, ja nicht einmal im Voraus festgelegt waren. Der Behörde waren bei der Bewertung der Auswahlkriterien K 1 bis K 12 letztlich keinerlei Grenzen für ihre Punktevergabe gesetzt. Das vermag die überraschende Rangfolge der vorläufigen „ersten 20“ zu erklären, die wohl nicht einmal die Hälfte des aktuellen deutschen Marktes erfasst.
Wie im österreichischen Fall (vgl. BVwG, S. 82 a. Ende) liegt die Vermutung nahe, dass auch die deutschen Stellen bis zuletzt keine exakten Vorstellungen davon hatten, welche Gesichtspunkte sie eigentlich wie und mit welcher Gewichtung bewerten sollten. Die Einzelheiten können insoweit in den zahlreich anhängigen Verfahren durch die Gerichte im Wege der Amtsermittlung noch aufbereitet werden, sollten sich die Rechtsstreitigkeiten um das Konzessionsverfahren noch weiter hinziehen. Zunächst einmal aber müssten die deutschen Stellen überhaupt ihre „Subkriterien“ und Maßstäbe für die Auswahlkriterien K 1 bis K 12 darlegen und insbesondere nachweisen, dass diese auch angewendet wurden.
Das BVwG in Wien betont im Anschluss an seine dezidierten Ausführungen zur fehlenden Transparenz, dass es offensichtlich unionsrechtswidrig ist, wenn erst im Nachhinein – also erst im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung – die Entscheidung der Behörde nachvollziehbar wird (S. 87). Deshalb seien auch die vergaberechtlichen Entscheidungen des EuGH zu dem Themenbereich „Zuschlagskriterien“ anzuwenden. Der EuGH habe entschieden, dass „die Wahrung der Grundsätze der Gleichheit, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz [verlangt], dass die Zuschlagskriterien objektiv sind, was gewährleistet, dass der Vergleich und die Bewertung der Angebote in objektiver Weise erfolgt und somit unter Bedingungen eines wirksamen Wettbewerbs. Das wäre nicht der Fall bei Kriterien, die dem öffentlichen Auftraggeber eine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumten“. Auch mit Blick auf die EuGH-Entscheidung Costa Cifone erfordere das Gebot einer objektiven und transparenten Auswahlentscheidung, dass die maßgeblichen Kriterien im Voraus offengelegt sowie inhaltlich ausreichend konkretisiert werden. Andernfalls könne selbst eine ausführliche Begründung der Entscheidung der Behörde „wohl kaum“ den Anschein einer willkürlichen Vorgehensweise vermeiden. Das BVwG meint dazu, dass von einer ausreichenden Begrenzung der Ermessensausübung der Genehmigungsstelle nicht gesprochen werden könne, wenn neben der inhaltlichen Beschreibung der Anforderungen an ein Kriterium nicht auch entsprechende Bewertungsparameter definiert werden, „welche klar und deutlich zwecks Einschätzung der Erfolgsaussichten erkennen lassen, nach welchen Gesichtspunkten die Bewertung erfolgen wird. Auch diese Bewertungsparameter sind aufgrund der Rechtsprechung des EuGH unter Beachtung des Transparenzgrundsatzes bereits vorweg darzulegen. Nur dann können die Bewerber abschätzen, worauf es dem Konzessionsgeber ankommt und die Auswahlentscheidung kann im Nachhinein auf ihre Nachvollziehbarkeit hin überprüft werden.“ Überträgt man diese auf der EuGH-Rechtsprechung beruhenden Erwägungen auf das deutsche Konzessionsverfahrens wird umso deutlicher, dass der Transparenzgrundsatz schon allein deshalb verletzt wurde, weil die Auswahlkriterien K 1 bis K 12 ohne Bewertungsparameter bekannt gegeben wurden. Die Interessenten konnten weder erkennen, worauf es dem deutschen Konzessionsgeber eigentlich ankommt. Noch konnten die deutschen Genehmigungsstellen die Bewerbungen anhand objektiver Kriterien miteinander vergleichen.
Ergänzend führt das österreichische BVwG bezüglich der dortigen Casino-Konzessionen aus, dass ein Vergleich zwischen mehreren Bewerbern, wie er bei Auswahlprozessen stets erforderlich ist, nicht mit einer vergleichenden Bewertung – wie sie dort erfolgte – gleichgesetzt werden kann. Ein Vergleich von Bewerbern könne auch dergestalt erfolgen, dass jeder Antrag für sich losgelöst anhand objektiver Kriterien beurteilt wird. Soll hingegen eine Bewertung vergleichend zwischen den Bewerbern erfolgen, müsse dies auch vorweg bekannt gegeben werden, um eine transparente Auswahlentscheidung sicher zu stellen. In Österreich jedenfalls sei aus der so genannten Verfahrensunterlage nicht klar hervorgegangen, wonach eigentlich bewertet werden würde. Die Formulierung in der Ausschreibung, wonach der Bewerber, der die bestmögliche Ausübung der Konzession unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen und ordnungspolitischen Zielsetzungen erwarten lasse, eine Genehmigung erhalten solle, sei im Hinblick auf die Transparenz und Nachvollziehbarkeit nicht ausreichend. Die Bezugnahme auf ordnungspolitische Zielsetzungen ändere daran nichts, weil es sich dabei lediglich um „Schlagworte“ handele. Die fehlende Transparenz werde sogar dadurch verschärft, dass die Punktevergabe anhand einer „Erwartungshaltung“ der Genehmigungsstelle erfolge. Wie oben dargelegt, gelten diese Erwägungen auch im deutschen Konzessionsverfahren. Soweit es z.B. im Rahmen der 2012 nach Ablauf der Bewerbungsfrist übersandten Bewertungsmatrix zu dem Kriterium K 1 hieß, „geben Sie ein nachvollziehbares Statement zu Ihrer Unternehmenspolitik im Hinblick auf die Vermeidung von Spielsucht ab und beschreiben Sie Ihr Problembewusstsein im Hinblick auf die Gefahren von Spielsucht im Allgemeinen und die spezifischen Besonderheiten bei Sportwetten“, konnten die Bewerber nur darüber spekulieren, in welche Richtung sie ihr „nachvollziehbares Statement“ ausrichten sollen.
Mit den Erklärungsversuchen der österreichischen Behörden zu deren Erwartungen bezüglich der vorzulegenden Konzepte konfrontiert, verweist das BVwG sodann auf das EuGH-Urteil vom 12.3.2015 in der Rechtssache C-538/13 . Dort ging es um die Frage, ob ein öffentlicher Auftraggeber durch die Vergaberichtlinie versagt ist, eine Bewertung danach vorzunehmen, wie umfassend (im Sinne von ausführlich) ein Bieter belegt habe, dass sein Angebot den Anforderungen in den Ausschreibungsunterlagen entspricht. Der EuGH habe diese Frage bejaht. Daraus sei dann abzuleiten, dass „ein Kriterium insbesondere klar und deutlich erkennen lassen muss, welcher Aspekt bzw. welche Aspekte für den „Auftraggeber“ entscheidend sind (Grad der Übereinstimmung) und sohin konkret einer Bewertung unterzogen werden.“ Die Konkretisierung der Kriterien im Hinblick auf deren Bewertung relevanter Aspekte sei in Österreich nicht ausreichend erfolgt. Nicht zuletzt zeige die Vorgehensweise der Genehmigungsstellen, die Beurteilung der Anträge auf der Grundlage (nicht offengelegter) detaillierter Fragestellungen vorzunehmen, dass die Teilnahmeunterlage hierfür keine ausreichende Grundlage bildet. Die Vielschichtigkeit der Gesichtspunkte, die die Behörde ihrer Auswahlentscheidung zu Grunde gelegt habe, verletze den Transparenzgrundsatz. Aufgrund der im Nachhinein festgelegten Subkriterien erst werde deutlich, dass es der Behörde etwa bei den Konzepten zur Suchtbekämpfung oder Geldwäschebekämpfung einerseits auf deren Effektivität und damit auf deren inhaltliche Qualität ankomme, während etwa das Schulungskonzept für das Personal der Spielbanken nur auf dessen Schlüssigkeit geprüft werde (BVwG, S. 90).
Auch hinsichtlich dieser richterlichen Erwägungen erschließen sich unmittelbar die Parallelen zum deutschen Konzessionsverfahren. Nicht nur haben die österreichischen Behörden ihr Genehmigungsverfahren für Spielbanken anscheinend an das deutsche Konzessionsverfahren für Sportwetten angelehnt und einen Konzeptwettbewerb veranstaltet und dabei übersehen, dass Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs nicht mit der Erwägung legitimiert werden können, die Konzepte würden der Genehmigungsstelle nicht gefallen. Wie das VG Wiesbaden zu Recht moniert, kann dem Transparenzgrundsatz vielmehr nicht genügt sein, wenn die Beurteilung der Anträge zum Teil erst auf der Grundlage (nicht offengelegter) detaillierter Fragestellungen erfolgt. Dies zeigt nämlich, dass die Gesetzeslage und die im Vorweg bekannt gemachten Teilnahmeunterlagen keine ausreichende Grundlage für eine Beurteilung der Anträge und einer Auswahlentscheidung der max. 20 Konzessionsnehmer darstellen.
Diese Vorgehensweise der deutschen Stellen, die Konkretisierung der Genehmigungsvoraussetzungen und Auswahlkriterien erst sukzessive nach Ende der Bewerbungsfrist und zum Großteil erst auf entsprechende Nachfragen der Interessenten vorzunehmen, ist umso befremdlicher, weil der GlüÄndStV in § 4b Abs. 2 S. 2 vorsieht, dass in der „Bekanntmachung“ alle Angaben, Auskünfte, Nachweise und Unterlagen zu bezeichnen sind, die von den Interessenten eingereicht werden müssen, damit die Behörden die Konzessionsvoraussetzungen nach § 4a Abs. 4 GlüÄndStV prüfen und eine Auswahlentscheidung nach § 4a Abs. 5 GlüÄndStV vornehmen können. Der Staatsvertrag selbst geht also davon aus, dass anhand der Angaben, Auskünfte, Nachweise und Unterlagen, die in der Bekanntmachung vom 8.8.2012 verlangt werden, nicht nur die Voraussetzungen für die Zulassung zur zweiten Stufe – wie in der Praxis erfolgt – geprüft werden können, sondern darüber hinaus alle Voraussetzungen für die endgültige Auswahlentscheidung in dem zu erwartenden Fall, dass sich mehr als 20 Interessenten beworben haben. Die Bekanntmachung vom 8.8.2012 widerspricht also nicht nur dem Transparenzgrundsatz, sondern auch dem GlüÄndStV selbst.
Zurück zum österreichischen BVwG: Das BVwG erwähnt „weiters“ Beispiele für nicht nachvollziehbare „Ungleichbehandlungen“ in dem Kriterienkatalog. So sei nicht verständlich, weshalb bei dem Kriterium „Erfahrungen“ jeweils auf den gesamten Konzern abgestellt werde, während bei allfälligen „Rechtsverfahren“, die die Bewertung im Rahmen des Kriteriums „betriebsinterne Aufsicht“ beeinflussen können, auf den konkreten Konzessionsbewerber abgestellt wird. Auch insoweit lassen sich ohne weiteres Parallelen zu dem deutschen Konzessionsverfahren herstellen.
Das BVwG stellt dann abschließend klar, dass es die Bewertung der Bewerbungen anhand der maßgeblichen Verfahrensunterlage nicht nachvollziehen könne, da nicht alle Bedingungen für die Entscheidung im Voraus klar, genau und eindeutig formuliert wurden. Die österreichische Behörde habe hierdurch einen zu weiten Spielraum gehabt. Eine eigenständige Bewertung durch das Gericht auf der Basis der Verfahrensunterlage scheide aber aus. Das Gericht habe nicht die Zuständigkeit, das der Verwaltung eingeräumte Ermessen – sollte es unionsrechtskonform begrenzt sein – selbst auszuüben.
Das österreichische BVwG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen. Die Rechtslage sei insbesondere durch den EuGH geklärt und keine Hinweise anderer Art auf eine grundsätzliche Bedeutung würden nicht vorliegen.
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