Sonntag, 25. Oktober 2015

Konzessionsverfahren europarechtswidrig

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MACIEJ SZPUNAR
vom 22. Oktober 2015

(Auszug und Kommentar)
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Nutzlos und zynisch
Der Generalanwalt SZPUNAR hält deutschens Sportwettenkonzessionsverfahren für europarechtswidrig
Mit seinem Schlussanträgen sprach sich der Generalanwalt gegen den GlüStV 2012 aus und kritisiert deutlich das Lizenzierungsverfahren. Seit dreieinhalb Jahren sei keine Erlaubnis erteilt worden, "diese Praxis macht das ganze Erlaubnisverfahren natürlich nutzlos. (...) Es wäre zynisch, von einem Wirtschaftsteilnehmer zu verlangen, dass er sich einem Verfahren unterzieht, das zum Scheitern verurteilt ist."
Der Glücksspielstaatsvertrag basiere darauf, "dass er nur für staatliche Einrichtungen gilt."
Deshalb kann man von einem Wirtschaftsteilnehmer kaum erwarten, "dass er eine solche Erlaubnis beantragt, wenn das Gesetz daran ausdrücklich hindert."

SCHLUSSANTRÄGE  (vollständig)


Die Europäische Kommission hält deutsche Glücksspielregelungen für europarechtswidrig

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Mündliche Verhandlung vor dem EuGH

EuGH Generalanwalt: Deutsches Sportwettenkonzessionsverfahren europarechtswidrig
DSWV


Durch EuGH Urteil würden wesentliche Teile des Glücksspielstaatsvertrags nicht mehr anwendbar

Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Maciej Szpunar hat heute im Vorlageverfahren Sebat Ince (C-336/14) seine Schlussanträge vorgelegt. Sollten die Luxemburger Richter den Schlussanträgen folgen, dürfte höchstrichterlich besiegelt sein, dass das seit Jahren verzögerte bundesweite Sportwettenkonzessionsverfahren auch gegen Europarecht verstößt.

Hintergrund ist, dass bayerische Behörden eine Vermittlerin von Sportwetten wegen fehlender Erlaubnis strafrechtlich belangen wollten. Das zuständige Amtsgericht in Sonthofen hatte jedoch erhebliche Zweifel, ob der zugrunde liegende Glücksspielstaatsvertrag mit dem Europarecht konform sei und legte dem EuGH mehrere Fragen zur Prüfung vor.

Der EuGH-Generalanwalt erteilt den bayerischen Behörden nun eine deutliche Absage und bestätigt, dass staatliche Stellen nicht gegen Sportwettenvermittler ohne behördliche Genehmigung vorgehen dürfen, wenn zugleich ein auf 20 Anbieter begrenztes Sportwettenkonzessionsverfahren gegen die allgemeinen europarechtlichen Grundsätze, wie das Transparenz- und das Bestimmtheitsgebot, verstößt.

Erst letzte Woche hatte der Verwaltungsgerichtshof Hessen solch einen Verstoß gegen das Transparenzgebot unanfechtbar festgestellt. Damit sind die Bedingungen erfüllt, unter denen der Generalanwalt das Verfahren für europarechtswidrig erachtet.

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs wird gegen Ende des Jahres erwartet. Weit überwiegend folgen die Luxemburger Richter den Anträgen des Generalanwalts.

Im konkreten Fall hieße dies auch, dass wesentliche Teile des Glücksspielstaatsvertrags nicht mehr anwendbar wären. Insbesondere dürften staatliche Stellen nicht mehr das Fehlen einer Erlaubnis zum Anlass nehmen, gegen Glücksspielanbieter vorzugehen.

Mathias Dahms, Präsident des Deutschen Sportwettenverbands (DSWV) kommentiert die Schlussanträge:

“Wir gehen davon aus, dass der EuGH dem Generalanwalt folgt. Damit wäre das Sportwettenkonzessionsverfahren nicht nur verfassungswidrig, sondern auch unionsrechtswidrig. Wir fordern die Ministerpräsidenten auf, einen runden Tisch mit allen Interessengruppen zu bilden und gemeinsam ein faire und rechtskonformes Glücksspielregulierung zu schaffen.“
s.a.:
Sportwettenkonzessionsverfahren am Ende
Hessischer Verwaltungsgerichtshof kippt Konzessionsverfahren

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Glücksspielkollegium verfassungswidrig

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Deutschland droht Vertragsverletzungsverfahren
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Glücksspielrecht seit 1999 rechtswidrig?
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Kommentar:

Die strafrechtlichen Sanktionen
Grundsätzlich sind für das Strafrecht zwar die Mitgliedstaaten zuständig, jedoch setzt das Gemeinschaftsrecht dieser Zuständigkeit Grenzen. So darf das Strafrecht nicht die vom Gemeinschaftsrecht garantierten Grundfreiheiten beeinträchtigen. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bekräftigt, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat. weiterlesen

Bereits mit dem EuGH-Urteil Gambelli wurde höchstrichterlich entschieden, dass die strafrechtliche Verfolgung ausgeschlossen ist, wenn Zulassungen nicht erteilt werden.

Diese wurden bislang nicht erteilt und können nach den Feststellungen des Hess.VGH zur Vergabepraxis, auch nicht mehr erteilt werden.

In den Fällen Stoß, Rn 115, sowie Placanica, Rn 69,  hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat.


Urteil des Gerichtshofes vom 6. November 2003.
Strafverfahren gegen Piergiorgio Gambelli und andere

Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale di Ascoli Piceno - Italien.

Niederlassungsfreiheit - Freier Dienstleistungsverkehr - Sammeln von Sportwetten in einem Mitgliedstaat und Übermittlung über Internet in einen anderen Mitgliedstaat - Strafbewehrtes Verbot - Mitgliedstaatliche Regelung, die bestimmten Einrichtungen das Recht zum Sammeln der Wetten vorbehält.

Europäischer Gerichtshof
Urteil v. 06.11.2003 - Az.: C-243/01:

Leitsatz:

1. Eine nationale Regelung, die - strafbewehrte - Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, via Internet enthält, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Artikeln 43 EG und 49 EG dar, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine Konzession oder Genehmigung erteilt.
2. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob eine solche Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen.
Zum Urteil/Schlusssanträge


Entsprechend den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes Pfleger (C-390/12) und Berlington (C-98/14), werden dem Glücksspielunternehmer subjektive Rechte unmittelbar aus den Grundrechten eingeräumt, wodurch einschränkende Maßnahmen (s.u.a. Gambelli, Zenatti, Costa, Pfleger), eine Beschränkung der mit Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit darstellen können..

Alle unverhältnismäßigen Maßnahmen gegen die freie Berufsausübung stellen Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit dar und sind somit rechtswidrig und schadenersatzpflichtig.
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Diese Entscheidungen binden alle Mitgliedstaaten und verpflichten die nationalen Behörden zur Einhaltung dieser Vorgaben.
Das ergibt sich aus dem grundsätzlichen Anwendungsvorrang des EU-Rechts vor dem nationalen Recht. Kollidiert eine nationale Vorschrift mit unmittelbar anwendbarem EU-Recht, verliert sie ihre Anwendbarkeit. Handelt es sich bei der dann nicht anwendbaren nationalen Norm um eine Rechtsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts, fehlt es diesem somit dementsprechend an einer dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes gerecht werdenden Rechtsgrundlage.
Der Verwaltungsakt ist schon deshalb rechtswidrig. VerwProzR_Rn_659-690

vgl. BayVGH: Untersagung rechtswidrig 
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Es spricht nicht für eine gute Verwaltung, gem. Art. 41 GRCh (Recht auf eine gute Verwaltung) und gute Verwaltungspraxis, gem. Art. 4 (Europäischer Kodex für gute Verwaltungspraxis) wenn der Unternehmer gezwungen wird, auf die Einhaltung berechtigter Interessen und geschützter Positionen oder zu deren Durchsetzung erst klagen zu müssen!
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VS

Sportwetten-Fall aus Sonthofen beschäft EU-Gericht
In Deutschland erfordert das Veranstalten von Sportwetten eine Genehmigung. Wer ohne Lizenz ein Glücksspiel veranstaltet, macht sich strafbar. Die Lizenzen werden aber von den meisten Bundesländern seit Jahren nicht erteilt – ein Vorteil für staatliche Wettveranstalter....
Die Betreiberin der „Sportsbar“ wurde angeklagt, weil sie keine deutsche Erlaubnis für die Wetten besaß. Die Staatsanwaltschaft Kempten wirft ihr vor, unerlaubtes Glücksspiel betrieben zu haben....
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Alles begann mit einer Razzia in einem Lokal in Sonthofen
"Faktisch liegt keine Erlaubnis vor", erklärt Richterin Gramatte-Dresse den Fall in Sonthofen. Aber kann man jemanden bestrafen, wenn er faktisch gar keine Möglichkeit hatte, die Erlaubnis einzuholen, die ihm aufgrund der Dienstleistungsfreiheit vermutlich zusteht? Mit dieser Frage muss sich jetzt der Gerichtshof beschäftigen. Gramatte-Dresse wartet wie viele ihrer Kollegen gespannt auf die Entscheidung der Luxemburger Richter, denn es gebe viele ähnliche Fälle.
"Es ist durchaus mutig von einer Amtsrichterin, das dem EuGH vorzulegen", sagt Anwalt Arendts. "Das wird eine der wichtigsten Entscheidungen im Glücksspielrecht."
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Glücksspielregulierung: Platzt der Knoten?
Von Johannes Richardt

Ein gerichtlicher Beschluss aus Hessen und Ereignisse auf EU-Ebene verweisen einmal mehr auf die gescheiterte deutsche Glücksspielregulierung. Von einer freiheitlichen Wende in der Glücksspielpolitik kann man aber nicht sprechen, findet Johannes Richardt.

Beginnt nun endlich die dringend notwendige politische Debatte über die chaotischen Zustände im deutschen Glücksspielwesen? Aktuelle Ereignisse in Hessen lassen zumindest darauf hoffen, dass die Verteidiger des Status Quo mit ihrer Schweige-, Ausweich- und Verzögerungstaktik an ihre Grenzen gestoßen sind. Hochrichterlich wurde in Hessen Mitte letzter Woche das für jeden halbwegs Eingeweihten bereits lange Offensichtliche festgestellt: Das Scheitern des aktuellen Regelwerks.
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Glücksspiel: Permanenz in Inkohärenz  (Auszug)
Von Dirk Uwer

Intransigenz und Selbstreferenzialität der Glücksspielaufsichtsbehörden verhindern eine angemessene Regulierung der Glücksspielmärkte. Es geht hauptsächlich darum, das öffentliche Glücksspielmonopol gegen höherrangiges Recht und die Marktrationalität zu verteidigen, meint Dirk Uwer.
„Mit der Einleitung des EU-Pilot-Verfahrens wird ein weiteres Mal die fehlende Kohärenz der deutschen Glücksspielgesetzgebung in Zweifel gezogen“
Wenn Kubickis Verdikt Ausdruck einer Hoffnung gewesen sein sollte, dass der damit überfällige personelle Wechsel auf der administrativen Fachebene eine Neujustierung der fortschreitend irrationalen Glücksspielpolitik der Länder erleichtern würde, so wurde sie nicht erfüllt. 
An der Spitze des sog. Glücksspielkollegiums steht immer noch jener Ministerialrat im bayerischen Innenministerium, der den gescheiterten ersten Glücksspielstaatsvertrag und dessen im Scheitern begriffenen Nachfolger maßgeblich mit entworfen hat.
Er beeinflusst seitdem die Glücksspielpolitik der Länder unabhängig davon, wer gerade unter ihm Minister ist und wie die politischen Mehrheitsverhältnisse sind. Und er ist wiederum Federführer, wenn die Länder in die jüngste Abwehrschlacht gegen die Zumutungen der Europäischen Kommission ziehen, das marktabschottende deutsche Glücksspielrecht erneut auf seine Europarechtskonformität zu überprüfen.

Mit der Einleitung des sog. EU-Pilot-Verfahrens [2] hat die Kommission nicht nur das gerade vor den deutschen Verwaltungsgerichten scheiternde Sportwetten-Konzessionsverfahren aufgegriffen, sondern ein weiteres Mal auch die fehlende Kohärenz der deutschen Glücksspielgesetzgebung insgesamt massiv in Zweifel gezogen.

Paternalistische Camouflage

Die Kommission zögert dabei auch nicht, einen der rechtsstaatlich verwerflichsten Aspekte der Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags [3] hervorzuheben. Gemeint ist der ordnungsrechtlich camouflierte, auf Täuschung namentlich der Gerichte angelegte Kampf der Länder gegen die 2006 vom Bundeskartellamt und (bestätigend) 2008 vom Bundesgerichtshof verbotene Umsatzaufteilung zwischen den Landeslotteriegesellschaften. Gemeint ist auch die Neutralisierung jeglichen, aus fiskalischer Sicht unerwünschten Wettbewerbs um die Umsätze gewerblicher Lotterievermittler. [4]

......Der Steuerzugriff muss aber freiheitsschonend sein, die Steuer bedarf der Rechtfertigung und fordert legitimatorisch eben jene „Kultur des Maßes“. [15] An diesen Anforderungen scheitert die Glücksspielmonopol-Politik der Länder schon deshalb, weil sie die fiskalischen Wirkungen der Steuer (Einnahmen für die Landeshaushalte) nicht-steuerlich durch Missbrauch des Ordnungsrechts auf illegitime Weise zu erreichen versucht. Das ist im Rechtsstaat des Grundgesetzes verfassungswidrig, unethisch und ineffizient:
„Wer Spielsucht verhindern will, darf nicht selbst Spiele anbieten und daran verdienen, wer sie kanalisieren will, soll private Anbieter regulieren, wer an ihr verdienen will, soll Steuern erheben. In anderen Bereichen der menschlichen Schwächen wird dies schon längst so gehandhabt – deswegen gibt es keine staatlichen Schnapsläden und keine Bundeszigarettenmanufaktur“, kommentierte die FAZ in einer Glosse am 9. August 2006.
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