Mittwoch, 25. September 2013

Umsatzsteuer: Erwerb eines Portfolios zahlungsgestörter Forderungen keine steuerbare Leistung

EuGH-Entscheidung (vom 27. Oktober 2011 C-93/10 -GFKL-) s.u.

Nr. 63 vom 18. September 2013
Umsatzsteuer: Erwerb eines Portfolios zahlungsgestörter Forderungen keine steuerbare Leistung des Forderungskäufers an den Verkäufer
Urteil vom 04.07.13   V R 8/10

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte zu entscheiden, ob eine ausländische Firma, die ein Portfolie von zahlungsgestörten Forderungen in einem einheitlichen Vorgang von einer Großbank kauft, eine umsatzsteuerbare Leistung an die Verkäufer-Bank erbringt, für die nach der Sondervorschrift des § 13 b des Umsatzsteuergesetzes die Bank die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen muss und ob die Verkäufer-Bank im Zwischenzeitraum zwischen Vertragsschluss und Stichtag ("cut off date") Leistungen an den Forderungskäufer erbringt.

Finanzamt und Finanzgericht vertraten die Rechtsauffassung, der Forderungskäufer erbringe eine Factoring-Leistung an die verkaufende Bank, weil dieser die Bank von der Mühe der weiteren Verwertung der Forderungen durch Einziehung und Zwangsvollstreckung entlaste.

Der BFH gab der Klage im Anschluss an ein neueres Urteil des EuGH (vom 27. Oktober 2011 C-93/10 -GFKL-) statt. Die Verkäufer-Bank erbringt mit der Übertragung der Forderungen eine (umsatzsteuerfreie) Leistung an den Forderungskäufer. Der Forderungskäufer seinerseits erbringt indes keine Leistung an den Forderungsverkäufer, indem er die Verkäufer-Bank von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen entlastet. Nach einem Verkauf der Forderungen liegt die weitere Verwaltung und Vollstreckung der Forderungen nicht mehr im Interesse des Verkäufers, sondern im alleinigen Interesse des Forderungskäufers.

Auch mit Blick auf zusätzliche Aufwendungen, die in dem Zeitraum zwischen dem vereinbarten Stichtag für die Ermittlung des Werts des übertragenen Portfolios ("cut off date") und dem Tag der Abtretung der Forderungen erforderlich sind, erbringt der Forderungsverkäufer keine gesonderte zusätzliche steuerbare Leistung an den Forderungskäufer, weil es sich um eine unselbständige Nebenleistung zum steuerfreien Forderungsverkauf handelt.

Bundesfinanzhof
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Quelle

Zusammenfassung der Entscheidung

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 4.7.2013, V R 8/10

Keine entgeltliche Factoring-Leistung beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen - Anwendungsbereich des § 41 Nr. 6 ZPO

Leitsätze

1. Ein Unternehmer, der ein Portfolio von zahlungsgestörten Forderungen erwirbt, erbringt an den Forderungsverkäufer grundsätzlich selbst dann keine entgeltliche Leistung, wenn er diesen von der weiteren Verwaltung und Vollstreckung der Forderungen entlastet (Anschluss an das EuGH-Urteil vom 27. Oktober 2011 C-93/10, GFKL, UR 2011, 933, DStR 2011, 2093, und BFH-Urteil vom 26. Januar 2012 V R 18/08, BFH/NV 2012, 678).

2. Soweit wegen Rückbeziehung der übertragenen Forderungen auf einen zurückliegenden Stichtag der Forderungsverkäufer noch das Portfolio verwaltet, liegt hierin eine unselbständige Nebenleistung zum steuerfreien Forderungsverkauf, die das rechtliche Schicksal der Hauptleistung teilt.
Zum Urteil


URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
27. Oktober 2011(*)
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 – Geltungsbereich – Begriffe ‚Dienstleistungen gegen Entgelt‘ und ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ – Verkauf zahlungsgestörter Forderungen – Kaufpreis unter dem Nennwert dieser Forderungen – Übernahme des Forderungseinzugs und des Ausfallrisikos durch den Käufer“

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 1, Art. 4, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 2 und 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

Rechtssache C-93/10
Finanzamt Essen-NordOst ./. GFKL Financial Services AG

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der auf eigenes Risiko zahlungsgestörte Forderungen zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine entgeltliche Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie erbringt und keine in ihren Geltungsbereich fallende wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt.

Urteil und Schlussanträge