Sonntag, 18. Oktober 2015

Deutschland droht Vertragsverletzungsverfahren


Mit einem Pilotverfahren hatte die für den Binnenmarkt zuständige Abteilung der Brüsseler Behörde Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren angedroht.
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Drei Monate hatten die zuständigen Beamten jetzt Zeit, die Attacke der EU-Kommission auf die deutsche Glücksspielregulierung abzuwenden. Das fertige Antwortschreiben, über mehrere Wochen hinweg von den Chefs der Staatskanzleien zusammengefügt, ist jetzt in Brüssel eingetroffen; es liegt der Süddeutschen Zeitung vor.
"Die deutschen Behörden gehen davon aus, dass es sich bei dem vorhandenen Rechtskonzept um eine kohärente Gesamtregelung des Glücksspiels handelt", heißt es darin.

Hinter den teils ausweichend formulierten Antworten sind sich die Bundesländer aber nicht so einig, wie es auf den ersten Blick scheint. Gemeinsam regulieren sie weitgehend die Lotto-, Wett- und Casinobranche. Für die meisten Bereiche sieht das Gesetz strenge Regeln vor, für Lotterien gilt nach wie vor ein Staatsmonopol.  
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In der mündl. Verhandlung der Rs. Ince; C-336/14 widersprach Herr Braun, der Vertreter der Europäischen Kommission, der Bundesregierung.

Die Kommission teile die Bedenken des Vorlagegerichts. 

Bis jetzt habe Deutschland keinen Nachweis für die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der deutschen Glücksspielregelungen geliefert. Es bestehe weiterhin ein faktisches Monopol. Das neu eingeführte Konzessionssystem habe daran bisher nichts geändert. Auch sei die Übergangsregelung unzulässig.
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s.a.:
Sportwettenkonzessionsverfahren am Ende
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Dirk Uwer führt auf Seite 12 seines Rechtsgutachtens “Die unwahre Gesetzesbegründung” aus:

Im Falle des 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrags kam eine weitere prozedurale Komplikation hinzu, die gleichfalls ohne Präzedenz ist:

Angesichts der massiven, vor allem  europarechtlich akzentuierten Kritik am Vertragsentwurf billigte die Ministerpräsidentenkonferenz diesen zwar, stellte seine Ratifizierung jedoch unter den Vorbehalt einer „abschließenden positiven Stellungnahme der Europäischen Kommission im Notifizierungsverfahren“, das nach der technischen Richtlinie 98/34/EG einzuleiten war.

In der am 20. März 2012 bekannt gewordenen Stellungnahme verweigerte die Kommission aber eine solche abschließend positive Beurteilung.

Welche Bedeutung die Länder dem Brüsseler Votum tatsächlich beimaßen, zeigt sich indes an der Äußerung eines Beamten aus der von den Chefs der Staatskanzleien (CdS) eingesetzten Arbeitsgruppe für den Glücksspielstaatsvertrag vor Eingang der Stellungnahme der Kommission, man werde die Ratifizierung unabhängig von deren Ergebnis einleiten.

Dahinter steckt ein manipulatives Verhaltensmuster:

Schon die schriftliche Anhörung zum Glücksspielstaatsvertrag Ende 2006 war durch massive Ergebnisbeeinflussung geprägt. Obwohl rund 90 umfangreiche, ganz überwiegend ablehnende Stellungnahmen eingegangen waren, kamen die Glücksspielreferenten nach nur fünf Arbeitstagen zur Auswertung aller Stellungnahmen zu dem – später falsifizierten – Ergebnis, dass der Vertragsentwurf verfassungs- und europarechtskonform sei.

Die daraufhin gestellten Akteneinsichtsanträge, sämtliche zugehörigen Unterlagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurden abgelehnt. In der Tischvorlage zur entscheidenden Ministerpräsidentenkonferenz am 13. Dezember 2006 hieß es zu den geheim gehaltenen Stellungnahmen lapidar, es hätten sich „keine neuen Aspekte in der Sache“ ergeben.
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Staatshaftung in Europa: Nationales und Unionsrecht
herausgegeben von Oliver Dörr S. 391

Nach dem Bundesverwaltungsgericht musste auch der BGH am 16.04.2015 in der Rs. III ZR 204/13 bestätigen, dass das Sportwettenmonopol 2008 unionsrechtswidrig sei, womit erneut gegen das Wettbewerbs- und Kartellrecht der Europäischen Union verstoßen wurde und das unionsrechtliche Schadenersatzrecht zum tragen kommt. (vgl. G. Meeßen, Der Anspruch auf Schadensersatz bei Verstößen gegen EU-Kartellrecht – Konturen eines europäischen Kartelldeliktsrechts, Tübingen 2011, S. 256 f.) 
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AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Wettbewerbsregeln (Art. 101 - 109); Staatliche Beihilfen (Art. 107 - 109) 
„Art. 101 AEUV – Ersatz des Schadens, der durch ein nach diesem Artikel verbotenes Kartell verursacht wurde. 

EuGH in der Rs. Krone (C-557/12) v. 5. Juni 2014 zum Kartellrecht


„Art. 101 AEUV – Ersatz des Schadens, der durch ein nach diesem Artikel verbotenes Kartell verursacht wurde

20      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Art. 101 Abs. 1 AEUV und 102 AEUV in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Wirkungen erzeugen und unmittelbar in deren Person Rechte entstehen lassen, die die nationalen Gerichte zu wahren haben (vgl. Urteile BRT und Société belge des auteurs, compositeurs et éditeurs, 127/73, EU:C:1974:25, Rn. 16, Courage und Crehan, EU:C:2001:465, Rn. 23, sowie Manfredi u. a., EU:C:2006:461, Rn. 39).

21      Die volle Wirksamkeit des Art. 101 AEUV und insbesondere die praktische Wirksamkeit des in seinem Abs. 1 ausgesprochenen Verbots wären beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist (Urteile Courage und Crehan, EU:C:2001:465, Rn. 26, Manfredi u. a., EU:C:2006:461, Rn. 60, Otis u. a., C-199/11, EU:C:2012:684, Rn. 41, sowie Donau Chemie u. a., C-536/11, EU:C:2013:366, Rn. 21).

22      Daher kann jedermann Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen, wenn zwischen dem Schaden und einem nach Art. 101 AEUV verbotenen Kartell oder Verhalten ein ursächlicher Zusammenhang besteht (Urteile Manfredi u. a., EU:C:2006:461, Rn. 61, sowie Otis u. a., EU:C:2012:684, Rn. 43).

23      Das Recht eines jeden, Ersatz eines solchen Schadens zu verlangen, erhöht nämlich die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union und ist geeignet, Unternehmen von – oft verschleierten – Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen können; damit trägt es zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Europäischen Union bei (Urteile Courage und Crehan, EU:C:2001:465, Rn. 27, Manfredi u. a., EU:C:2006:461, Rn. 91, Pfleiderer, EU:C:2011:389, Rn. 29, Otis u. a., EU:C:2012:684, Rn. 42, sowie Donau Chemie u. a., EU:C:2013:366, Rn. 23).

24      In Ermangelung einer einschlägigen Unionsregelung ist die Regelung der Modalitäten für die Ausübung dieses Rechts einschließlich derjenigen für die Anwendung des Begriffs „ursächlicher Zusammenhang“ Aufgabe der innerstaatlichen Rechtsordnung des einzelnen Mitgliedstaats, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu beachten sind (Urteil Manfredi u. a., EU:C:2006:461, Rn. 64).

25      Daher dürfen die Vorschriften über die Rechtsbehelfe, die den Schutz der dem Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig sein als bei entsprechenden Rechtsbehelfen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. Urteile Courage und Crehan, EU:C:2001:465, Rn. 29, Manfredi u. a., EU:C:2006:461, Rn. 62, Pfleiderer, EU:C:2011:389, Rn. 24, sowie Donau Chemie u. a., EU:C:2013:366, Rn. 27).

26      Dabei dürfen diese Vorschriften speziell im Bereich des Wettbewerbsrechts nicht die wirksame Anwendung der Art. 101 AEUV und 102 AEUV beeinträchtigen (vgl. Urteile VEBIC, C-439/08, EU:C:2010:739, Rn. 57, Pfleiderer, EU:C:2011:389, Rn. 24, sowie Donau Chemie u. a., EU:C:2013:366, Rn. 27).

27      Im Ausgangsverfahren trägt ÖBB-Infrastruktur vor, ein Teil des ihr entstandenen Schadens sei durch das fragliche Kartell verursacht worden, das es ermöglicht habe, den Marktpreis so hoch anzusetzen, dass auch nicht am Kartell beteiligte Wettbewerber von diesem Marktpreis, der höher gewesen sei, als er es ohne das Kartell gewesen wäre, hätten profitieren können, sei es in Bezug auf die Gewinnspanne oder auch nur in Bezug auf die Überlebensspanne, wenn sie aufgrund ihrer Kostenstruktur unter normalen Wettbewerbsbedingungen vom Markt hätten verdrängt werden können.

28      Die Beteiligten, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, bestreiten nicht, dass eine Erscheinung wie das „umbrella pricing“ unter bestimmten Umständen als mögliche Folge eines Kartells anerkannt sei. Dagegen machen die Rekurswerberinnen des Ausgangsverfahrens im Wesentlichen geltend, es sei nicht opportun, das Unionsrecht dahin auszulegen, dass es auf das „umbrella pricing“ gestützte Schadensersatzansprüche („umbrella claims“) anerkenne.

29      Hierzu ist festzustellen, dass der Marktpreis einer der wichtigsten Gesichtspunkte ist, die ein Unternehmen bei der Festsetzung des Preises berücksichtigt, zu dem es seine Waren oder Dienstleistungen anbietet. Gelingt es einem Kartell, den Preis für bestimmte Produkte künstlich hoch zu halten, und sind bestimmte Marktbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Art des Produkts oder der Größe des von diesem Kartell erfassten Marktes, erfüllt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich das nicht am Kartell beteiligte konkurrierende Unternehmen entschließt, den Preis für sein Angebot höher festzusetzen, als es dies unter normalen Wettbewerbsbedingungen, d. h. ohne das Kartell, getan hätte. In einem solchen Kontext ist jedoch festzustellen, dass der Kartellaußenseiter seine Entscheidung über die Festsetzung eines Angebotspreises, auch wenn sie als eine völlig autonome Entscheidung anzusehen ist, unter Bezugnahme auf einen Marktpreis treffen konnte, der durch dieses Kartell verfälscht worden und damit wettbewerbswidrig war.

30      Folglich gehört, anders als Schindler Aufzüge und Fahrtreppen sowie Schindler Liegenschaftsverwaltung vortragen, die Schädigung des Kunden eines nicht an einem Kartell beteiligten, aber von den wirtschaftlichen Bedingungen des „umbrella pricing“ profitierenden Unternehmens durch einen Angebotspreis, der höher ist, als er es ohne dieses Kartell gewesen wäre, zu den möglichen Folgen des Kartells, die den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben können.

31      Bezüglich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass das österreichische Recht einen Schadensersatzanspruch in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens kategorisch ausschließt, weil davon ausgegangen wird, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem entstandenen Schaden und dem betreffenden Kartell in Ermangelung einer vertraglichen Beziehung zu einem Kartellbeteiligten durch die eigenständige Entscheidung des Unternehmens, das nicht am Kartell beteiligt ist, aber aufgrund des Kartells einen höheren Preis festgesetzt hat („umbrella pricing“), unterbrochen wurde.

32      Zwar ist, wie in Rn. 24 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Bestimmung der Regeln für die Anwendung des Begriffs „ursächlicher Zusammenhang“ grundsätzlich Aufgabe des innerstaatlichen Rechts des einzelnen Mitgliedstaats. Nach der in Rn. 26 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen diese nationalen Regeln jedoch die volle Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts der Union sicherstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil VEBIC, EU:C:2010:739, Rn. 63). Sie müssen daher speziell das mit Art. 101 AEUV verfolgte Ziel berücksichtigen, das darin besteht, die Aufrechterhaltung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt zu gewährleisten und damit Preise, die unter den Bedingungen eines freien Wettbewerbs festgesetzt werden. Infolgedessen hat der Gerichtshof, wie in Rn. 22 des vorliegenden Urteils ausgeführt, entschieden, dass die nationalen Regeln jedermann das Recht zuerkennen müssen, Ersatz des ihm entstandenen Schadens zu verlangen.

33      Die volle Wirksamkeit von Art. 101 AEUV wäre aber in Frage gestellt, wenn das jedem zustehende Recht, Ersatz des ihm entstandenen Schadens zu verlangen, nach dem nationalen Recht kategorisch und unabhängig von den speziellen Umständen des konkreten Falles vom Vorliegen eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs abhängig gemacht würde und aufgrund der Tatsache ausgeschlossen wäre, dass der Betroffene vertragliche Beziehungen nicht zu einem Kartellbeteiligten, sondern zu einem Kartellaußenseiter hatte, auch wenn dessen Preispolitik eine Folge des Kartells ist, das zu einer Verfälschung der auf wettbewerbsorientierten Märkten herrschenden Preisgestaltungsprozesse beigetragen hat.

34      Daher kann ein durch das „umbrella pricing“ Geschädigter den Ersatz des ihm durch die Mitglieder eines Kartells entstandenen Schadens verlangen, obwohl er keine vertraglichen Beziehungen zu ihnen hatte, wenn erwiesen ist, dass dieses Kartell nach den Umständen des konkreten Falles und insbesondere den Besonderheiten des betreffenden Marktes ein „umbrella pricing“ durch eigenständig handelnde Dritte zur Folge haben konnte, und wenn diese Umstände und Besonderheiten den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben konnten. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

35      Kone und Otis machen geltend, dass mit Klagen auf Ersatz des Schadens, der durch die aufgrund des „umbrella pricing“ erhöhten Preise entstanden sei, ein Strafschadensersatz verlangt werde, da dem Schaden von ÖBB-Infrastruktur keine Bereicherung der Rekurswerberinnen des Ausgangsverfahrens gegenüberstehe. Dazu ist jedoch festzustellen, dass die Regeln über die außervertragliche Haftung die Höhe eines ersatzfähigen Schadens nicht von dem Gewinn abhängig machen, den der Schadensverursacher erzielt hat.

36      Kone und Otis tragen weiter vor, dass ein solcher Schadensersatz geeignet sei, die Bereitschaft der betroffenen Unternehmen zur Unterstützung der Ermittlungshandlungen der Wettbewerbsbehörden zu vermindern, was dem Effektivitätsgrundsatz widerspreche. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Kronzeugenregelung eine von der Kommission mit ihrer Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2006, C 298, S. 17) eingeführte Regelung ist, die keine Gesetzeskraft besitzt und für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich ist (Urteil Pfleiderer, EU:C:2011:389, Rn. 21). Folglich kann die Kronzeugenregelung dem Einzelnen nicht das Recht nehmen, vor den nationalen Gerichten den Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihm durch einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV entstanden ist.

37 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 101 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Auslegung und Anwendung des innerstaatlichen Rechts eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach es aus Rechtsgründen kategorisch ausgeschlossen ist, dass die an einem Kartell beteiligten Unternehmen zivilrechtlich für Schäden haften, die daraus resultieren, dass ein an diesem Kartell nicht beteiligtes Unternehmen in Anbetracht der Machenschaften des Kartells seine Preise höher festgesetzt hat, als es dies ohne das Kartell getan hätte.